OGH 6Ob21/97z

OGH6Ob21/97z30.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Mirjana D*****, geboren am 12.September 1985, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, 15. Bezirk, als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 26. November 1996, GZ 44 R 914/96d-159, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17.Oktober 1996, GZ 14 P 104/96v-156, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater der Minderjährigen, Milan D*****, wurde zuletzt mit Beschluß des Erstgerichtes vom 17.6.1993 ab 1.11.1992 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.000,-- S verpflichtet. Unterhaltsbemessungsgrundlage bildete ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen aus selbständiger Tätigkeit von rund 14.500,-- S einschließlich Sonderzahlungen. Der Vater war für drei weitere Kinder sorgepflichtig. Aufgrund dieses Unterhaltstitels wurden der Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für die Zeit vom 1.10.1994 bis 30.9.1997 gewährt. Am 16.11.1995 stellte der Unterhaltssachwalter für die Minderjährige einen Antrag auf Erhöhung des monatlichen Unterhaltes auf 2.600,-- S ab 1.9.1995.

Am 23.7.1996 beantragte der Unterhaltssachwalter die Gewährung von Vorschüssen gemäß §§ 4 Z 2, 6 und 7 UVG mit dem Vorbringen, daß die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge innerhalb von drei Jahren nach Erlassung des Exekutionstitels nicht gelungen sei. Der Unterhaltsschuldner sei selbständiger Kaufmann und unbekannten Aufenthaltes. Am 2.10.1996 zog der Unterhaltssachwalter nach Vorlage einer negativen Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, negativer Meldeauskünfte und unter Vorlage eines Firmenbuchauszuges, nach dem die D***** Handelsgesellschaft mbH, deren Geschäftsführer und (neben seiner Lebensgefährtin) Gesellschafter der Vater war, von Amts wegen aufgelöst wurde, weil ein Antrag auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens am 12.1.1996 abgewiesen worden war, den Unterhaltserhöhungsantrag zurück.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 und §§ 6, 7 UVG ab. Der Exekutionstitel, aufgrund dessen bis 30.9.1997 laufend Unterhaltsvorschüsse gewährt würden, sei zwar mehr als drei Jahre alt, es sei aber nicht erwiesen, daß eine eventuelle Erhöhung des Unterhaltsbeitrages aus Gründen auf Seiten des Unterhaltsschuldners nicht gelinge, der Erhöhungsantrag sei zurückgezogen worden. Die Voraussetzungen des § 4 Z 2 UVG seien daher nicht gegeben.

Das Rekursgericht gab dem für die Minderjährige erhobenen Rekurs des Unterhaltssachwalters keine Folge. Einem minderjährigen Unterhaltsberechtigten seien nach § 6 Abs 2 UVG Richtsatzvorschüsse unter den Voraussetzungen des § 4 Z 2 UVG zu gewähren. Der Unterhaltsschuldner sei serbischer Staatsbürger, sein Aufenthalt seit 1.9.1995 unbekannt. Er sei bei keiner Sozialversicherung in Österreich aufrecht gemeldet. Daher sei davon auszugehen, daß er sich nicht mehr in Österreich, sondern in seiner Heimat Serbien aufhalte. Damit sei aber weiters davon auszugehen, daß er offenbar nicht in der Lage sei, ein Einkommen zu erzielen, das eine Erhöhung der derzeitigen Unterhaltsleistung von 2.000,-- S monatlich rechtfertige; es bestünden sogar begründete Bedenken gegen die Höhe der derzeit festgesetzten Unterhaltspflicht. Die Voraussetzungen für eine Gewährung von Vorschüssen nach § 4 Z 2 UVG seien damit keinesfalls gegeben.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels einer Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht im Einklang steht; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach § 4 Z 2 UVG sind Vorschüsse unter anderem auch zu gewähren, wenn, falls der Exekutionstitel im Sinn des § 3 Z 1, gerechnet vom Zeitpunkt der Erlassung, älter als drei Jahre ist, die Erhöhung des Unterhaltsbeitrages aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners nicht gelingt, außer dieser ist nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung bzw einer höheren Unterhaltsleistung nicht imstande. Damit hat der Gesetzgeber dem Kind nicht ausdrücklich die Obliegenheit aufgebürdet, daß es um die Schaffung eines Exekutionstitels besonders intensiv bemüht sein müsse. Insbesondere kann dem Gesetz kein dementsprechender besonderer Versagungs- oder Einstellungsgrund entnommen werden. Aus dem Zweck der Einrichtung, nur die Hereinbringung eines konkreten gesetzlichen Unterhaltsanspruches zu gewährleisten, kann aber geschlossen werden, daß das Kind auch im Ausnahmefall des § 4 Z 2 UVG alles Zumutbare zur Unterhaltsfestsetzung unternehmen muß. Praktisch aussichtslose Versuche einer Unterhaltsfestsetzung können vom Kind (oder seinem gesetzlichen Vertreter) nicht gefordert werden (SZ 63/89 ua). Die Vorschußleistung soll nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Unterhaltsschuldner "offenbar" zur Unterhaltsleistung nicht imstande ist. Die Leistungsunfähigkeit müßte sich auf Grund der eingeschränkten Beweislage des § 11 Abs 2 UVG durch einen positiven Beweis ergeben. Ein Beweisdefizit sowie Zweifel über die Leistungsfähigkeit machen die Unfähigkeit nicht offenbar und stehen der Vorschußgewährung nicht entgegen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Z 2 UVG ist die Republik beweispflichtig (SZ 63/95; 4 Ob 531/93 ua).

Der Unterhaltssachwalter hat nur durch eine negative Meldeauskunft dargetan, daß der Aufenthaltsort des Vaters seit seiner Abmeldung von der Wohnadresse im 14. Wiener Gemeindebezirk nicht eruiert werden konnte, und daß sich das von ihm betriebene Unternehmen in Liquidation befindet. Aus der bloßen Tatsache, daß der Vater Staatsbürger der Republik Serbien ist, kann aber keineswegs mit der nötigen Sicherheit geschlossen werden, er sei wiederum in seine Heimat zurückgekehrt, noch viel weniger, daß er damit offenbar nicht in der Lage sei, ein Einkommen zu erzielen, das eine Erhöhung der derzeitigen Unterhaltsleistung rechtfertigt, vielmehr begründete Bedenken gegen die Höhe der derzeit festgesetzten Unterhaltspflicht bestünden. Der Vater befand sich nach seinen eigenen Angaben immerhin durchgehend seit ca 1984 in Österreich; er hatte nach der Scheidung von der Mutter der Minderjährigen, die bereits die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat, hier eine Lebensgefährtin und drei weitere Kinder. Aus der bloßen Tatsache der Abmeldung von seiner bisherigen Wohnung ohne weitere Anmeldung und einer negativen Auskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger Österreichs kann auch im Hinblick auf die Konkursreife des von ihm in Österreich betriebenen Unternehmens und der daher andrängenden Gläubiger keineswegs mit der nach § 4 Z 2 iVm § 11 UVG erforderlichen Offenkundigkeit abgeleitet werden, der Vater sei zu einer höheren oder gar nur geringeren Unterhaltsleistung als bisher nicht in der Lage.

Aus den oben angeführten Umständen kann noch nicht abgeleitet werden, daß eine Unterhaltserhöhung aus Gründen auf Seite des Unterhaltssschuldners nicht gelingt und das Kind (sein gesetzlicher Vertreter) alles Zumutbare für eine erhöhte Unterhaltsfestsetzung unternommen hat. Es wurde ein Kurator bestellt - Recherchen über den tatsächlichen Unterhaltsort des Unterhaltsschuldners, etwa durch Befragung seiner (früheren) Lebensgefährtin oder Ermittlungen über die Unterhaltsansprüche der weiteren Kinder, für die wohl auch ein Pflegschaftsakt geführt werden muß, wurden nicht angestellt - mit dem ein Unterhaltserhöhungsverfahren unter Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung über die Anspannung durchgeführt werden kann. Aus dem Akt ist auch ersichtlich, daß eine Sorgepflicht des Unterhaltspflichtigen seit der letzten Unterhaltsfestsetzung weggefallen ist. Für die Gewährung von Richtsatzvorschüssen fehlt es derzeit daher noch an einer im Gesetz normierten Voraussetzung, sodaß sich der Revisionsrekurs im Ergebnis als nicht berechtigt erweist.

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