OGH 4Ob60/98x

OGH4Ob60/98x24.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Attila T*****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und Dr. Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Alexander H*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 241.900,-- sA, infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 26. November 1997, GZ 6 R 125/97t-36, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 17. April 1997, GZ 16 Cg 264/96v-28, für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Der Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit wird stattgegeben. Das Verfahren wird einschließlich Klagezustellung für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 35.224,80 (darin S 5.870,80 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 20.323,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 3.387,30 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Der Antrag des Klägers, das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als zuständiges Gericht zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt S 241.900,-- sA. Der Beklagte habe für ihn eine Liegenschaft in Paraguay verkauft; an restlichem Kaufpreis stünden dem Kläger S 191.900,-- und aus einem dem Beklagten gewährten Darlehen S 50.000,-- zu.

Der Kläger gab die Anschrift des Beklagten in der Klage mit "***** H*****" an. Da die Klage dem Beklagten unter dieser Anschrift nicht zugestellt werden konnte, beantragte der Kläger, die Klage dem Beklagten an seinem "derzeitigen Aufenthaltsort" in Paraguay zuzustellen. Das angerufene Gericht sei dennoch zuständig, weil der Beklagte einerseits seinen Wohnsitz in H***** beibehalten habe, andrerseits aber auch über Vermögen in Österreich verfüge. Der Beklagte sei Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ***** und Ein-Vierzehntel-Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, beide Grundbuch ***** H*****, gewesen. Mit Übergabsvertrag vom 16.9.1994 habe er seine Miteigentumsanteile an seine Tochter Vera H***** übertragen. Der Beschluß über die grundbücherliche Durchführung des Übergabsvertrages sei erst nach Einbringung der Klage rechtskräftig geworden. Im Übergabsvertrag habe die Übernehmerin dem Beklagten ein Wohnungsrecht eingeräumt und sich verpflichtet, den Beklagten zu pflegen. Aus dieser Vereinbarung sei die Absicht des Beklagten abzuleiten, seinen bisherigen Wohnsitz nicht aufzugeben. Das Wohnungsrecht und das zugunsten des Beklagten einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot seien Vermögensrechte im Sinne des § 99 JN. Eine Rechtsverfolgung in Paraguay sei unmöglich und unzumutbar.

Der Beklagte wandte ein, daß das angerufene Gericht unzuständig sei und die inländische Gerichtsbarkeit fehle. Er wohne seit 1989 nicht mehr in H*****, sondern ständig in Paraguay. Er habe mittlerweile die paraguayanische Staatsbürgerschaft erworben. Die Klageforderung hänge unmittelbar mit einem Grundstück des Klägers in Paraguay zusammen; sie sei nach paraguayanischem Recht zu beurteilen.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes. Der Beklagte habe längere Zeit vor der Klageeinbringung zumindest seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht mehr in H***** gehabt; auch sein Liegenschaftsvermögen sei vor diesem Zeitpunkt bücherlich übertragen worden. Das dem Beklagten im Übergabsvertrag eingeräumte Versorgungs- und Wohnrecht sei aber ein Vermögen im Sinne des § 99 JN, von dem nicht zu vermuten sei, daß sein Wert unverhältnismäßig geringer sei als der des Streitgegenstandes.

Das Rekursgericht erklärte das Verfahren vor dem Gericht erster Instanz einschließlich Klagezustellung "aus Anlaß des Rekurses" für nichtig und wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, daß der Beklagte seinerzeit Eigentümer von Liegenschaften gewesen sei. Die im Übergabsvertrag übernommene Reallast des Ausgedinges begründe ebenso wie das Belastungs- und Veräußerungsverbot höchstpersönliche Rechte des Beklagten, die keine Vermögensrechte im Sinne des § 99 JN seien.

Rechtliche Beurteilung

1. Der gegen diese Entscheidung gerichtete - gemäß § 521a Abs 1 Z 3 ZPO zweiseitige und daher rechtzeitige (§ 521 Abs 1 ZPO) - Revisionsrekurs des Klägers ist gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig, weil eine Entscheidung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt. Das Rekursgericht hat entgegen § 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht ausgesprochen, ob der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; eine Verbesserungsauftrag hat sich jedoch mangels Bindung an den Ausspruch erübrigt (§ 526 Abs 2 ZPO).

Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, daß der Kläger seinen Wohnsitz in H***** nicht aufgegeben habe. Das zeigten das ihm im Übergabsvertrag eingeräumte Wohnrecht und die von der Übernehmerin übernommene Pflegeverpflichtung. Auch die Vereinbarung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes sei nur sinnvoll, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in H***** beibehalten wolle. Der Beklagte habe bei Klageeinbringung (6.11.1995) über ausreichendes Vermögen in Österreich verfügt, weil der Beschluß über die grundbücherliche Durchführung des Übergabsvertrages erst am 1.12.1995 rechtskräftig geworden sei. Das Wohnungsrecht, der Pflegeanspruch und das Belastungs- und Veräußerungsverbot seien zwar nicht wirtschaftlich verwertbar, sie räumten aber dem Beklagten für den Fall einer Veräußerung oder Zwangsversteigerung der belasteten Liegenschaftsanteile einen vermögensrechtlichen Anspruch ein. Hilfsweise werde beantragt, das Erstgericht gemäß § 28 JN als zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Rechtsverfolgung in Paraguay sei unmöglich und unzumutbar; eine in Paraguay gefällte Entscheidung werde in Österreich weder anerkannt noch sei sie hier vollstreckbar.

Dem ist folgendes zu erwidern:

Gemäß § 66 Abs 1 JN wird der allgemeine Gerichtsstand einer Person durch deren Wohnsitz begründet. Von einem Wohnsitz kann nur dann gesprochen werden, wenn neben dem tatsächlichen Aufenthalt an einem bestimmten Ort die erweisliche Absicht, dort einen bleibenden Aufenthalt zu nehmen, nach außen hin erkennbar wird (JBl 1985, 629 = RZ 1985/53; RIS-Justiz RS0046600). Reisen und längere geschäftliche oder dienstliche Aufenthalte an anderen Orten vermögen den einmal begründeten Wohnsitz nicht zu beenden, solange die - sich aus den Umständen des Einzelfalles allenfalls auch schlüssig ergebende - Absicht fortbesteht, am bisherigen Ort den bleibenden Aufenthalt weiter bestehen zu lassen. Wesentlich ist, ob Umstände vorliegen, die dauernde Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (Mayr in Rechberger, ZPO § 66 JN Rz 2 mwN).

Der Beklagte wohnt seit Jahren nicht mehr in H*****. Zwischen ihm und seinem früheren Wohnort besteht nur insofern eine Beziehung, als dem Beklagten ein Wohnrecht in dem Haus zusteht, das bis 1995 in seinem Hälfteeigentum stand und nun je zur Hälfte seiner Ehegattin und seiner Tochter gehört. Daß sich der Beklagte im Übergabsvertrag ein Wohnrecht einräumen und die allenfalls notwendige Pflege zusichern ließ, läßt noch nicht darauf schließen, daß der Beklagte seinen Wohnsitz in H***** weiterbestehen lassen wollte. Es ist genauso denkbar, daß sich der Beklagte nur eine Wohnmöglichkeit offenhalten wollte. Die Wohnmöglichkeit wird durch das seiner Tochter auferlegte Belastungs- und Veräußerungsverbot gesichert; auch daraus kann nicht geschlossen werden, daß der Beklagte seinen Wohnsitz nicht aufgeben wollte, als er vor Jahren H***** verließ und nach Paraguay verzog. Die im vorliegenden Fall gegebenen Umstände reichen daher nicht aus, um auf die Absicht des Beklagten zu schließen, seinen Wohnsitz in Hausmannstätten weiterbestehen lassen zu wollen.

Der Gerichtsstand nach § 99 JN setzt voraus, daß sich im Sprengel des angerufenen Gerichtes Vermögen des Beklagten befindet, dessen Wert nicht unverhältnismäßig geringer ist als der Wert des Streitgegenstandes. Dabei muß es sich um Werte handeln, die auch für andere Personen als den Beklagten verwertbar sind (JBl 1974, 269; EvBl 1991/182 = RdW 1991, 325 = RZ 1993/20; RIS-Justiz RS0046710).

Das dem Beklagten eingeräumte Wohnungsrecht in dem von ihm und seiner Ehegattin gemeinsam zu bewohnenden Zimmer mit dem Recht der Mitbenützung der übrigen Räume des Hauses und die ihm zugesicherte Pflege sind nicht übertragbar; sie sind daher nur für den Beklagten von wirtschaftlichem Wert. Ob der Beklagte in einem allfälligen Zwangsversteigerungsverfahren eine Abgeltung in Geld erhalten könnte, ist unerheblich, weil es nur darauf ankommt, ob die ihm eingeräumten Rechte im Zeitpunkt der Klageeinbringung nicht nur für ihn, sondern auch für Dritte einen wirtschaftlichen Wert haben. Daß auch das Belastungs- und Veräußerungsverbot keinen wirtschaftlichen Wert in diesem Sinn besitzt, liegt auf der Hand.

Der Übergabsvertrag war im Zeitpunkt der Klageeinbringung bücherlich durchgeführt. Ob der Beschluß über die Einverleibung auch bereits rechtskräftig war, ist unerheblich, weil er in der Folge rechtskräftig geworden ist und der Eigentumserwerb in dem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem das Grundbuchsgesuch beim Grundbuchsgericht eingelangt ist (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 8 zu § 431 mwN aus der Rechtsprechung). Im Zeitpunkt der Klageeinbringung war der Beklagte daher nicht mehr Eigentümer der von ihm übergebenen Liegenschaftsanteile.

Der Kläger kann sich demnach weder auf den Gerichtsstand des § 66 JN noch auf den des § 99 JN berufen. Sein Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben. Der angefochtene Beschluß war aber mit der Maßgabe zu bestätigen, daß der Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit stattgegeben wird. "Aus Anlaß des Rekurses" wäre das Verfahren nur nichtig erklären zu gewesen, wenn das Rekursgericht den Nichtigkeitsgrund nicht auf Einrede, sondern von Amts wegen wahrgenommen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

2. Zum Ordinationsantrag

Die Bestimmung eines Gerichtes als örtlich zuständig setzt voraus,

daß inländische Gerichtsbarkeit besteht (SZ 58/109 = JBl 1986, 191

[Pfersmann]; JBl 1988, 323 = RdW 1988, 133; RIS-Justiz RS0046454).

Inländische Gerichtsbarkeit ist nur gegeben, wenn eine berücksichtigungswürdige Inlandsbeziehung des Verfahrensgegenstandes oder der Parteien vorliegt, die sich entweder in einer Ortsgebundenheit der Parteien oder einer Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes zeigt (ZfRV 1996, 195; RIS-Justiz RS0103600). Der inländische Wohnsitz des Klägers (JBl 1992, 330 = ÖBA 1991, 831; RIS-Justiz RS0046290) schafft für sich allein ebensowenig eine ausreichende Inlandsbeziehung wie die Unterfertigung einer zwischen den Streitteilen geschlossenen Vereinbarung in Österreich (ZfRV 1996, 195; RIS-Justiz RS0103601).

Der Kläger fordert vom Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens und die Herausgabe des um die vereinbarte Provision verminderten Verkaufserlöses, den der Beklagte bei der Veräußerung eines Grundstückes des Klägers in Paraguay erzielt haben soll. Der Kläger behauptet, die Vereinbarung über die Veräußerung seines Grundstückes in Österreich geschlossen zu haben. Gegenstand dieser Vereinbarung war aber ein Grundstück in Paraguay; demgegenüber tritt die durch den Unterfertigungsort geschaffene - für sich allein ohnehin nicht ausreichende - Inlandsbeziehung zurück. Eine weitere Inlandsbeziehung besteht nur durch den inländischen Wohnsitz des Klägers; auch sie reicht nicht aus, um die inländische Gerichtsbarkeit zu begründen. Ob die Rechtsverfolgung in Paraguay unmöglich oder unzumutbar ist, ist bei dieser Sachlage nicht mehr maßgebend. § 28 Abs 1 Z 2 JN idF WGN 1997 BGBl I 1997/140 ist hier noch nicht anzuwenden (Art XXXII Z 8 dieses Gesetzes).

Der Ordinationsantrag mußte erfolglos bleiben.

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