OGH 4Ob119/97x

OGH4Ob119/97x13.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Brigitte R*****, geboren am 11.Jänner 1979, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Judenburg als Sachwalter, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 24.Februar 1997, GZ 2 R 540/96b-97, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Judenburg vom 1. Oktober 1996, GZ 6 P 2507/95w-89, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die am 11.1.1979 außerehelich geborene Brigitte R***** lebt bei der Mutter. Salih B*****, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, hatte die Vaterschaft anerkannt und sich in einem vor der Bezirkshauptmannschaft Judenburg geschlossenen Vergleich zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000 ab Geburt verpflichtet. Er kehrte - nachdem über ihn ein Aufenthaltsverbot verhängt worden war - nach Bosnien-Herzegowina zurück. Der Minderjährigen wurden zunächst Unterhaltsvorschüsse gewährt.

Mit Beschluß vom 22.7.1992 befreite das Erstgericht den Vater über seinen Antrag von der Unterhaltspflicht ab 1.7.1991 und stellte gleichzeitig die für die Zeit vom 1.7.1991 bis 30.6.1994 bewilligten Vorschüsse rückwirkend ab 1.7.1991 ein. Es stellte fest, daß der Vater arbeitslos sei, über keinerlei Vermögen verfüge und für Ehegattin und drei eheliche Kinder zu sorgen habe. Angesichts dieser Umstände verneinte das Erstgericht die Leistungsfähigkeit des Vaters. In der gegebenen Situation könnten ihm Unterhaltsleistungen nicht zugemutet werden. Dieser Beschluß blieb unbekämpft.

Am 30.9.1996 stellte der Unterhaltssachwalter den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG und führte aus, der Vater befinde sich nunmehr seit Jahren in Bosnien-Herzegowina. Eine Feststellung, zu welcher Unterhaltsleistung er nunmehr in der Lage wäre, sei nicht möglich, da weder sein Aufenthalt noch sein Einkommen ermittelt werden könne.

Das Erstgericht gewährte einen Unterhaltsvorschuß nach § 4 Z 2 UVG in der sich aus § 6 Abs 2 UVG ergebenden Höhe.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz Folge und wies den Antrag auf Vorschußgewährung ab.

Der Unterhaltsvorschuß nach § 4 Z 2 UVG setze die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen voraus. Aufgrund der bisherigen, sich aus dem Akt ergebenden Lebensverhältnisse des Vaters und bei Bedachtnahme auf die derzeitigen Verhältnisse in seiner Heimat müsse angenommen werden, daß er nach wie vor über keine Mittel verfüge, die eine Unterhaltsleistung ermöglichen würden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch den Unterhaltssachwalter, ist zulässig und berechtigt.

Nach § 4 Z 2 UVG sind Vorschüsse unter anderem dann zu gewähren, wenn die Unterhaltsfestsetzung aus Gründen auf der Seite des Unterhaltsschuldners nicht gelingt, außer wenn dieser nach seinen Kräften zu einer Unterhaltsleistung offenbar nicht imstande ist. Die Ausführungen in der Regierungsvorlage 276 BlgNR 15.GP 9 sehen Vorschüsse dann vor, "wenn der Unterhaltsschuldner unbekannten Aufenthaltes ist oder Ungewißheit über seine Lebensverhältnisse herrscht". Die Vorschußleistung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Unterhaltsschuldner "offenbar" zur Unterhaltsleistung nicht imstande ist (SZ 63/95, ÖA 1995, 61 Knoll UVG Rz 7 zu § 4). Die Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG setzt somit voraus, daß der Unterhaltsschuldner an sich, dem Grunde nach, in der Lage ist, Unterhalt zu leisten.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß sich die Leistungsunfähigkeit (für die der Bund beweispflichtig ist, vgl SZ 63/219; EFSlg 66.606; Schwimann ABGB2 I Rz 40 zu § 4 Z 2 UVG) auf der eingeschränkten Beweisgrundlage des § 11 Abs 2 UVG durch einen positiven Beweis ergeben müsse (RIS-Justiz RS0076267), und ein Beweisdefizit oder Zweifel über die Leistungsfähigkeit einer Bevorschussung nicht entgegenstehen (SZ 63/95; ÖA 1993, 142/UV 57 = EF 69.425 = 69.419; EF 66.606; 72.517; ÖA 1995, 61 und 1996, 18; RIS-Justiz RS0076273; vgl Schwimann aaO Rz 40; Knoll aaO Rz 6 und 7 zu § 4 Z 2 und 3 UVG).

Im gegenständlichen Fall ist dem Akteninhalt wohl zu entnehmen, daß der Vater in den Jahren bis 1992 einkommens- und vermögenslos und somit nicht in der Lage war, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Hinweise dafür, daß sich seine finanziellen Verhältnisse in den Jahren 1992 bis 1996 ungeachtet des inzwischen beendeten Kriegszustandes in seiner Heimat nicht geändert hätten und er trotz des doch beachtlichen Zeitraumes seit 1992 nach wie vor nicht in der Lage wäre, seinen Verpflichtungen nachzukommen, liegen nicht vor. Das hier gegebene Beweisdefizit und allfällige Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit machen jedoch eine Unfähigkeit (Unterhalt zu leisten) nicht "offenbar" und stehen daher einer Bevorschussung nicht entgegen.

Der Umstand, daß Aufenthalt und Lebensverhältnisse des Vaters derzeit unbekannt sind, hindert eine Bevorschussung nicht, soll doch gerade in einem solchen Fall der Vorschuß nach dem Willen des Gesetzgebers gewährt werden (RV 276 BlgNR 15.GP 9).

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs stattzugeben und der Beschluß des Erstgerichtes auf Gewährung der Vorschüsse nach § 4 Z 4 UVG wiederherzustellen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte