OGH 3Ob2228/96k

OGH3Ob2228/96k26.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in den Exekutionssachen der betreibenden Parteien

1. mj.Werner H*****, 2. mj.Wolfgang H*****, beide vertreten durch die Mutter Dr.Susanne H*****, diese vertreten durch Dr.Franz Kreibich und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die verpflichtete Partei DDr.Walter H*****, vertreten durch Dr.Roman Moser, Rechtsanwalt in Thalgau, wegen Unterhalts (5 E 864/94b und 5 E 4270/94k des Bezirksgerichtes Salzburg), infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 16. November 1995, GZ Nc 313/95-3, womit der Ablehnungsantrag des Verpflichteten gegen alle Richter und Rechtspfleger im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrags gegen alle Rechtspfleger des Landesgerichtssprengels Salzburg gerichtete Rekurs wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrags gegen alle Richter des Landesgerichtssprengels Salzburg wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; dem Oberlandesgericht Linz wird die neuerliche Entscheidung nach Einholung von Äußerungen der abgelehnten Richter aufgetragen.

Text

Begründung

Der Verpflichtete lehnte in den Exekutionsverfahren 5 E 864/94b und 5 E 4270/94k des Bezirksgerichtes Salzburg alle Richter und Rechtspfleger des Landesgerichtssprengels Salzburg wegen zu besorgender Befangenheit ab und beantragte, das Oberlandesgericht Linz möge "die bezeichnete Rechtssache" einem anderen Bezirksgericht innerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichtes Linz zur Verhandlung und Entscheidung zuweisen (ON 1 in 5 Nc 60/95 des Bezirksgerichtes Salzburg). Zur Begründung führte der Ablehnungswerber aus, der Vizepräsident des Landesgerichtes Salzburg, Dr.B*****, habe am 28.3.1995 seine Befangenheit angezeigt, weil er in der Pflegschaftssache der beiden Kinder des Ablehnungswerbers, 20 P 115/92 des Bezirksgerichtes Salzburg, seine Tochter, Rechtsanwaltsanwärterin Dr.Christine B*****, die für Rechtsanwalt Dr.Kreibich die Interessen der Gegenseite vertrete, rechtlich beraten habe. Das Landesgericht Salzburg habe am 5.4.1995 die angezeigte Befangenheit festgestellt. Seitdem die Tochter des Vizepräsidenten des Landesgerichtes Salzburg konkreten Einfluß auf Verfahren beim Bezirksgericht und beim Landesgericht Salzburg nehmen könne, seien mehrer Vorkommnisse, insbesondere in den Verfahren 20 P 115/92, 20 C 139/93, 5 E 864/94 und 5 E 4270/94 des Bezirksgerichtes Salzburg sowie 22 Nc 7/94 und 21 R 299/95 des Landesgerichtes Salzburg zu vermerken gewesen, aufgrund derer der Ablehnungswerber überzeugt sei, daß nach der nunmehr etwa 2 1/2jährigen Vertretungstätigkeit der Rechtsanwaltsanwärterin Dr.B***** für die Gegenpartei genügende Gründe bestehen, die Unbefangenheit aller Richter im amtlichen Wirkungsbereich des Vizepräsidenten des Landesgerichtes Salzburg anzuzweifeln. Hier berate der Vizepräsident eines Gerichtshofes (indirekt) die Gegenpartei; die betreffende Rechtsmeinung werde von seiner eigenen Tochter als beruflicher Parteienvertreterin Richtern dieses Sprengels entsprechend nahegebracht; zumindest könnten sie annehmen, daß die von der Parteienvertreterin vorgetragene Meinung diejenige des Vizepräsidenten des Landesgerichtes sei. Es liege auf der Hand, daß diese Richter - unabhängig von Art 87 Abs 1 B-VG - solcherart vorgetragenen Rechtsmeinungen möglicherweise nicht so unbefangen gegenüberstünden wie jeder anderen Rechtsausführung eines sonstigen Parteienvertreters. Zum einen sei ein Vizepräsident Vorgesetzter und habe auf verschiedenste Weise (Jv-Angelegenheiten, Personalsenat ua) durchaus beachtlichen Einfluß auch auf die Laufbahn der ihm unterstellten Richter und Rechtspfleger. Wenn es um eine familienrechtliche Angelegenheit gehe, komme noch dazu, daß der Vizepräsident des Landesgerichtes Salzburg Vorsitzender des betreffenden Rechtsmittelsenats sei, sodaß er sogar - direkt oder auch indirekt - über die Rechtsprechung korrigierenden Einfluß nehmen könnte, wenn sich ein Richter innerhalb des Sprengels des Landesgerichtes Salzburg über die privat seiner Tochter gegenüber geäußerte Rechtsansicht des Vorsitzenden hinwegsetzen sollte. Von einer "vollen Unbefangenheit" der Richter innerhalb des Landesgerichtssprengels Salzburg im Umgang mit solchen Rechtsansichten, die der Vizepräsident des Landesgerichtes Salzburg gleichsam als Privatgutachter für die Gegenpartei äußere, könne daher keine Rede sein.

Das Oberlandesgericht Linz wies den Ablehnungsantrag zurück und führte aus, die Ablehnung eines ganzen Gerichtes könne grundsätzlich nur durch die Ablehnung jedes einzelnen seiner Richter unter Angabe detaillierter konkreter Ablehnungsgründe gegen jeden dieser Richter vorgenommen werden. Dieser Grundsatz gelte ausnahmsweise dann nicht, wenn der geltend gemachte Befangenheitsgrund auf alle Richter eines Gerichtes in gleicher Weise zutrifft. Davon könne im vorliegenden Fall schon allein nach den Ausführungen des Ablehnungswerbers nicht die Rede sein. Der Ablehnungswerber meine nämlich, einen psychologischen Konnex zwischen der Funktion des Vizepräsidenten des Landesgerichtes, der auch Vorsitzender des Rechtsmittelsenates sei, und den von ihm als rechtlich verfehlt und ihn benachteiligend bezeichneten Entscheidungen von Richtern, deren Vorgesetzter in Justizverwaltungsangelegenheiten der Vizepräsident des Landesgerichtes sei, herstellen zu können. Ob solche Schlußfolgerungen berechtigt seien, könne hier schon deshalb dahingestellt bleiben, weil sie jedenfalls weder auf den Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg, der ebenfalls Richter sei, noch auf jene Richter des Landesgerichtes Salzburg zutreffen könnten, die bisher noch nicht mit Entscheidungen in Angelegenheiten des Ablehnungswerbers und seiner Kinder befaßt gewesen seien. Der Ablehnungswerber hätte zumindest die zuletzt genannte Gruppe von Richtern namentlich auflisten und bei jedem dieser Richter konkret anführen müssen, warum er (auch) diesen als befangen ablehne. Davon abgesehen hätten zumindest diejenigen Richter, die die Befangenheit ihres Kollegen festgestellt hätten, ihre sogenannte innere Unabhängigkeit dadurch unter Beweis gestellt. Erst wenn mit Ausnahme von höchstens zwei Richtern hinsichtlich jedes einzelnen Richters des Landesgerichtes Salzburg feststehen würde, daß dieser wegen der Verstrickungen des Vizepräsidenten des Landesgerichtes in Sachen des Ablehnungswerbers und dessen Kinder befangen wäre, wäre die Beschlußunfähigkeit des Landesgerichtes Salzburg gegeben und damit ein gesetzlicher Anlaß gefunden, die von einer solchen Entscheidungsunfähigkeit betroffenen Rechtssachen an einen anderen Gerichtshof zu übertragen. Die zu treffenden Entscheidungen, nämlich ob ihre Kollegen befangen sind, hätten gemäß § 23 JN aber die nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitglieder des sogenannten Ablehnungssenates des Gerichtshofes zu treffen (und zwar auch in Ansehung des Präsidenten), sofern sie sich nicht für befangen erklärten. Erst wenn dieser Weg ausgeschöpft sei, könne das Oberlandesgericht als erste Instanz in Ablehnungssachen angerufen werden. Hier habe der Ablehnungswerber das Oberlandesgericht Linz voreilig angerufen, sodaß der Ablehnungsantrag habe zurückgewiesen werden müssen.

Das Oberlandesgericht Linz sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes in beiden Exekutionssachen je S 50.000 übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof analog § 528 Abs 1 ZPO (§ 78 EO) nicht zulässig sei, weil dieses Procedere auch durch mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen vorgezeichnet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Ablehnungswerbers ist, soweit er sich gegen die Entscheidung über seinen Ablehnungsantrag gegen alle Rechtspfleger des Landesgerichtssprengels Salzburg richtet jedenfalls unzulässig. Gemäß § 7 Satz 2 RPflG ist ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Ablehnung des Rechtspflegers nicht vorgesehen. Der Rekurs war daher gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Soweit sich der Rekurs des Ablehnungswerbers an den Obersten Gerichtshof gegen die Entscheidung über den Ablehnungsantrag gegen alle Richter des Landesgerichtssprengels Salzburg richtet, ist er entgegen dem unrichtigen Ausspruch des Oberlandesgerichtes Linz jedenfalls zulässig. Als Sonderregelung über die Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Ablehnung von Richtern verdrängt § 24 Abs 2 JN auch jede allgemeine Regel über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen in den einzelnen Verfahren (RZ 1992/47 ua). Der Rekurs ist auch berechtigt.

Der Ablehnungswerber leitet aus der Stellung des Vizepräsidenten des Landesgerichtes Salzburg, der seine Tochter, die als Rechtsanwaltsanwärterin beim Vertreter "der Gegenseite" zuständig sei, beraten habe, die Befangenheit aller Richter und Rechtspfleger des gesamten Landesgerichtssprengels ab. Grundsätzlich können immer nur ganz bestimmte Richter, nicht aber pauschal ein ganzer Senat oder das ganze Gericht abgelehnt werden. Nötigenfalls müssen detailliert gegen jeden einzelnen Richter eines Gerichtes konkrete Befangenheitsgründe dargetan werden, es sei denn, daß ausnahmsweise der geltend gemachte Befangenheitsgrund auf alle Richter eines Gerichtes in gleicher Weise zutrifft (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 4 zu § 19 JN mwN). Eine unzulässige indifferente Pauschalablehnung etwa eines Gerichtshofes als Institution ist dann nicht gegeben, wenn dem Antrag zu entnehmen ist, daß bei jedem einzelnen Richter im wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen (7 Ob 574/93; vgl Arb 10.760). Diese Situation ist hier gegeben, weil dem Ablehnungsantrag zu entnehmen ist, welche Ablehnungsgründe bei jedem einzelnen Richter und Rechtspfleger im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg nach Ansicht des Ablehnungswerbers vorliegen. Nach Ansicht des Ablehnungswerbers muß die von ihm konkret behauptete, "von außen undurchschaubare Verquickung von Rechtsprechung, Familienleben, Parteiberatung und -vertretung selbst bei unbeteiligten Außenstehenden wenigstens den Anschein erwecken, im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg könnten in Rechtsangelegenheiten des Ablehnungswerbers auch andere als rein sachliche Gründe mitspielen". Ausdrücklich verweist der Ablehnungswerber darauf, daß der Umstand, "daß sich auch in Zukunft zweifellos nicht alle hiesigen Organe der Rechtsprechung - vom Gerichtshofpräsidenten bis zum Rechtspfleger - vom Naheverhältnis der Vertreterin der Gegenseite zum zweithöchsten Richter des Landesgerichtes (bzw von dessen privat geäußerten Rechtsansichten) in besonderer Weise beeinflussen lassen würden", "an der außerordentlich bedenklichen Optik der geschilderten Konstellation nicht das geringste zu ändern vermag".

Entgegen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes Linz liegt hier keine indifferente Pauschalablehnung aller Richter und Rechtspfleger im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg vor, sondern ist dem Antrag zu entnehmen, daß bei jedem einzelnen Richter und Rechtspfleger im wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen. In einem solchen Fall ist jedoch die namentliche Anführung aller betroffenen Richter entbehrlich.

Das Oberlandesgericht Linz hat somit den Ablehnungsantrag zu Unrecht aus formellen Gründen zurückgewiesen.

Liegt jedoch ein formell einwandfreier Ablehnungsantrag vor, dann hat der abgelehnte Richter sich gemäß § 22 Abs 2 JN zu diesem Antrag zu äußern (Fasching, Kommentar I 207). Davon könnte nur dann Abstand genommen werden, wenn die Ablehnungserklärung nicht ausreichend substantiiert ist (vgl 1 Ob 632/92, 5 Ob 307/85).

Da die Einholung von Äußerungen der abgelehnten Richter vom Oberlandesgericht Linz vor der Entscheidung über den Ablehnungsantrag unterlassen wurde, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Das Oberlandesgericht Linz wird nach Einholung von Äußerungen der abgelehnten Richter gemäß § 22 Abs 2 JN neuerlich zu entscheiden haben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte