OGH 7Ob140/97g

OGH7Ob140/97g14.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Sabrina B*****, wohnhaft und in Obsorge ihrer Mutter Karin B*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn als Unterhaltssachwalterin, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gerhard B*****, vertreten durch Dr.Clement Achammer ua Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 12.März 1997, GZ 1 R 125/97h-45, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 17.Februar 1997, GZ 9 P 1402/95m-40, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung zu fällen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der mj. Sabrina wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn zu 7 C 42/94y vom 14.7.1994 aus dem Verschulden des unterhaltspflichtigen Vaters geschieden. Die Obsorge wurde in der Folge ihrer Mutter zuerkannt. Der Vater hat das Kind 1994 aus der Obsorge seiner Mutter entzogen und ist nach Spanien verreist, um dort eine Landwirtschaft zu betreiben. Über Strafanzeige der Mutter wurde er am 26.6.1995 verhaftet und die mj. Sabrina am 19.7.1995 der Mutter zurückgestellt, die das Kind seither in ihrem Haushalt betreut. Das gegen den Vater aufgrund dieses Sachverhaltes und anderer Deliktsvorwürfe geführte Strafverfahren zu *****, ***** des Landesgerichtes Feldkirch ist noch anhängig. Der Vater befindet sich wieder auf freiem Fuß, es wurde ihm die Rückkehr nach Spanien erlaubt. Der Vater ist in Österreich keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nachgegangen, er war auch in Österreich nicht als arbeitsuchend gemeldet. Nach dem Vorbringen seines Vertreters (AS 169 in ON 43) ist er - offensichtlich noch vor der Beschlußfassung des Erstgerichtes - wieder nach Spanien verzogen.

Der Sachwalter begehrte am 2.10.1996 (ON 34), den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.560,-- ab 1.6.1996 zu verpflichten. Der Vater hat sich gegen eine solche Unterhaltsverpflichtung mit der Begründung ausgesprochen, über keinerlei Einkommen zu verfügen, da er sich über ein Jahr (bis 17.Mai 1996) in Auslieferungs- und Untersuchungshaft befunden habe und seine Landwirtschaft in Spanien daher nicht habe betreiben können. Dieser Sachverhalt lasse sich größtenteils auch aus dem Akt des Strafverfahrens ***** des Landesgerichtes Feldkirch belegen.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur beantragten Unterhaltsleistung. Dieser hätte wegen der bestehenden Unterhaltsverpflichtung bei Wahl seiner Lebensführung darauf Bedacht nehmen müssen, daß er mit der Umstellung seiner Berufstätigkeit auf eine Landwirtschaft in Spanien wohl kaum in der Lage sein werde, seiner Unterhaltsverpflichtung in einem angemessenen Ausmaß nachzukommen, zumal er vorher in Österreich einer geregelten Beschäftigung nachgegangen sei und über ein entsprechendes Einkommen verfügt habe. Der Vater habe durch den Entzug des Kindes aus der Obsorge der Mutter eine strafbare Handlung gesetzt, bei welcher er mit der Einleitung eines Strafverfahrens habe rechnen müssen. Der geforderte Unterhaltsbetrag entspreche dem derzeitigen Regelbedarf für ein Kind im Alter von 10 bis 15 Jahren. Für die Unterhaltsbemessung werde ein fiktives erzielbares Einkommen zugrundegelegt, mit welchem der Vater in der Lage sei, entsprechend der Höhe des Regelbedarfes Unterhalt für sein Kind zu leisten.

Das Rekursgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Bestünden Anzeichen, daß der Unterhaltspflichtige weniger verdiene, als seiner Leistungsfähigkeit entspreche, müsse er sich unter bestimmten Voraussetzungen an jenem Einkommen messen lassen, das er bei zumutbarer Ausschöpfung seiner Möglickeiten erzielen könnte. Wesentliche Voraussetzung für eine Anspannung sei, daß den Unterhaltspflichtigen ein Verschulden am Einkommensmangel treffe; dazu genüge leichte Fahrlässigkeit in Form der Außerachtlassung zumutbarer Einkommensbemühungen. Im vorliegenden Fall habe der Vater nach seiner Darstellung im Strafverfahren die Berufstätigkeit eines Ausschneiders aufgegeben und sei mit seiner Tochter nach Spanien gezogen, um dort eine Landwirtschaft mit 30 Ziegen und 80 Obstbäumen zu betreiben. Darüberhinaus lebe er von betragsmäßig nicht näher angegebenen Ersparnissen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anspannung nicht entsprechend berücksichtigte, er ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Dem Revisionsrekurswerber ist zunächst entgegenzuhalten, daß er als unterhaltspflichtiger Vater nur solche Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit Einschränkungen seiner Einkommensverhältnisse verbunden sind, vornehmen darf, wie dies bei gleicher Sachlage auch ein pflichtbewußter Vater in aufrechter Ehe getan hätte (vgl. SZ 63/74 = EvBl 1990/128 = ÖA 1991, 99 = RZ 1993, 101). Einkommenseinbußen, die mit der Begründung einer selbständigen Erwerbstätigkeit verbunden sind, sind nur dann hinzunehmen, wenn es sich bei der aufgenommenen selbständigen Erwerbstätigkeit um die Begründung einer realistischen Einnahmsquelle handelt und in absehbarer Zeit mit einem gegenüber dem bisherigen höheren Einkommen gerechnet werden kann (vgl 10 Ob 523/95). Der in Verbindung mit der strafrechtlich noch zu ahnenden Entziehung der mj. Sabrina aus der zum damaligen Zeitpunkt zumindest noch gemeinsam ausgeübten Obsorge mit der Mutter des Kindes durch Verlagerung des Wohnsitzes nach Spanien und der damit vorgenommene Berufswechsel zum Landwirt geht daher, wenn der Vater damit keine wenigstens gleich hohen Einkünfte wie aus seiner früheren Berufstätigkeit erzielen kann, im Zweifel zu Lasten des unterhaltspflichtigen Vaters. Welches Einkommen der Revisionsrekurswerber vor diesem "Berufswechsel" verdiente und über welches er nunmehr verfügen könnte bzw über welche Ersparnisse er derzeit verfügt, ist jedoch offen geblieben. Die Anspannungstheorie und die dazu in SZ 53/54 ausgesprochenen Beweislastregeln können auch gegen einen abwesenden Unterhaltspflichtigen bei einer erstmaligen Festsetzung angewendet werden, wenn die zur Zeit des letzten bekannten Aufenthaltes maßgeblichen Tatsachenprämissen noch festgestellt werden können (vgl. SZ 63/40 = RZ 1990/109 = ÖA 1990, 109). Die den Unterhaltsschuldner treffende Beweislast, daß er sein früheres Einkommen nicht mehr erzielen könne, kommt aber nur dann zum Tragen, wenn das Gericht aufgrund seiner amtswegigen Beweiserhebungen außerstande ist, eine ausreichende Tatsachengrundlage zu schaffen (vgl 8 Ob 503/96). Bei einer Erstbemessung sind daher alle Lebens-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen genau zu erheben (vgl. 1 Ob 552/93 sowie 7 Ob 616/95). Dementsprechend ist das als Bemessungsgrundlage angenommene fiktive Einkommen des Unterhaltspflichtigen betraglich auszuweisen (vgl. EvBl 1991/167 = ÖA 1991, 138). Im vorliegenden Fall ist dies jedoch unterblieben. Von einer Unmöglichkeit der Durchführung von Erhebungen kann derzeit keine Rede sein. Die spanische Anschrift des Unterhaltspflichtigen ist dem Strafakt ***** des Landesgerichtes Feldkirch (AS 177) zu entnehmen, nicht jedoch, wie hoch das von ihm in seinem früheren Beruf als "Ausschneider" erzielte Einkommen war (vgl. AS 324 des Strafaktes). Die von den Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrundegelegten Tatsachenfeststellungen reichen daher nur dafür aus, daß der Vater ab Entlassung aus der Auslieferungs- und Untersuchungshaft grundsätzlich anzuspannen wäre, nicht jedoch dafür, auf welches monatliche Einkommen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren den Vater unter Fristsetzung aufzufordern haben, seine früheren und jetzigen Einkommensverhältnisse und seine nunmehrigen Ersparnisse, von denen er behauptete, davon leben zu können, nachzuweisen, und sollte dies unterbleiben bzw die Glaubwürdigkeit seiner Angaben zweifelhaft sein, diese Beweisergebnisse durch die Einholung einer Gehaltsauskunft vom früheren Dienstgeber sowie durch die Einvernahme anderer Personen, wie etwa der Mutter des Kindes, zu überprüfen haben. Erst danach wird das Erstgericht beurteilen können, auf welchen Betrag eine Anspannung des unterhaltspflichtigen Vaters gerechtfertigt ist.

Dem Revisionsrekurs des Vaters war daher Folge zu geben und waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

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