Spruch:
1) Dem Wiederaufnahmeantrag wird stattgegeben.
Der Beschluß vom 28.Jänner 1997, womit die außerordentliche Revision der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
2) Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die Parteien haben ihre Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung
Zu Pkt.1:
Mit Beschluß vom 28.Jänner 1997 wies der erkennende Senat die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das am 21.November 1996 zugestellte Urteil des Berufungsgerichts vom 25.Oktober 1996 wegen Verspätung zurück, weil die beklagte Partei dieses Rechtsmittel „laut Kanzleivermerk“ erst am 20.Dezember 1996 zur Post gegeben hatte.
Dagegen wendet sich der Wiederaufnahmeantrag der beklagten Partei mit den Begehren, den Zurückweisungsbeschluß Eersatzlos aufzuheben“ und „über die außerordentliche Revision zu entscheiden“. Vorgebracht wurde, die „Datumsangabe im Vorlagebericht des Erstgerichts“ sei unrichtig, weil die außerordentliche Revision bereits am 19.Dezember 1996 zur Post gegeben worden sei.
Die klagende Partei erwiderte, die Zurückweisung der außerordentlichen Revision wegen Verspätung sei infolge eines gerichtlichen Kanzleivermerks über deren Postaufgabe durch die Aktenlage gedeckt und daher keiner Berichtigung zugänglich.
Der Wiederaufnahmeantrag ist berechtigt.
Der erkennende Senat legt seiner Entscheidung aufgrund der dem Wiederaufnahmeantrag angeschlossenen Urkunden (Postaufgabeschein, Verständigung der Post und eidesstattliche Erklärungen) folgenden bescheinigten Sachverhalt zugrunde:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wurde - entgegen dem gerichtlichen Kanzleivermerk - nicht erst am 20., sondern bereits am 19.Dezember 1996 zur Post gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Daraus folgt in rechtlicher Hinsicht:
Die Rechtsprechung wendet den Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO sinngemäß auf den Fall eines durch die frühere Aktenlage gedeckten, aber sachlich unrichtigen Beschlusses auf Zurückweisung eines Rechtsmittels an. Einer Wiederaufnahmeklage bedarf es dabei nicht. Über den Wiederaufnahmeantrag ist vielmehr in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 419 ZPO - also ohne förmliches Beweisverfahren - zu entscheiden. Stellt sich der ergangene Zurückweisungsbeschluß im Bescheinigungsverfahren - wie hier - als sachlich unrichtig heraus, ist er in Stattgebung des Wiederaufnahmebegehrens aufzuheben (SZ 60/192 = JBl 1989, 402 = GesRZ 1988, 226 [mit ausführlicher Begründung]).
Weil jedoch auf den vorliegenden Wiederaufnahmeantrag - abgesehen von der Frage der Abwicklung eines förmlichen Beweisverfahrens - die Bestimmungen über die Wiederaufnahmeklage analog anzuwenden sind und das Verfahren, sofern die Klage gemäß § 538 Abs 1 ZPO nicht schon im Vorprüfungsstadium zurückgewiesen wird, kontradiktorisch ist, muß der Gegner des Wiederaufnahmewerbers vor der Entscheidung über dessen Aufhebungs- begehren gehört werden.
Dagegen ist über die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens erst mit der in der Hauptsache zu fällenden Entscheidung abzusprechen (JBl 1952, 292; SZ 20/157; Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 3 zu § 541 mwN aus der Rsp).
Zu Pkt.2:
Der Oberste Gerichtshof sprach in 6 Ob 528/84 (RdW 1986, 268) - ohne nähere Begründung - aus, die Zustellung der Klage ersetze eine qualifizierte Mahnung gemäß § 13 KSchG. Diese Ansicht wurde vom erkennenden Senat in 1 Ob 2373/96v mit der Begründung abgelehnt, § 13 KSchG bestimme, daß die „gesamte noch offene Schuld erst gefordert (eingeklagt) werden“ dürfe, wenn eine qualifizierte Mahnung stattgefunden habe. Daran ist festzuhalten. Nach dem dort entschiedenen Sachverhalt hatte jedoch die klagende Partei die aushaftende Kreditforderung auch nicht während des Verfahrens nach den Bestimmungen des § 13 KSchG eingemahnt und unter Androhung des Terminsverlusts fällig gestellt. Aus dieser Entscheidung läßt sich daher nicht ableiten, daß die klagende Partei eine qualifizierte Mahnung gemäß § 13 KSchG während des Verfahrens nicht mehr nachholen kann. Vermag aber die klagende Partei eine qualifizierte Mahnung noch während des Verfahrens nachzuholen, kann sie sich darauf zur Begründung ihrer Aktivlegitimation auch berufen, wäre doch die Verneinung eines solchen Rechts im Ergebnis einer - im Gesetz nicht angeordneten - Eventualmaxime für derartige Kredit- und Darlehensstreitigkeiten gleichzuhalten.
Das Erstgericht stellte nun ua fest:
„Da der Beklagte anläßlich des gegenständlichen Verfahrens den Einwand erhob, daß keine qualifizierte Mahnung im Sinne des § 13 KSchG vorliegt, holte dies der Klagsvertreter mit Schreiben vom 2.1.1996 insofern vorsichtsweise nach, indem er den Beklagten nochmals aufforderte, die rückständigen Raten dieses Kredites binnen einer Frist von zwei Wochen bei sonstigem Terminsverlust zu seinen Handen zu bezahlen.“
Aus den weiteren Feststellungen ergibt sich überdies, daß die klagende Partei ihre vertragliche Leistung bereits vollständig erbrachte und der Beklagte im Zeitpunkt der oben wiedergegebenen Mahnung mit zahlreichen Ratenverbindlichkeiten bereits jahrelang im Verzug war. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es daher für den Erfolg des Klagebegehrens nicht darauf an, ob der Terminsverlust, wie das Berufungsgericht annahm, „spätestens mit 30.6.1995“ eintrat, wurde doch eine qualifizierte Mahnung, die den Eintritt der Fälligkeit der Klageforderung noch vor Schluß der Verhandlung erster Instanz bewirkte, jedenfalls während des Verfahrens nachgeholt. Daß die Verbindlichkeit des Beklagten aufgrund eines späteren Terminsverlusts der Höhe nach geringer gewesen wäre, wird in der außerordentlichen Revision nicht behauptet. Derartiges ließe sich auch nicht aus dem zu beurteilenden Sachverhalt ableiten, endet doch der Zinsenlauf - unabhängig vom Zeitpunkt des Terminsverlustes - erst nach Schuldtilgung.
Die außerordentliche Revision ist somit gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Vorausetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens stützt sich auf § 41 und § 50 ZPO. Der Beklagte hat keinen Kostenersatzanspruch, weil er im wiederaufgenommenen Verfahren unterlag. Dagegen diente der Äußerungsschriftsatz der klagenden Partei nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Obgleich sich der Beklagte zur Berechtigung seines Wiederaufnahmeantrags auf die Entscheidung SZ 60/192 berufen hatte, versuchte die klagende Partei gar nicht darzutun, daß der gerichtliche Kanzleivermerk über die Postaufgabe auf der zunächst wegen Verspätung zurückgewiesenen außerordentlichen Revision den Tatsachen entspreche, sondern führte lediglich ihre der zitierten Entscheidung widersprechende Ansicht aus, der Wiederaufnahmeantrag könne - unabhängig von der Richtigkeit des erwähnten gerichtlichen Kanzleivermerks - nicht erfolgreich sein.
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