OGH 1Ob345/52

OGH1Ob345/5223.4.1952

SZ 25/100

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §25 (4)
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §25 (4)

 

Spruch:

Unlautere Wettbewerbshandlungen eines Mitbewerbers geben einem anderen nicht die Befugnis, über das Recht der angemessenen Information der Kundschaft hinaus, selbst unlautere Mittel im Wettbewerb anzuwenden.

Kein Recht auf Urteilsveröffentlichung, wenn das Publikum von der unlauteren Wettbewerbshandlung keine Kenntnis erhalten hat.

Entscheidung vom 23. April 1952, 1 Ob 345/52.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil, daß der Beklagte die Verbreitung von Rundschreiben und sonstigen Mitteilungen des Inhalts unterlassen müsse, es laufe gegen den Kläger ein Verfahren an, welches wahrscheinlich viel weiterreichende Folgen haben werde als er glaube, weiters, der Kläger sei praktisch vollkommen ruiniert, oder ähnlichen Inhalts. Dem Kläger wurde die Befugnis zugesprochen, das Urteil in der "Wiener Zeitung" und in den "Salzburger Nachrichten" auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen. Die Entscheidung über den Schadenersatzanspruch von 40.000 S wurde dem Endurteil vorbehalten. Der Beklagte habe an seinen Filialleiter K. in Graz das Rundschreiben vom 2. November 1950 gerichtet, worin die oben angeführten Stellen enthalten sind und in dem er dem Filialleiter nahelegte, seine Kundschaft entsprechend zu instruieren. Wenngleich eine Weiterverbreitung des Inhalts des Rundschreibens durch K. nicht habe erwiesen werden können, liege das "Verbreiten" der schädigenden Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG. schon in der Versendung, weil die Gefahr der Verbreitung bestanden habe. In der Versendung des Rundschreibens mit der Aufforderung zur Verbreitung liege eine unsittliche Handlungsweise des Beklagten. Maßgebend sei die Wirkung des Vorgehens des Beklagten, nicht dessen Absichten. Was im einzelnen den Hinweis auf das anlaufende Verfahren gegen den Kläger betreffe, handle es sich um eine rein subjektiv zu beurteilende, nicht erweisbare Tatsache, die dem § 1 UWG. zu unterstellen sei. Auch wenn der Wahrheitsbeweis zuzulassen wäre, könnte nach Ansicht des Erstrichters nicht angenommen werden, daß er dem Beklagten gelungen wäre. Denn zur Zeit der Verfassung des Rundschreibens sei noch kein Verfahren gegen den Kläger anhängig gewesen. Die Stelle des Rundschreibens, worin der Kläger als praktisch vollkommen ruiniert bezeichnet werde, sei nach § 7 UWG. zu beurteilen. Als ruiniert könne nur ein Kaufmann angesehen werden, der zahlungsunfähig und konkursreif sei. Auch in dieser Richtung habe der Beklagte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht. Es könne auch nicht von einer vertraulichen Mitteilung im Sinne des § 7 Abs. 2 UWG. die Rede sein, weil im Rundschreiben die Weitergabe der Mitteilung an die Kunden empfohlen werde. Es sei daher gleichgültig, ob der Beklagte an der Mitteilung ein berechtigtes Interesse gehabt habe oder nicht. Die Ermächtigung des Klägers zur Veröffentlichung des Urteils in Zeitungen beruhe auf § 25 Abs. 4 UWG.

Infolge Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Teilurteil. Nach der Rechtsprechung komme es bei dem durch das Wettbewerbsgesetz bezweckten Unternehmerschutz bloß darauf an, ob die Wettbewerbshandlung einem Unternehmen vor dem andern einen Vorsprung sichern oder dieses benachteiligen sollte, ferner darauf, ob es sich um gleichartige oder verwandte Unternehmungen handle, deren Tätigkeitsgebiete zusammenfielen oder sich wenigstens schnitten. Diese Voraussetzungen für das Tatbestandsmerkmal "zu Zwecken des Wettbewerbs" im § 1 und § 7 seien nach dem unmißverständlichen Inhalt des Rundschreibens und den beiderseitigen Parteibehauptungen in vollem Umfang gegeben. Weitere Beweggrunde des Beklagten seien nicht zu erforschen gewesen. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und dessen Rechtsmeinung, daß die Unterlassungstatbestände nach § 1 und § 7 vorlägen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil, das im übrigen bestätigt wird, dahin ab, daß das Klagebegehren, es werde dem Kläger die Befugnis zugesprochen, das Urteil in der "Wiener Zeitung" und in den "Salzburger Nachrichten" auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen, abgewiesen wird.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber bemängelt es, daß das Berufungsgericht nicht geprüft habe, welche Beweggrunde der Beklagte gehabt habe, das Rundschreiben zu verschicken und ob die darin gemachten Äußerungen den Tatsachen entsprochen hätten oder nicht. Die vom Revisionswerber dazu beantragten Beweismittel seien von den Untergerichten nicht aufgenommen worden, wodurch deren Verfahren mangelhaft geworden sei.

Demgegenüber genügt es, auf den Inhalt des Rundschreibens zu verweisen. Darin beschwert sich der Beklagte darüber, daß der Kläger vereinbarungswidrig die alte Firmenbezeichnung "Otto B. und Co."

wieder angenommen habe und die Möglichkeit bestehe, daß er im Verkaufsrayon der Filiale des Beklagten gleichartige Waren verkaufe. Aus der Stilisierung des Rundschreibens kann entnommen werden, daß der Beklagte die Konkurrenz des Klägers ausschalten wollte. Er handelte unzweifelhaft zu Zwecken des Wettbewerbes, als er den Beklagten und dessen Unternehmen herabsetzte. Im übrigen wäre dies nach den Umständen jedenfalls zu vermuten, was nach der Rechtsprechung des OGH. genügt (E. v. 23. Jänner 1952, 1 Ob 55/52). Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Beweise über weitere Beweggrunde des Beklagten für die Versendung des Rundschreibens.

Der Inhalt des Rundschreibens läßt auch erkennen, daß die dort aufgestellten Behauptungen über den angeblichen Ruin des Klägers nicht als vertrauliche Mitteilungen im Sinne des § 7 Abs. 2 UWG. angesehen werden können. Der Beklagte hat dem Empfänger des Rundschreibens die diskrete Behandlung des Inhalts nicht aufgetragen. Im Gegenteil, er hat ihm nahegelegt, die Kunden über den Sachverhalt entsprechend zu instruieren. Der Umstand, daß der Beklagte es abgelehnt hat, eine schriftliche Mitteilung an die Kunden auszuschicken, beweist noch nicht, daß er die Verbreitung des Inhalts des Rundschreibens vermeiden wollte. Der Beklagte wählte nur einen anderen Weg der Verbreitung, weil ihm die persönliche Weitergabe durch den Filialleiter wirksamer erschien als die schriftliche Benachrichtigung der Kunden.

Die Untergerichte haben zutreffend erkannt, daß der Beklagte die Folgen der Versendung des Rundschreibens nur durch den Beweis der Wahrheit seiner Behauptungen vermeiden konnte.

Das Revisionsgericht billigt auch die Meinung des Berufungsgerichtes, daß dem Beklagten der Wahrheitsbeweis nicht gelungen ist. Wenn der Beklagte den Kläger als praktisch vollkommen ruiniert bezeichnete, konnte diese Wendung von Unbeteiligten nicht anders verstanden werden, als daß der Kläger ohne Möglichkeit einer Sanierung seines zusammengebrochenen Geschäftes dastehe. Der Revisionswerber will den Sinn der erwähnten Worte so hinstellen, als ob es sich nur um die Behauptung schlechter wirtschaftlicher Lage des Klägers gehandelt hätte. Dieser Argumentation kann deshalb nicht gefolgt werden, weil ein Kaufmann noch nicht als ruiniert bezeichnet werden kann, wenn er zur Weiterführung seines Betriebes Kredite braucht. Ruiniert ist er erst dann, wenn er keine Darlehen mehr bekommen kann und sein Unternehmen fallit ist. Der Revisionswerber hat in dieser Richtung keine Beweise angeboten, sich vielmehr nur auf Zeugen berufen, die die Aufnahme von Kredit und das Ansuchen des Klägers an seine Gläubiger wegen Gewährung eines Moratoriums oder eines Schuldentilgungsplanes bestätigen sollten. Da die von den Zeugen zu beweisenden Tatsachen jedoch den Wahrheitsbeweis im Sinne des Zusammenbruchs des Klägers nicht hätten erbringen können, haben die Untergerichte - ganz abgesehen davon, ob nicht schon die Verbreitung der Mitteilung, der Konkurrent sei fertig, auch dann unlauterer Wettbewerb ist, wenn die Behauptung zutreffend ist - die Beweisanträge nicht zugelassen und das Verfahren der Untergerichte ist auch in dieser Richtung nicht mangelhaft geblieben.

Der Revisionswerber war auch nicht befugt und in der Lage, zur Behauptung über das gegen den Kläger anlaufende Verfahren den Wahrheitsbeweis zu erbringen. Denn er begnügte sich nicht damit, das angebliche Anlaufen des Verfahrens zu behaupten, sondern er fügte undeutliche Vermutungen hinzu, die auf subjektiven Annahmen und Abschätzungen beruhten und wofür schon deshalb ein Wahrheitsbeweis dem Beklagten nicht gelingen, aber auch nicht eingeräumt werden konnte. Es war auch in dieser Hinsicht nicht nötig, weitere Beweise aufzunehmen.

Das Revisionsgericht teilt schließlich auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Handlungsweise des Beklagten sittenwidrig war, weil die Äußerung über das anlaufende Verfahren gegen den Kläger auf eigene, zum Zweck des Wettbewerbs unternommene Umtriebe unlauterer Art zurückzuführen ist.

Es liegen die Tatbestände der §§ 1 und 7 UWG. vor. Im übrigen genügt es, auf die Begründung des angefochtenen Urteils des Berufungsgerichtes zu verweisen. Bemerkt sei, daß von bloßen Abwehrmaßnahmen des Beklagten gegen eine unlautere Firmenverwendung oder ungehörige Geschäftspraktiken des Klägers nicht gesprochen werden kann. Denn allfälliger unlauterer Wettbewerb des Klägers gab dem Beklagten über das Recht zu angemessener Information der Kundschaft hinaus nicht die Befugnis, selbst unlautere Mittel im Wettbewerb anzuwenden (SZ. IX/287 und X/77).

Soweit jedoch der Kläger die Befugnis zur Veröffentlichung des Urteils in zwei Zeitungen gemäß § 25 Abs. 4 UWG. begehrt, ist die Revision begrundet. Die Untergerichte haben die tatsächliche Weiterverbreitung des Inhalts des Rundschreibens durch dessen Empfänger nicht als erwiesen angenommen. Es besteht deshalb kein zureichender Grund, das Publikum, bei dem die Behauptungen des Beklagten keine Publizität erlangt haben, durch die Zeitung aufzuklären. In dieser Richtung liegt der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vor. Im übrigen war der Revision hingegen der Erfolg zu versagen.

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