OGH 9ObA256/97f

OGH9ObA256/97f27.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Basalka und Josef Weiss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat des Unfallkrankenhauses L*****, ***** vertreten durch Siegmund T***** Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, ***** dieser vertreten durch Dr.Aldo Frischenschlager und Dr.Dieter Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.Mai 1997, GZ 11 Ra 62/97k-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.November 1996, GZ 7 Cga 142/96d-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Trägerin des Unfallkrankenhauses L*****. Sie beschäftigt in diesem Krankenhaus mindestens drei Ärzte, die ua auch in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr ihren Dienst versehen.

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß den Ärzten der Beklagten (des) Unfallkrankenhauses L*****, die Nachtdienst zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr von mindestens 6 Stunden leisten, ohne daß sie in dieser Zeit regelmäßig und in erheblichem Ausmaß Arbeitsbereitschaft haben, gegenüber der beklagten Partei Anspruch auf Zeitausgleich gemäß Art 5 § 3 NSchG (BGBl 473/92) zusteht. Sie behauptet, daß mehr als drei der im Unfallkrankhaus L***** tätigten Ärzte im oben angeführten Zeitraum mindestens sechs Stunden arbeiteten, ohne daß in diese Zeit regelmäßig und in erheblichem Ausmaß Arbeitsbereitschaft falle, wobei während dieser Zeit unmittelbar Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten zu leisten sei. Daß Art V § 3 Abs 1 der NSchG-Nov 1992 nicht für Ärzte anwendbar sei, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Nach dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Willen des Gesetzgebers sei das NSchG nicht auf Ärzte anwendbar. Überdies werde bestritten, daß von den im angeführten Zeitraum jeweils beschäftigten Ärzten tatsächlich unmittelbar Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten geleistet werde, ohne daß in diese ärztliche Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Ausmaß Arbeitsbereitschaft falle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Sowohl aus der Bezeichnung des Gesetzes, die auf Maßnahmen für das Krankenpflegepersonal abstelle, als auch aus den Gesetzesmaterialien sei der klare Wille des Gesetzgebers erkennbar, daß die angesprochene Norm nicht auf das ärztliche Personal Anwendung finden solle.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Begründung des Erstgerichtes und verwies überdies auf die besondere Bedeutung der Überschrift des Art V der NSchG-Novelle 92, die daraus ersichtlich sei, daß es der Gesetzgeber als notwendig erachtet habe, mit der Novelle BGBl 662/1992 den ursprünglich verwendeten Begriff "Krankenpersonal" auf "Krankenpflegepersonal" richtigzustellen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber hält der primär an den Gesetzesmaterialien und den Gesetzes- und Kapitelüberschriften orientierten Auslegung des Art V der NSchG-Novelle 1992 entgegen, daß Gesetze in erster Linie aus sich selbst auszulegen seien. Dem ist grundsätzlich beizupflichten:

Überschriften eines Gesetzes oder eines Gesetzesabschnittes bilden noch nicht den Gesetzestext und können daher nur dann zu dessen Auslegung herangezogen werden, wenn er selbst nicht eindeutig ist (Dittrich/Tades, ABGB34, E 15 zu § 6). Gleiches gilt für die Heranziehung von Gesetzesmaterialien (JBl 1987, 212; Ris-Justiz RS0008800). Daraus ist aber für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, weil - wie schon die Vorinstanzen richtig erkannt haben - der Wortlaut der hier auszulegenden Bestimmungen nicht eindeutig iS des in der Revision dargelegten Standpunktes ist.

Der Wortlaut des § 1 der zitierten Norm, der den erfaßten Personenkreis definiert, spricht wohl allgemein von einschlägig beschäftigten Arbeitnehmern und ließe daher für sich allein betrachtet eine weite Auslegung zu. Die in § 2 enthaltene Umschreibung der erfaßten Beschäftigung ("Betreuungs- und Behandlungsarbeit") begründet aber sowohl im Hinblick auf die verwendeten Begriffe, deren Reihung und ihre Verbindung durch das Wort "und" erhebliche Zweifel, daß damit auch ärztliche Tätigkeit umfaßt werden soll. Damit haben aber die Vorinstanzen zu Recht auch die Überschriften des Gesetzestextes (...Maßnahmen zum Ausgleich gesundheitlicher Belastungen für das Krankenpflegepersonal...) und des Art V des Gesetzes (idF der Nov BGBl 662/1992: Schutzmaßnahmen für das Krankenpflegepersonal) zur Auslegung herangezogen und daraus zutreffend geschlossen, daß der Gesetzgeber eine Einbeziehung des ärztlichen Personals nicht beabsichtigte. Zusätzlich untermauert wird dieses Ergebnis durch die unter den dargestellten Umständen ebenfalls gebotene Heranziehung der Materialien (629 BlgNR 18. GP, 2), die (mit der an sich vom Gesetzestext zu erwartenden Deutlichkeit) klarstellen, daß von Art V "nur das Pflegepersonal und die Hebammen, nicht jedoch Ärzte erfaßt" werden sollten.

Aus der Entscheidung 9 ObA 22/96 (Arb 11.024 = ARD 4387/16/92) ist für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts abzuleiten, weil sie ausschließlich Operationsgehilfen und Röntgenassistenten betrifft und zur Frage, ob Art V der NSchG-Nov 1992 außer auf im Krankenpflegedienst beschäftigte Personen auch auf Ärzte anwendbar ist, keine Aussage trifft.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelung hat der Oberste Gerichtshof keine Bedenken. Die rechtliche (auch besoldungsrechtliche) Stellung und die Tätigkeit von Ärzten unterscheidet sich - gerade auch im Hinblick auf Nachtdienste - von der Situation des Krankepflegedienstes in mannigfaltiger Weise, sodaß die vom Gesetzgeber hier vorgenommene Differenzierung "sachlich gerechtfertigt" (Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes8 Rz 1347) ist. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, der Anregung des Revisionswerbers, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, zu folgen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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