Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich der bestätigten Teile zu lauten haben:
"1. Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, Äußerungen zu verbreiten, die den Eindruck erwecken, es habe das S***** Wirtschaftsministerium dem Kläger als Nationalratspräsidenten, Ex-Minister, Ex-Klubobmann, Kanzleramtsbeamten, 3,5 Millionen-Verdiener, die günstige Versorgung mit einem Zweitwohnsitz in einer 127 m2 (Bundes-)Luxuswohnung um 4,35 S/m2 Hauptmietzins ermöglicht, weshalb der Kläger Angst vor H***** habe;
2. die beklagte Partei ist schuldig, die in der "Kronen Zeitung" und "Kleinen Zeitung" veröffentlichten unwahren Behauptungen, *****-N***** habe Angst vor H*****, weil dieser niemals einen Nationalratspräsidenten, Ex-Minister, Ex-Klubobmann, Kanzleramtsbeamten, 3,5 Millionen-Verdiener, eine 127 m2 (Bundes-)Luxuswohnung um 4,35 S/m2 Hauptmietzins als Zweitwohnsitz ermöglichen würde, sowie N***** sei vom S***** Wirtschaftsministerium an einer Wiener Nobeladresse günstig versorgt worden, durch Schaltung eines öffentlichen Widerrufs in der "Kronen Zeitung" und "Kleinen Zeitung" gegenüber den Lesern binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu widerrufen.
Das Mehrbegehren, in den Widerruf auch die Erklärung aufzunehmen, daß Dr.N***** tatsächlich die 123 m2 große Wohnung, Kategorie A, bereits am 21.9.1970 als Beamter zu üblichen Konditionen angemietet und seither bewohnt habe, 1993 und 1994 brutto je rund 2 Mill S jährlich verdient habe, 1994 inklusive Erhaltungsbeitrag 17 S/m2 Nettomietzins bezahlt habe, bereits im Juli 1995, sobald dies möglich gewesen sei, ein Kaufanbot zu einem marktkonformen Preis unterbreitet habe und jedenfalls in keiner Weise vom S***** Wirtschaftsministerium günstig versorgt worden sei, aufzunehmen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 32.328 S (darin 6.930 S Barauslagen und 4.233 S Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen".
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 19.047,60 S (darin 3.174,60 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 11.430 S (darin 1.905 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Funktionär einer im österreichischen Nationalrat vertretenen politischen Partei, die mit den Beklagten konkurriert, die ebenfalls im österreichischen Nationalrat vertreten sind (im folgenden nur Beklagte genannt). Die Beklagte ließ im Zuge des Wahlkampfes für die Nationalratswahlen am 17.12.1995 unter anderem in der "Neuen Kronen Zeitung" und in der "Kleinen Zeitung" sowie in der "Tiroler Tageszeitung" am 15.12.1995 folgendes Inserat einschalten:
"Warum hat *****-N***** Angst vor H*****? Weil Jörg H***** niemals einem Nationalratspräsidenten, Ex-Minister, Ex-Klubobmann, Kanzleramtsbeamten, 3,5 Mio-Verdiener, eine 127 m2 (Bundes-)Luxuswohnung um öS 4,35/m2 Hauptmietzins als Zweitwohnsitz ermöglichen würde. Ebenfalls vom S***** Wirtschaftsministerium an derselben Wiener Nobeladresse günstig versorgt: Dr.Michael S***** (S***** Parteisekretär), Dr.Herbert S*****, Dr.Paul T***** etc. etc. etc. ...".
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verbreitung der zitierten Äußerungen des Inserats sowie den öffentlichen Widerruf der Äußerung in der "Kronen Zeitung" und der "Kleinen Zeitung" gegenüber deren Lesern. Die im Inserat enthaltenen Tatsachenbehauptungen seien unwahr. Der Kläger sei keineswegs vom S***** Ministerium mit einer billigen Luxuswohnung versorgt worden. Er verdiene brutto nur wenig mehr als 2 Mio S pro Jahr, die Wohnung gehöre nicht der Luxuskategorie an, sie sei eine gewöhnliche Hauptmietwohnung und vom Kläger bereits am 8.9.1970 gemietet worden. Damals sei der Kläger Beamter und in keiner politischen Funktion tätig gewesen. Es habe damals kein "S*****-Ministerium" gegeben. Für die nur 123 m2 große Wohnung bezahle der Kläger 2.082,80 S Mietzins, sohin 17 S/m2 netto. Die Wohnung sei sein Hauptwohnsitz. Als der Ankauf solcher Wohnungen möglich geworden sei, habe der Kläger unverzüglich im Juli 1995 ein angemessenes Kaufanbot erstellt. Der Kläger fürchte Dr.H***** nicht.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Ausgehend von der politischen Aussage des Inserates sei es völlig unerheblich, ob der Kläger 2,5 oder 3,5 Mio S pro Jahr verdiene, ob seine Wohnung eine "Luxuswohnung" oder bloß eine Kategorie A-Wohnung sei, ob der Kläger die Wohnung als Hauptwohnsitz und seine zweite Wohnadresse als "Zweitwohnsitz" bewohne, ob er einen Erhaltungsbeitrag bezahle und ob im Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung die Ressortzuständigkeit eines sozialdemokratischen Ministers bestanden habe oder eines *****-Ministers. Kern der als politische Kritik anzusehenden Aussage sei es gewesen, daß hohe politische Funktionäre und Spitzenverdiener das Privileg genössen, Bundeswohnungen zu einem nicht marktkonformen Zins bewohnen zu dürfen. Die im Inserat erhobenen Vorwürfe seien weder ehrenrührig noch kreditschädigend. Es liege eine politische Meinungsäußerung in einem Wahlkampf vor. Die Äußerung sei aufgrund des Rechts auf freie Meinungsäußerung zulässig.
In der Tagsatzung vom 5.3.1996 dehnte der Kläger sein Widerrufsbegehren dahin aus, daß in den Widerruf auch die Erklärung aufgenommen werde, daß der Kläger tatsächlich die 123 m2 große Wohnung, Kategorie A, bereits am 21.9.1970 als Beamter zu üblichen Konditionen angemietet und seither bewohnt habe, 1993 und 1994 brutto je rund 2 Mio S jährlich verdient habe, 1994 inklusive Erhaltungsbeitrag 17 S/m2 Nettomietzins bezahlt habe, bereits im Juli 1995, sobald dies möglich gewesen sei, ein Kaufanbot zu einem marktkonformen Preis unterbreitet habe und jedenfalls in keiner Weise vom S*****-Wirtschaftsministerium günstig versorgt worden sei.
Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt. Es führte kein Beweisverfahren durch, weil aufgrund des gegenseitigen Vorbringens nur Rechtsfragen zu lösen seien. Mit ihrer Äußerung habe die Beklagte gegen § 1330 Abs 2 ABGB verstoßen. Auch Politiker hätten Anspruch auf den Schutz ihres guten Rufs. Das Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertige nicht eine Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen. Der wesentliche Kern der Aussage liege darin, daß der Kläger von seinen politischen Parteigängern günstig versorgt worden sei. Dies schließe den Vorwurf der Korruption ein. Das Inserat sei keineswegs als Wertung der persönlichen Meinungsäußerung im Wahlkampf zu beurteilen. Die Beklagte habe nicht bestritten, daß der Tatsachenkern insofern unwahr sei, als der Kläger seit vielen Jahren Mieter dieser als Hauptwohnsitz benützten Wohnung gewesen sei, möge die Miete auch sehr günstig gewesen sein und immer noch sein. Die Äußerung sei geeignet, den Kredit und den wirtschaftlichen Ruf des Klägers zu beeinträchtigen. Im Hinblick auf die von der Beklagten gar nicht bestrittenen wesentlichen Unrichtigkeiten sei davon auszugehen, daß zumindest eine ordentliche Recherche über die tatsächlichen Umstände unterlassen worden sei. Dies sei der Beklagten als Verschulden anzurechnen. Der Widerruf sei daher berechtigt. Um das in der Öffentlichkeit entstandene unrichtige Bild zu korrigieren, sei das modifizierte Widerrufsbegehren gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und teilte die Auffassung des Erstgerichtes, daß die Beklagte die vom Kläger behaupteten Unrichtigkeiten im Inserat betreffend die Wohnverhältnisse des Klägers in keiner Weise substantiiert bestritten und es als völlig unerheblich angesehen habe, ob der Kläger 2,5 Mio S oder 3,5 Mio S verdiene, ob seine Wohnung eine "Luxuswohnung" oder bloß eine Kategorie A-Wohnung sei, ob der Kläger die Wohnung als Hauptwohnsitz und seine zweite Wohnung als Zweitwohnsitz bewohne, ob er einen Erhaltungsbeitrag bezahle und ob im Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung die Ressortzuständigkeit eines *****-Ministers bestanden habe. Das Inserat sei nicht als politisches Werturteil zu qualifizieren. Es lägen überprüfbare Tatsachenbehauptungen vor. Bei der Frage, ob Tatsachen verbreitet worden seien, komme es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an. Maßgebend sei das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers. Das Erstgericht sei richtigerweise von objektiv überprüfbaren, jedoch unwahren Tatsachenbehauptungen der Beklagten über die Wohnverhältnisse des Klägers ausgegangen. Dies gelte insbesondere für den Kern der Aussage, daß der Kläger von seinen Parteifreunden mit einem "Zweitwohnsitz" günstig versorgt worden sei. Diese unwahre Äußerung sei geeignet, die Ehre und den wirtschaftlichen Ruf des Klägers zu beeinträchtigen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertige nicht eine Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen ein politischer Funktionär eines verwerflichen Verhaltens bezichtigt werde. Es sei nicht nur der Kern der Aussage rufschädigend, sondern auch die anderen Details, wie etwa die genaue Angabe der Größe der Wohnung und des Hauptmietzinses. Der Widerruf sei eine Art der Naturalherstellung, womit die Wirkungen der unwahren Äußerungen beseitigt werden sollten. Der Widerruf habe in gleich wirksamer Form wie die beanstandete Tatsachenbehauptung zu geschehen. Dabei seien die in der Klage beanstandeten kreditschädigenden Mitteilungen ausdrücklich als unwahr zu bezeichnen und es sei ihnen der in der Klage behauptete Sachverhalt als richtig gegenüberzustellen.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß die ordentliche Revision mangels Abweichens von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zulässig sei.
Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, daß die Klage abgewiesen werde.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
Zur Frage, ob der Widerrufsanspruch nach § 1330 ABGB auch das Recht zur Veröffentlichung des vom Verletzten behaupteten Sachverhalts umfaßt, liegt eine gefestigte und näher begründete oberstgerichtliche Judikatur nicht vor.
Die Kernaussage des Wahlinserates der Beklagten besteht im Vorwurf, der Kläger habe sich eine größere, der Republik Österreich gehörende Mietwohnung zu besonders günstigen Konditionen von seinen Parteifreunden verschaffen lassen. Das Inserat enthält überprüfbare Tatsachenbehauptungen. Solche liegen immer vor, wenn Umstände, Ereignisse und Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt, behauptet werden (MR 1994, 198). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen. Werturteile sind dagegen rein subjektive, einer objektiven Überprüfbarkeit entzogene Aussagen (SZ 60/255; 6 Ob 24/95).
Die vorliegenden Tatsachenbehauptungen sind rufschädigend, enthalten sie doch (auch) den Vorwurf, der Kläger habe sich als Politiker im Wege der "Freunderlwirtschaft" von seinen Parteifreunden Privilegien zukommen lassen. Die Vorinstanzen haben zutreffend auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung und auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers abgestellt (MR 1993, 101 uva; 6 Ob 21/94 mwN). Es ist deshalb - im Gegensatz zur Auffassung der Revisionswerberin - nicht entscheidungswesentlich, daß bei isolierter Betrachtungsweise einzelne Tatsachenbehauptungen im Kern als (gerade noch) wahr angesehen werden könnten (vgl etwa die nur marginale Differenz hinsichtlich der Größe der Wohnung: 123 m2 statt der behaupteten 127 m2). Der Beklagten wird auch nur die Verbreitung aller angeführten Äußerungen im Zusammenhang verboten, nicht aber das losgelöste Aufstellen einzelner Behauptungen. Gegenstand und Ziel der Ehrenbeleidigungsklage ist der vermittelte Eindruck, ein bestverdienender Politiker habe sich eine besonders günstige Mietwohnung mit Hilfe seiner Parteifreunde verschafft.
Es kann die Meinung der Vorinstanzen geteilt werden, daß die Unrichtigkeit der einzelnen Tatsachen von der Beklagten im Verfahren erster Instanz zugestanden wurde, daß also im wesentlichen nur Rechtsfragen zu einem an sich unstrittigen Sachverhalt zu lösen sind. In der Klagebeantwortung haben die Beklagten zu den konkreten Angaben des Klägers nur ausgeführt, daß es "völlig unerheblich" sei, "ob der Kläger S 2,5 oder S 3,5 Millionen verdient, ob seine Wohnung eine 'Luxuswohnung' oder bloße Kategorie A-Wohnung ist, ob der Kläger die Wohnung als Hauptwohnsitz und seine zweite Wohnadresse als Zweitwohnsitz bewohnt, ob der Kläger einen Erhaltungsbeitrag bezahlt und ob im Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung die Ressortzuständigkeit eines s***** Ministers bestanden hat oder aber eines *****-Ministers" (S 4 in ON 2). Es ist daher von der Unrichtigkeit der einzelnen, im Zusammenhang zu lesenden Tataschenbehauptungen auszugehen (wobei die Unrichtigkeiten teils nur marginal, teils aber durchaus erheblich sind, wie zB bei der Höhe des Einkommens des Klägers). Da es aber - wie schon ausgeführt - nur auf die Äußerung in ihrem Gesamtzusammenhang ankommt, ist es nicht entscheidungswesentlich, daß einzelne Behauptungen im Kern gerade noch als wahr angesehen werden könnten.
Daß die Behauptungen der Beklagten über den politischen Gegner dessen Ruf schädigen können (§ 1330 Abs 2 ABGB), kann nicht zweifelhaft sein. Die Beklagte beruft sich zur Zulässigkeit ihrer Äußerung auf das Recht der freien Meinungsäußerung (Art 10 MRK) im politischen Wettbewerb. Es liegt aber kein unüberprüfbares Werturteil vor. Die Äußerungen sind - wie schon ausgeführt - überprüfbare und als unrichtig erkannte Tatsachenbehauptungen. Aber selbst bei Bejahung des Vorliegens eines Werturteils wäre für die Beklagte nichts gewonnen. Es entspricht nämlich der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung, daß eine im Zuge eines politischen Meinungsstreits erfolgte Herabsetzung des Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen das Maß einer zulässigen politischen Kritik überschreitet und auch im Wege einer umfassenden Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt werden kann (MR 1993, 14; zuletzt 6 Ob 2350/96y mwN). Der Sachverhalt, auf den sich das Werturteil stützt, muß wahr sein. Es gibt kein Recht der freien Meinungsäußerung auf der Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen. Bei der Stattgebung des Unterlassungsbegehrens und des ersten Teils des Widerrufsbegehrens (im Sinne einer Erklärung der Beklagten, daß ihre Äußerung unwahr sei) sind die Vorinstanzen nicht von der einheitlichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen.
Zum Umfang des Widerrufsanspruchs hat der erkennende Senat folgendes erwogen:
§ 1330 Abs 2 ABGB gewährt bei rufschädigenden unwahren Tatsachenmitteilungen einen Anspruch auf Widerruf und Veröffentlichung desselben. Auch bei der Herabsetzung eines Unternehmens steht dieser Anspruch zu (§ 7 Abs 1 UWG). In welcher Form und in welchem Umfang der Widerruf zu erfolgen hat, wird in beiden Gesetzesstellen nicht näher erläutert. Die Auslegung nach dem Wortlaut des Begriffs "Widerruf" ergibt nur, daß der Täter eine Erklärung abzugeben hat, womit er seine als wahr in die Welt gesetzte Behauptung zurücknimmt (widerruft). Nach ständiger Rechtsprechung muß der Widerruf in der gleich wirksamen Form wie die Tatsachenbehauptung erfolgen (SZ 50/111; MR 1993, 55 uva). Ob der Täter darüber hinaus auch zu einer Darstellung des wahren Sachverhalts verpflichtet ist, wenn dieser - wie hier - nicht schon im begrifflichen Gegenteil der zurückzunehmenden Behauptung besteht (beispielsweise wird dies bei der falschen Behauptung der Fall sein, jemand habe Steuern hinterzogen, sodaß durch die Zurücknahme dieser Behauptung als unwahr der Sachverhalt völlig klargestellt wird), kann sich nur aus dem Wesen des Widerrufsanspruchs ergeben. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes zufolge des § 15 UWG ein vom Unterlassungsanspruch umfaßter Beseitigungsanspruch, dort also nicht verschuldensabhängig (SZ 63/110). Bei den nach dem ABGB zu beurteilenden rufschädigenden Tatsachenbehauptungen ist der Widerruf und dessen Veröffentlichung als Schadensgutmachung anzusehen (SZ 18/45), der Widerrufsanspruch also seinem Wesen nach ein Schadenersatzanspruch (EvBl 1957/188), mit dem die schon eingetretenen Wirkungen der falschen Behauptungen beseitigt werden sollen. Der Widerruf ist Schadensgutmachung durch restitutio in integrum (6 Ob 8/96); Ziel ist die Beseitigung der entstandenen abträglichen Meinung über den Verletzten. Daraus ergibt sich für den Umfang des Widerrufs die Schlußfolgerung, daß dem Verletzten kein Anspruch auf Gegendarstellung des (wahren) Sachverhalts zukommt. Das durch die unwahre Tatsachenbehauptung irregeführte Publikum wird durch die Zurücknahme der Tatsachenbehauptung als unwahr in ausreichendem Ausmaß aufgeklärt, eine weitergehende Darstellung des Sachverhalts würde ein Überschreiten des Anspruchs auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bedeuten. Der Kläger erhielte mehr, als ihm nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zustünde. Das Gesetz normiert eine über die Zurücknahme (den Widerruf) der Erklärung hinausgehende Gegendarstellungspflicht nur bei üblen Nachreden in einem Medium (§ 6 Abs 1 MedienG). Der Verletzte hat gegenüber dem Medieninhaber einen Anspruch auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung (§ 9 Abs 1 leg cit). Dieser Anspruch ist Ausfluß des Grundsatzes des beiderseitigen Gehörs und soll dem Ausgleich der Interessen des dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit verpflichteten Mediums und denjenigen des von der Medienmitteilung Betroffenen dienen. Die Bestimmungen des Mediengesetzes über die Gegendarstellung (früher: Entgegnung) sind Spezialbestimmungen, die nicht ohneweiters auf den Widerrufsanspruch nach § 1330 ABGB analog angewendet werden können. Dagegen spricht schon die erwähnte Erwägung, daß das Schadenersatzrecht nur einen Anspruch auf Beseitigung der entstandenen falschen Meinung über den Verletzten gewährt, nicht aber eine weitergehende Aufklärung über eine Vielzahl von möglichen Sachverhalten, die irgendwie mit den zu widerrufenden falschen Tatsachen im Zusammenhang stehen. Eine nicht bloß in der Antithese bestehende Gegendarstellung sieht das Gesetz nur gegenüber dem Medieninhaber vor (§ 9 Abs 3 MedienG). Dieser ist verpflichtet, eine vom Verletzten formulierte Gegendarstellung zu veröffentlichen. Ein allgemeiner Anspruch, daß der Täter eine vom Verletzten formulierte Sachverhaltsdarstellung als Teil des Widerrufs abzugeben hätte, kann weder aus dem Wortlaut des § 1330 ABGB noch aus dem schadenersatzrechtlichen Wesen des Widerrufsanspruchs abgeleitet werden. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, daß er bei der Neuregelung des Rechtes der Gegendarstellung im Mediengesetz (mit der Novelle BGBl 1993/20) auch den Inhalt des § 1330 ABGB (und des § 7 UWG) habe verändern wollen. Eine planwidrige Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden könnte, liegt daher nicht vor.
Die vorstehenden Überlegungen stehen im Widerspruch zu den in ÖBl 1992, 146 und MR 1993, 55 veröffentlichten Leitsätzen. In beiden Entscheidungen waren rufschädigende Tatsachenbehauptungen nach § 1330 Abs 2 ABGB zu prüfen. Der Oberste Gerichtshof vertrat damals die Auffassung, daß bei dem in gleich wirksamer Form wie die beanstandete Tatsachenbehauptung zu erfolgenden Widerruf die in der Klage bekämpften kreditschädigenden Mitteilungen ausdrücklich als unwahr zu bezeichnen seien und daß ihnen der in der Klage behauptete Sachverhalt als richtig gegenüberzustellen sei. Dieser Leitsatz wurde jedoch in beiden Entscheidungen nicht näher begründet. Es wurde jeweils lediglich auf die in EvBl 1957/188 veröffentlichte Entscheidung und die ebenfalls diese Entscheidung zitierende und keine eigenständige Begründung enthaltende Lehrmeinung Reischauers (in Rummel, ABGB2 Rz 22 zu § 1330) verwiesen. Die Entscheidung EvBl 1957/188 kann jedoch zur Begründung des weiten Umfangs der Widerrufsverpflichtung im Sinne einer Gegendarstellung, noch dazu nur nach den Behauptungen des Klägers (also ohne jedes Beweisverfahren), nicht herangezogen werden. Im veröffentlichten Teil der Entscheidung wurde nur folgendes ausgeführt:
"Was unter Widerruf zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht gesagt. Nach dem Sprachgebrauch bedeutet Widerruf nichts anderes als die Zurücknahme einer Behauptung als unwahr. In den Widerrufserklärungen werden die in der Klage beanständeten Mitteilungen ausdrücklich als unwahr bezeichnet und es wird ihnen der von der klagenden Partei in der Klage behauptete Sachverhalt als richtig gegenübergestellt. Die Widerrufserklärungen werden durch die von der klagenden Partei gerügten Zusätze nicht beeinträchtigt, weil diese nicht den Eindruck erwecken können, als ob die Wahrheit der von der klagenden Partei behaupteten Tatsachen zweifelhaft sei. Die Zusätze können auch nicht als Beleidigung oder Ironisierung der klagenden Partei aufgefaßt werden. Da der Beklagte die im Klagebegehren verlangte Schadensgutmachung geleistet hat, ist die klagende Partei klaglos gestellt, was zu einer Abweisung des Klagebegehrens in der Hauptsache führen mußte". Zutreffend verweist die Revisionswerberin zu dieser Begründung darauf, daß der Oberste Gerichtshof nur infolge Rechtsmittelerhebung des Klägers den Fall zu beurteilen hatte, ob in der Zurücknahme der Behauptungen als unwahr und der weiters vorgenommenen Gegenüberstellung des vom Kläger behaupteten Sachverhalts und dessen Bezeichnung als richtig eine vollständige Schadensgutmachung zu erblicken sei. Daß die Gegenüberstellung (Gegendarstellung) in jedem Fall für erforderlich erachtet werde, wäre nur bei einem Rechtsmittel des Beklagten zu prüfen gewesen. Jedenfalls fehlt auch dieser oberstgerichtlichen Entscheidung eine Sachbegründung dafür, daß der Widerrufsanspruch auch ein Gegendarstellungsrecht umfaßt. Da sämtliche angeführten oberstgerichtlichen Entscheidungen eine eingehende Begründung vermissen lassen und in allen Entscheidungen andere Rechtsfragen als der zitierte Leitsatz entscheidungswesentlich waren (dieser also nur obiter in die Entscheidungen Eingang gefunden hat), erachtet sich der erkennende Senat für berechtigt, von der geäußerten Rechtsmeinung ohne Befassung eines verstärkten Senats abzuweichen. Nur ergänzend sei bemerkt, daß das gefundene Ergebnis auch von einer Lehrmeinung gebilligt wird (Korn in Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 75).
Zusammengefaßt gilt daher folgendes:
Beim Widerrufsanspruch nach § 1330 Abs 2 ABGB handelt es sich um einen Schadenersatzanspruch, der den Täter zur Wiederherstellung des vorigen Zustands durch Beseitigung des rufschädigenden schlechten Bildes über den Verletzten verpflichtet. Der Täter hat seine unwahren Tatsachenmitteilungen als unwahr zu widerrufen. Der Verletzte hat aber keinen Anspruch auf Widerruf in der Form, daß den zurückgenommenen Tatsachenbehauptungen der vom Kläger behauptete Sachverhalt als richtig gegenübergestellt wird. Eine derartige Gegendarstellung sieht das Gesetz nur unter den im Mediengesetz normierten Voraussetzungen gegenüber dem Medieninhaber vor. Mangels planwidriger Gesetzeslücke kann das im Mediengesetz vorgesehene Recht auf Gegendarstellung (§ 9 MedienG) auf den Widerrufsanspruch nach § 1330 ABGB nicht analog angewendet werden.
Der Widerrufsanspruch setzt nach herrschender Auffassung Verschulden voraus (SZ 50/86 mwN; Reischauer aaO). Der Täter haftet nur für Mitteilungen, deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. Die fahrlässige Unkenntnis des Beklagten von der Unwahrheit seiner Behauptungen hat der Kläger zu beweisen (§ 1296 ABGB; SZ 46/114 mwN; Reischauer aaO Rz 18). Der Kläger hat hier eine Fahrlässigkeit der Beklagten dahin behauptet, diese hätte jegliche Recherchen unterlassen und die aufgestellten Behauptungen nicht überprüft. Auch in der politischen Auseinandersetzung besteht eine Prüfpflicht hinsichtlich der Richtigkeit geplanter Wahlkampfäußerungen. Die Unrichtigkeit der Tatsachenmitteilung indiziert prima facie eine von der Beklagten unterlassene Prüfung. Es wäre somit ihre Sache gewesen zu beweisen, daß sie wenigstens Anhaltspunkte für die Wahrheit der bekämpften Tatsachenmitteilungen hatte (SZ 46/114, 44/45; Reischauer aaO). Eine derartige Behauptung hat die Beklagte jedoch dem Verschuldensvorwurf des Klägers nicht entgegengesetzt und dazu kein Vorbringen erstattet. Der Widerrufsanspruch des Klägers ist daher im aufgezeigten Umfang berechtigt.
Der Kläger hat den Unterlassungsanspruch mit 200.000 S und den Widerrufsanspruch mit 40.000 S bewertet. Mangels Bewertung der beiden Teile des begehrten Widerrufs ist die Beklagte hier als zur Hälfte obsiegend anzusehen. Wegen der Geringfügigkeit dieses Teilerfolgs hat sie aber dem Kläger die gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen (§§ 43 Abs 2 und 50 ZPO).
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