OGH 7Ob368/97m

OGH7Ob368/97m27.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eleonore K*****, vertreten durch Dr.Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald, wider die beklagte Partei Wolfgang K*****, vertreten durch Dr.Werner Bachlechner und Dr.Klaus Herunter, Rechtsanwälte in Köflach, wegen Unterhalt (Streitwert S 54.000) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 13. Oktober 1997, GZ 1 R 336/97g-30, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 29.Juli 1997, GZ 1 C 125/96v-25, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile ist aufrecht. Dieser Ehe entstammen zwei minderjährige Kinder. Der Beklagte ist nach einem am 16.April 1996 vor dem Bezirksgericht Voitsberg geschlossenen Vergleich zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 3.000,-- an die Klägerin verpflichtet. Dem Unterhaltsvergleich lag eine Arbeitslosenunterstützung des Beklagten von S 11.850,-- monatlich zugrunde.

Die Klägerin begehrt die Erhöhung ihres Unterhaltes ab dem 1.Juli 1996 auf monatlich S 4.500,--. Seit dem Abschluß des Unterhaltsvergleiches hätten sich die Einkommensverhältnisse des Beklagten wesentlich geändert. Während er früher als Wärme-, Kälte- und Schallisolierer tätig gewesen sei, habe er nunmehr ein eigenes Unternehmen gegründet, das formell von seiner Lebensgefährtin geführt werde. Er führe dieses Unternehmen auf eigene Rechnung und sei in der Lage, daraus ein monatliches Einkommen von S 17.797,-- zu erzielen.

Der Beklagte bestritt eine Änderung der Verhältnisse. Es sei ihm nach seiner Arbeitslosigkeit und trotz seiner 50 %igen unfallsbedingten Behinderung gelungen, ab dem 1.Juli 1996 eine Arbeit als angelernte Hilfskraft zu bekommen. Er verdiene dort S 11.980,-- netto.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Bezahlung eines weiteren Unterhaltsbetrages ab dem 1.Juli 1996 von S 600,-- (insgesamt sohin S 3.600,--) und wies das Mehrbegehren zur Leistung eines weiteren monatlichen Betrages von S 900,-- ab.

Es ging von nachstehenden Feststellungen aus:

Die Klägerin ist Hausfrau und bezieht - außer den Unterhaltszahlungen des Beklagten - kein laufendes Einkommen. Sie bewohnt im Hause ihrer Eltern mit ihren beiden minderjährigen Kindern zwei Zimmer und bezahlt die dafür anfallenden Betriebskosten.

Der Beklagte zog im November 1994 aus der gemeinsamen Ehewohnung aus und bewohnt im Hause der Inhaberin eines Isolierunternehmens, bei welchem er seit dem 1.Juli 1996 beschäftigt ist, ein Zimmer. Er war seit 8 Jahren im Isoliergewerbe beschäftigt und bei seinem letzten Arbeitgeber als Vorarbeiter tätig.

Seit dem 1.Jänner 1996 bezog er Arbeitslosengeld von S 11.850,-- monatlich. Dieser Betrag lag dem Unterhaltsvergleich vom 16.April 1996 zugrunde. Ab dem 1.Juli 1996 ist er in einem Isolierunternehmen als Wärme-, Kälte- und Schallisolierer beschäftigt und bezieht ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 14.250,-- einschließlich Sonderzahlungen. Die Entlohnung erfolgt nach dem Kollektivvertrag. Er verrichtet Fernwärmeisolierungsarbeiten und betreut Baustellen. Der Beklagte arbeitet an einem geschützten Arbeitsplatz; er ist daher im Winter nicht saisonal bedingt arbeitslos und verfügt über einen erweiterten Kündigungsschutz. Das Isolierunternehmen wird als "integrierter" Betrieb geführt. Darunter wird ein Betrieb verstanden, der sowohl einen Handels- als auch einen Isolierbetrieb führt. Der Beklagte absolvierte die Befähigungsprüfung für die Ausführung des Isoliergewerbes. Dies ist die Voraussetzung für die Registrierung als befähigter Arbeitnehmer. Ohne diese könnte die Inhaberin des Isolierunternehmens zwar den Handelsbetrieb, nicht aber das Isoliergewerbe führen. Dem Beklagten ist die Ausübung des Isoliergewerbes alleine nicht möglich, weil er weder Kenntnis von Buchhaltung bzw Unternehmensführung besitzt.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß sich seit der Unterhaltsvereinbarung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ergeben habe, weil der Beklagte nunmehr über ein monatliches Einkommen von S 14.250,-- verfüge. Der Klägerin stehe davon 25 %, somit S 3.600,-- monatlich zu.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin gegen den klageabweisenden Teil der Entscheidung gerichteten Berufung nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen eines Verfahrensmangels, der in der Unterlassung der Beiziehung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens über die konkreten Verdienstmöglichkeiten im Unternehmen, in welchem der Beklagte beschäftigt ist, erblickt wurde. Ein konkretes Vorbringen in dieser Richtung sei nicht erstattet worden.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen über den vom Beklagten erzielte Verdienst sei auch die Rechtsrüge nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes nicht, die Klägerin habe zur Frage der Anwendung der Anspannungstheorie kein entsprechendes Vorbringen erstattet.

Zwar stellt die Auslegung des Parteienvorbringens im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage dar, doch hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz ausdrücklich behauptet, der Beklagte könne im Betrieb seiner Lebensgefährtin S 17.797,-- monatlich verdienen. Wenn auch eine ausdrückliche Feststellung darüber fehlt, daß die Inhaberin des Betriebes, in dem der Beklagte arbeitet, seine Lebensgefährtin ist, steht doch unbestritten fest, daß er in deren Haus ein Zimmer bewohnt und somit in einem unbestreitbaren Nahverhältnis steht. Damit kommt aber dem Vorbringen, der Beklagte hätte ein entsprechendes Einkommen erzielen können, Bedeutung zu. Das Vorbringen der Klägerin ist daher in diesem Punkt beachtlich. Die Verneinung des Verfahrensmangels beruht daher auf einer aktenwidrigen Grundlage und ist vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen (SZ 53/12; Kodek in Rechberger § 503 Rz 3).

Im fortgesetzten Verfahren sind daher weitere Feststellungen erforderlich, aus welchen Gründen das frühere Arbeitsverhältnis des Beklagten, in dem er 8 Jahre tätig war, endete und welchen Verdienst er aufgrund seiner Ausbildung und Fähigkeiten nunmehr im Betrieb, in dem er derzeit beschäftigt ist, erzielen hätte können.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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