Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paul K***** der Verbrechen (I 1) der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, (I 2) des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und (II) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in der Zeit von 1991 bis Mitte 1992 in Micheldorf
(zu I) dadurch, daß er seine am 23.Juni 1981 geborene Stieftochter Marion N***** in mindestens zwei Angriffen in der ehelichen Wohnung in ein Zimmer lockte, sie entkleidete, auf das Bett warf, sie festhielt und an der sich dagegen Sträubenden und ihn Wegdrückenden einen Geschlechtsverkehr vollzog, (1) außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt und zugleich, (2) mit einer unmündigen Personen den außerehelichen Beischlaf unternommen;
(zu II) Marion N***** durch die wiederholte Androhung, sie für den Fall einer Mitteilung der zu I geschilderten Tathandlungen an andere Personen umzubringen, wobei er ihr ein Küchenmesser vorzeigte, durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme einer Anzeigeerstattung oder Mitteilung dieser Tathandlungen an andere Personen genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 3, 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.
Gestützt auf den erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 3) moniert der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht sein verurteilendes Erkenntnis in erster Linie auf die Ausführungen des Sachverständigen Prim.Dr.G***** stützt, der - da behandelnder Arzt des Verbrechensopfers - als befangen anzusehen sei. Dabei wird verkannt, daß die Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs 1 Z 3 StPO hinsichtlich der vom Angeklagten der Sache nach relevierten Bestimmung des § 120 StPO nur deren ersten Satz betrifft, wonach als Sachverständiger nicht beizuziehen ist, wer als Zeuge nicht vernommen oder nicht beeidet werden darf oder wer zum Beschuldigten oder zum Verletzten in einem der im § 152 Abs 1 Z 1 StPO bezeichneten Verhältnisse steht (12 Os 110/91, 11 Os 38/93 ua).
Die vorliegendenfalls vor dem Erstgericht gar nicht erhobenen, sondern erst in der Beschwerde vorgebrachten, auf den zweiten Satz des § 120 StPO abstellenden Einwände sind verspätet und daher unbeachtlich.
Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 16.Oktober 1996 gestellten Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Psychiatrie sowie auf Psychiatrierung der Marion N***** zum Beweis dafür, "daß unter anderem auf Grund der Tatsache der vier Jahre verspäteten Anzeige, des Gebrauches des Wortes 'vergewaltigt' im Brief, obwohl sie sexuell nicht aufgeklärt ist, ferner im Hinblick darauf, daß im Brief der Angeklagte nicht erwähnt wurde, daß auch das Datum des angeblichen Geschlechtsverkehrs danach auf das Jahr 1994 verlegt werden mußte, daß sohin die Aussage der angeblichen Zeugin keine entsprechende Wahrheit aufweist", weiters auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Gynäkologie zum Beweis dafür, daß die "Befundaufnahme bei Marion, welche im Oktober/November 1995 zwei Einrisse des Hymensaums 12 + 1 gezeigt hat, nicht zwingend auf eine Penetration zurückzuführen ist"; sowie auf Vernehmung der Familientherapeutin, Familienberatungsstelle für Oberstösterreich, Linz, Tegetthofstraße 13/1, "da anläßlich der Beratung Ende 1992 die Initiative von Marion ausging, wieder eine gemeinsame Familie mit dem Angeklagten, der ersten Gattin sowie den Stiefkindern zu gründen, sowie daß kein Angstzustand seitens Marion gegen den Angeklagten vorgelegen hat" (S 143, 145).
Das Schöffengericht hat diese Beweisanträge durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 Abs 1 StPO in der Hauptverhandlung mit der Begründung abgewiesen, "da alleine aus dem Wort 'vergewaltigen' nichts über die Aufklärung des Kindes geschlossen werden kann und die Tat selbst ja Jahre zurückliegt; weiters ist auf das heutige Gutachten des Prim.Dr.G***** zu verweisen, daß die beiden Hymneneinrisse mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Geschlechtsverkehr zurückzuführen, aber nicht ausschließlich darauf zurückzuführen sind; letztlich ist zu sagen, daß das Mädchen ja selbst einräumt, über die Familienverbindung mit dem Angeklagten gesprochen zu haben, daß sie die Verfehlung des Beschuldigten nicht offenlegen wollte" (S 145).
Durch die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahmen wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Psychiatrie sowie die Psychiatrierung der Marion N***** wurde zu Recht unterlassen, weil die Psychiatrierung eines Zeugen ohne dessen Zustimmung nicht zulässig (Mayerhofer aaO § 150 E 56-58) und nach Lage des Falls eine derartige Zustimmung nicht aktenkundig ist und vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet wird; demzufolge fehlt es aber an der Grundlage für die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens.
Dazu kommt, daß der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß Befund und Gutachten des Sachverständigen Prim.Dr.G***** die in den §§ 125, 126 StPO angeführten Mängel aufweisen; solche werden von der Beschwerde auch gar nicht behauptet. Demnach aber fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie.
Die Erstattung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Gynäkologie war entbehrlich, weil das Erstgericht ohnedies als erwiesen angenommen hat, daß die Hymenverletzung der Zeugin N***** nicht zwingend (verbo: ausschließlich auf US 29) auf eine Penetration zurückzuführen ist, sodaß der Angeklagte durch die Abweisung dieses Beweisantrages nicht beschwert ist (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 63 a). Daß durch die verfahrensgegenständliche Defloration beim Opfer Schmerzen aufgetreten sein müssen und daß es dabei zu einer Blutung gekommen sein muß, war nicht Thema des Beweisantrages und kann daher mit Verfahrensrüge nicht releviert werden.
Inwiefern durch das Unterbleiben der Vernehmung der Familientherapeutin der Familienberatungsstelle für OÖ Verteidigungsrechte verletzt wurden, ist der Nichtigkeitsbeschwerde mit der erforderlichen Deutlichkeit und Bestimmtheit nicht zu entnehmen, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist.
Der in der Mängelrüge (Z 5) erhobene Beschwerdevorwurf, die Feststellungen auf Seite 4 des Urteils, wonach der Angeklagte im Zeitraum Anfang 1991 bis Mitte 1992 zumindest zwei Situationen ausnutzte, um mit Marion N***** gegen ihren Willen einen Geschlechtsverkehr durchzuführen und sie mit dem Umbringen bedrohte, um sie von der Anzeige abzuhalten, weiters "alle in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen" seien unzureichend begründet, weil "jedwede Auseinandersetzung mit massiven Widersprüchen im abgelaufenen Verfahren unterblieben sei", geht fehl. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß keine oder eine offenbar unzureichende Begründung nur dann vorliegt, wenn für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen läßt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Das Erstgericht hat sich jedoch - entgegen der Beschwerdebehauptung - sowohl mit der Problematik der Verschlußreaktion und Mitteilungsverweigerung des Opfers und deren Auswirkungen auf ihr Verhalten als Zeugin als auch mit der Frage, inwieweit die Mutter sie anläßlich ihrer Zeugenaussage beeinflußt oder es sich um einen Racheakt anläßlich der Scheidung gehandelt haben könnte, im Zusammenhang mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten ausführlich auseinandergesetzt (US 4 bis 7); daß aber aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen - wie vom Beschwerdeführer behauptet - auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären und das Gericht sich dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist ein Akt richterlicher Beweiswürdigung, der einen Begründungsmangel nicht zu bewirken vermag (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 21, 22, 24).
Auch in der Tatsachenrüge (Z 5 a) gelingt es der Beschwerde nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken, weil sich auch diese Ausführungen - die lediglich in einem Verweis auf die bereits unter der Z 4 und 5 gemachten Einwendungen bestehen - darauf beschränken, die erstrichterliche Beweiswürdigung zu bekämpfen, ohne derartige Bedenken aus den Akten aufzuzeigen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Über die Berufung wird demzufolge der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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