OGH 6Ob370/97y

OGH6Ob370/97y26.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag.jur.Karl Liebenwein, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 30.September 1997, GZ 37 R 412/97f-35, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beklagte Gesellschaft mbH veranstaltet Mozart-Konzerte durch historisch kostümierte Musiker in Wien (Konzerthaus, Musikvereinssaal und Hofburg) und verteilt durch höchstens zwei, fallweise historisch kostümierte Orchestermitglieder ("Mozart-Kostüm") im Bereich der im Eigentum des klagenden Bundes stehenden Hofburg in Wien, und zwar ausschließlich am stark frequentierten Gehsteig vor dem Eingang Schweizer Tor, ausschließlich an interessierte Passanten Informationsmaterial und wirbt für ihre Veranstaltungen bzw akquiriert Kunden für diese, all dies ohne Genehmigung durch die klagende Partei. Die Liegenschaft der klagenden Partei ist nicht mit einer Dienstbarkeit belastet. Zwar ist der beklagten Partei mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 8.Februar 1995 gemäß § 82 Abs 1 StVO 1960 idgF zu bestimmten Zeiten die Erlaubnis erteilt, durch eine als "Mozart" verkleidete Person in den Straßen Wiens an Fußgänger Zettel zu verteilen, jedoch ist von dieser öffentlich-rechtlichen Bewilligung ua der Bereich Hofburg ausdrücklich ausgenommen.

Die Vorinstanzen gaben im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren auf Unterlassung des Verteilens von Informationsmaterial sowie das Werben für ihre Veranstaltungen insbesondere durch kostümierte Personen sowie Akquisitionstätigkeiten teilweise, und zwar räumlich beschränkt auf den "Gehsteig vor dem Eingang Schweizer Tor" statt und wiesen das (räumlich darüber hinausgehende) Mehrbegehren (Bereich der gesamten Hofburg) ebenso ab wie das - insoweit unangefochtene - Mehrbegehren, daß der beklagten Partei auch das Aufstellen bzw Auflegen von Koffern mit Werbematerial im gleichen örtlichen Bereich untersagt werde.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur außerordentlichen Revision der beklagten Partei: Die klagende Partei erhebt als Grundeigentümer mit ihrer Eigentumfreiheitsklage (actio negatoria) nach § 523 ABGB, die der Abwehr jeder Störung des Eigentums gegen unberechtigte Eingriffe dient, einen privatrechtlichen Unterlassungsanspruch. Solche Unterlassungsansprüche, deren Voraussetzungen dem materiellen Recht angehören (SZ 56/124, SZ 64/137, SZ 68/145; Pimmer in Schwimann § 523 ABGB Rz 22 mwN), müssen sich aus einer vertraglichen Verpflichtung, einer speziellen gesetzlichen Anordnung oder aus der Beeinträchtigung eines absolut wirkenden Rechtes (SZ 68/145) wie des Eigentumsrechtes ergeben. Dem Liegenschaftseigentümer steht aber keine Einflußnahme auf Maßnahmen zu, die im Rahmen des Gemeingebrauches getroffen werden (SZ 53/38 = EvBl 1980/201; 1 Ob 24/91; SZ 68/145 ua; RIS-Justiz RS0009787; Petrasch in Rummel2 § 523 ABGB Rz 10). Kann sich der Beklagte auf ein Recht zum Eingriff berufen, mag dieses nun im privaten oder öffentlichen Recht wurzeln, oder halten sich seine Maßnahmen im Rahmen des Gemeingebrauches, so ist die Negatorienklage mangels Rechtswidrigkeit des Eingriffes abzuweisen (1 Ob 24/91 mwN ua).

Die Fahrbahnen und Gehsteige (§ 2 Abs 1 Z 10 StVO 1960) im Bereich der Hofburg sind Straßen mit öffentlichem Verkehr iSd § 1 Abs 1 StVO 1960. Das Anbieten von Eintrittskarten auf Straßen iSd § 2 Abs 1 Z 1 StVO 1960 ist eine Benützung der Straße zu anderen Zwecken als jenen des Straßenverkehrs (VwSlg 12059 [A]). Gleiches hat für die Verteilung von Werbematerial zu gelten. Daß das von der beklagten Partei gesetzte Verhalten qualitativ (vgl dazu Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 706) an sich über den Gemeingebrauch eines Gehsteiges hinausgeht, ist evident. Der Gemeingebrauch wird gewöhnlich als eine Art öffentlich-rechtlicher Dienstbarkeit angesehen. Soweit der Gemeingebrauch reicht, kommt dem Eigentümer lediglich die rechtliche Verfügungsbefugnis über die Sache, aber nicht die tatsächliche Sachherrschaft zu. Das Eigentumsrecht kann demnach nur soweit ausgeübt werden, als es mit dem Gemeingebrauch nicht in Widerspruch steht (SZ 34/49, SZ 53/16 ua, zuletzt 3 Ob 2125/96p = SZ 69/101 mwN). Sondernutzungen von Sachen im Gemeingebrauch bedürfen dagegen - je nach der im Einzelfall anzuwendenden Rechtsgrundlage - entweder einer behördlichen Bewilligung oder einer privatrechtlichen Gestattung durch den Verfügungsberechtigten (SZ 52/62; JBl 1994, 476, zuletzt SZ 69/101 mwN; Pimmer aaO § 287 ABGB Rz 10 mwN; Walter/Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts2, 538; Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 706).

Fehlt es an einer bindenden Entscheidung der zuständigen Straßenrechtsbehörde, können die Gerichte über Bestand und Umfang des Gemeingebrauches als Vorfrage entscheiden (SZ 53/38; RZ 1984/18 ua, zuletzt SZ 69/101; Petrasch aaO § 523 Rz 2; Spielbüchler in Rummel2 § 287 ABGB Rz 6; Fasching I 86). Im vorliegenden Fall liegt dazu der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vor, wonach der beklagten Partei für den Zeitraum 13.April bis 16.April 1995 (täglich) und vom

1. bis 30.Mai 1995 (ausgenommen sonntags) das Zettelverteilen in der Hofburg gerade nicht gestattet wird. An diesen Bescheid ist das Gericht gebunden, insoweit ist ihm eine eigenständige Beurteilung des Gemeingebrauches versagt. Für die im Bescheid genannten Zeiträume ist das Fehlen eines Gemeingebrauches bereits evident. Für die übrigen Zeiträume liegt jedenfalls nach dem maßgeblichen Aktenstand kein Bescheid der Verwaltungsbehörde vor, sodaß die Frage des Gemeingebrauches vom Gericht als Vorfrage zu entscheiden ist. Gemäß § 82 Abs 1 erster Satz StVO 1960 ist für die Benützung von Straßen ... zu anderen Zwecken als solchen des Straßenverkehrs, zB zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Die beklagte Partei bestreitet dies gar nicht, nimmt allerdings für sich die wohl auch für den Verkauf von Konzertkarten analog anzuwendende Ausnahmebestimmung des § 82 Abs 3 lit a StVO 1960 in Anspruch. Danach ist eine Bewilligung nach Abs 1 nicht erforderlich für gewerbliche Tätigkeiten auf Gehsteigen oder Gehwegen ohne feste Standplätze. Im vorliegenden Fall erfolgt der Verkauf der Konzertkarten und die Werbung dafür durch die beklagte Partei aber gerade nicht "ohne feste Standplätze", denn nach den maßgeblichen Feststellungen der Tatsacheninstanzen geschieht diese gewerbliche Tätigkeit der beklagten Partei räumlich beschränkt, und zwar ausschließlich am Gehsteig vor dem Schweizer-Tor der Hofburg. Derartiges kann aber dem Sachverhaltselement "ohne feste Standplätze" nicht mehr subsumiert werden. Die beklagte Partei kann somit für die von ihr ausgeübte Wirtschaftswerbung weder eine entsprechende behördliche Sondernutzungsbewilligung noch Gemeingebrauch noch eine privatrechtliche Gestattung durch den verfügungsberechtigten Grundeigentümer in Anspruch nehmen.

Auf das Spannungsverhältnis zum absoluten Verbot des § 78 lit c StVO 1960, den Fußgängerverkehr auf Gehsteigen und Gehwegen in Ortsgebieten zu behindern, auf welche Bestimmung im genannten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien ausdrücklich Bezug genommen wird, muß nicht mehr eingegangen werden.

Erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO stellen sich somit nicht.

b) Zur außerordentlichen Revision der klagenden Partei: Die Vorinstanzen wiesen das Mehrbegehren, die beklagte Partei habe ihre Werbe- und Verkaufstätigkeiten nicht nur vor dem Schweizer Tor, sondern im Bereich der gesamten Hofburg zu unterlassen, ab, weil Voraussetzung für die Zulässigkeit einer (insoweit) vorbeugenden Unterlassungsklage ernsthaft eine Beeinträchtigung noch vor einem erfolgten Eingriff drohen müsse, sich jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt kein Hinweis auf eine solche Begehungsgefahr für die Zukunft ergebe. Die Zulässigkeit eines vorbeugenden Unterlassungsanspruches ist nach den Vorschriften des materiellen Rechtes zu beurteilen. Das Gesetz läßt vorbeugende Unterlassungsklagen ua zum Schutz vor Eingriffen in dingliche Rechte, insbesondere im Rahmen des Nachbarrechtes (§§ 364, 523 und 339 ABGB) zu. Ob die Gefahr (hier räumlich) weiterer Eingriffe nach den besonderen Umständen tatsächlich droht und insoweit ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis des Bedrohten vorliegt, betrifft schon wegen der Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Ob zum Grundbuchskörper der EZ 1 Grundbuch Innere Stadt Wien die gesamte Hofburg (alte und neue Burg einschließlich der dazu gehörigen Freiflächen) gehört, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Auch der Spruchfassung bei einem Unterlassungsbegehren kommt keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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