OGH 1Ob639/95

OGH1Ob639/9526.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****bank Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Peter F*****, vertreten durch Dr.Andreas Braunbruck, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 5,324.409,15 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgerichts vom 21.September 1995, GZ 2 R 41/95-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 5.Oktober 1994, GZ 2 Cg 269/93-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Zwischenurteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil in der Abweisung des Klageteilbegehrens, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 3,500.000, DM 59.587,57, DM 522,20 und US-$ 15.742,53 je samt 14 % Zinsen seit 5.10.1993, vierteljährlich kapitalisiert, die Fremdwährungen je zum Schillinggegenwert (Warenkurs) der Österreichischen Nationalbank in Wien am Zahlungstag, zu bezahlen, als Teilurteil wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

II. den

Beschluß

gefaßt:

Im übrigen (restlicher Klagsbetrag von S 1,209.157,22 samt 14 % Zinsen seit 5.10.1993) werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist als Psychotherapeut tätig; er betrieb auch einen Großhandel mit Stickereiwaren. Er unterhält bzw unterhielt bei der klagenden Partei ein Kontokorrentkreditkonto (Geschäftskonto). Zur Durchführung spekulativer Devisengeschäfte richtete die klagende Partei für den Beklagten weitere (Sub-)Konten ein.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Zahlung der aus dem Spruch ersichtlichen Geldbeträge und brachte vor, diese hafteten auf den für den Beklagten geführten Konten aus. Sowohl auf dem Geschäftskonto wie auch auf den zur Abwicklung der Devisengeschäfte eingerichteten Subkonten bestünden Negativsalden. Der Beklagte sei mehrfach aufgefordert worden, seine wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen und zusätzliche Sicherheiten zu erbringen. Diesen Aufforderungen sei er jedoch nicht nachgekommen, weshalb die Geschäftsverbindung mit Schreiben vom 20.9.1993 aufgelöst und die Kredite, Barvorlagen und Kontoüberziehungen fälliggestellt worden seien.

Der Beklagte wendete ein, lediglich auf seinem Kontokorrentkreditkonto hafte ein Betrag von S 1,108.389,06 aus. Dieser Betrag sei aber nicht fällig. Das übrige Begehren der klagenden Partei beruhe auf gemäß §§ 1267 ff ABGB nicht klagbaren Ansprüchen aus Währungsspekulationsgeschäften. Die klagende Partei habe unzulässigerweise die Schulden aus diesen Geschäften mit den Geschäftsschulden vermengt, sodaß es zu einer Überschreitung des Kreditrahmens gekommen sei; daraus habe sie die Fälligstellung des Kredits abgeleitet. Die klagende Partei habe dem Beklagten von sich aus angeboten, für ihn auf dem internationalen Währungsmarkt DM- und Dollarwerte in Millionenhöhe anzukaufen bzw zu verkaufen oder gegeneinander zu tauschen, wobei die jeweilige Differenz dem Beklagten zugutekommen sollte. Dieser habe hiefür als „guter Kunde“ keinen Einsatz leisten müssen. Weiters habe sich die klagende Partei verpflichtet, allfällige Risken durch Zinsswaps abzudecken. Sie habe die ihr obliegenden Schutz- und Sorgfaltspflichten gröblichst verletzt, weil der Beklagte über das enorme Risiko der Währungsspekulation nicht aufgeklärt und auch falsch beraten worden sei. Schließlich habe sie die Verluste aus den Währungsspekulationen selbst grob fahrlässig verursacht, indem sie in ein vom Beklagten bei einer deutschen Bank geführtes Devisenkassageschäft eingegriffen und ihn bei einem Lire-Geschäft im Jahre 1992 nicht rechtzeitig vor dem Kursverfall gewarnt habe.

Die klagende Partei erwiderte darauf, der Beklagte habe von sich aus seit Oktober 1991 eine Unzahl von Devisenkassageschäften abgewickelt. Er sei fachkundig gewesen und habe Ratschläge der klagenden Partei nicht beherzigt. Der jeweils zur Disposition des Beklagten stehende Kreditrahmen habe auch zur Durchführung von Devisentransaktionen benutzt werden dürfen. Die Ausnützung des Kredits sei immer dann erfolgt, wenn der Beklagte aufgrund eines seiner Devisenkassageschäfte einen Kursverlust erlitten habe. Zu diesem Zweck seien zwei DM-Konten und ein US-Dollarkonto eingerichtet worden. Die Streitteile hätten als Vertragspartner die Erbringung effektiver Leistungen vereinbart, sodaß keine Differenzgeschäfte, die Glücksverträge im Sinne der §§ 1267 ff ABGB darstellten, vorlägen. Der Beklagte sei von den Devisenhändlern der klagenden Partei bestmöglich betreut worden. Die Devisengeschäfte seien ausschließlich aufgrund konkreter Aufträge des Beklagten erfolgt, der auf die Risken solcher Geschäfte ausdrücklich aufmerksam gemacht worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, der Beklagte sei zugelassener Psychotherapeut und bei einem Unternehmen in Deutschland als Psychologe angestellt. Daneben habe er bis Sommer 1993 einen Einzelhandel mit Souvenirs sowie ein Kartenbüro und danach den Großhandel mit Stickereiwaren betrieben. Bereits vor 1991 habe er Geschäftsbeziehungen ins Ausland angeknüpft und dabei leidvolle Erfahrungen mit Kursverlusten gesammelt. Im September 1991 habe ihn ein Angestellter der klagenden Partei auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, Währungskursdifferenzen für sich auszunützen und ihm ein Devisenkassageschäft mit italienischen Lire empfohlen. Daraufhin habe der Beklagte mehr als eine Milliarde italienischer Lire gegen Deutsche Mark im entsprechenden Gegenwert erworben. Es sei dabei von vornherein um eine bloße Zinsen- und Kursspekulation und nicht um den tatsächlichen Erwerb der Fremdwährung zu deren anderweitigen Verfügung gegangen. Der Beklagte hätte auch gar nicht über die Geldmittel zum Erwerb eines derartigen Fremdwährungsbetrags verfügt; er habe aber auch keine Sicherheit leisten müssen. Dem DM-Konto im Soll sei das Lire-Konto im Haben gegenübergestanden; der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, diese Beträge zu beheben, ohne hiefür Ersatz oder Sicherheiten zu leisten. Der auf dem Geschäftskonto des Beklagten gewährte Überziehungsrahmen sei nicht ausgenützt gewesen; ein allfälliger Kursverlust hätte in diesem Überziehungsrahmen Deckung gefunden. Dem Beklagten sei das Liregeschäft als relativ sicher hingestellt worden, weil der Kursverlust selbst im Falle eines Kursverfalls der Lira durch den Zinsgewinn bei längerer Veranlagungsdauer ausgeglichen würde. Es sei ihm auch erklärt worden, daß der Kursverfall der Lira im Rahmen des EWS mit 6 % begrenzt sei; infolge Ausscheidens Italiens aus dem EWS sei es aber im Jahre 1992 zu einem enormen Kursverfall von etwa 25 % gekommen. Darauf habe der Beklagte nicht rechtzeitig reagieren können, weil die klagende Partei bei der monatlichen Weiterveranlagung die möglicherweise vorhersehbare Lireproblematik nicht bedacht habe. Dem Beklagten sei aus diesem Geschäft ein Verlust von zumindest einer Million Schilling entstanden. Aufgrund dieses Liregeschäfts sei ein Devisenhändler der klagenden Partei auf den Beklagten aufmerksam geworden und habe bei ihm für weitere Devisengeschäfte geworben. Er habe dem Beklagten erklärt, beim Liregeschäft habe es an der fachmännischen Beratung gemangelt; nun könne dieser aber die Beratung der Devisenabteilung der klagenden Partei in Anspruch nehmen, und es sei möglich, den Verlust aus dem Liregeschäft wieder auszugleichen. In der Folge habe der Devisenhändler der klagenden Partei mit dem Beklagten immer wieder Kontakt aufgenommen und ihm auch die täglichen Devisenberichte übermittelt. Dabei habe der Devisenhändler den Eindruck erweckt, weltweit zu den besten seines Fachs zu gehören. Aufgrund dieser Vorgangsweise habe sich der Beklagte zu verschiedenen Devisenkassageschäften überreden lassen. Dabei seien jeweils zwei Fremdwährungssubkonten eröffnet worden, das eine im Soll, das andere mit entsprechendem Gegenwert im Haben. Teilweise sei ein „Stop-loss“ vereinbart worden, also eine Kursuntergrenze, bei der die Konten von der Bank zwecks Begrenzung des Verlusts automatisch ausgeglichen werden müßten. Daneben sei teilweise auch ein „Take Profit“ abgemacht worden, demnach eine Kursobergrenze, bei der die Konten gleichfalls auszugleichen seien, selbst wenn sich der Kurs im Sinne eines Kursgewinns entwickelt habe, sofern eine rückläufige Entwicklung zu erwarten gewesen sei. Der Beklagte habe in der Folge mit verschiedensten Währungen in der Größenordnung von einer bis zehn Millionen Dollar spekuliert. Zwischen den Parteien sei es nie beabsichtigt gewesen, daß der Beklagte die Fremdwährungen tatsächlich erwerbe, um über sie zu verfügen; ausschließlicher Zweck der Ankäufe sei vielmehr die Spekulation auf Kursgewinne gewesen. Für die Devisengeschäfte habe der Beklagte keinerlei Bargeld benötigt; einzige Voraussetzung sei eine „Kreditlinie“ gewesen, also ein normaler Kreditrahmen, der beim Beklagten der Kreditrahmen seines Geschäftskontos gewesen sei. Damit sei ein allfälliger Kursverlust abgesichert worden. War damit zu rechnen, daß die Differenz zwischen An- und Verkaufswert bei einem Kursverlust im Falle des Devisenkaufs die Kreditliniengrenze überstieg, sei die klagende Partei zur Glattstellung der Konten berechtigt gewesen. Der Verlust sei daher mit der Kreditlinie begrenzt gewesen. Ursprünglich habe diese etwa 3 Mio S betragen, weil dem Beklagten auf seinem Geschäftskonto ein Kreditrahmen von 4 Mio S eingeräumt und dieses Konto nur mit etwa 1 Mio S ausgenutzt gewesen sei. Dieser Kreditrahmen sei zunächst bis 18.2.1993 vereinbart gewesen, dann aber um fünf Jahre verlängert worden. In den Monaten bis Mai 1993 habe der Beklagte verschiedene Devisenkassageschäfte mit wechselndem Erfolg getätigt. Der Verlust aus dem Italiengeschäft sei deutlich vermindert worden. Der Beklagte habe engen geschäftlichen Kontakt mit der klagenden Partei unterhalten. Im Mai 1993, während urlaubsbedingter Abwesenheit des Devisenhändlers der klagenden Partei, habe der Beklagte ein US-Dollargeschäft in einer Höhe von 5 Mio abschließen wollen, weshalb er eine Bank in Deutschland kontaktiert habe. Der Vertreter des Devisenhändlers der klagenden Partei habe dieses Geschäft für die klagende Partei aber letztlich an sich gezogen, in der Folge aber die genauen Ankaufs- und Verkaufsanweisungen des Beklagten nicht eingehalten. Überdies sei der Wert des US-Dollars in der Folge gestiegen, obwohl alle Indikatoren auf dessen Sinken hingedeutet hätten. In der Zeit vom 7.5. bis 16.6.1993 habe der Beklagte unter Berücksichtigung eines Zinsvorteils einen Kursverlust von DM 399.500 erlitten. Am 24.6.1993 habe er schließlich mit der klagenden Partei vereinbart, das US-Dollar-Geschäft gegen sich gelten zu lassen, wobei ihm gleichzeitig trotz Ausschöpfung des Kontokorrentkreditrahmens eine neue Kreditlinie von S 700.000 zur Durchführung weiterer Spekulationen eingeräumt worden sei. Anfang Juli 1993 habe der Beklagte drei weitere Devisenkassageschäfte über 1 bzw 2 Mio US-Dollar getätigt. Die Verhandlungen über eine Aufstockung des Kreditrahmens und Beibringung weiterer Sicherheiten seien gescheitert. Daraufhin habe die klagende Partei die Kreditlinie auf S 400.000 reduziert; nun hätten die Kursdifferenzen keine Deckung mehr gefunden, und die Devisengeschäfte seien daher von der klagenden Partei ohne Auftrag des Beklagten glattgestellt worden. Mit Schreiben vom 20.9.1993 habe die klagende Partei alle Konten fälliggestellt.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die Devisenkassageschäfte des Beklagten Differenzgeschäfte gewesen seien. Es käme ausschließlich darauf an, was mit dem Geschäft bezweckt werde. Die Geschäfte des Beklagten seien deshalb als Differenzgeschäfte anzusehen, weil sie lediglich auf die Lukrierung des Wertes aus den jeweiligen Kursdifferenzen gerichtet gewesen seien. Sie unterlägen daher den Bestimmungen des ABGB über Spiel und Wette; daraus entstandene Verluste seien gemäß § 1271 ABGB nicht einklagbar. Könnte die klagende Partei diese Beträge vom Beklagten nicht einfordern, so bestünde auch kein Anlaß zur Fälligstellung dessen weit innerhalb des Kreditrahmens befindlichen und ausreichend abgesicherten Geschäftskontos.

Das Gericht zweiter Instanz sprach mit Zwischenurteil aus, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe und ferner, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die klagende Partei habe als Kommissionärin für den Beklagten jeweils um einen bestimmten Betrag Fremdwährung angekauft, also ein sogenanntes Währungstauschgeschäft durchgeführt. Zu diesem Zweck seien neben dem bestehenden Geschäftskonto des Beklagten zwei Subkonten errichtet worden. Grund für die Transaktionen sei die Spekulation des Beklagten auf die Änderung der Währungskurse derart gewesen, daß der Wert des Haben-Subkontos gegenüber dem Soll-Subkonto steigen werde und der Beklagte bei Glattstellung der beiden Konten die Kursdifferenz lukrieren könne. Der vom Beklagten erhobene Differenzeinwand, der sich auf die Unklagbarkeit von Spiel- und Wettschulden stütze, setze das Vorliegen eines Differenzgeschäfts voraus. Wenngleich die Spekulationsabsicht des Beklagten für die klagende Partei erkennbar oder auch bekannt gewesen sei, seien die Devisenkassageschäfte des Beklagten keine Differenzgeschäfte gewesen: Die zur Lukrierung der Währungskursdifferenzen notwendigen Währungstransaktionen seien tatsächlich durchgeführt worden. Mangels entsprechender Beweisergebnisse und Feststellungen über die Höhe der Klagsforderung könne aber nur ein den Grund des Klagsanspruchs bejahendes Zwischenurteil gefällt werden. Zu bedenken sei in der Folge auch, daß der Beklagte einen Verlust in Höhe von DM 399.500 ausdrücklich anerkannt habe. Bei der Ermittlung der Höhe der Klagsforderung werde dieser Schuldsaldo zu berücksichtigen sein.

Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der (vorsichtshalber) erhobene Einwand der klagenden Partei, die Revision sei verspätet eingebracht worden, ist nicht berechtigt. Selbst bei Bedachtnahme auf die Zustellung des Berufungsurteils an den vormaligen Verfahrenshelfer des Beklagten (am 10.10.1995) erwiese sich die am 7.11.1995 zur Post gegebene Revision als rechtzeitig.

Entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz ist der Differenzeinwand des Beklagten, soweit er den aus den Währungsspekulationen aushaftenden Saldo betrifft, zulässig und berechtigt. Differenzgeschäfte werden in der Regel in Börsen-, Waren- und Devisentermingeschäfte gekleidet. Typisch für solche Geschäfte ist die Ausnützung von Kursschwankungen zur Erzielung von Gewinnen unter gleichzeitiger Inkaufnahme des Verlustrisikos. Der Vertrag auf Lieferung von Waren - wozu auch Devisen zählen (vgl. Engel in Staudinger, BGB12 Rz 14 zu § 764) - oder Wertpapieren wird zum Differenzgeschäft, wenn der Vertrag nicht erfüllt werden soll, sondern nur die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem höheren Kurs des Lieferungstags zu zahlen ist. Die Absicht, ein Differenzgeschäft zu schließen, ist aus den Umständen des Einzelfalls erkennbar, wenn also keine wirkliche Lieferung erfolgt, sondern bloß eine Abrechnung der Differenz. Beim Differenzgeschäft muß die Absicht der Parteien somit von vornherein darauf abzielen, nicht den Terminkontrakt zu erfüllen, sondern nur die Differenz zwischen dem vereinbarten und dem niedrigeren bzw höheren Preis am vereinbarten Stichtag auszugleichen. Ansprüche aus Differenzgeschäften sind im allgemeinen unklagbar, dennoch erhobenen Klagen steht der sogenannte Differenzeinwand entgegen. Die Behauptungs- und Beweislast für die bloße Spekulationsabsicht trägt, wer sich auf den Differenzeinwand beruft (Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 57 zu §§ 1267 bis 1274 mwN). Alle Geschäfte, die unter den dem Sprachgebrauch zu entnehmenden Begriff eines Differenzgeschäfts fallen, unterwirft die Rechtsprechung ohne Rücksicht auf den im einzelnen Fall mit dem Abschluß verfolgten wirtschaftlichen Zweck den für Spiel und Wette geltenden Rechtsregeln. Wenn die Parteien demnach ihr Differenzgeschäft in die äußere Form eines an sich zu erfüllenden Warentermingeschäftes kleiden, ist es dennoch als Differenzgeschäft zu beurteilen. Der Umstand, daß eine längerdauernde Geschäftsbeziehung stets oder doch in der Regel ohne wirkliche Lieferungen allein durch Verrechnung von Buchungsposten aus gegenläufigen Geschäften oder allein durch Geltendmachung der Differenz als Schadenersatzanspruch abgewickelt wurde, ist ein gewichtiges Indiz für ein Differenzgeschäft. Maßgebend kann auch sein, ob die mit dem strittigen Geschäft umgesetzten Warenmengen dem wirklichen Bedarf der Vertragspartei entsprechen (SZ 56/77; ZfRV 1983, 206; ZfRV 1983, 210; EvBl 1957/190; SZ 20/103). Verträge sind nicht nur nach dem ausdrücklich erklärten Willen der Parteien, sondern auch danach zu beurteilen, welchen Vertragswillen die Parteien durch ihr Verhalten erkennbar geäußert haben: Maßgebend ist dabei der objektive Erklärungswert. Der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt läßt keinen Zweifel daran offen, daß die Parteien nicht die Absicht hatten, die formal eingegangenen Verpflichtungen der klagenden Partei zur Übergabe und des Beklagten zur Übernahme der jeweils ausbedungenen Fremdwährungen zu erfüllen. Vielmehr ging ihr übereinstimmender Wille dahin, ihre Verpflichtungen durch Rückkäufe bzw Rückverkäufe wechselseitig wieder aufzuheben und nur die sich dabei ergebenden Preisdifferenzen abzurechnen und auszugleichen („wash out“). Die Absicht der Parteien war von vornherein nicht auf effektive Erfüllung - in einem solchen Fall läge ein Differenzgeschäft nicht vor (1 Ob 580/84) - gerichtet. Darauf deuten auch der Umfang und die Häufigkeit der festgestellten Spekulationsgeschäfte sowie die (relativ) geringfügige Deckung hin. Das Erstgericht hat festgestellt, daß es den Streitteilen von vornherein nur um Zinsen- und Kursspekulationen und nicht etwa um die effektive Überlassung der Fremdwährungsbeträge zu deren anderweitigen Verfügung gegangen sei. Dazu hätte der Beklagte auch gar nicht über die nötigen Mittel verfügt und hätte er auch keine ausreichende Sicherheit leisten können. Daraus schloß das Erstgericht zurecht, daß die Absicht der Vertragspartner auf das Unterbleiben des tatsächlichen Austausches der Fremdwährungen und auf die Abrechnung der Differenzen zwischen den Preisen aus den einzelnen Kontrakten und Gegenkontrakten bzw den Tageskursen am Erfüllungstag gerichtet war (vgl dazu ZfRV 1983, 210, und GlU 15.141). Die gesamte Sachlage drängt daher zur Annahme, daß die von den Parteien geschlossenen Kassageschäfte lediglich deren wahre, allein auf die Abrechnung der Differenzen gerichtete Absicht bemänteln sollten (AC 1878, 1764; Palandt, BGB54 § 764 Rz 5 und 6). Beim verdeckten Differenzgeschäft lautet die Vereinbarung zwar nicht direkt auf eine bloße Ausgleichung der Kursdifferenz zwischen zwei Stichzeitpunkten, doch wird ein entsprechendes Ergebnis dadurch erzielt, daß zunächst ein Termingeschäft abgeschlossen wird, das aber nicht tatsächlich erfüllt werden soll. Dazu wird später ein glattstellendes Gegengeschäft zum selben Termin getätigt. Ein Spiel oder eine Wette im Sinne des § 1271 ABGB liegt in diesen Fällen allerdings nur dann vor, wenn der Wille des einen Teils, eine effektive Lieferung auszuschließen, dem Partner bekannt war oder bekannt sein mußte. Fehlt es daran, so macht auch die Spekulationsabsicht beider das Geschäft nicht zu einem unklagbaren Glücksgeschäft. Die Absicht, ein Differenzgeschäft zu schließen, muß bereits bei Vertragsabschluß vorliegen. Als Anhaltspunkte für ein solches Täuschungsmanöver dienen etwa die regelmäßige Abwicklung auf Differenzbasis in einer längerdauernden Geschäftsbeziehung, das auffallende Mißverhältnis zwischen dem Vermögen eines Vertragschließenden und seinem geschäftlichen Engagement, die Geringfügigkeit der gegebenen Deckung oder die regelmäßige Prolongation (Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 7/30; Wolff in Klang 2 V 997; Ehrenzweig, System2 II/1, 621; Stubenrauch, Kommentar zum ABGB Bd II8 583 ff; Pisko, Lehrbuch des österreichischen Handelsrechts, 239 f; Engel aaO Rz 4 bis 6 und 16 f zu § 764; Pecher in MünchK2 Rz 3 ff zu § 764 BGB; Seibert in RGRK12 Rz 2 ff zu § 764 BGB). Auch unter dem Deckmantel von Kassageschäften, die an sich nur eine kurze Lieferfrist lassen und deshalb nicht als Termingeschäft gelten, können sich Differenzgeschäfte verbergen, wenn die Beteiligten in Wahrheit nicht Lieferung wollen, sondern es ihnen - wie hier - nur darum geht, wechselseitig durch Gutschriften aus gleichartigen Geschäften Differenzgewinne zu erzielen (Pecher aaO Rz 20; Seibert aaO Rz 5; Engel aaO Rz 22). Nur bei solchen Differenzgeschäften, die den Bedürfnissen eines gesunden Geschäftsverkehrs dienen (zB bei den „Hedgegeschäften“, die wirtschaftliche Absicherungsmaßnahmen darstellen), bleibt die erfolgreiche Erhebung des Differenzeinwands nach Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland verwehrt (BGHZ 58/1; Seibert aaO Rz 6; Pecher aaO Rz 4)).

Es trifft zwar zu, daß für eine Bank bei der Ausführung eines Devisentermingeschäfts oder auch eines Differenzgeschäfts im Auftrag des Kunden jedenfalls kein Spekulationsgeschäft vorliegt, weil nur der Kunde spekuliert, wird aber die Spekulation eines der Vertragspartner zum Vertragszweck erhoben, dann liegt ein Glücksvertrag und kein Kauf- oder Kommissionsvertrag über Waren oder Wertpapiere vor (so auch ÖBA 1992/353; ferner Krejci aaO). Nach den erstinstanzlichen Feststellungen war es - wie schon dargelegt - Vertragszweck, dem Beklagten die Spekulation auf die Änderung der Währungskurse zu ermöglichen, sodaß der Differenzeinwand dem Beklagten zuzubilligen ist.

Diese Auffassung wird auch im österreichischen Schrifttum nicht in Zweifel gezogen. Göth (ÖBA 1992, 701, 708) kritisiert den Standpunkt der Rechtsprechung (SZ 56/77), daß alle Geschäfte, die unter den dem Sprachgebrauch zu entnehmenden Begriff eines Differenzgeschäftes fallen, den für Spiel und Wette geltenden Rechtsregeln unterliegen, lediglich insoweit, daß dort auf den mit dem Abschluß des Geschäfts verfolgten wirtschaftlichen Zweck (insbesondere Sicherungszweck) nicht Bedacht genommen wird. Oppitz (ÖBA 1991, 782, 788 ff) will es als maßgeblich ansehen, ob derjenige, dem gegenüber der Differenzeinwand erhoben wird, die fehlende wirtschaftliche Berechtigung kannte oder kennen mußte. Insoweit sei der Anwendungsbereich des Differenzeinwands aus wirtschaftsaufsichtsrechtlichem Blickwinkel teleologisch soweit zu reduzieren, daß die planmäßige Abwicklung einer Gruppe von Bankgeschäften nicht von vornherein gefährdet erscheine. Koch (ÖBA 1990, 24, 27 f) vertritt die Ansicht, § 28 Abs 2 BörseG solle für alle außerbörslichen Geschäfte, auf die österreichisches Recht Anwendung finde, gelten, sofern dem außerbörslichen Geschäft entsprechende, inhaltlich idente Kontrakte auch an einer anerkannten in- und ausländischen Wertpapierbörse gehandelt und dafür Kurse veröffentlicht werden. Die von diesen Autoren geforderte Einschränkung des Differenzeinwands entbehrt im vorliegenden Fall der von ihnen unterstellten Voraussetzungen; vor allem fehlen entsprechende Behauptungen. Auch Kubiczek (ÖBA 1994, 461, 463 ff) verweist wieder nur darauf, die österreichische Rechtsprechung zur Klagbarkeit von Ansprüchen aus Differenzgeschäften sei insoweit unbefriedigend, als sie auf eine undifferenzierte Klaglosstellung sämtlicher Geschäfte dieser Art ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Hintergründe hinauslaufe. Wirtschaftlich berechtigte Geschäfte seien vom Anwendungsbereich des Differenzeinwands nach herrschender deutscher Ansicht ausgenommen (vgl hiezu auch Avancini aaO). Eine wirtschaftliche Rechtfertigung der hier getätigten Geschäfte liegt aber nicht vor, war die Absicht der Parteien doch bloß darauf gerichtet, dem Beklagten Kursgewinne zu ermöglichen, also zu spekulieren, ohne daß ein rechtfertigender wirtschaftlicher Hintergrund auch nur behauptet worden wäre. Es handelt sich demnach jedenfalls um ein nach den Bestimmungen des ABGB verpöntes Differenzgeschäft (Avancini aaO Rz 7/30 und 31). Die beachtlichen Argumente im Schrifttum, im Anschluß an die herrschende deutsche Auffassung wirtschaftlich gerechtfertigte Geschäfte dem Differenzeinwand zu entrücken, bedürfen deshalb keiner abschließenden Beurteilung.

Das Differenzgeschäft ist nicht klagbar. Daran ändert auch eine allfällige Anerkennung nichts (Wolff aaO 999; Pisko aaO 241; Avancini aaO Rz 7/31; Krejci aaO Rz 71).

Auf die Fragen, ob die Devisengeschäfte allenfalls nichtig seien bzw ob die klagende Bank auch für die Erteilung eines falschen Rats oder einer falschen Auskunft haftete, muß daher nicht weiter eingegangen werden, wenn sich bereits der Differenzeinwand im Umfang der auf die Spekulationsgeschäfte entfallenden Klagsteilbeträge als berechtigt erweist. Dieses Klageteilbegehren ist in Abänderung mit Teilurteil abzuweisen.

Was den Betrag betrifft, den die klagende Partei aus der Überziehung des Geschäftskontokorrentkredits geltend macht, ist auszuführen:

Die klagende Partei behauptete, berechtigt zu sein, den Vertrag jederzeit und ohne Angabe von Gründen aufzukündigen (S 11 des Schriftsatzes vom 17.1.1994 = AS 47). Dem widersprach der Beklagte (S 49 des Schriftsatzes vom 18.2.1994 = AS 119). Die Streitteile hielten ihre Auffassung über die Berechtigung der klagenden Partei zur Aufkündigung der Geschäftsbeziehung (= Fälligstellung des Kredits) auch in ihren Rechtsmittelschriftsätzen aufrecht (S 10 f der Berufung der klagenden Partei = AS 300 f bzw S 10 f der Berufungsbeantwortung des Beklagten = AS 330 f). Tatsachenfeststellungen, aus denen sich ableiten ließe, ob die klagende Partei berechtigt war, den Geschäftskontokredit fälligzustellen, liegen nicht vor. Das Erstgericht hat im Zuge der rechtlichen Beurteilung lediglich ausgeführt, daß kein Anlaß für die Fälligstellung des weit innerhalb des Kreditrahmens befindlichen und durch eine Lebensversicherung ausreichend abgesicherten Negativsaldos auf dem Geschäftskonto bestanden habe, berücksichtige man, daß die Beträge aus den Differenzgeschäften von der klagenden Partei nicht gefordert werden könnten (S 18 des Ersturteils = AS 289). Es werden daher zu dieser Frage ausreichende Feststellungen nachzuholen sein; für den Fall der Berechtigung der klagenden Partei zur Fälligstellung wird noch darauf Bedacht zu nehmen sein, daß der Kontokorrentkreditsaldo von den Streitteilen unterschiedlich hoch beziffert wird: von der klagenden Partei mit S 1,209.157,22 (siehe S 4 der Berufung = AS 294), vom Beklagten mit S 1,108.389,06 (S 2 f bzw 16 der Berufungsbeantwortung = AS 322 f bzw 336).

In diesem Umfang (Klageteilbegehren von S 1,209.157,22 sA) bedarf es noch einer Verfahrensergänzung in erster Instanz.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte