Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen haben übersehen, daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht nach dem Handelsvertretergesetz 1921 (HVG), sondern nach dem mit 1.März 1993 in Kraft getretenen Handelsvertretergesetz 1993 (HVertrG) zu beurteilen ist. Der Kläger hat seinen Anspruch zutreffend auf § 24 HVertrG und nicht auf § 25 HVG gestützt. Diese Verkennung der Rechtslage ist allerdings im Ergebnis ohne Bedeutung:
Nach § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG 1993 gebührt dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und so weit er - neben anderen Voraussetzungen (Z 2 und 3) - dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat. Darauf, ob der Handelsvertreter ausschließlich oder vorwiegend mit der Zuführung von Kunden beschäftigt war (§ 25 Abs 1 HVG) kommt es nach der neuen Rechtslage nicht mehr an (RV 578 BlgNR 18.GP 15; 8 ObA 2083/96y = RIS-Justiz RS 0106003).
Unbestrittenermaßen hat die Beklagte dem Kläger bei Beginn des Handelsvertreterverhältnisses (Mai 1993) eine Liste mit 320 Adressen und Namen von Trafiken übergeben, die dem Geschäftsführer der Beklagten aufgrund seiner früheren Tätigkeit für die L***** OHG zur Verfügung gestanden war. Der Kläger suchte diese, aber auch andere Adressen auf. Der Umsatz der Beklagten mit solchen Kunden, die auf der dem Kläger übergebenen Liste nicht aufgeschienen waren, überstieg während der Zusammenarbeit der Streitteile nicht 50 % des Gesamtumsatzes des Klägers (nach der Behauptung der Beklagten erreichte der Umsatz nicht einmal 25 %).
Die Beklagte hält die Rechtsfrage, ob Kunden, die dem Kläger bekanntgegeben wurden und die zum Geschäftsführer der Beklagten schon vorher einen engen geschäftlichen Kontakt hatten, als der Beklagten neu zugeführt im Sinn des § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG 1993 anzusehen sind, für erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weil dazu, soweit ersichtlich, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Dem ist folgendes zu erwidern:
Daß Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, bedeutet dann nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, wenn sich das Rechtsproblem aus dem Gesetzeswortlaut selbst, aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang (§ 6 ABGB) lösen läßt und diese Lösung in der Lehre unstrittig ist (WoBl 1993/54 ua). Das trifft aber hier zu:
Die auf der dem Kläger ausgehändigten Liste verzeichneten Unternehmer waren, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, Kunden der L***** OHG. Durch den Kläger, der diese Unternehmer aufgesucht hat, wurden sie erstmals zu Kunden der Beklagten. Der Kläger hat diese Kunden damit zweifellos der Beklagten "zugeführt".
Zur insoweit vergleichbaren Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland - § 89b HGB sieht einen angemessenen Ausgleich für den Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses vor, wenn und soweit - neben anderen Vorausetzungen - der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat - wird die gleiche Auffassung vertreten. Werbung durch den Handelsvertreter setzt die Ursächlichkeit seiner Tätigkeit voraus; dazu genügt die Mitursächlichkeit des Handelsvertreters (BGH NJW 1985, 860; Hopt, Handelsvertreterrecht, Rz 14 zu § 89 b HVG; Heymann/Sonnenschein/Weitenmeyer, Rz 26 zu § 89 b HVG). Eine objektive Mitwirkung des Handelsvertreters bei der Gewinnung von Kunden reicht also aus; die Werbetätigkeit des Handelsvertreters muß (nur) zumindest mitursächlich gewesen sein. Eine eigene Werbung des Unternehmers steht der Werbung durch den Handelsvertreter grundsätzlich nicht entgegen, was vor allem unter dem Gesichtspunkt der Sogwirkung einer Marke eine Rolle spielt (Heymann/Sonnenschein/Weitenmeyer aaO).
Daß aber der Kläger daran mitgewirkt hat, daß frühere Kunden der L***** OHG nun Kunden der Beklagten geworden sind, liegt auf der Hand. Die vorher bestandene Beziehung zwischen den Kunden und dem nunmehrigen Geschäftsführer der Beklagten und damaligen Prokuristen der L***** OHG mag die Tätigkeit des Klägers erleichtert haben; daß aber der Kläger damit nur eine schon bestehende Geschäftsverbindung als Gesprächsbasis hätte ausnützen können - in welchem Falle nach Jabornegg (Handelsvertreterrecht und Maklerrecht, Anm 2.2.3 zu § 25 HVG) keine Zuführung vorläge - trifft nicht zu. Zwischen der Beklagten und den Kunden hatte eben noch keine Geschäftsverbindung bestanden.
Da der Kläger während seiner zweijährigen Tätigkeit für die Beklagte Provisionen in der Höhe von S 1,115.753,79 exklusive Umsatzsteuer bezogen hat, betrüge der Jahresdurchschnitt im Sinn des § 24 Abs 4 letzter Satz HVertrG knapp S 558.000. Dem Kläger wurden S 470.000, also weniger als die durchschnittliche Jahresprovision zuerkannt. Ob aber im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falls eine weitere Kürzung des Ausgleichsanspruches zu rechtfertigen wäre, bildet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.
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