OGH 4Ob98/97h

OGH4Ob98/97h15.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****AG, ***** vertreten durch Dr.Thomas Stampfer, Dr.Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Gertrude E*****, vertreten durch Dr.Erwin Bajc und Dr.Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen S 500.000, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17.Jänner 1997, GZ 3 R 240/96f-27, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Wer Urkunden unterfertigt, macht den durch seine Unterschrift gedeckten Text zum Inhalt seiner Erklärung, auch wenn er ihm unbekannt war oder er ihn nicht verstanden hat (Koziol/Welser Grundriß I10 121). Das schließt eine Anfechtung wegen Irrtums nicht aus. Die Anfechtung setzt allerdings voraus, daß der Irrtum durch den anderen (und nicht durch einen Dritten, siehe § 875 ABGB) veranlaßt wurde. Der Schuldner, der auf Veranlassung seines Gläubigers mit seinen Bekannten wegen Übernahme einer Bürgschaft verhandelt, ist nicht schon deshalb Verhandlungsbeauftragter des Gläubigers, es sei denn, der Gläubiger hat den Schuldner durch Verhandlungsauftrag dem Vertragspartner gegenüber zum Mann seines Vertrauens erklärt (JBl 1972, 303; RIS-Justiz RS0016309; Rummel in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 875). So wird der Kreditwerber, der einen anderen zur Mitübernahme der Schuld veranlaßt, im Regelfall als Dritter behandelt (3 Ob 509/80; vgl ÖBA 1988, 1037).

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach sich die Klägerin einen durch Erich P***** als Drittem veranlaßten Irrtum der Beklagten nicht zurechnen lassen müsse, steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang, zumal besondere Umstände, aufgrund derer Erich P***** als Verhandlungsgehilfe der Klägerin angesehen werden müßte, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Die bloße Weiterleitung der von der Beklagten unterfertigten Vertragsformulare setzt ihn noch nicht der Klägerin als Erklärungsgegnerin gleich.

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Lehre und ständiger Rechtsprechung auch eine Verletzung von Aufklärungspflichten verneint. Aufklärungspflichten bestehen in der Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (Rummel in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 870) eine Aufklärung erwarten durfte (RdW 1985, 370), wenn sich somit nach der Lage des Falles eine Aufklärungsnotwendigkeit ergab. Die Aufklärungspflicht endet jedoch an der Grenze der objektiven Voraussehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RIS-Justiz RS0016390). Damit, daß die Beklagte den Text der von ihr unterfertigten Vertragsurkunde gar nicht lesen werde und entgegen der dieser eindeutig zu entnehmenden Formulierungen annehmen könnte, sie unterfertige keine Schuld- und Pfandbestellungsurkunde, sondern ein zur Regelung der Rangordnung der Pfandrechte erforderliches Dokument, konnte die Klägerin nicht rechnen. Daß für die Klägerin Anhaltspunkte dafür bestanden, Erich P***** könnte die Beklagte über den wahren Inhalt ihrer Erklärung in Irrtum führen, ist nicht hervorgekommen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte