OGH 5Ob148/97v

OGH5Ob148/97v27.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Baumann, Dr.Hradil und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ilse E*****, vertreten durch Dr.Tassilo Neuwirth und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerinnen 1. Heide Marie P*****, 2. Dr.Trude F*****, beide vertreten durch Dr.Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 46a Abs 3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerinnen gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. November 1996, GZ 39 R 729/96m-20, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.Juli 1996, GZ 39 MSch 36/95a-16, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht sprach aus, daß die Antragsgegnerinnen gegenüber der Antragstellerin in den Monaten Jänner und Februar 1995 durch Vorschreibung eines monatlichen Nettohauptmietzinses von S 10.643,27 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß insoweit überschritten hätten als der gesetzlich zulässige Hauptmietzins monatlich S 9.404,91 betrage. Es verpflichtete die Antragsgegnerinnen jeweils zur Hälfte zur Rückzahlung des Überschreitungsbetrages. Hiebei ging es im wesentlichen davon aus, daß die Antragstellerin ihren im Bestandobjekt betriebenen Gastgewerbebetrieb ab 1988 verpachtet hat, daß der angemessene Hauptmietzins (unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin getätigten Investitionen) laut Gutachten der Immobiliensachverständigen monatlich S 37.000, der leistbare Hauptmietzins hingegen laut Gutachten des Gastronomiesachverständigen S 29.424 beträgt.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß einerseits die Voraussetzungen der Mietzinsanhebung im Sinne des § 46a Abs 3 MRG und andererseits die Einhaltung der Form des Anhebungsbegehrens durch die Vermieterinnen unstrittig sei. Das Gesetz nenne in § 46a Abs 3 MRG keinen konkreten Stichtag für die Berechnung des angemessenen Mietzinses, doch sei aus Gründen der Logik und der Zweckmäßigkeit - der Zeitpunkt des Pachtvertragsabschlusses (§ 46a Abs 6 iVm § 12a Abs 7 MRG) könne oft jahrzehntelang zurückliegen - der Stichtag des Anhebungsbegehrens für die Berechnung des Mietzinses heranzuziehen. Fraglich sei, ob im konkreten Fall auch die Art der ausgeübten Geschäftstätigkeit im Sinne des § 12a Abs 2 MRG bei Bemessung des Mietzinses zu beachten sei. Diese Frage sei zu bejahen, weil ein Kaffeehaus der Sicherung der Nahversorgung diene und daher die Ertragsfähigkeit Berücksichtigung finden müsse. Der Gesetzgeber habe zwar nicht festgelegt, wie diese Berücksichtigung stattzufinden habe, es sei jedoch im Sinne des § 16 Abs 1 MRG vom angemessenen Mietzins in Verbindung mit § 12a Abs 2 MRG unter Heranziehung der Höhe des erwirtschaftbaren Mietzinses auszugehen. Der Gastronomiesachverständige habe in seinem Gutachten auf drei verschiedene Varianten und mit nahezu identen Ergebnissen den erzielbaren Umsatz im Bestandobjekt errechnet. Der demnach erwirtschaftbare Nettohauptmietzins betrage im maßgeblichen Zeitraum (März 1994 bis Jänner 1995) monatlich S 29.424. Unter Berücksichtigung des vorgeschriebenen Hauptmietzinses von S 7.974,97 ergebe sich eine Differenz von S 21.449,03. Daraus errechne sich 1/15 in Höhe von S 1.429,24, welches gemeinsam mit dem bisher bezahlten Nettohauptmietzins den zulässigen Betrag für die Monate Jänner und Februar 1995 in Höhe von S 9.404,91 ergebe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerinnen nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte zur Rechtsrüge im wesentlichen folgendes aus: Ein Kaffeehausbetrieb im Zentrum der Stadt könne nicht als Nahversorger behandelt werden; als Nahversorger könnten Gastgewerbebetriebe wohl nur in den Randbezirken bezeichnet werden, wo zu moderaten Preisen der Bevölkerung auch ohne weitere Anfahrtswege eine Konsumationsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden solle. Dennoch habe auch im Zentrum der Städte, also in teuren Geschäftslagen, eine Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit (Ertragsfähigkeit) in der Form zu erfolgen, daß die Überlebensfähigkeit der Gastgewerbebetriebe unabhängig von einer Funktion als Nahversorgungsbetrieb garantiert werde. Der angemessene Mietzins sei daher sowohl unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation der Branche als auch unter Berücksichtigung des Standortes des Gewerbebetriebes zu berechnen gewesen. Auf die persönliche Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit des Mieters (oder Pächters) komme es daher nicht an. Zu Recht habe daher der Gastronomiesachverständige den leistbaren Mietzins (S 29.424 netto) eruiert. Nicht gefolgt werden könne dem Rekurs darin, daß es das Erstgericht unterlassen habe, festzustellen, daß die Antragstellerin im Jänner 1995 bereits einen Pachtzins von S 36.675, welcher an den von der Immobiliensachverständigen festgestellten angemessenen Hauptmietzins von S 37.000 herankomme, lukriert habe. Die Rekurswerber würden in diesem Zusammenhang übersehen, daß dem derzeitigen Pächter ein bereits seit längerer Zeit (zumindest seit dem Jahre 1983) gut eingeführtes Unternehmen samt Geschäftseinrichtung und einem bestimmten Kundenkreis, somit eine organisierte Erwerbsgelegenheit, überlassen worden sei, für die eine entsprechende Abgeltung des Pachtzinses begehrt werden könne, der mit dem angemessenen Hauptmietzins nicht ident sei.

Im Hinblick darauf, daß eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, inwiefern die "Art der Geschäftstätigkeit" gemäß § 12a Abs 2 und 5 MRG im Einzelfall bei Berechnung des angemessenen Mietzinses zu berücksichtigen sei, noch nicht vorliege, seien die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO gegeben.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß der angemessene (in eventu leistbare) Mietzins mit S 37.000 bzw die Überschreitung mit S 505,06 festgelegt werde.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rekursentscheidung mit der neuersten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht im Einklang steht; er ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberinnen machen zusammengefaßt folgendes geltend:

Die angefochtene Entscheidung übersehe, daß die Immobiliensachverständige den angemessenen Mietzins mit S 37.000 ermittelt habe. Ein Fall sozialer Härte liege weder bei der Antragstellerin noch beim Pächter vor, wie sich aus der geringen von der Antragstellerin zu zahlenden Miete und der hohen Pacht ergebe. Es liege darüber hinaus auch keine ertragsarme Branche vor, zumal die Immobiliensachverständige auf die guten Umsätze von Kaffeehäusern verwiesen habe. Die rekursgerichtliche Ansicht, daß eine Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit in der Form zu erfolgen habe, daß die Überlebensfähigkeit der Gastgewerbebetriebe unabhängig von einer Funktion als Nahversorgungsbetrieb garantiert werde, sei im Gesetz nicht gedeckt. Die Höhe des Pachtzinses beweise, daß mehr erwirtschaftbar und angemessen sei, als der Gastronomiesachverständige errechnet habe. Die angefochtenen Entscheidung sei auch verfehlt, weil sie "leistbar bzw erwirtschaftbar" als niedriger als "angemessen" verwende.

Hiezu wurde erwogen:

Wie der erkennende Senat in 5 Ob 10/97z in einem Fall des § 46a Abs 3 MRG mit näherer Begründung ausgesprochen hat, ist am Wortlaut des § 46a Abs 6 iVm § 12a Abs 7 MRG festzuhalten, demzufolge es auch bei der Verpachtung eines Unternehmens vor dem 1.3.1994 bei der Ermittlung des nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Hauptmietzinses auf die Verhältnisse bei Pachtbeginn ankommt. Es ist daher im vorliegenden Fall der für 1988 angemessene - und entsprechend den üblichen Indexklauseln valorisierte - Hauptmietzins zu ermitteln. Dies erfordert eine Ergänzung des Gutachtens der Immobiliensachverständigen, weshalb die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Sachbeschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Mit der vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, wie die "Art der Geschäftstätigkeit" zu berücksichtigen ist (hier gemäß § 46a Abs 3 iVm Abs 2 letzter Satz MRG), hat sich der erkennende Senat kürzlich in 5 Ob 109/97h ausführlich befaßt. Er hat hiebei auf das Wirksamwerden der Mietzinserhöhung abgestellt. Das gebietet der vom Gesetzgeber mit der fraglichen Regelung angestrebte Zweck, soziale Härten zu vermeiden. Eine solche Anordnung kann nur gegenwartsbezogen sein. Es ist daher zu untersuchen, ob sich der im Zeitpunkt der Unternehmensveräußerung (Verpachtung) nach § 16 Abs 1 MRG angemessene und gegebenenfalls bis zum Wirksamwerden der Erhöhung nach dem Verbraucherpreisindex aufgewertete Hauptmietzins unter sozialen Aspekten mit der Art der im Mietobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit vereinbaren läßt. Trifft dies zu, weil der sich auf diese Weise ergebende Mietzins ohnehin so niedrig ist, daß er üblicherweise selbst von Geschäftsraummietern einer ertragsarmen Branche aufgebracht wird, oder weil der betroffene Geschäftsraummieter in einer Branche tätig ist, die auch bei Zahlung des "vollen" angemessenen Mietzinses existieren kann, bleibt für eine Reduzierung des Mietzinses wegen der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit von vornherein kein Raum.

Von den Ausführungen in 5 Ob 109/97h ist weiters hervorzuheben, daß es in der Regel genügt, den nach § 12a Abs 2 bzw § 46a MRG angemessenen (nach Art der im Mietobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit "gemäßigten") Mietzins mit Hilfe eines Immobiliensachverständigen zu ermitteln. Er hat nach der Vergleichswertmethode zunächst den ortsüblichen Mietzins für das betreffende Objekt zu erheben, ihn allenfalls nach den Kriterien des § 16 Abs 1 MRG durch Zu- und Abschläge zu justieren und den so gewonnenen "vollen" angemessenen Mietzins daraufhin zu untersuchen, ob er üblicherweise auch von Angehörigen jener Branche bezahlt wird, deren Geschäftstätigkeit der mit dem konkreten Erhöhungsbegehren konfrontierte Mieter ausübt. Ist dies der Fall, kommt eine Mäßigung des Mietzinses nicht in Frage, weil schon dadurch dargetan ist, daß die Ertragskraft der Branche ausreicht, auch mit der "vollen" angemessenen Mietzinszahlung (über-)leben zu können. Wenn sich herausstellt, daß der für das konkrete Objekt ermittelte "volle" angemessene Mietzins in einem durchaus weit zu ziehenden räumlichen Umkreis von Branchenkollegen des betreffenden Mieters bezahlt wird, ist daher eine Reduzierung des Mietzinses wegen der Art der im Mietobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit auszuschließen. Gibt das Gutachten des Immobiliensachverständigen mangels vergleichbarer Vermietungsfälle keinerlei Aufschluß über die Erschwinglichkeit des "vollen" angemessenen Mietzinses für die Branche des Mieters, fehlen also Daten, aus denen wenigstens indirekt auf die Ertragskraft dieser Branche geschlossen werden könnte, wird sich die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Betriebswirtschaft nicht umgehen lassen.

Die Vorinstanzen haben zwar auch in diesem Zusammenhang keine ausreichenden Feststellungen getroffen, jedoch deuten die Ausführungen der Immobiliensachverständigen über Vergleichsobjekte (AS 43, 45) auf eine ausreichende Ertragskraft der Branche hin. Die bisherige Aktenlage spricht daher gegen einen Abschlag vom - iS von 5 Ob 10/97z noch zu ermittelnden - "vollen" angemessenen Mietzins. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren doch anderes ergeben, werden auch die übrigen, hier nicht wiedergegebenen, in 5 Ob 109/97h aufgestellten Grundsätze zu berücksichtigen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 52 ZPO. Nach der erstgenannten Vorschrift hat freilich jede Partei die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung grundsätzlich selbst zu tragen.

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