OGH 10Ob95/98p

OGH10Ob95/98p17.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer, Dr.Danzl und Dr.Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. R. Kaan, Dr. H. Cronenberg, Dr. H. Radl und Dr. St. Moser, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr.Karin S*****, Rechtsanwältin, ***** vertreten durch Dr.Herbert Klinner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit (Streitwert S 150.000 sA) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2.Dezember 1997, GZ 2 R 227/97p-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 22.Juli 1997, GZ 5 Cg 94/95d-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Streitentscheidend ist im vorliegenden Rechtsfall die Auslegung eines Vertrages, mit dem der klagenden Partei bzw ihrer Rechtsvorgängerin die Grunddienstbarkeit "des freien Eingangs, der freien Einfahrt, des freien Ausgangs und der freien Ausfahrt" an der Liegenschaft der Beklagten zugestanden wurde. Es handelt sich dabei um eine Vertragsauslegung im Einzelfall, der nur dann die Qualifikation einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommt, wenn das Berufungsgericht die allgemein gültigen Auslegungsgrundsätze verletzt hat und eine Korrektur des Ergebnisses dieser Auslegung im Interesse der Rechtssicherheit geboten erscheint.

Das Ausmaß einer Dienstbarkeit, also der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse, richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung nach ständiger Rechtsprechung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RIS-Justiz RS0011720). Wie bei jeder Auslegung ist auch bei der Interpretation eines Servitutsbestellungsvertrags zunächst vom Wortlaut auszugehen; dem von den Parteien der Vertragsbestimmung beim Vertragsabschluß beigelegte Verständnis gebührt jedoch in jedem Fall der Vorrang, und zwar vor jedem anderen Auslegungskriterium. Läßt sich ein solches übereinstimmendes Verständnis nicht ermitteln, dann hat eine normative Interpretation unter besonderer Berücksichtigung des Zwecks der Servitutseinräumung stattzufinden; der Zweck ist im Zweifel an der Beschaffenheit der beteiligten Liegenschaften zu messen. Ist das von der klagenden Partei beanspruchte Recht vom Verständnis der Parteien bei Vertragsabschluß gedeckt, dann kommen die Prinzipien des § 484 ABGB nicht mehr zur Anwendung (OGH 29.4.1997, 1 Ob 29/97i; RIS-Justiz RS0107851).

Nach den schlüssigen Darlegungen des Berufungsgerichtes verfolgte die Dienstbarkeitsabrede nach den aus den Umständen des konkreten Einzelfalls hervorleuchtenden Verständnis der Vertragspartner und ungeachtet des Wortlautes ("für den Betrieb des Bierdepots") den Zweck, durch Einräumung eines Wegerechtes generell die Erreichbarkeit der rückwärts gelegenen Liegenschaft vom öffentlichen Gut aus sicherzustellen; daß dies nur für den Fall gelten sollte, daß oder solange der Eigentümer dieser Liegenschaft ein Bierdepot betreibe, könne nicht angenommen werden, weil das mit der Servitutsbestellung verbundene Interesse eine Einschränkung auf nur eine Betriebsart am herrschenden Gut nicht zulasse.

Die geltend gemachte Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit wegen eines Verstoßes gegen § 405 ZPO liegt nicht vor: Die Beklagte hat das Fortbestehen der Dienstbarkeit insbesondere mit dem Argument bestritten, die klagende Partei habe die Nutzung der Liegenschaft als Bierdepot inzwischen aufgegeben. Das Berufungsgericht war mit Rücksicht auf diese Einwendung berechtigt, dem Urteilsspruch über das Feststellungsbegehren ("zeitlich unabhängig vom Betrieb eines Bierdepots") eine klare und deutliche, vom Wortlaut des Begehrens abweichende Fassung zu geben, die sich im wesentlichen mit dem Begehren deckt (RIS-Justiz RS0039357). Auch insoweit wird eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt.

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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