OGH 14Os139/94

OGH14Os139/9410.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Jänner 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schaffer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dietmar H* und Karin H* wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 10. Juni 1994, GZ 17 Vr 669/91‑109, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00139.9400000.0110.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

In seiner Kassationsentscheidung vom 15. Juni 1993, GZ 14 Os 62/93‑10, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, ist der Oberste Gerichtshof von der Rechtsansicht ausgegangen, daß die vom Schöffengericht im ersten Rechtsgang festgestellten Verhaltensweisen der Angeklagten dem Begriff des "Zuführens" im Sinn des § 217 Abs 1 StGB nicht entsprechen.

Im zweiten Rechtsgang gelangte das Erstgericht im nunmehr angefochtenen Urteil bei überwiegend gleichbleibenden Beweisergebnissen zu im wesentlichen unveränderten rechtlich relevanten Sachverhaltsfeststellungen (US 27). Hinsichtlich des (noch fraglich gewesenen) Tatzeitraumes 1984 bis 1988 konstatierte es, daß schon damals ein Provisionssystem gegolten hat (US 8 ff, 16 f), wodurch es den dem Urteil im ersten Rechtsgang anhaftenden Feststellungsmangel, der allein zur Kassation geführt hatte, beseitigte. Somit ergab der zweite Rechtsgang keine Änderung des Tatsachensubstrats, die eine andere rechtliche Beurteilung ermöglicht hätte. Das Schöffengericht erachtete sich an die im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes gebunden und sprach die Angeklagten vom Anklagevorwurf des Menschenhandels gemäß § 259 Z 3 StPO neuerlich frei.

Mit ihrer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bringt die Staatsanwaltschaft ‑ unter Berufung auf in anderen Verfahren ergangene oberstgerichtliche Entscheidungen (insb auf die spätere E 11 Os 134/93 = EvBl 1994/30) ‑ vor, daß das vom Erstgericht festgestellte Verhalten der Angeklagten sehr wohl den Tatbestand des § 217 StGB erfülle.

Das Schöffengericht war indes im zweiten Rechtsgang auf Grund der Vorschrift des § 293 Abs 2 StPO an die in der kassatorischen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes geäußerte Rechtsansicht gebunden (SSt 29/84 = EvBl 1959/122 = RZ 1959, 87; JBl 1970, 267; SSt 44/6 = EvBl 1973/212 = RZ 1973/123 = JBl 1973, 538; 10 Os 180/80, 13 Os 139/83, 14 Os 14/9014 Os 4/91; Lohsing‑Serini, Strafprozeßrecht4, 570; Roeder, Strafverfahrensrecht2, 298; Bertel, Strafprozeßrecht4, Rz 982, 1138). Diese Bindungswirkung wird selbst dadurch, daß das Höchstgericht später in einem anderen Verfahren (sogar) durch einen verstärkten Senat zu einer anderen Rechtsansicht gelangt, nicht berührt (EvBl 1982/92 = JBl 1982, 103; Bertel aaO Rz 982). Eine solche Bindung wäre auch an eine verfehlte Rechtsansicht gegeben (SSt 53/48). Damit vermag die Befolgung der vom Obersten Gerichtshof im konkreten Fall geäußerten Rechtsansicht durch das Erstgericht im zweiten Rechtsgang unter keinen Umständen eine Nichtigkeit des Urteils zu bewirken.

Demzufolge ist die Anfechtung von Aussprüchen, die im zweiten Rechtsgang auf Grund der Bindung an die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes ergehen, gemäß der Bestimmung des § 293 Abs 4 StPO unstatthaft (JBl 1970, 267). Eine dennoch vorgenommene Anfechtung ist sachlich nicht zu beantworten. Sie ist vielmehr schon wegen ihrer Unzulässigkeit, also aus rein formalen Erwägungen, entsprechend der Vorschrift des § 285 d Abs 1 Z 1 StPO zurückzuweisen. Die gesetzliche Regelung schließt eine allenfalls unterschiedliche Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage in derselben Sache aus (SSt 44/6 = EvBl 1973/212 = RZ 1973/123 = JBl 1973, 538).

Da die vom Obersten Gerichtshof in einer bestimmten Sache ausgesprochene Rechtsansicht in einem weiteren Rechtsgang einer meritorischen Erörterung nicht mehr zugänglich ist, bietet übrigens auch die Bestimmung des § 8 OGHG über die Bildung eines verstärkten Senates keine Grundlage für die Überprüfung der im ersten Rechtsgang geäußerten Rechtsmeinung. Diese Bestimmung eröffnet keine über die Regelungen der Strafprozeßordnung hinausgehende Anfechtungsmöglichkeit. Auch der Oberste Gerichtshof selbst bleibt daher an die einmal geäußerte Rechtsansicht für den konkreten Fall gebunden, mag er auch ‑ wie hier ‑ in weiterer Folge davon abgegangen sein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war demnach aus dem Grunde des § 293 Abs 4 StPO gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 zweiter Fall StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Zur Entscheidung über die mit der Nichtigkeitsbeschwerde verbundene Berufung der Staatsanwaltschaft gegen den (auf Grund des schon im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruchs wegen Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG ergangenen) Ausspruch über die Strafe ist demnach das Oberlandesgericht Innsbruck zuständig (§ 285 i StPO).

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen (§ 390 a Abs 1 zweiter Halbsatz StPO).

 

Stichworte