OGH 5Ob368/97x

OGH5Ob368/97x30.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Ilse Huber, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Gerhard L*****, vertreten durch Dr.Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Kainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 140.000,- s.A. (§ 37 Abs 1 Z 14 MRG), infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4.März 1997, GZ 40 R 3/97f-22, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 15.November 1996, GZ 5 Msch 47/94b-18, abgeändert wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Sachbeschluß hat das Rekursgericht in teilweiser Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung (in der von einer Verjährung des geltend gemachten Anspruchs ausgegangen worden war) die Antragsgegnerin schuldig erkannt, dem Antragsteller gemäß § 27 Abs 1 Z 1 und Abs 3 MRG eine zu Unrecht eingehobene Ablöse, konkret S 128.309,- samt 4 % Zinsen seit 12.6.1992 zurückzuzahlen. Strittig ist dabei nur mehr die Frage der Verjährung. Die diesbezüglichen Feststellungen lauten wie folgt:

Die Ablösezahlung erfolgte am 7.8.1989, am 21.7.1992 hat der Antragsteller bei der Schlichtungsstelle den gegenständlichen Rückzahlungsantrag eingebracht. Über Ersuchen des Antragstellers stellte ihm die Schlichtungsstelle am 13.4.1993 eine Bestätigung aus, daß bis zum genannten Tag weder eine Entscheidung gefällt wurde noch ein Vergleichsversuch erfolgreich war. Diese Bestätigung wurde dem Rechtsanwalt des Antragstellers am 15.4.1993 zugestellt; erst am 28.3.1994 (mit Schriftsatz vom 24.3.1994) machte jedoch dieser das Verfahren bei Gericht anhängig.

Das Rekursgericht nahm - im Gegensatz zum Erstgericht - dennoch keine Verjährung des Rückzahlungs- anspruches an. Es sei zwar im gegenständlichen Fall nach wie vor die dreijährige Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG idF vor dem 3.WÄG anzuwenden (Art II Abschnitt II Z 8 der Übergangsbestimmungen), doch habe der Antragsteller ohnehin noch rechtzeitig die Schlichtungsstelle angerufen, und ihm könne auch nicht der Vorwurf einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens gemacht werden.

Auf die Frage der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens sei überhaupt nur einzugehen, weil die Bestimmung des § 27 Abs 3 letzter Satz MRG, wonach die Verjährung eines Rückforderungsanspruches gehemmt ist, solange bei Gericht oder bei der Schlichtungsstelle ein Verfahren über die Höhe des Mietzinses anhängig ist, auf ein ohnehin ins Außerstreitverfahren verwiesenes Geldleistungsbegehren (hier nach § 37 Abs 1 Z 14 MRG) nicht anzuwenden sei.

Die analoge Anwendung des § 1497 ABGB auf die Geltendmachung eines Rückzahlungsanspruches durch Sachantrag im außerstreitigen Mietrechtsverfahren sei allerdings zwingend geboten, weil sonst die Verjährungsfrist trotz Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches bei Gericht (oder Gemeinde) weiterlaufen würde. Das könne nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen sein. Wende man diese Bestimmung an, sei folgerichtig auch die Judikatur zu beachten, wonach dann, wenn der Grund für einen Verfahrensstillstand (auch) in einer Untätigkeit der Behörde liegt, keine besonderen Anforderungen an das Betreiben des Verfahrens durch den Kläger bzw Antragsteller gestellt werden dürfen.

Die "gehörige Fortsetzung der Klage" durch den Berechtigten könne begrifflich nur dann verneint werden, wenn dieser trotz einer (gesetzlich oder richterlich) normierten Pflicht zur Vornahme eine Prozeßhandlung untätig bleibe; der Berechtigte sei aber nicht gehalten, das (von sich aus säumige) Prozeßgericht zu betreiben (Dittrich/Tades ABGB34 E 96a zu § 1497). Dabei sei von Amts wegen zu prüfen, ob der Kläger eine Prozeßhandlung vorzunehmen hatte, um dem Verfahrensstillstand zu begegnen (E 97 aaO).

Die hier dem Antragsteller von der Schlichtungsstelle übermittelte Bestätigung nach § 40 Abs 3 MRG habe die Gemeinde nicht berechtigt, das Verfahren nicht mehr fortzuführen. Gemäß § 40 Abs 3 Satz 2 MRG (gemeint ist § 40 Abs 2 Satz 2 MRG) sei nämlich das Verfahren bei der Gemeinde nur einzustellen, sobald das Begehren bei Gericht angebracht wurde. Die Fortsetzung des Verfahrens sei damit nicht Sache des Antragstellers, sondern der Gemeinde gewesen. Aus der Untätigkeit des Antragsteller könne nicht der Schluß gezogen werden, es sei ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen. Nach der Judikatur (insbesondere RZ 1993/97) dürfe zwar der Kläger nicht auf unbegrenzte Zeit untätig bleiben. Muß er erkennen, daß das Gericht (hier die Gemeinde) von sich aus nicht mehr tätig wird, könne er sich zur Rechtfertigung seiner eigenen Untätigkeit letztlich nicht mehr darauf berufen, das Gericht (die Gemeinde) hätte das Verfahren von sich aus fortsetzen müssen. Eine solche Annahme sei aber erst nach dem Verstreichen einer längeren Zeit der Untätigkeit gerechtfertigt. Mehrere Jahre der Untätigkeit habe der Oberste Gerichtshof stets als ungebührlich gewertet, unter zwei Jahre liegende Zeiträume aber als unschädlich angesehen. Sogar knapp über zwei Jahre liegende Zeiträume der Untätigkeit habe der Oberste Gerichtshof noch als vertretbar erachtet. In der genannten Entscheidung RZ 1993/67 sei er zum Ergebnis gelangt, daß bei Fehlen besonderer Umstände als Maßstab der für die kurze Verjährung selbst normierte Zeitraum von drei Jahren zu gelten habe. Die Untätigkeit des Klägers während eines so langen Zeitraums rechtfertige die Fiktion, daß ihm nichts mehr an der Verfolgung seines Prozeßziels liege. Das gelte allerdings nur dann, wenn die Fortsetzung des Verfahrens ausschließlich dem Gericht obliegt, dem Kläger also nur vorgehalten werden kann, die Betreibung des Verfahrens unterlassen zu haben, obwohl er annehmen konnte, daß das Gericht von sich aus nicht mehr tätig werde. Wenn der Kläger durch gesetzlichen oder richterlichen Auftrag zu einer Prozeßhandlung verhalten ist, sei ihm nur eine wesentlich kürzere Zeit der Untätigkeit zuzubilligen (vgl Schubert in Rummel2, Rz 10 zu § 1497 ABGB).

Im konkreten Fall sei der Stillstand des Verfahrens ab Ausstellung der § 40-Bestätigung ausschließlich in die Sphäre der Gemeinde gefallen, könne also dem Antragsteller nicht angelastet werden. Da der Antragsteller bereits knapp vor Ablauf eines Jahres ab Säumigkeit der Gemeinde das Gericht anrief (was im übrigen auch die Antragsgegnerin hätte tun können), sei der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 1497 ABGB auf (im außerstreitigen Verfahren geltend zu machende) Rückforderungsansprüche nach § 27 Abs 1 MRG.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs vertritt die Antragsgegnerin die Rechtsansicht, daß die Ausstellung einer Bestätigung iSd § 40 Abs 3 MRG nur so verstanden werden könne, daß die Schlichtungsstelle nicht mehr tätig werde. § 40 MRG sei sogar mit "Anrufung des Gerichts" überschrieben. Die Verpflichtung der Gemeinde, eine Bestätigung für die Anrufung des Gerichtes auszustellen, korrespondiere mit der Verpflichtung der Partei, bei Anrufung des Gerichts diesem die Bestätigung auch vorzulegen. Der ausschließliche Zweck der Bestätigung liege darin, dem Gericht die Nichtentscheidung der Gemeinde anzuzeigen. Im konreten Fall sei daher das Zuwarten mit der Anrufung des Gerichtes durch mehr als ein Jahr als nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens zu werten. Der Revisions- rekursantrag geht sinngemäß dahin, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Vom Antragsteller liegt dazu keine Äußerung vor.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat billigt die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes und hält sie durch die im Revisionsrekurs vorgebrachten Argumente auch keineswegs für widerlegt, sodaß es genügt, auf das Rechtsmittel nur mit einer kurzen Zusatzbegründung einzugehen (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528a und § 510 Abs 3 ZPO).

Daß die Regelung des § 1497 ABGB zumindest analog auf die Verjährung von Rückforderungsansprüchen anzuwenden ist, die gemäß § 27 Abs 1 und 3 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 14 MRG im außerstreitigen Mietrechtsverfahren geltend zu machen sind, stellt die Rechtsmittelwerberin selbst nicht in Frage und wurde implicite (bei der Behandlung unzulässiger Rechtsmittel) auch schon vom erkennenden Senat vertreten (5 Ob 1048/95; 5 Ob 1144/95; 5 Ob 2236/96a). Tatsächlich wäre es ein Wertungswiderspruch, bei der Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach § 27 Abs 1 MRG trotz einheitlicher Rechtsgrundlage (§ 27 Abs 3 MRG) danach zu differenzieren, ob sie (mit Klage) im streitigen oder (mit Sachantrag) im außerstreitigen Verfahren geltend gemacht werden. Es läge, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, wohl auch nicht in der Absicht des Gesetzgebers, der Einbringung eines Sachantrages die Unterbrechungswirkung der Klage zu versagen. Die Unterbrechungsregelung des § 1497 ABGB gilt für die Anspruchsverjährung an sich und ist auch so konzipiert.

Zu folgen ist dem Rekursgericht weiters darin, daß die Anwendung des § 1497 ABGB die Anwendung der dazu entwickelten Judikaturgrundsätze bedingt. Es ist also auch im gegenständlichen Fall daran festzuhalten, daß aus der Untätigkeit eines Rechtsschutzsuchenden nicht ohne weiteres auf eine nicht ernsthafte Verfolgung seines Anspruchs geschlossen werden kann, wenn er eine Tätigkeit des Gerichtes (der Behörde) erwarten durfte und mußte (vgl Arb 9.834; SZ 52/30; SZ 58/112; JusExtra 273; RZ 1992, 262/85 ua). Die Modalitäten, unter denen er trotzdem dem Vorwurf ausgesetzt ist, das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt zu haben, wurden vom Rekursgericht richtig aufgezeigt und hängen im übrigen vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine fehlerhafte Anwendung des richterlichen Ermessens ist insoweit nicht zu erkennen.

Was letztlich die Frage betrifft, ob die Schlichtungsstelle ein Verfahren nach Ausstellung einer Bestätigung iSd § 40 Abs 3 MRG weiterzuführen hat, der Antragsteller also nicht von sich aus tätig werden muß, um einem Stillstand entgegenzuwirken, ist - wie gleichfalls schon das Rekursgericht aufzeigte - durch § 40 Abs 2 Satz 2 MRG klargestellt, daß die Ausstellung der in § 40 Abs 3 MRG erwähnten Bestätigung noch nicht die Einstellung des Verfahrens bedeutet. Das Verfahren ist vielmehr erst dann einzustellen, wenn das betreffende Begehren bei Gericht eingebracht wurde. Bedenkt man dazu, daß die anzuwendenden Verfahrensbestimmungen (das AVG 1950 iVm mit den sinngemäß geltenden Bestimmungen des § 37 Abs 3 Z 1 bis 14 sowie Abs 4 MRG) den Parteien weniger Verantwortung für den Fortgang des Verfahrens aufbürden als die ZPO, kann aus einem einjährigen Zuwarten mit der Anrufung des Gerichtes nach Ausstellung der in § 40 Abs 3 MRG vorgesehenen Bestätigung noch nicht der Vorwurf einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahren abgeleitet werden.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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