OGH 4Ob174/97k

OGH4Ob174/97k10.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Klaus W*****, vertreten durch Dr.Wilfried Haslauer und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Franz M*****, vertreten durch Dr.Herbert Linser, Rechtsanwalt in Imst, wegen Unterlassung (Streitwert S 300.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. September 1996, GZ 2 R 78/96d-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Jänner 1996, GZ 12 Cg 178/94w-16, in der Hauptsache mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 13.725 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor:

Zutreffend verweist der Kläger darauf, daß das Fehlen einer Rechtsprechung zur Frage, ob gegenüber einem politischen Mandatar ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Vertraulichkeit gemachte Äußerungen als nichtöffentlich im Sinne des § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB zu betrachten sind, diese noch nicht zu einer erheblichen Rechtsfrage macht, weil sich die Beantwortung aus den von der bisherigen Judikatur gewonnenen Grundsätzen ergibt:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB haftet derjenige, der eine

kreditschädigende Behauptung aufstellt, für eine nicht öffentlich

vorgebrachte Meinung, deren Unwahrheit er nicht kennt, dann nicht,

wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes

Interesse hatte. Nach § 7 Abs 2 UWG besteht ein Anspruch auf

Unterlassung bei vertraulichen Mitteilungen, an denen der Mitteilende

oder der Empfänger der Mitteilung ein berechtigtes Interesse hat,

(nur) dann, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder

verbreitet wurden. Der Begriff der nicht öffentlich vorgebrachten

Mitteilung im Sinne des § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB entspricht

demjenigen der vertraulichen Mitteilung gemäß § 7 Abs 2 UWG. Von

vertraulichen Mitteilungen kann in der Regel nur dann die Rede sein,

wenn dem Empfänger der Mitteilung diskrete Behandlung aufgetragen

wurde (SZ 25/100). Das gleiche gilt dann, wenn die Mitteilung nach

den Umständen des Falles als vertraulich anzusehen ist, sofern nicht

mit einer Weitergabe an Außenstehende gerechnet werden muß (ÖBl 1977,

122 = ZAS 1980, 16 [Böhm] mwN; SZ 61/205 = MR 1989, 12 = WBl 1989,

130 ua). Nicht öffentlich sind auch solche Mitteilungen, die einer

zur Verschwiegenheit verpflichteten Behörde gemacht werden (Koziol,

Haftpflichtrecht2 II 177; Ehrenzweig2 II/1, 660; ÖBl 1977, 122 = ZAS

1980, 16 [Böhm]; SZ 61/205 = MR 1989, 12 = WBl 1989, 130). In aller

Regel ist auch eine Äußerung im Familienkreis als nicht öffentlich

anzusehen (Harrer in Schwimann, ABGB2, Rz 42 zu § 1330; SZ 61/205 =

MR 1989, 12 = WBl 1989, 130); ebenso die Äußerung eines

Auskunftsbüros oder die vertrauliche Mitteilung an ein Kreditinstitut (Harrer aaO; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 26 zu § 1330; SZ 61/205 = MR 1989, 12 = WBl 1989, 130).

Der Beklagte hat die beanstandete Mitteilung einem Abgeordneten zum Nationalrat gemacht. Als solcher war dieser entgegen den Revisionsausführungen nicht zuständig für die Abstellung allfälliger Mißstände bei der Vergabe von Aufträgen durch die Österreichische Post- und Telegraphenverwaltung (ÖPT). Der Hinweis der Revision auf die Entscheidung SZ 56/124 = EvBl 1984/60 = JBl 1984, 492 = ÖBl 1984, 18 - Lokomotivführer, in welcher es darum gegangen war, daß der dortige Beklagte gegenüber der Dienststelle des Klägers behauptet hatte, daß dieser seinen Dienst als Lokomotivführer alkoholisiert antrete, geht daher mangels Vergleichbarkeit des Sachverhaltes mit dem hier zu beurteilenden fehl.

Mit Recht hat schon das Berufungsgericht hervorgehoben, daß der Kläger damit rechnen mußte, der von ihm unterrichtete Abgeordnete werde die Informationen weitergeben. Er hat dem Abgeordneten nicht aufgetragen, die den Kläger betreffende Information vertraulich zu behandeln.

Da die Äußerung des Beklagten somit als öffentlich zu werten ist, kommt es auf die Frage des berechtigten Interesses an der Mitteilung gar nicht mehr an.

Das Berufungsgericht hat die von ihm - nach Beweiswiederholung - festgestellten Äußerungen des Beklagten gegenüber dem Abgeordneten in ihrer Gesamtheit dahin beurteilt, daß ihr ein unbefangener Durchschnittshörer - zumindest nach dem Grundsatz, daß der Äußernde stets die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß -, (auch) entnehmen konnte, der Kläger bediene sich bei Erfüllung der ihm erteilten Aufträge ausländischer Subunternehmer. Diese Auslegung hält sich im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 64/182 = ÖBl 1992, 51 - Opernball-Demo I ua; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre mwN; Korn/Neumayr, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 39; MR 1994, 111 - Nazijournalismus; MR 1996, 26 - Süchtlerin; MR 1997, 23 - Unseriöser Kaufvertrag ua). Ob aber auch eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre - ob also der Abgeordnete einem nur ihm selbst anzulastenden Mißverständnis unterlegen ist -, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Mit seiner Fassung des Unterlassungsgebotes hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung des Beklagten nicht gegen § 405 ZPO verstoßen. Der Kläger hat seinen Unterlassungsanspruch nicht auf das Verbot einer ausdrücklichen Behauptung, er bediene sich ausländischer Subunternehmer, eingeengt. Das Berufungsgericht hatte daher nicht nur trotz geänderter Tatsachenfeststellungen den Unterlassungsanspruch zu bestätigen, sondern war auch berechtigt, zur Klarstellung den Zusatz zu machen, daß dem Kläger die sinngemäße Äußerung des beanstandeten Inhaltes untersagt werde. Hatte sich aber der Kläger mit seinem Begehren nicht auf das Verbot einer ausdrücklichen Behauptung beschränkt, dann kann dem Beklagten auch darin nicht gefolgt werden, er hätte im Falle eines dem nunmehrigen Urteilsspruch entsprechenden Begehrens vielleicht von Anfang an die Bestreitung unterlassen. Dem anwaltlich vertretenen Beklagten mußte ja rechtlich klar sein, daß er schon dann zur Unterlassung verurteilt werden muß, wenn seinen Äußerungen in ihrem Gesamtzusammenhang der beanstandete Sinn entnommen werden kann.

Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Frage, ob der Beklagte mit der Weitergabe seiner Behauptungen rechnen mußte, ist eine Rechts- und keine Tatfrage.

Auch die geltend gemachten Feststellungsmängel sind zu verneinen.

Soweit der Beklagte die Feststellung vermißt, wonach der Kläger

tatsächlich bei bestimmten Projekten auffallend billig und die

gegenüber dem Abgeordneten aufgestellte Behauptung demnach richtig

war, übersieht er, daß für ihn aus einer solchen Feststellung nichts

zu gewinnen wäre. Legt man nämlich seine Äußerung im Zusammenhang

dahin aus, daß der Kläger - wenn das auch nicht ausdrücklich gesagt

wurde - deshalb so billig sei, weil er ausländische Subunternehmer

heranziehe, dann ist die Äußerung in diesem Sinne eben unrichtig und

daher - mangels einer Rechtfertigung im Sinne des § 1330 Abs 2 Satz 3

ABGB (Reischauer aaO Rz 27; SZ 56/124 = EvBl 1984/60 = JBl 1984, 492

= ÖBl 1984, 18 - Lokomotivführer) - rechtswidrig, sodaß der geltend

gemachte Unterlassungsanspruch zu bejahen ist.

Schon aus rechtlichen Gründen ist klar, daß ein Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat nicht zuständig ist für die Abstellung von Mißständen bei einem staatseigenen Unternehmen. Daß es keine andere Möglichkeit gäbe, Unzukömmlichkeiten bei der ÖPT abzustellen, als sich an einen bestimmten Abgeordneten zu wenden, kann der Beklagte wohl nicht ernstlich vertreten. Die Mitteilung an einen solchen Abgeordneten ist auch nicht als Information des Eigentümers zu verstehen; Vertreter der Republik Österreich als Eigentümerin der ÖPT ist deren Generaldirektor, an den sich deshalb der Abgeordnete auch gewandt hat. Einer Zwischenschaltung dieses Abgeordneten hätte es daher nicht bedurft.

Da die Entscheidung über die Revision somit nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt, war das Rechtsmittel zurückzuweisen (§ 510 Abs 3, letzter Satz, ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente seine Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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