OGH 15Os28/97 (15Os29/97)

OGH15Os28/97 (15Os29/97)20.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton W***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Verteidigerin und des Angeklagten und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Dezember 1996, GZ 35 Vr 3377/95-60, sowie über die Beschwerde gegen den zugleich mit dem Urteil gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßten Widerrufsbeschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die von der Verteidigerin ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde sowie die vom Angeklagten ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die von der Verteidigerin ausgeführte Berufung und Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagten Anton W***** im zweiten Verfahrensgang abermals des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 3. und 20.November 1995 in St.Johann und in Kirchberg in drei Angriffen Verfügungsberechtigten von drei Bankinstituten gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen (Wechselgeld) in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Er wurde hiefür und unter Berücksichtigung des bereits im ersten Verfahrensgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruches wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt.

Zugleich mit dem Urteil wurde gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO der Beschluß gefaßt, die im Verfahren AZ 21 BE 499/95 des Landesgerichtes Innsbruck gemäß § 3 Amnestie 1995 ausgesprochene bedingte Entlassung des Angeklagten (in Ansehung eines Strafrestes von vier Monaten und zwei Tagen) zu widerrufen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil richten sich sowohl die von der Verteidigerin als auch vom Angeklagten selbst eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen; in der Rechtsmittelschrift der Verteidigerin wird auch der Widerrufsbeschluß mit Beschwerde bekämpft. Die Staatsanwaltschaft wendet sich in einer Berufung gegen die ihrer Meinung nach zu geringe Strafhöhe.

Vorweg: Die vom Angeklagten selbst eingebrachten Rechtsmittel waren zurückzuweisen, weil nur eine Rechtsmittelausführung zulässig ist, und zwar dann, wenn - wie hier - ein Verteidiger einschreitet, jene des Verteidigers (Mayerhofer StPO4 § 285 E 36 ff, 40, 41).

Der von der Verteidigerin ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der Gründe der Z 3, 9 lit a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht werden, kommt keine Berechtigung zu.

In der Nichtigkeitsrüge (Z 3) wird moniert, daß das Erstgericht den Strafregisterauszug, die Vorstrafakten und den Akt AZ 21 BE 499/95 des Landesgerichtes Innsbruck (über die bedingte Entlassung) lediglich dargetan habe; Urteile aus den Vorstrafakten seien zu verlesen, worauf die Verteidigung nicht verzichtet habe.

Dem ist vorerst entgegenzusetzen, daß eine behauptete Verletzung des Verlesungsgebotes nach § 252 Abs 2 StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht ist, sondern bloß eine Verletzung eines Verlesungsverbotes nach § 252 Abs 1 StPO oder eine Umgehung dieses Verlesungsverbotes nach § 252 Abs 4 StPO (14 Os 9, 10/96). Eine unzureichende Verlesung könnte nur unter den Voraussetzungen des § 281 Abs 1 Z 4 StPO bekämpft werden (9 Os 130/82, 13 Os 201/77 ua). Dazu mangelt es vorliegend aber bereits an einer entsprechenden Antragstellung im Verfahren erster Instanz und deren Abweisung durch Zwischenerkenntnis. Im übrigen ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers eine wörtliche Verlesung keineswegs geboten (Mayerhofer aaO § 252 E 68 a); der Angeklagte mißdeutet die von ihm zitierte Entscheidung 11 Os 47/95, der ausschließlich die Frage einer gänzlich unterbliebenen Verlesung zugrundelag und keineswegs jene einer resümierenden Zusammenfassung des Inhaltes von Vorakten.

Mit der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (der Sache nach Z 10) behauptet der Beschwerdeführer das Fehlen von Feststellungen, weil sich das Schöffengericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob eine Tatbegehung zwar mehrere Male hintereinander, aber nicht unbegrenzt oft geplant war.

Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge erfordert jedoch, weil der Oberste Gerichtshof die Richtigkeit der Gesetzesanwendung auf der Grundlage des im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhaltes zu prüfen hat, das Ausgehen vom festgestellten Urteilssachverhalt, dessen Vergleichung mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und den Nachweis, daß das Erstgericht bei Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes einem Rechtsirrtum unterlegen oder/und ihm ein Feststellungsmangel unterlaufen sei. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, wenn sie eine im Urteil festgestellte Tatsache bestreitet, wenn sie sich auf eine Tatsache stützt, die im Urteil nicht festgestellt ist, oder wenn sie einen Umstand verschweigt, der im Urteil festgestellt ist.

In diesen Fehler verfällt die Nichtigkeitsbeschwerde, indem sie die Konstatierung der Absicht des Angeklagten, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (US 8), verläßt, die das Schöffengericht formal mängelfrei aus der beharrlichen Fortsetzung gleichartiger Delikte, deretwegen der Angeklagte bereits mehrere Male verurteilt wurde, seinem geringen Einkommen und seiner Unterstandslosigkeit ableitete (US 11).

Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b (der Sache nach lit a) StPO bringt der Angeklagte vor, die drei Geldwechselautomaten, deren Manipulation ihm vorgeworfen werde, seien zur Zeit der Tatbegehung mit neuer Software ausgerüstet gewesen, sodaß die beabsichtigte Manipulation ausgeschlossen war, weshalb es sich "mangels objektiver Tauglichkeit" um einen nicht strafbaren Versuch gehandelt habe, woran auch die Tatsache nichts zu ändern vermöge, daß noch nicht alle Geldwechselautomaten in Österreich mit neuer Software gegen derartige Manipulationen geschützt waren.

Damit setzt sich der Beschwerdeführer in Widerspruch zu der im vorliegenden Verfahren im ersten Verfahrensgang vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung vom 27.Juli 1996, GZ 15 Os 88, 89/96-11 (= ON 50 des Vr-Aktes), ausgesprochenen Rechtsmeinung, daß - bei der auch im ersten Verfahrensgang konstatierten Unmöglichkeit, mit der vom Angeklagten angewendeten Methode bei den drei Angriffsobjekten zum Erfolg zu gelangen - es zur Frage, ob derartige Angriffe generell zum Scheitern verurteilt bleiben müssen, der zusätzlichen Feststellung bedarf, ob es zur Tatzeit bereits durchgehend zu Umstellungen des Software-Programms der Geldwechselautomaten gekommen war.

An diese Rechtsansicht war bei der hier gegebenen Stetigkeit des Sachverhaltes das Erstgericht im zweiten Verfahrensgang gebunden (Mayerhofer aaO § 293 E 11 ff). Der Sachverhalt hat sich nicht geändert, das Schöffengericht hat im zweiten Verfahrensgang formal einwandfrei unter Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen K***** die im ersten Verfahrensgang noch fehlende Konstatierung getroffen, daß zu den nunmehrigen Tatzeitpunkten die Software-Programme der Geldwechselautomaten noch nicht durchgehend umgestellt waren (US 10 f).

Die Anfechtung von Aussprüchen, die im zweiten Rechtsgang aufgrund

der Bindung an die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes ergehen,

ist gemäß der Bestimmung des § 293 Abs 4 StPO unstatthaft (JBl 1970,

267). Eine dennoch vorgenommene Anfechtung ist sachlich nicht zu

beantworten, sie ist vielmehr schon wegen ihrer Unzulässigkeit, also

aus rein formalen Erwägungen, entsprechend der Vorschrift des § 285 d

Abs 1 Z 1 StPO zurückzuweisen (14 Os 139/94). Die gesetzliche

Regelung schließt eine allenfalls unterschiedliche Beantwortung einer

bestimmten Rechtsfrage in derselben Sache aus (SSt 46/4 = EvBl

1973/212 = RZ 1973/123 = JBl 1973, 538).

Mit der Strafzumessungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) behauptet der Beschwerdeführer, eine erschwerende Gewichtung der Begehung von Straftaten innerhalb der Probezeit nach einer bedingten Entlassung sei bei gleichzeitigem Widerruf des offenen Strafrestes eine unrichtige rechtliche Beurteilung von Strafbemessungstatsachen im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; ein solcher in der Regierungsvorlage 1971 noch enthaltener Erschwerungsgrund sei vom Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt worden.

Diese Rechtsansicht trifft zwar zu (ÖJZ-LSK 1996/36 ua), indes wurde im vorliegenden Fall die Begehung innerhalb einer offenen Probezeit bei der Strafbemessung gar nicht als erschwerend gewertet, sondern nur die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, der überaus rasche Rückfall und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen. Die Strafzumessungsrüge stößt daher ins Leere.

Die einschlägige neuerliche Delinquenz innerhalb der Probezeit wurde, wie der Begründung des erstgerichtlichen, mit dem Urteil verbundenen Beschlusses eindeutig zu entnehmen ist (US 12), lediglich im Rahmen der Entscheidung über den Widerruf der bedingten Entlassung herangezogen, wie dies im Sinn des § 53 Abs 1 StGB geboten ist.

Aus den angeführten Gründen war daher die (von der Verteidigerin ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sofort bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen der Verteidigerin und der Anklagebehörde und über die Beschwerde fallen demnach dem Oberlandesgericht Innsbruck zu (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).

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