OGH 5Ob25/98g

OGH5Ob25/98g10.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Brauerei S*****, vertreten durch Dr.Peter Berethalmy, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Dr.Friedrich H*****, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 46a Abs 3 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2.Dezember 1997, 40 R 557/97a, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7.Oktober 1997, 46 Msch 77/95g-33, bestätigt wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß unter Berücksichtigung der in Rechtskraft erwachsenen teilweisen Abänderung wie folgt wiederhergestellt wird:

"Es wird für Zwecke der auf § 46a Abs 3 MRG gestützten und ab 1.1.1995 wirksam werdenden Mietzinsanhebung festgestellt, daß der angemessene monatliche Hauptmietzins für das Bestandobjekt 1010 Wien, S*****gasse 7, bestehend aus top 3 (Bestandräumlichkeiten der Gastwirtschaft L***** im Erdgeschoß mit einer Nutzfläche von 413,69 m2 und des Restaurants K***** im ersten Keller mit einer Nutzfläche von 453,79 m2 sowie im zweiten Keller mit einer Nutzfläche von 303,80 m2) und top 14 (Wohnung im fünften Stock mit einer Nutzfläche von 259,65 m2) zum Stichtag Februar 1990 (Verpachtung) S 207.444,-

beträgt.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen zu Handen seines Vertreters an Barauslagen S 2.765,- zu ersetzen."

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist (so steht es jedenfalls in diesem Verfahren fest) Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten im Haus 1010 Wien, S*****gasse 7, das dem Antragsgegner gehört. Das Mietobjekt umfaßt Räumlichkeiten im Erdgeschoß im Ausmaß von 413,69 m2, Kellerräumlichkeiten von 453,79 m2 und 303,80 m2 sowie eine Wohnung (top 14) im fünften Stock des Hauses mit 259,93 m2, insgesamt also eine Nutzfläche von 1.431,21 m2. Es wird für gastgewerbliche Zwecke genutzt.

Das im Bestandobjekt in zwei Geschäftskategorien geführte Gastronomieunternehmen wurde im Februar 1990 von der Antragstellerin an Harald L***** und Susanne V***** verpachtet. Die beiden betreiben das Unternehmen in zwei Geschäftskategorien, und zwar im Erdgeschoßbereich eine Wiener Gastwirtschaft der gehobenen (ersten) Klasse, nämlich das Restaurant L***** mit einer Bierschwemme, einem Schankraum, einem Gastraum, 2 Stüberln, einem Bankettraum mit Wiener Küche und Schanigarten, im Keller des Hauses das Restaurant "K*****", das in seinem Standard ebenso der ersten Kategorie zuzuordnen ist. Die nähere Beschreibung der beiden Restaurants läßt sich dem erstinstanzlichen Sachbeschluß (Seite 5 bis 7 der ON 33) entnehmen.

Die Mietrechte der Antragstellerin bestehen seit 1933 Mieterin. Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses waren bereits Elektro-, Gas- und Wasserinstallationen samt den entsprechenden Abflüssen und WC-Anlagen etc. vorhanden. Die Antragstellerin hat aber seit der Anmietung umfangreiche Erneuerungsarbeiten durchgeführt und im Lauf der Jahrzehnte dem veränderten Konsumentenverhalten durch Raumadaptierungen, insbesondere im Bereich der Decken, Wände und Böden sowie des Inventars Rechnung getragen.

Das im Bestandobjekt seit Anmietung durch die Antragstellerin betriebene Gastgewerbeunternehmen ist seit rund 40 Jahren verpachtet, seit 1.3.1990 an die jetzigen Pächter. Im Herbst 1990 hat die Antragstellerin mit einem Kostenaufwand von S 365.672,- Keller und Personalräume sanieren lassen. Im Jahr 1991 sind um S 381.945,- die Gaststätten und die WC-Anlagen von der Antragstellerin bzw den nunmehrigen Pächtern saniert worden. Im Jahr 1993 erfolgte der Umbau der Schank und der vorderen Gaststätte mit einem Aufwand von S 1,277.565,-, wobei für das Inventar zuzsätzlich noch S 2,407.097,-

aufgegangen sind. Auch diese Investitionen sind von Antragstellerbzw Pächterseite getätigt worden. Im Jahr 1994 wurden für S 129.069,-

laufende Instandsetzungsarbeiten (Windfang, Türeneinbau etc) getätigt, im Jahr 1995 mußte nach einem Brand die Küche wieder hergestellt werden, wobei gleichzeitig ein Umbau durch- geführt wurde. Die Kosten hiefür beliefen sich inklusive Inventar auf S 2,714.723,-. Auszugehen ist bei den genannten Stichtagen seit Februar 1990 von einem einfachen Ausstattungs- und Substanzzustand.

Die Wohnung top Nr.14 im fünften Stock des Hauses befand sich im Zeitpunkt der Übergabe an die Antragstellerin in einem durch Kriegseinwirkung bombengeschädigten Zustand. Es konnten nur die Räume an der Straßenfront S*****gasse und die dahintergelegenen Bereiche genutzt werden. Die übrigen Räumlichkeiten wurden als Lager verwendet. Bei Anmietung waren eine WC-Anlage, Wasser-, Strom- und Gasanschluß vorhanden, eine Heizung ist bis heute nicht installiert. Von Mieter- bzw Pächterseite wurde in die Wohnung ein zweites Bad installiert, wobei Gas- Warmwasserbereiter und Installationen aus den 70er Jahren stammen. Anfang der 90er Jahre (nach Abschluß des Pachtvertrages mit den nunmehrigen Pächtern) ist die Wohnung instandgesetzt und saniert worden, konkret die Wand-, Böden- und Deckenbeschichtungen.

Die Bestandflächen befinden sich in bester Innenstadtlage auf einer Dreifrontenliegenschaft S*****gasse/ M*****/ Mö***** knapp am S*****ring mit dem Verkehrsknotenpunkt S*****passage mit den Endstellen zahlreicher Straßenbahnlinien sowie der Zu- und Ausstiegsmöglichkeit zur U *****. In unmittelbarer Umgebung befinden sich die Universität und weitere wirtschaftliche und kommunale Einrichtungen. Die Lage dieses Standorts im Zentralsystem der Stadt ist als sehr gut zu bezeichnen, im System hierarchischer Zentren innerhalb von Städten sogar als sehr gut. Innerhalb der als sehr gut beschriebenen Geschäftslagen gibt es allerdings weitere Differenzierungsmöglichkeiten; die Lagen Kärntnerstraße, Kohlmarkt, Graben wären beispielsweise als noch besser zu bewerten.

Die Lokalflächen sind an beiden Straßenachsen unschwer über breit angelegte Gehsteigflächen von allen Fronten erreichbar, wobei die Gehsteigflächen so breit sind, daß im Sommer ein Schanigarten mit sechzig Sitzplätzen betrieben werden kann. Die optimale Erreichbarkeit ist durch das Vorhandensein der zahlreichen öffentlichen Verkehrs- mittel gegeben. Die Parkplatzsituation hingegen ist wie im gesamten innerstädtischen Bereich als beengt zu bezeichnen, wobei sich allerdings in nahezu unmittelbarer Umgebung Parkgaragen befinden. Durch die Situierung der Lokalflächen über zwei Straßenfronten sowie die Nutzung der Fassadenflächen für den Namenszug, die Werbeembleme im Gebäudeschrägbereich sowie durch ins Auge fallende Markiesen bzw Überdachungen bei den Lokaleingängen, das Vorhandensein breiter Fenster und Türachsen sind die Bestandflächen gut erkennbar. Auch der Schanigarten dient als Blickfang.

Im Erdgeschoß beträgt die Relation der Netto-Gastraumflächen zu den voll genutzten Nebenflächen wie Küche, Sanitäranlagen etc. 60 % zu 40 %, im Keller ist von einer Relation der Netto-Gastraumflächen zu den Nebenräumen wie Service-, Anrichtestelle-, Zugangs- und WC-Bereich für Gäste einerseits bzw die Lagerräume, Zugangsteile und Personalräume andererseits von 47 % zu 20 % zu 33 % auszugehen. Für die Beheizung und die Warmwasserbereitung wird im zweiten Keller eine Fläche von 69,48 % genutzt, die verbleibenden Flächen im zweiten Kellergeschoß im Umfang von 234,23 m2 (rund 77 %) dienen als Lagerflächen. Von der gesamt gemieteten Fläche im Erdgeschoß, erster Keller und zweiter Keller kann eine Fläche von rund 90 % aktiv genutzt werden, im zweiten Kellerbereich besteht eine Überkapazität von rund 10 % zur Gesamtnutzfläche. Die Konfiguration der Räumlichkeiten im Erdgeschoß und im ersten Keller ist als sehr gut zu bezeichnen.

Der innerstädtische Bereich zeichnet sich durch eine Vielzahl verschiedenster gastronomischer Einrichtungen aus, von Restaurants der gastronomischen Spitzenklasse über Gasthäuser mit Wiener Küche und Bierschänken bis hin zu Getränkebars, Snackbars, Schnellimbisse, Bars und Diskotheken. Die Innenstadt weist einen guten Branchenmix auf. Durch die Vielzahl der verschiedenartig geführten Gastronomie- und Vergnügungseinrichtungen wird das Innenstadtleben aktiviert, was dazu führt, daß eine Konkurrenzierung innerhalb derselben Geschäftszweige bzw Branchen kaum gegeben ist. Die Lage des Bestandobjektes selbst ist sowohl für das Tages-, Abend- als auch Nachtgeschäft geeignet, weshalb insgesamt die Lage der vermieteten Lokalflächen im Erdgeschoß erster und zweiter Keller als sehr gut zu bezeichnen ist.

Die Lage der Wohnung im fünften Stock kann als sehr begehrt und ausgezeichnet bezeichnet werden, wobei durch die Anordnung der Räume über zwei Straßenachsen und die hofseitig gelegenen Räumlichkeiten eine Aufgliederung in Aufenthalts- und Schlafräume bestens möglich ist. Die Größe der Wohnung ermöglichte den Einbau zweier Bäder, WC-Anlagen sowie die Anordnung mehrerer Salons. Die Infrastruktur zur Abdeckung des täglichen Bedarfes ist durch eine im Haus befindliche Meinl-Filiale sowie durch in unmittelbarer Umgebung situierte Geschäfte wie Bäckerei, Fleischerei, Trafik, diverse Fachgeschäfte, Büchereien, Textilgeschäfte, Juweliere etc als bestens zu bezeichnen. Die unmittelbare Nähe zu den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Zentrumslage und die Nähe zu den kommunalen Einrichtungen ist gegeben, weshalb insgesamt die Lage der Wohnung als sehr gut zu bezeichnen ist.

Der Ausstattungs- und Erhaltungszustand ist zu den Bewertungsstichtagen Februar 1990 (Verpachtung), 1.3.1994 (Inkrafttreten des 3.WÄG), November 1994 (Zustellung des später noch zu erwähnenden Anhebungs- begehrens) und 1.1.1995 (begehrter Anhebungszeitpunkt) hinsichtlich der Geschäftsflächen als einfach und gut minus zu bezeichnen, der Ausstattungs- und Erhaltungszustand für die Wohnung als einfach und mäßig. Größe und Konfiguration der Geschäftsflächen sind mit einer gewissen Einschränkung (daß nämlich 10 % der Gesamtfläche auf eine überdimensionierte Lagerfläche entfällt) als sehr gut zu qualifizieren; aufgrund der guten Konfiguration der einzelnen Geschosse konnte jedoch eine gesamtbewirtschaftete Netto-Gastraumfläche von knapp 460 m2 (ohne Schanigarten) geschaffen werden. Sohin ermöglichen Konfiguration und Größe der Geschäftsräumlichkeiten die Bereitstellung sämtlicher aus arbeitsrechtlicher bzw gewerberechtlicher Sicht notwendigen Räumlichkeiten. Größe und Konfiguration der Geschäftsflächen sind als sehr gut zu bezeichnen, Größe und Konfiguration Wohnung als bestens. Die Geschäftsflächen im Erdgeschoß und im ersten Kellerbereich sind für Geschäftstätigkeiten bestens geeignet, der zweite Kellerbereich ist für Lagerzwecke und die Unterbringung der Heiztechnik ebenfalls als gut geeignet anzusehen, die Wohnung eignet sich für Wohnzwecke bestens.

Hinsichtlich der Art der im Bestandobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit ist davon auszugehen, daß im Erdgeschoß und im ersten Kellergeschoß zwei verschiedene Betriebe geführt werden, nämlich im Erdgeschoß eine typische Wiener Gastwirtschaft der ersten Kategorie und im Kellergeschoß ein Restaurant der ersten Kategorie.

Hinsichtlich beider Betriebsarten wurde jeweils der nachhaltig erzielbare Umsatz errechnet (es sei insoweit auf die ausführliche Wiedergabe des SV-Gutachtens im Sachbeschluß der ersten Instanz verwiesen). Er ergab einen jährlich verbleibenden Höchstwert für Mietaufwendungen von S 1,382.481,35 (monatlich S 115.206,78) für ein mit der Gastwirtschaft L***** vergleichbares Unternehmen und von S 570.675,65 jährlich (S 47.556,30 monatlich) für ein mit dem Restaurant K***** vergleichbares Unternehmen. Insgesamt beträgt somit der monatlich verbleibende Höchstaufwand für Mietaufwendungen S 162.763,08 und unter Berücksichtigung eines geschätzten Betriebskostenanteiles (inklusive Liftbetriebskosten von S 28.080,-) S 134.683,08.

Der nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessene Hauptmietzins für das verfahrensgegenständliche Mietobjekt betrug im Zeitpunkt der Verpachtung S 207.444,- und reduzierte sich zu den Stichtagen 1.3.1994, November 1994 und 1.1.1995 auf S 164.446,-. Der nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ermittelte Höchstaufwand für Mietaufwendungen beträgt, wie erwähnt, bei vergleichbaren Unternehmen netto S 134.683,08 (bezogen auf 1994/95).

Aus Anlaß der Verpachtung des Unternehmens wird der Antragstellerin gemäß § 46a Abs 3 MRG (nach einem der Antragstellerin am 22.11.1994 übermittelten schriftlichen Anhebungsbegehren) seit dem 1.1.1995 unter Zugrundelegung eines mit S 405.197,- als angemessen bezifferten monatlichen Hauptmietzinses ein zunächst (von S 28.201,50) auf S 53.334,53 erhöhter Hauptmietzins vorgeschrieben. Die Antragstellerin hat daraufhin gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG bei der Schlichtungsstelle die Überprüfung des Hauptmietzinses beantragt; über Betreiben der Antragsgegnerin ist das Verfahren schließlich gemäß § 40 Abs 2 MRG zum Gericht gelangt. Die beiderseitigen Verfahrensstandpunkte unterscheiden sich vor allem darin, wie sich die Art der im Bestandobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit auf die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses auswirkt. Die Antragsgegnerin brachte auch noch vor, daß die Antragstellerin als Verpächterin den Mietzins ohnehin zur Gänze auf die Pächter überwälze, was im Rahmen der sozialen Komponente des angemessenen Hauptmietzinses (neben der konkreten Unternehmensform) zu berücksichtigen sei.

Das Erstgericht stellt fest, daß der gemäß § 46a Abs 3 MRG angemessene Hauptmietzins für das verfahrensgegenständliche Objekt zum Stichtag Februar 1990 S 207.444,- und zu den Stichtagen 1.3.1994, November 1994 und 1.1.1995 S 164.446,- netto betrage. In rechtlicher Hinsicht legte es zusammengefaßt dar, daß es bei der Ermittlung des nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Hauptmietzinses auf die Verhältnisse bei Pachtbeginn, somit Februar 1990, ankomme. Was die Berücksichtigung der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit anlangt, stützte sich das Erstgericht auf die Entscheidung OGH 22.4.1997, 5 Ob 109/97h, und zog aus ihr den Schluß, daß nur die Ausübung einer ertragsschwachen Geschäftstätigkeit, die noch dazu aus sozialen Gründen schutzwürdig sei, zu einem Abschlag von sonst im Sinne des § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzins führen könne. Gastronomiebetriebe gehörten allerdings grundsätzlich keiner typischerweise ertragsschwachen Branche an. Weder Luxusrestaurants wie das K***** noch Wiener Gasthäuser der gehobenen Klasse wie das "L*****" dienten aufgrund ihrer hohen Preise der Versorgung der Bevölkerung mit Sachgütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs. Deshalb sei der angemessene Hauptmietzins ohne wertmindernde Branchenberücksichtigung zu ermitteln und errechne sich mit monatlich S 207.443,-.

Das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht änderte diese Entscheidung dergestalt ab, daß es den für das verfahrensgegenständliche Mietobjekt angemessenen Hauptmietzins (bezogen auf die Verhältnisse im Verpachtungszeitpunkt) mit monatlich S 180.000,- feststellte. Es führte zu der im Revisionsrekursverfahren noch relevanten Rechtsfrage, ob in der Branche der gehobenen Gastronomie überhaupt eine Mäßigung des angemessenen Hauptmietzinses zu rechtfertigen sei (andere vom Rekursgericht beantwortete Rechtsfragen werden im Revisionsrekursverfahren nicht mehr angeschnitten), folgendes aus:

Es sei zu klären, ob nach den vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 109/97h entwickelten Richtlinien im gegenständlichen Fall eine Branchenberücksichtigung Platz greifen kann. Gleichsam in Abgrenzung zu jener Meinung, wonach eine Branchenberücksichtigung überhaupt auf Hochpreislagen und Nahversorger beschränkt sei (so Würth/Zingher, Wohnrecht 94, Rz 5 zu § 12a MRG), sodaß die Einschränkung nur im zentralen städtischen Bereich für Kleingewerbetreibende und Kleinkaufleute zum Tragen komme, sei der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis gelangt, daß die Regelung einerseits nicht auf Nahversorger allein beschränkt sei, andererseits aber typischerweise nicht von Ertragsschwächen geplagte Handels- oder Erzeugerketten jedenfalls ausscheiden. Ist der Geschäftszweck des zu beurteilenden Unternehmens nicht die Versorgung der Bevölkerung mit Sachgütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, bedürfe es zur Erfüllung der hier vorausge- setzten sozialen Komponente konkreter Anhaltspunkte für eine besondere Schutzwürdigkeit der betreffenden Branche. In diesem Zusammenhang habe die Antragstellerin zu Recht darauf hingewiesen, daß es sich beim antragsgegenständlichen Unternehmen um einen alteingesessenen Familienbetrieb handle. Auch wenn ein gehobener Gastronomiebetrieb nicht als Nahversorger zu qualifizieren sei, müsse die Erhaltung gastronomischer Betriebe vielfältigster Art, insbesondere solcher, die Wiener Küche anbieten, im innerstädtischen Bereich als wünschenswert erkannt werden. Eine zunehmende Beschränkung des Angebotes auf Fast-Food-Ketten, die wohl als einzige auf dem gastronomischen Sektor imstande wären, in Hochpreislagen den "vollen" Mietzins zu erwirtschaften, wäre eine kulturelle Verarmung, der Vorschub leisten zu wollen dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne.

Die typische Ertragsschwäche einer Branche sei nun kein absolut meßbares Kriterium, sondern müsse zwangsläufig in Konnex zur Lage des Objektes beurteilt werden. Es werde daher bei einer Hochpreislage wie der hier gegebenen darauf ankommen, ob der nach den Kriterien des § 16 Abs 1 MRG als angemessen erkannte Hauptmietzins üblicherweise auch von Angehörigen jener Branche bezahlt wird, deren Geschäftstätigkeit der mit dem konkreten Erhöhungsbegehren konfrontierte Mieter ausübt. Das sei nach den erstgerichtlichen und insoweit unbekämpften Feststellungen bei weitem nicht der Fall. Nach dem bei einem Gastronomiebetrieb dieser Art langanhaltend erzielbaren Umsatz betrage nämlich der Höchstaufwand für die Miete des Geschäftslokals S 162.763,08, was einem Hauptmietzins von netto S 134.683,08 entspreche.

Die Art der in Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit begründe daher nach Auffassung des Rekursgerichtes im konkreten Fall durchaus einen Abschlag vom "vollen" Hauptmietzins. Ob durch die Hauptmietzinserhöhung der Mieter selbst, oder aufgrund der konkreten Gestaltung des Pachtvertrages vielmehr der Pächter belastet ist, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil die Erhaltung des verpachteten Unternehmens in beiden Fällen gleichermaßen gefährdet wäre.

Da die Branchenberücksichtigung nur ein zusätzliches Kriterium neben den in § 16 Abs 1 MRG aufgeführten sei, bilde der umsatzbezogene Höchstaufwand für Mietkosten selbstverständlich nicht den höchstzulässigen und als angemessen festzusetzenden Wert. Es sei vielmehr im Sinne des § 273 ZPO, dessen Anwendung die bereits mehrfach zitierte Entscheidung 5 Ob 109/97h dringend empfehle, ein Ausgleich zwischen diesem Betrag als Untergrenze und dem "vollen" Hauptmietzins zu finden. Mit einem Abschlag von etwas mehr als 10 % vom "vollen" Hauptmietzins erscheine die Festsetzung des der Mietzinserhöhung gemäß § 46a Abs 3 MRG zugrunde zu legenden Betrages mit S 180.000,- pro Monat angemessen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit der weitreichenden Bedeutung der Auslegung der inkriminierten Bestimmungen des § 12a Abs 2 bzw des § 46a Abs 2 und 3 MRG sowie der Notwendigkeit einer Verfestigung der in 5 Ob 109/97h entwickelten Grundsätze.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsgegner im wesentlichen geltend, daß sich das Rekursgericht im Widerspruch zu der von ihm selbst zitierten Entscheidung 5 Ob 109/97h befinde. Die Antragstellerin sei weder in einer typischerweise ertragsschwachen Branche tätig noch erfülle die Art ihrer Geschäftstätigkeit eine als schützenswert anerkannte soziale Aufgabe bei der Aufrechterhaltung der Versorgungsstrukturen des betreffenden Gebietes. Ein Braugasthof, der betrieben wird, um dem Hauptmieter den optimalen Absatz der von ihm produzierten alkoholischen Getränke zu ermöglichen bzw schlicht den Bierkonsum zu fördern, erfülle keine schützenswerte soziale Funktion. Auch das Argument, nur Fast-Food-Ketten könnten sich die angemessene Miete leisten, stimme nicht. Die Erfahrung zeige, daß im innerstädtischen Bereich ständig neue Lokalitäten (verschiedenster Art) gegründet werden, die zur Zahlung des angemessenen Mietzinses bereit sind. Letztlich sei das Argument vom "alteingesessenen" Familienbetrieb nur vorgeschoben. Die Antragstellerin gehöre zu den mächtigsten und ertragreichsten Konzernen Österreichs, sei auch im Ausland sehr erfolgreich tätig und bediene sich des Etiketts "Familienbetrieb" nur, um ihre Produkte besser absetzen zu können. Eigenschaften der Pächter, auf deren Auswahl der Antragsgegner keinerlei Einfluß habe, könnten wohl nicht maßgeblich sein.

Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die erstinstanzliche Entscheidung (einschließlich Kostenausspruch) in der Weise wiederherzustellen, daß eine zum maßgeblichen Stichtag Februar 1990 maßgebliche Miete von S 207.444,- festgestellt wird.

Die Antragstellerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig und auch berechtigt.

§ 46a Abs 2 MRG (auf den der hier zu prüfende Anhebungstatbestand des § 46a Abs 3 MRG verweist) schreibt vor, bei der Ermittlung des nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses die Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen. Diese Geschäftstätigkeit kann im konkreten Fall mit dem Betrieb von Restaurants höchstens Standards umschrieben werden. Es geht also nicht um einen Geschäftszweig, der die vom Gesetzgeber typischerweise als schützenswert erachtete Funktion einer Nahversorgung der Bevölkerung mit Sachgütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs erfüllt. Das schließt nach der einschlägigen Judikatur (WoBl 1998, 16/3; 5 Ob 288/97g; 5 Ob 428/97w) eine Ermäßigung des Hauptmietzinses, der vereinfachend ausgedrückt ortsüblich wäre, zwar nicht aus, doch bedarf es konkreter Anhaltspunkte für die vom Gesetzgeber intendierte besondere Schutzwürdigkeit der betreffenden Branche. Diese Schutzwürdigkeit wird anders als bei den typischen Nahversorgern (dazu Näheres in WoBl 1998, 16/3) nicht vermutet, sondern ist vom Mieter darzutun. Es muß nicht nur die Überforderung der üblichen Ertragsmöglichkeiten vergleichbarer Geschäftsbetriebe durch die Einhebung des nach § 16 Abs 1 MRG "vollen" angemessenen Hauptmietzinses feststehen, sondern auch, daß derartigen Geschäftsbetrieben besondere soziale Rücksichtnahme gebührt. Aus beiden Gründen scheiden beispielsweise große Handels- und Erzeugerketten in der Regel aus dem Kreis jener Geschäftsraummieter aus, die durch die fragliche Mietzinsregelung begünstigt werden sollen, selbst wenn sie sich im Geschäftszweig kleingewerblicher Nahversorgung betätigen (WoBl 1998, 16/3). Einerseits liegt bei einem großflächigen Filialnetzbetrieb eine eigenständige Art der Geschäftstätigkeit vor, die durchaus ertragreich sein kann, andererseits würde der primäre Gesetzeszweck, den kleingewerblichen Nahversorgern wegen ihres wertvollen Beitrags zur Aufrechterhaltung gesunder Sozialstrukturen bessere Überlebenschancen zu bieten, verfehlt, wenn die Mietzinsprivilegierung nicht auf Fälle sozialer Indikation beschränkt bleibt. Die Folge wäre ansonsten die vom Gesetzgeber gerade nicht gewollte Verschärfung des Verdrängungswettbewerbs.

Im konkreten Fall ist erwiesen, daß im Geschäftszweig gehobener Gastronomie der im Einzugsbereich des verfahrensgegenständlichen Geschäftslokals ortsübliche, von ertragsstarken Branchen gebotene Mietzins in der Regel nicht erwirtschaftet werden kann. Obwohl die Vermutung nicht dafür streitet, ist also doch die für eine Mietzinsermäßigung notwendige Tatbestandsvoraussetzung einer branchenspezifischen Ertragsschwäche als erfüllt anzusehen, solange mangels konkreter Verfahrensergebnisse nicht davon ausgegangen werden kann, die verfahrensgegenständlichen Gastronomiebetriebe seien nur Teil eines Netzes von Restaurants und Gaststätten der Antragstellerin. Zu prüfen bleibt jedoch noch, ob soziale Gründe vorliegen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, die im Mietgegenstand ausgeübte Art der Geschäftstätigkeit zu privilegieren.

Das Rekursgericht hat einen solchen Rechtfertigungsgrund darin erblickt, daß es wünschenswert erscheint, im innerstädtischen Bereich auch der gehobenen Gastronomie den ihr gebührenden Platz einzuräumen. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, einer Schmälerung der Angebotsvielfalt und damit letztlich einer kulturellen Verarmung Vorschub leisten wollen. Dem ist zwar prinzipiell beizupflichten, doch sind die sozialen Gründe, die der Gesetzgeber bei der Ermittlung des angemessenen Geschäftsraummietzinses für ertragsschwache Branchen berücksichtigt haben wollte, anders zu verstehen. Der Schutz der Mietzinsregelung gilt, wie erwähnt, primär den kleingewerblichen Nahversorgern, also jenen, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung abdecken, und damit mittelbar der Bevölkerung selbst. Anders wäre die Ungleichbehandlung von Geschäftsraummietern und -vermietern auch gar nicht sachlich zu rechtfertigen. Das schließt, wie bereits erwähnt, nicht aus, die Mietzinsbegünstigung im Einzelfall auch Branchen zukommen zu lassen, die nicht zum Kreis traditioneller "Nahversorger" gehören, doch ist immer im Auge zu behalten, daß letztlich die Bevölkerung von der Regelung profitieren soll. Es geht um ihren Schutz, um ihre elementaren Bedürfnisse. Einzelnen Vermietern oder Mietern von Geschäftsräumen durch den nicht marktkonformen Mietzins ein Opfer für die Allgemeinheit aufzuerlegen, läßt sich sachlich rechtfertigen, allenfalls auch noch ein Opfer für besonders schutzbedürftige Teile der Bevölkerung; Mietzinsbeschränkungen sind jedoch bei gebührender Beachtung der Gleichheits- und Eigentumsgarantien unserer Verfassung kein geeignetes Mittel, die Bereitstellung gastronomischer und/oder kultureller Angebote zu sichern, die nur ein Teil der Bevölkerung regelmäßig nutzt. So wichtig und förderungswürdig derartige Angebote auch sind, rechtfertigen sie doch keine Ungleichbehandlung und auch kein finanzielles Sonderopfer bestimmter Vermieter bzw Mieter. Bei richtigem Gesetzesverständnis ist daher für die mietzinsrechtliche Privilegierung von Branchen, die Luxusbedürfnisse befriedigen oder ihr Angebot an einen typischerweise nicht schutzbedürftigen Teil der Bevölkerung richten, kein Raum. Solchen Branchen fehlt die tatbestandsmäßige Schutzwürdigkeit aus sozialen Gründen.

Schon aus diesem Grund kann die Antragstellerin keine Mietzinsermäßigung beanspruchen. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht auch ihre vom Rechtsmittelwerber behauptete Ertragsstärke und Marktmacht im Bereich der Gastronomie, die kleinen Mitbewerbern ebenso gefährlich werden könnten wie die Ertragsstärke und Macht großer Handelsketten den kleingewerblichen Nahversorgern, ein Versagungsgrund wäre.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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