OGH 2Ob182/97x

OGH2Ob182/97x26.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Johannes Hintermayr ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) J*****gmbH, 2.) U*****gmbH, ***** beide vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer und Dr.Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wegen S 1,226.616,-- sA, infolge Rekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 5.März 1997, GZ 2 R 255/96z-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 22.August 1996, GZ 6 Cg 106/96m-8, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand restliche S 1,226.616,-- s.A. für die Lieferung und Montage einer Spiellandschaft.

Die Beklagten wendeten ein, die Zweitbeklagte sei nicht passiv klagslegitimiert, weil sie der Klägerin den Auftrag zur Lieferung der Spiellandschaft im Namen und auf Rechnung der Erstbeklagten erteilt habe. Aber auch die Erstbeklagte schulde der Klägerin nichts. Geschäftsgrundlage sei gewesen, daß die Spiellandschaft allen Sicherheitsbestimmungen entspreche und gewerbebehördlich genehmigt sei. Bereits kurze Zeit nach Aufstellung sei ein Kind aus größerer Höhe vom Spielgerät gestürzt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L***** vom 1.4.1996 sei daraufhin der Erstbeklagten der Betrieb der Spielanlage mit sofortiger Wirkung untersagt worden. Zuvor habe ein Amtssachverständiger für Gewerbetechnik die Anlage dahin begutachtet, daß aufgrund der Konstruktion des Spielturmes nicht auszuschließen sei, daß Kinder abstürzen könnten. Aufgrund der geringen Höhe der Seitenwände der Rutsche bestehe weiters die Gefahr, daß Kinder aus der Rutsche seitlich abstürzten. Darüber hinaus sei das Kletternetz derart breitmaschig, daß kleinere Kinder durchrutschen und abstürzen könnten. Es bestehe daher eine Gefahr für die Gesundheit der Kinder, zumal Betreuerinnen aufgrund der Größe des Gerätes und der Anzahl der oft gleichzeitig anwesenden Kinder nicht gleichzeitig an allen Gefahrenstellen anwesend sein könnten. Die Erstbeklagte habe daher den Rücktritt vom Vertrag erklärt und die Klägerin aufgefordert, das gegenständliche Gerät zu entfernen.

Die Klägerin erwiderte, die Spielanlage erfülle alle Sicherheitsbestimmungen und sei vom TÜV geprüft worden. Dieser Prüfung gemäß sei die Anlage der Ö-NORM entsprechend und mängelfrei. Daß die Bezirkshauptmannschaft, die über Initiative der Beklagten tätig geworden sei, den Betrieb der Anlage untersagt habe, sei nur darauf zurückzuführen, daß die Beklagten treuwidrig auf die erfolgte Überprüfung durch den TÜV nicht hingewiesen hätten, wodurch der Amtssachverständige zu einem unrichtigen Gutachten gelangt sei. Außerdem hätten es die Beklagten trotz entsprechender Aufforderung durch die Klägerin unterlassen, den unrichtigen Bescheid zu bekämpfen. Das Klagebegehren werde daher auch auf den Titel des Schadenersatzes gestützt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei von folgenden (zusammengefaßten) Feststellungen aus:

Vertreten durch die Zweitbeklagte hat die Erstbeklagte am 10.7.1995 bei der Klägerin ua eine Spiellandschaft (samt Zubehör) bestellt, die im Oktober 1995 geliefert wurde. Daraufhin wurden auf den Kaufpreis 30 % angezahlt. Der Rest von S 1,226.616,-- ist noch offen.

Im Jänner 1996 verlangte die Erstbeklagte unter Hinweis darauf, daß Kinder vom Spielturm hinuntergefallen seien, von der Klägerin eine kostenlose Neumontage. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 31.1.1996, daß die Geräte alle der Norm entsprächen, TÜV-geprüft und nach den Wünschen der Beklagten montiert worden seien. Josef H*****, der Geschäftsführer sowohl der Erstbeklagten als auch der Zweitbeklagten ist, ersuchte am 14.2.1996 in einem Schreiben auf Briefpapier der Zweitbeklagten die Klägerin, das Gerät sobald wie möglich einer Prüfung auf optimale Sicherheit zu unterziehen. Die Klägerin wies daraufhin mit Schreiben vom 15.2.1996 neuerlich darauf hin, daß die von ihr gelieferten Spielgeräte sämtlichen gültigen Normen entsprächen; sämtliche "Spielgerätekomponenten" seien vom TÜV Österreich überprüft und für einwandfrei befunden worden. Die Klägerin sei bereit, gewünschte Änderungen gegen Verrechnung durchzuführen. Dem Schreiben war ein Gutachten des TÜV vom 6.Februar 1996 beigelegt, das zu folgender zusammenfassender Aussage kommt:

"Das Spielgerät wurde auftragsgemäß seitens des Technischen Überwachungs-Vereines Österreich erfaßt und einer Überprüfung unterzogen, wobei insbesondere die Übereinstimmung mit der Ö-NORM S 4235 beurteilt wurde. Dabei wurden keine Mängel festgestellt. Seitens des unterzeichneten Sachverständigen stehen einer Benützung des Spielgerätes keine Bedenken entgegen, sofern die in der og Ö-NORM vorgeschriebene Prüfungs- und Wartungsintervalle eingehalten werden. Wir weisen darauf hin, daß die Beurteilung vorläufig mit Vorbehalt des in der Ö-NORM S 4235 geforderten Nachweises der Unbedenklichkeit des verwendeten Anstrichmittels für Holz und Metall erfolgte, welche derzeit nicht vorliegt.

Anm.: Die Einhaltung der Anforderungen gemäß Ö-NORM S 4235 bedeutet nicht, daß:

Mit Schreiben ebenfalls vom 15.2.1996 ersuchte die Zweitbeklagte die Bezirkshauptmannschaft unter Hinweis darauf, daß sich beim gegenständlichen Spielturm im nachhinein einige gefährliche Mängel herausgestellt hätten, das Gerät einer Überprüfung auf optimale Sicherheit zu unterziehen. Am 26.3.1996 richtete Josef H***** ein weiteres Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft. Darin fragte er an, ob bei der am 28.3.1996 anberaumten Bauverhandlung auch der Kinderspielturm besichtigt bzw. mitverhandelt werden könnte. Er habe in puncto Sicherheit bei diesem Gerät große Bedenken, weil schon wieder ein Kind aus großer Höhe herausgefallen sei.

Am 28.3.1996 haben Beamte der Bezirkshautpmannschaft tatsächlich auch die Spiellandschaft besichtigt. Ergebnis dieser Besichtigung war, daß die gesamte Anlage sofort gesperrt werden mußte. Die Beklagten hatten die Klägerin vom Termin der Begehung durch die Bezirkshauptmannschaft nicht verständigt. Sie haben den Beamten auch nicht das TÜV-Prüfgutachten vom 6.Februar 1996 zugänglich gemacht oder auch nur darauf hingewiesen. Am 1.4.1996 hat die Bezirkshautpmannschaft einen an die Erstbeklagte gerichteten Bescheid folgenden Inhalts erlassen:

"Der Betrieb des Kinderspielturmes im Kinderland des Einkaufszentrums wird mit sofortiger Wirksamkeit untersagt.

Rechtsgrundlage: § 360 (4) GewO 1994.

Begründung

Mit Bescheid der BH L***** vom 11.9.1995 Ge 20-10.005-22-1995 wurde der oa Betreiberin der Anlage die Änderung der genehmigten Betriebsanlage für ein Einkaufszentrum durch Errichtung und Betrieb eines Kinderlandes in einem Zubau zum *****Shopping-Center in L*****, gewerbebehördlich genehmigt. Mit Schreiben vom 26.3.1996 teilte der Vertreter der Betreiberin der Anlage mit, daß Sicherheitsbedenken gegen das gegenständliche Kinderspielgerät gesehen werden und ersuchte die Gewerbebehörde um Überprüfung der Anlage. Bei der behördlichen Überprüfung des Kinderspielturmes gab der Amtsachverständige für Gewerbetechnik nachstehendes Gutachten ab:

'Aufgrund der Konstruktion des Spielturmes ist nicht auszuschließen, daß Kinder aufgrund einer nicht ausreichenden seitlichen Absicherung zum Turm abstürzen können. Des weiteren besteht aufgrund der geringen Höhe der Seitenwände der Rutsche die Gefahr, daß die Kinder aus der Rutsche seitlich abstürzen. Das Kletternetz ist derart breitmaschig, daß kleinere Kinder durch das Netz durchrutschen und abstürzen können. Es besteht daher eine Gefahr für die Gesundheit der Kinder, zumal die beiden Betreuerinnen aufgrund der Größe des Gerätes und der Anzahl der oft gleichzeitig anwesenden Kinder nicht gleichzeitig an allen Gefahrenstellen anwesend sein können, um derartige Vorfälle zu vermeiden.'

Aufgrund dieses Gutachtens war zur Hintanhaltung einer Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Kinder wie im Spruch zu entscheiden."

Dieser Bescheid wurde mit Schreiben der Zweitbeklagten vom 1.4.1996 an die klagende Partei übermittelt. Im erwähnten Schreiben heißt es ua:

"Daher verlangen wir die Aufhebung des Kaufvertrages und fordern Sie auf, innerhalb von drei Tagen den Abtransport des Gerätes zu veranlassen. Sollte bis Donnerstag 4.April 1996 der Spielturm nicht entfernt sein, werden wir Ihnen die Kosten für die Beseitigung des Gerätes in Rechnung stellen."

Als Antwort darauf richtete der inzwischen eingeschaltete Klagevertreter ein Schreiben an die Erstbeklagte, in dem er diese aufforderte, den Bescheid wegen Unvollständigkeit und Unrichtigkeit des Gutachtens mit Berufung zu bekämpfen. Von der Erstbeklagten als Bescheidadressatin wurde jedoch kein Rechtsmittel ergriffen. Die Anlage wurde am 4.4.1996 abgebaut und zur jederzeitigen Übergabe an die klagende Partei eingelagert. Die Spiellandschaft wäre von der Erstbeklagten und/oder der Zweitbeklagten nicht gekauft worden, wenn für die Käuferin absehbar gewesen wäre, daß die Benützung der Anlage durch die Verwaltungsbehörde untersagt wird.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, es sei davon auszugehen, daß das Gericht an den rechtskräftigen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 1.4.1996 gebunden sei, weil kein absolut nichtiger Verwaltungsakt vorliege. Daß der Bescheid möglicherweise fehlerhaft sei, reiche für seine Nichtbeachtung durch das Gericht nicht aus. Dem Gericht sei eine Überprüfung verwehrt, ob die zur Untersagung der Benützung der Spiellandschaft von der Bezirkshauptmannschaft herangezogenen Gründe zutreffend sind. Feststellungen in der Richtung, daß die Verwaltungsbehörde tatsächlich von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, seien von vornherein nicht möglich. Es sei nicht feststellbar, ob die Nichtübergabe des TÜV-Prüfberichtes an die Bezirkshauptmannschaft durch die Beklagten und ob der (faktische) Verzicht auf eine Berufung gegen den Bescheid vom 1.4.1996 für die klagende Partei tatsächlich nachteilig gewesen sei. Damit fehle es von vornherein an der Möglichkeit, Feststellungen über ein Verhalten der Beklagten in einer Richtung zu treffen, die an ein schuldhaftes (bzw. treuwidriges) Verhalten der Erstbeklagten und/oder Zweitbeklagten denken lassen könnte. Es möge zutreffen, daß die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft dem Geschäftsführer der Beklagten nicht ungelegen gekommen sei. Ein gesetzwidriges Zusammenwirken zwischen diesem Geschäftsführer und Organen der Verwaltungsbehörde sei aber nicht einmal behauptet worden. Der bloße Umstand, daß die Beklagten den TÜV-Prüfbericht nicht an die Bezirkshauptmannschaft übergeben haben, könne genauso wenig einen relevanten Umstand darstellen wie die Unterlassung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid vom 1.4.1996, zumal eben nicht feststehe (und wegen der Bindungswirkung auch gar nicht festgestellt werden könne), daß sich dadurch irgendetwas am Inhalt des Bescheides geändert hätte. Es sei daher von einem berechtigten Rücktritt vom Vertrag seitens der Käuferin der Spiellandschaft auszugehen (da die Leistung angenommen war, meine die klagende [richtig wohl:

erstbeklagte] Partei damit offensichtlich einen Wandlungsanspruch, zumal das behördliche Benützungsverbot einen wesentlichen Mangel begründe). Dazu komme, daß im Hinblick auf die mangelnde behördliche Bewilligung auch ein - allenfalls gemeinsamer - Irrtum denkbar erscheine. Jedenfalls ergebe sich insgesamt, daß die klagende Partei bei dieser Sach- und Rechtslage keinen Anspruch auf das restliche Entgelt (sei es nun Kaufpreis oder Werklohn) habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, hob das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich der Erstbeklagten auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; den Rekurs an den Obersten Gerichtshof sah es als zulässig an. Hinsichtlich der Zweitbeklagten gab es der Berufung in der Hauptsache nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zur Rechtsrüge der Erstbeklagten nahm es folgendermaßen Stellung:

Die Bindung der Gerichte an präjudizielle Bescheide der Verwaltungsbehörde sei äußerst umstritten. Zum ersten sei die Tatbestandswirkung von der Bindungsproblematik zu unterscheiden. Zu dieser sei klar, daß "Nicht-Akte" nicht binden würden und die Bindung sich nur auf den Spruch über den Bescheidgegenstand erstrecken könne und der Bescheid jedenfalls rechtskräftig und vollstreckbar sein müsse. Im übrigen habe sich die Rechtsprechung an Bescheide gebunden erachtet, auch wenn sie unvollständig, mangelhaft oder fehlerhaft sein mögen, und Ausnahmen nur gemacht, wenn der Bescheid "absolut nichtig" sei, weil die Verwaltungsbehörde offensichtlich unzuständig gewesen sei, ihren Wirkungskreis überschritten oder einen offenkundig und zweifellos unzulässigen Verwaltungsakt gesetzt habe. Von der Verwaltungsrechtslehre sei stets betont worden, daß bezüglich der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden der Grundsatz "res iudicata ius facit inter partes" Geltung habe, die Rechtskraftwirkung eines Bescheides sich also nur auf die Parteien des Verfahrens, in dem er ergangen sei, erstrecke. Demgegenüber habe die Rechtsprechung mehrfach Bindungen angenommen, die über diese subjektive Grenze hinausgingen. Dieser Bindungsannahme sei das Schrifttum vor allem mit dem zutreffenden Argument entgegengetreten, Art 6 MRK gebiete eine Einschränkung dahin, daß nur derjenige gebunden sein könne, dem im Verwaltungsverfahren Partei- oder Beteiligtenstellung zugekommen sei. Dies werde im vorliegenden Fall auch von der Berufungswerberin betont, die richtig auf die jüngste Judikatur zur vergleichbaren Problematik der Bindungswirkung von rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen hinweise. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem § 268 ZPO als verfassungswidrig aufhebenden Erkenntnis VfSlg 12.504/1990 ua ausgeführt, aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte und dem Sinn dieser gesetzlichen Bestimmung müsse geschlossen werden, daß die darin verfügte Bindung nicht etwa nur dem Verurteilten gegenüber oder allenfalls zu Lasten von Prozeßparteien wirken solle, die vor dem Strafgericht sonst als Beteiligte aufgetreten seien. Daß eine solche Regelung in offenkundigem Widerspruch zu dem in Art 6 Abs 1 MRK jedermann gewährleisteten Recht stehe, von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gehört zu werden, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden habe, bedürfe keiner näheren Begründung. Wer den Beweis und die Zurechnung einer für die Entscheidung über seine Ansprüche und Verpflichtungen wesentlichen Handlung in zivilgerichtlichen Verfahren nicht in Frage stellen könne, weil das Gericht an die Entscheidung in einem anderen (strafgerichtlichen) Verfahren gebunden sei, zu welchem er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen Zugang hatte, dessen Anspruch auf Gehör durch das seine Sache entscheidende unabhängige und unparteiische Gericht sei nicht erfüllt. In der Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 612/95 habe das Höchstgericht ausdrücklich betont: Die aus der materiellen Rechtskraft des strafgerichtlichen Schuldspruchs zu folgernde Bindungswirkung sei - da, abgesehen vom öffentlichen Ankläger, bei der Verfolgung von Offizialdelikten ausschließlich dem Angeklagten (Beschuldigten) volle Parteienrechte zugestanden würden - auf den Rechtskreis des Verurteilten zu beschränken. Diese subjektiven - parteibezogenen - Grenzen der Rechtskraft müßten trotz der dadurch möglichen unterschiedlichen Verfahrensergebnisse beachtet werden, um dem höher zu bewertenden, durch Art 6 Abs 1 MRK im Verfassungsrang anerkannten Grundrecht des rechtlichen Gehörs in gebotener Weise Rechnung zu tragen. Nach Ansicht des Berufungssenates seien diese subjektiven Grenzen der Rechtskraft auch und in gleicher Weise in Ansehung von Bescheiden von Verwaltungsbehörden zu beachten. Da die Klägerin am gegenständlichen Verwaltungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei, könne der Ansicht des Erstgerichts, der betreffende Bescheid entfalte auch hinsichtlich der Klägerin bindende Wirkung, nicht beigetreten werden. Dem Erstgericht sei entgegen seiner Meinung nicht die Möglichkeit genommen gewesen zu prüfen, ob das gegenständliche Spielgerät den Sicherheitsbestimmungen entsprochen habe oder nicht. Das Erstgericht hätte daher - mit Hilfe eines Sachverständigen - die Frage untersuchen und beantworten müssen, ob die Spielanlage tatsächlich mit einem oder mehreren wesentlichen Mängeln behaftet gewesen sei.

Ein "Rechtskraftvorbehalt" erscheine angezeigt, weil zur Frage der Bindungswirkung von Verwaltungsbescheiden keine gesicherte einheitliche Judikatur vorliege.

Gegen den aufhebenden Teil dieser Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der Erstbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung bedarf; er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zur Frage der Bindung der Gerichte an Bescheide der Verwaltungsbehörden widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Danach sei von der Bindungswirkung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft auszugehen. Der Umstand, daß es sich bei diesem Bescheid um eine einstweilige Sicherungsmaßnahme nach § 360 Abs 4 GewO handle, ändere nichts an der festgestellten Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Kindern aufgrund der Konstruktion des Spielturms und daran, daß dieser deshalb von der Rechtsmittelwerberin nicht verwendet werden dürfe. Daß die Klägerin am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei, ändere an der Bindungswirkung des Bescheides und an seinem Inhalt nichts. Eine Verbesserung habe die Klägerin verweigert. Darüberhinaus habe sich die Rechtsmittelwerberin bei Abschluß des Kaufvertrages in einem von der Klägerin veranlaßten Irrtum befunden, weil sie den Spielturm nicht gekauft hätte, wenn für sie die Untersagung der Benützung der Anlage durch die Verwaltungsbehörde absehbar gewesen wäre.

Hiezu wurde erwogen:

Die von der Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises für eine Spiellandschaft in Anspruch genommene Rechtsmittelwerberin hat, was die Sicherheit der Anlage betrifft, Sachmängel behauptet und die Auflösung des Kaufvertrages begehrt. Sie hat sich auch darauf gestützt, daß ihr die Gewerbebehörde mit Bescheid den Betrieb der Spielanlage untersagt hat. Eine solche (dauernde) Untersagung würde einen Rechtsmangel bewirken (vgl die Judikaturbeispiele bei Reischauer in Rummel**2 §§ 922, 923 ABGB Rz 8, und bei Binder in Schwimann**2 § 923 ABGB Rz 7); dieser würde den ordentlichen Gebrauch hindern und wäre daher wesentlich; eine Verbesserung der Anlage auf eigene Kosten hat die Klägerin abgelehnt. Die von der Rechtsmittelwerberin geltend gemachte Vertragsauflösung wäre daher - bei Bindung an den Untersagungsbescheid - gerechtfertigt.

Ob das Zivilgericht an diesen Bescheid gebunden ist, wurde von den

Vorinstanzen unterschiedlich beantwortet. In der Tat ist in der

Judikatur des Obersten Gerichtshofes die Ansicht vertreten worden,

die Gerichte seien auch dann an rechtskräftige Verwaltungsbescheide

gebunden, wenn den im gerichtlichen Verfahren Beteiligten im

Verwaltungsverfahren vor der dort zuständigen Behörde keine

Beteiligtenstellung zugekommen sei (5 Ob 31/67 = SZ 40/101 mH auf die

ältere Rechtsprechung; 4 Ob 104/69 = JBl 1970, 325 [abl Walter mwN];

5 Ob 517/79 = JBl 1980, 320; vorsichtiger schon 9 ObA 117/91 = SZ

64/98; vgl zur lange diskutierten Frage der Bindung an "Demolierungsbescheide" nunmehr 3 Ob 37/94 = SZ 67/64 mit anderer Argumentationslinie). Demgegenüber wurde in der Lehre wiederholt gefordert, die subjektiven Grenzen der Rechtskraft von Bescheiden zu beachten und nur denjenigen zu binden, der im Verwaltungsverfahren rechtliches Gehör hatte (vgl etwa zuletzt wiederum Walter, Die Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige präjudizielle Bescheide nach AVG im Rahmen der Zivilprozeßordnung im Vorfragenbereich, ÖJZ 1996, 601 mwN).

Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung anderer gerichtlicher Entscheidungen durch den Zivilrichter hat der Oberste Gerichtshof in letzter Zeit mehrmals auf das Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß § 6 MRK Bedacht genommen (1 Ob 694/89 = SZ 63/4; 1 Ob 612/95 = SZ 68/195; 2 Ob 2070/96t = ZVR 1996/80; 1 Ob 2123/96d). Ob und inwieweit die dabei angestellten Erwägungen auch für die Frage der Bindung des Zivilrichters an verwaltungsbehördliche Bescheide Geltung haben, kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, weil ein endgültiger Abspruch der Gewerbebehörde gar nicht vorliegt:

Beim Bescheid, an den sich das Erstgericht für gebunden erachtet hat, handelt es sich nämlich bloß um eine einstweilige Sicherungsmaßnahme gemäß § 360 Abs 4 GewO, die gemäß Abs 5 spätestens ein Jahr ab (sofortiger) Vollstreckbarkeit außer Wirksamkeit tritt. Eine solche Provisorialentscheidung (vgl zu ihrem Charakter und zum Erhebungsumfang MGA GewO6 § 360 Anm 14, 17, 21) steht der selbständigen Prüfung der Mangelhaftigkeit einer gekauften Sache durch das Zivilgericht keinesfalls entgegen. Schon mangels Endgültigkeit des Sachverhalts (vgl SZ 67/64) kann von einem bindend anzunehmenden Sach- oder Rechtsmangel nicht gesprochen werden.

Aus demselben Grund reicht der gemäß § 360 Abs 4 GewO erlassene Bescheid auch als Grundlage für eine Vertragsanfechtung wegen Irrtums über den Leistungsgegenstand nicht aus, wobei die Rechtsmittelwerberin nicht näher erläutert hat, worin die behauptete Veranlassung eines Irrtums durch die Klägerin gelegen sein soll.

Eine Verfahrensergänzung erweist sich somit auch bei der vom erkennenden Senat vorgenommenen Beurteilung der Rechtslage als unentbehrlich, weshalb der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts zu bestätigen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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