OGH 15Os100/97

OGH15Os100/9728.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juli 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Habl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter Be***** und Roman Ba***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Satz zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung "wegen Schuld" und Strafe des Angeklagten Be***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Ba***** und der Staatsanwaltschaft betreffend beide Angeklagte gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 9.April 1997, GZ 14 Vr 155/97-76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Peter Be***** und Roman Ba***** wurden des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Satz zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Danach haben sie im bewußten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter "in der Nacht zum 3.02.1997" [nach den Urteilsfeststellungen allerdings vom 2.Februar 1997, gegen 22 Uhr, bis zum 3.Februar 1997, gegen 10.15 Uhr] in Stainach, Schladming und Langenwang in fünfzehn Angriffen, davon in sieben Fällen (1. bis 4., 6., 10. und 12.) jeweils durch Aufbrechen von Kellerabteilen, - im Urteilsspruch und in den Gründen namentlich genannten - 16 Personen die dort im einzelnen angeführten fremden beweglichen Sachen (vorwiegend Arbeitsmaschinen und Werkzeug sowie Sportartikel, in drei Fällen Jeans, Dieseltreibstoff, Kassettenrecorder samt CD-Player und CDs) in einem 25.000 S übersteigenden, rund 143.200 S betragen- den Gesamtwert mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen (1. bis 12, 14. bis 16.) und in einem Fall (13.) durch Einbruch wegzunehmen versucht, wobei sie die Tathandlungen in der Absicht vornahmen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Allein gegen die (auch) ihm angelastete Gewerbsmäßigkeit richtet sich die (nur) vom Angeklagten Be***** nominell aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde; überdies führte er eine unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete (141/II iVm ON 87) "Berufung wegen Schuld" aus; den Strafausspruch fechten er wie auch der Angeklagte Ba***** und der Staatsanwalt betreffend beide Angeklagte mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die "Berufung wegen Schuld" war zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehen ist (§§ 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

Eine nachträgliche Umdeutung dieser unzulässigen Rechtsmittelausführungen in eine Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 a StPO), wie dies der Nichtigkeitswerber in seiner gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur begehrt, ist unzulässig; denn fallbezogen handelt es sich bei der angemeldeten und auch ausgeführten "Berufung wegen Schuld" (neben einer ausdrücklich erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde) ersichtlich um kein bloßes Vergreifen im Ausdruck oder in der Bezeichnung des Rechtsmittels (vgl Mayerhofer StPO4 § 280 E 33 ff). Davon abgesehen enthält dieses Vorbringen nach seinem gesamten Inhalt eine reine Schuldberufung und entspricht auch nicht ansatzweise einer prozeßordnungs- gemäßen Darstellung des unter die formellen Nichtigkeitsgründe einzureihenden Anfechtungspunktes gemäß § 281 Abs 1 Z 5 a StPO.

Zum Rechtsmittelantrag des Angeklagten Be*****, ihn "hinsichtlich des Faktums gewerbsmäßiger Diebstahl freizusprechen", ist auszuführen, daß das österreichische Strafprozeßrecht einen Qualifikationsfreispruch nicht kennt (Mayerhofer aaO § 259 E 52) und eine verfehlte Qualifikation lediglich aus dem Schuldspruch auszuscheiden wäre.

Unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 5) rügt der Beschwerdeführer die erstgerichtlichen Konstatierungen zum spezifisch-subjektiven Tatbestandselement der Absicht bei Begehung der Einbruchsdiebstähle (US 6 vierter Absatz; US 12 vierter und letzter Absatz) als aktenwidrig und unzureichend begründet, weil - nach seiner Meinung - das bloße Vorfinden von sogenannten Überschuhen im Fahrzeug, welche die Verursachung von Fußspuren verhindern sollten, noch nicht bedeute, daß die Angeklagten diese auch getragen hätten, zumal er eine plausible Erklärung für deren Vorhandensein geliefert habe; auch die bloße Anzahl der Delikte spreche nicht für eine Gewerbsmäßigkeit; des weiteren finde sich in den Akten kein Hinweis dafür, daß eine konkrete Absicht bestanden hätte, sich aus den gegenständlichen Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; schließlich gäbe es keinerlei Argumente oder Gründe dafür, daß die Angeklagten bereits bei der Einreise nach Österreich gewerbsmäßige Absichten gehabt hätten.

Die Rüge versagt.

Sie verkennt nämlich nicht nur das Wesen einer nichtigkeitsbegründenden "Aktenwidrigkeit", die nach ständiger Rechtsprechung überhaupt nur dann vorläge, wenn das Gericht den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage, Urkunde oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben hätte (vgl Foregger/Kodek StPO6 S 398). Dies trifft aber dann nicht zu, wenn das Schöffengericht - wie vorliegend auf der Basis der gesamten Verfahrensergebnisse, einschließlich des in der Hauptverhandlung abgelegten reumütigen Geständnisses (US 13 iVm 125, 129/II), bei welcher Gelegenheit sich der Nichtigkeitswerber ausdrücklich "im Sinne der Anklageschrift", die ihm die gewerbsmäßige Begehung von Diebstählen vorwirft, "geständig fühlte" und zugab, daß die Beute geteilt und durch Verkauf zu Geld gemacht werden sollte - in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zum denkmöglichen und zureichend begründeten (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) Schluß gelangt, den Angeklagten sei es von Anfang an darauf angekommen (Absicht gemäß § 5 Abs 2 StGB), durch wiederholte Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Des weiteren greift die Beschwerde zur Stützung ihres Standpunktes bloß zwei der mehreren der Urteilsprämissen heraus, untersucht sie isoliert auf ihre Tragfähigkeit, vernachlässigt solcherart aber das prozessuale Gebot, bei der Beschwerdekritik Urteilsspruch und die gesamten Entscheidungsgründe als Einheit zu berücksichtigen. Darin finden sich - wenngleich an verschiedenen Stellen, was fallbezogen aber nichts zur Sache tut - neben dem bereits erwähnten anklagekonformen Geständnis eine Reihe weiterer - in der Beschwerdeschrift jedoch vernach- lässigter - Indizien (mehrere schwerwiegende Verurteilungen - darunter auch im benachbarten Ausland - wegen Einbruchsdiebstählen; verhältnismäßig geringes Einkommen von ca 4.000 slowakischen Kronen bei einer Sorgepflicht für fünf Kinder;

Verwendung eines Kleinbusses; Vielzahl der erbeuteten Gegenstände;

Auswahl der Tatorte; Mitführen von professionellen Mitteln wie Überschuhen, Wollhandschuhen, Schraubenziehern und eines Bolzenschneiders), welche in ihrer Gesamtheit die kritisierte Feststellung der Gewerbsmäßigkeit (§§ 70, 130 StGB) durchaus zu tragen vermögen.

Im übrigen ist eine Urteilsbegründung nicht schon deshalb unzureichend, wenn die angeführten Gründe dem Beschwerdeführer nicht bloß überzeugend scheinen, oder wenn neben dem (auch hier) folgerichtig gezogenen Schluß noch andere, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen denkbar und möglich gewesen wären (vgl Foregger/Kodek aaO S 397 f).

Somit haftet dem bekämpften Urteil keiner der geltend gemachten formellen Begründungsfehler an.

Die nominell auf Z 9 lit a, der Sache nach jedoch auf Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rechtsrüge entbehrt zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung, die ein unbedingtes Festhalten am gesamten objektiven und subjektiven Tatsachensubstrat und dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz verlangt. Dabei darf weder eine im Urteil festgestellte Tatsache bestritten oder verschwiegen werden, noch darf sie sich auf einen nicht konstatierten Umstand stützen (vgl Mayerhofer aaO § 281 E 26, 30).

In eben diesen prozessualen Fehler verfällt der Nichtigkeitswerber aber, indem er die - wie dargelegt, unbedenklich festgestellte - Gewerbsmäßigkeit mit dem Argument "Unter dem [von der Rechtsprechung entwickelten] Begriff einige Zeit kann keinesfalls nur eine Nacht verstanden werden" zu Fall zu bringen trachtet. Solcherart unterstellt er nämlich einerseits prozeßordnungswidrig eine (dem Urteil nirgends zu entnehmende) Feststellung dahingehend, die Angeklagten hätten nur beabsichtigt, in einer Nacht Einbruchsdiebstähle gewerbsmäßig zu begehen. Andrerseits übergeht er abermals verfahrenswidrig die ausdrückliche Konstatierung, derzufolge die Angeklagten ihre Diebstähle bis in den späten Vormittag des 3. Februar 1997 fortsetzten, bis sie sich um 10.15 Uhr in Langenwang beim Abzapfen von Dieseltreibstoff aus einem LKW beobachtet fühlten, daraufhin überstürzt flüchteten und zehn Minuten später festgenommen wurden (US 11), wobei angemerkt sei, daß der Beschwerdeführer in seiner unzulässigen Schuldberufung diesen Diebstahl als "am hellichten Tag" verübt bezeichnet (S 5 letzte Zeile der Rechtsmittelschrift).

Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang beigefügt, daß für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit nicht erforderlich ist, daß ein Täter die strafbare Handlung auch tatsächlich wiederholt hat; es genügt hiefür vielmehr eine einzige (auch nur versuchte) Tat, sofern darin unter Berücksichtigung ihrer Begleit- und Nebenumstände die begriffsessentielle Absicht (Tendenz) des Täters klar, augenfällig und unmißverständlich zum Ausdruck kommt, sich durch die wiederkehrende Begehung von Straftaten desselben Deliktstypus (hier: des Diebstahls durch Einbruch) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 6 und Foregger/Kodek StGB6 Anm I jeweils zu § 70 mwN).

Keine gesetzmäßige Darstellung des angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrundes enthält auch der weitere Beschwerdevorwurf, das Erstgericht habe keinerlei Feststel- lungen darüber getroffen, was die Angeklagten mit den gestohlenen Sachen vorhatten. Wäre der Nichtigkeitswerber doch verpflichtet gewesen, in der Beschwerde konkret darzutun, inwiefern die vermißten Konstatierungen vorliegend für die rechtliche Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit aus- schlaggebend sein sollen. Auch hiezu sei erklärend ausgeführt, daß Sachwerte wegen ihres Gebrauchswertes grundsätzlich eine Einnahmsquelle im Sinne des § 70 StGB darstellen, wobei es jedoch für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns ohne Belang ist, ob sie der Dieb ganz oder teilweise für sich selbst verwenden oder durch Veräußerung zu Geld machen will (Leukauf/Steininger aaO RN 5), was der Angeklagte Be***** auch wirklich vorhatte (vgl 125/II).

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unzureichend begründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen der beiden Angeklagten und des öffentlichen Anklägers das Oberlandesgericht Graz zuständig ist (§ 285 i StPO).

Die in der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO vertretene Meinung, ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung sei schon deshalb anzuordnen, weil der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO geltend gemacht worden sei, ist unzutreffend; nur prozeßordnungsgemäß ausgeführte materiellrechtliche Rügen führen zur Anordnung eines Gerichtstages (Mayerhofer aaO § 285 a E 61; 15 Os 22/97).

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