OGH 1Ob198/97t

OGH1Ob198/97t15.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sportklub V*****, vertreten durch Dr.Bernhard Aschauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Sport-Club I*****, vertreten durch Dr.Herbert Heigl und Mag.Willibald Berger, Rechtsanwälte in Marchtrenk, wegen S 400.000,-- sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27.Februar 1997, GZ 4 R 245/96v-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 1.Juli 1996, GZ 2 Cg 47/96f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 17.550,-- (darin S 2.925,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Parteien sind Vereine, in denen der Fußballsport wettkampfmäßig betrieben wird. Am 31.1.1994 vereinbarten sie, daß die beklagte Partei einen ihrer Spieler bis zum 30.6.1994 gegen Bezahlung einer „Leihgebühr“ von S 60.000 an die klagende Partei „verleiht“. Der klagenden Partei wurde das Recht eingeräumt, im Anschluß an dieses Vertragsverhältnis einen weiteren „Leihvertrag“ für die Spielsaison 1994/95 gegen Bezahlung von S 150.000 zu schließen. Der beklagte Verein verpflichtete sich ferner zur Freigabe des Spielers durch Unterfertigung des „Leihvertrags“ Zug um Zug gegen Erhalt dieses Betrags. Für jeden Einsatz in der Kampfmannschaft wurde die Bezahlung eines Betrags von S 1.000 als weitere Gegenleistung vereinbart. Schließlich räumte die beklagte Partei dem klagenden Verein das Recht ein, im Anschluß an den „Leihvertrag“ für die Spielsaison 1994/95 den Spieler um den Betrag von S 600.000 zu „erwerben“. Für den Fall einer „Weiterveräußerung“ des Spielers durch die klagende Partei an einen inländischen Verein sollte die beklagte Partei außerdem S 200.000 erhalten, bei „Weiterveräußerung“ an einen ausländischen Verein sogar S 400.000. Diese Vereinbarung wurde zwar von beiden Parteien, nicht aber vom betroffenen Spieler selbst unterfertigt.

Praktisch zeitgleich wurde entsprechend § 8 des Regulativs des Österreichischen Fußballbunds (ÖFB) ein „Spieler-Leihvertrag“ mittels eines hiefür vorgesehenen Formulars verfaßt, allerdings nur für die „Verleih“periode vom 30.1. bis 30.6.1994. Dieser Vertrag wurde auch vom Spieler unterfertigt. Im Formular findet sich auch eine Rubrik, die die Möglichkeit des „Erwerbs“ des Spielers nach Ablauf des „Leihvertrags“ vorsieht. Diese Passage wurde gestrichen und von den Parteien und auch vom Spieler nicht unterfertigt. Bis zum Ende der Frühjahrssaison 1994 spielte der „verliehene“ Spieler tatsächlich bei der klagenden Partei, die dem beklagten Verein alle vertraglich vorgesehenen Gegenleistungen erbrachte. Die klagende Partei erfüllte auch alle Bedingungen, die zwischen den Streitteilen für eine Verlängerung des „Leihverhältnisses“ bis zum Ende der Spielsaison 1994/95 und den anschließenden „Erwerb“ des Spielers vereinbart worden waren. Die beklagte Partei lehnte jedoch sowohl eine Fortsetzung des „Leihverhältnisses“ über den 30.6.1994 hinaus wie auch einen „Verkauf“ des Spielers unter Hinweis darauf ab, daß zwischen der klagenden Partei und dem Spieler keine Einigung zustandegekommen sei. Der Spieler wurde von der beklagten Partei vielmehr ab Juli 1994 an einen anderen Verein „verliehen“.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von S 400.000,-- sA und brachte vor, der beklagte Verein habe den vorgesehenen Erwerb der Transferrechte am „verliehenen“ Spieler schuldhaft vereitelt. Dadurch habe sie einen Schaden von zumindest S 400.000 erlitten, weil sie für den Spieler bei einer „Weiterveräußerung“ zumindest 1 Mio.S an Transferentschädigung hätte erzielen können.

Die beklagte Partei wendete ein, der Spieler habe über den 30.6.1994 hinaus einer Überlassung an die klagende Partei nicht zugestimmt und könne zu einem Transfer auch nicht gezwungen werden. Die klagende Partei habe es verabsäumt, mit dem Spieler eine arbeitsrechtliche Vereinbarung zu treffen, die die Durchführung der Vereinbarung vom 31.1.1994 ermöglicht hätte. Im übrigen seien Transferentschädigungen überhaupt nicht zulässig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der klagende Verein habe mit dem Spieler lediglich einen Arbeitsvertrag bis zum 30.6.1994 geschlossen. Im Juni 1994 habe sich der Spieler entschlossen, den Verein zu wechseln und sei mit einem anderen Verein eine vertragliche Beziehung eingegangen. Auf diesen Entschluß habe die beklagte Partei keinerlei Einfluß genommen. Niemand könne gegen seinen Willen dazu genötigt werden, bei einem bestimmten Verein Fußball zu spielen. Durch den Entschluß des Spielers, den Verein zu wechseln, sei der Vereinbarung vom 31.1.1994 die Grundlage entzogen worden. „Transferrechte“ seien inhalt- und wertlos, wenn der betroffene Spieler rechtlich nicht an einen Verein gebunden sei. Die beklagte Partei habe den vertraglich vorgesehenen Transfer des Spielers nicht schuldhaft vereitelt, sondern der klagende Verein habe es verabsäumt, den Spieler in das zweite „Leihverhältnis“ und die „Kaufoption“ vertraglich einzubinden. Daß dies notwendig gewesen wäre, hätte die klagende Partei erkennen müssen; die beklagte Partei sei nicht verpflichtet gewesen, die klagende Partei auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. Im übrigen könnte dem Klagebegehren selbst unter der Annahme, es stünden der klagenden Partei „Transferrechte“ zu, bestenfalls ein ganz geringer Erfolg beschieden sein, weil sich selbst nach dem Vorbringen der klagenden Partei nur ein jedenfalls unter S 50.000 gelegener Schaden errechne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das vertragliche „Verleihen“ und „Erwerben“ eines Fußballspielers müsse auf den tatsächlich gemeinten und rechtlich zulässigen Vertragsinhalt reduziert werden. Der Vertrag sei so auszulegen, daß die beklagte Partei dem klagenden Verein die Freigabe des Spielers schulde, was bedeute, daß der beklagte Verein dem Spieler kein Hindernis in den Weg legen dürfe, wenn er den Verein verlassen wolle. Der Vereinbarung vom 31.1.1994 lasse sich aber nicht entnehmen, daß die beklagte Partei dafür garantiert habe, der Spieler werde sich entsprechend dem Wunsch des klagenden Vereins vertraglich binden und einsetzen lassen. Der beklagte Verein habe sich auch nicht dazu verpflichtet, auf den Spieler positiv einzuwirken, um ihn zu einem Vertragsabschluß mit der klagenden Partei zu bewegen. Es stehe ihm wie jedem anderen Fußballspieler, der an keinen Verein vertraglich gebunden sei, frei, bei einem beliebigen Verein zu spielen. Die Annahme einer Erfolgsgarantie müsse an der Privatautonomie des Fußballspielers scheitern. Die Beurkundung der Freigabe - etwa Unterfertigung eines Spielerleihvertrags - könne nur als vertragliche Nebenpflicht angesehen werden. Die zwischen den Streitteilen geschlossene Vereinbarung habe kein ausdrückliches Verbot enthalten, den Spieler auch für einen anderen Verein freizugeben. Daß die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, den Spieler von einem Vertragsabschluß mit einem anderen Verein abzuhalten, könne nach Treu und Glauben nicht angenommen werden. Es sei richtig, daß der klagenden Partei unter Bedachtnahme auf ihr Vorbringen auch im Falle einer Weiterveräußerung des Spielers um 1 Mio.S überhaupt kein oder kaum ein Schaden entstanden sei. Es sei gleichgültig, ob der Spieler die zwischen den beiden Vereinen getroffene Transfervereinbarung gekannt habe; daraus sei kein Vertragsbruch der beklagten Partei abzuleiten. Ein treuwidriges Zusammenwirken zwischen dem beklagten Verein und dem Spieler sei nicht behauptet worden.

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Vertrag vom 31.1.1994 hat die beklagte Partei dem klagenden Verein eine Option darauf eingeräumt, einen ihrer Spieler für die Spielsaison 1994/95 unter bestimmten Bedingungen zu „entlehnen“. Diese Vereinbarung ist ein Rechtsverhältnis eigener Art, auf das die Bestimmungen über Leihverträge gemäß §§ 971 ff ABGB - wie schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausführte - jedenfalls schon deshalb nicht anzuwenden sind, weil weder eine Sache übergeben werden sollte, noch ein unentgeltlicher Gebrauch vereinbart wurde. Am ehesten vergleichbar ist ein solcher „Leihvertrag“ der Überlassung von Arbeitskräften im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG). Eine derartige Arbeitskraftüberlassung wäre aber jedenfalls schon deshalb nicht wirksam zustandegekommen, weil die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung des gemäß § 11 AÜG zwingend vorgeschriebenen Vertragsinhalts ermangelt. Ist außerdem für den Fall der Überlassung von Arbeitskräften (iSd AÜG) zwingend vorgeschrieben, daß keine Arbeitskraft ohne ihre ausdrückliche Zustimmung überlassen werden darf (§ 2 Abs 2 AÜG), so kann für eine Vereinbarung zwischen Fußballvereinen, mit der ein Spieler „leihweise“ zur Verfügung gestellt, also dem anderen Verein unter bestimmten Bedingungen als Spieler (= Arbeitskraft) überlassen wird, nichts anderes gelten; sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit (jedenfalls auch) der ausdrücklichen Zustimmung des betroffenen Spielers. Jedes andere Verständnis hätte zur Folge, daß der Spieler eines Vereins praktisch zwangsweise zur Arbeit bei einem anderen Verein verpflichtet werden könnte, was nicht zuletzt schon nach Art 4 Abs 2 EMRK verboten ist. Aus diesem Grund ist wohl auch in das vom ÖFB aufgelegte Formular über „Spieler-Leihverträge“ der Hinweis (Belehrung) aufgenommen, daß solche Verträge von beiden Vereinen und dem Spieler rechtsgültig unterzeichnet sein müssen. Ein „Spieler-Leihvertrag“, dem die Unterschrift des Spielers fehlt, kann schon deshalb keine Rechtswirksamkeit entfalten; eine lediglich zwischen zwei Vereinen geschlossene Vereinbarung über das „Verleihen“ eines Spielers ist deshalb als unter der (aufschiebenden) Bedingung geschlossen anzusehen, daß der Spieler seine Zustimmung erteilt. Diese Bedingung ist aber nicht eingetreten und kann, da der Spieler dem Wechsel zu der klagenden Partei nicht zustimmte, ohne daß der beklagten Partei - wie noch auszuführen sein wird - die Vereitelung des Bedingungseintritts zur Last fällt, auch gar nicht mehr eintreten, sodaß die Vereinbarung zwischen den Streitteilen über das „Leihvertragsverhältnis“ für die Spielsaison 1994/95 (Punkt II in Beilage A) nicht rechtswirksam zustandegekommen ist. Daß sich die beklagte Partei auf diesen Umstand beruft, kann ihr nicht als Rechtsmißbrauch zur Last gelegt werden, weil zwar die beiden Vereine auch in diesem Umfang eine Übereinkunft erzielten, die Zustimmung des Spielers aber nicht vorlag und auch in der Folge auch nicht eingeholt oder gar erteilt wurde. Die beklagte Partei durfte die Freizügigkeit des Spielers bei der Wahl dessen Arbeitsplatzes auch nicht von sich aus beschneiden, hätte das doch einen Eingriff in dessen Grundrechte dargestellt (vgl EuGH in WBl 1996, 64). Ein treuwidriges Zusammenwirken zwischen dem Spieler und dem beklagten Verein wurde von der klagenden Partei weder behauptet, noch von den Vorinstanzen festgestellt, sodaß auch daraus keine Schadenersatzansprüche abzuleiten sind.

Kam aber schon der „Leihvertrag“ gemäß Punkt II der Vereinbarung Beilage A nicht wirksam zustande, dann war ein „Erwerb“ des Spielers durch die klagende Partei entsprechend Punkt III der genannten Vereinbarung nicht möglich, weil ein solcher „Erwerb“ an das Bestehen eines „Leihverhältnisses“ im Sinne des Punktes II des zwischen den Streitteilen am 31.1.1994 geschlossenen Vertrags geknüpft war. Alle Ausführungen der klagenden Partei zum Erwerb eines „Transferrechtes“ und zu den von ihr behaupteten Schäden aus dem Entgang einer „Transferentschädigung“ gehen schon deshalb ins Leere. Darüber hinaus ist das Vorbringen, die klagende Partei habe anstelle des von der Vereinbarung betroffenen Spielers einen anderen erwerben müssen und die Transferentschädigung für letzteren habe mindestens 1,2 Mio.S betragen, eine unbeachtliche Neuerung, weil entsprechendes Vorbringen in erster Instanz nicht erstattet wurde.

Mangels Rechtswirksamkeit von Punkt II der Vereinbarung vom 31.1.1994 durfte die beklagte Partei den Spieler, auch wenn sie sich zu dessen Freigabe an die klagende Partei im Wege der Unterfertigung eines „Leihvertrags“ verpflichtet hatte, an einen anderen Verein „verleihen“ (vgl 1 Ob 535/95; HS 24511). Aus dieser Vorgangsweise kann die klagende Partei Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei nicht ableiten.

Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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