OGH 6Ob2127/96d

OGH6Ob2127/96d7.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas M*****, vertreten durch Dr.Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hubert M*****, vertreten durch Dr.Heinrich Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das (Teil-)Urteil (und den Beschluß) des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Oktober 1995, GZ 43 R 2088/95-107, in nichtöffentlicher Sitzung

I.den

Beschluß

gefaßt:

1. Die Revision wird, soweit sie sich (als Rekurs) gegen die Aufhebung des Urteils des Erstgerichtes (hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs ab 1.1.1994 und im Kostenpunkt) wendet, zurückgewiesen.

2. Insoweit sich die Revision gegen die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens für die Zeit vom 1.7.1992 bis 31.12.1993 wendet, wird ihr Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden (auch) in diesem Umfang (also hinsichtlich der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens von 3.600 S monatlich für die Zeit vom 1.7.1992 bis 31.12.1992 und von 3.900 S monatlich für die Zeit vom 1.1.1993 bis 31.12.1993) aufgehoben. Die Rechtssache wird (auch insoweit) an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

II. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Insoweit sich die Revision gegen die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens für die Zeit vom 1.3.1990 bis 1.7.1992 (richtig 30.6.1992) wendet (also hinsichtlich der Abweisung von 2.300 S monatlich für die Zeit vom 1.3.1990 bis 31.12.1991 und von 2.000 S monatlich für die Zeit vom 1.1.1992 bis 1.7.1992 [richtig 30.6.1992]), wird ihr nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil als

Teilurteil

bestätigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der jetzt 34jährige Kläger, ein außerehelicher Sohn des Beklagten, steht wegen einer mittelgradigen bis schweren Debilität unter Sachwalterschaft. Er befindet sich seit seinem 16.Lebensmonat in Pflege seiner (im Jahr 1989 bestellten) Sachwalterin. Er ist am Arbeitsmarkt nicht vermittelbar und kann nur auf einem geschützten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Seit 1.1.1990 bezieht er Sozialhilfe. Er ist tagsüber in der Tagesheimstätte S***** untergebracht. Hiefür hat er 48 S täglich zu bezahlen. Seit Jänner 1994 bezieht er ein Pflegegeld von 1.738 S monatlich. Seine Mutter leistet keinerlei Unterhalt.

Der unterhaltspflichtige Beklagte verdiente 1990 und 1991 rund 15.000 S netto, 1992 und 1993 17.300 S monatlich. Er hat weitere Sorgepflichten für die Kinder Hubert (geboren am 27.8.1975), Christine (geboren am 8.9.1976), Florian (geboren am 12.6.1992; dieses Kind ist behindert) und die am 5.3.1994 geborene Eva sowie für seine Gattin, die wegen des mj. Florian ihre Arbeit aufgegeben hat und seit Jänner 1993 nur mehr im Haushalt tätig ist.

Mit der am 7.2.1990 zu Protokoll gegebenen Unterhaltsklage beantragte der Kläger einen monatlichen Unterhalt von 5.000 S ab 1.3.1990. Er bedürfe wegen seiner Geistesschwäche ständiger Pflege und Unterstützung und könne keiner geregelten Arbeit nachgehen. Seit 1.1.1990 beziehe er eine monatliche Sozialhilfe von 3.192 S. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten zum beantragten Unterhalt sei aufgrund der Vermögens- und Einkommensverhältnisse gegeben.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Unterhaltsbegehrens. Die Unterhaltsbedürfnisse des Klägers seien durch die Sozialhilfe gedeckt. Er lehne eine Erwerbstätigkeit grundlos ab und konsumiere übermäßig Alkohol. Der Beklagte sei wegen seiner weiteren Sorgepflichten gegenüber seiner Ehegattin und zwei weiteren Kindern nicht imstande, für den Kläger Unterhalt zu leisten. Es sei ferner auch die Unterhaltsverpflichtung der Mutter des Kindes zu prüfen. Am 12.6.1992 sei ein weiteres, ebenfalls behindertes (geisteskrankes) Kind des Beklagten geboren worden, für dessen erhöhten Unterhaltsbedarf er aufkommen müsse. Wegen der Behinderung dieses Kindes habe die Gattin des Beklagten ihre Berufstätigkeit am 1.11.1992 aufgeben müssen. Schließlich sei am 5.3.1994 ein weiteres Kind des Beklagten geboren worden, für das er zu sorgen habe.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zu folgenden Unterhaltszahlungen: vom 1.3.1990 bis 31.12.1991 zu 1.700 S monatlich; vom 1.1.1992 bis 1.7.1992 (richtig wohl 30.6.1992) zu 2.100 S monatlich; vom 1.7.1992 bis 31.12.1992 zu 1.400 S monatlich; vom 1.1.1993 bis 31.12.1993 zu 1.100 S monatlich sowie ab 1.1.1994 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers zu 1.200 S monatlich. Das Unterhaltsmehrbegehren wurde abgewiesen.

Aus den Feststellungen des Erstgerichtes (S 5 bis 7 in ON 93) ist (zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt) noch folgendes hervorzuheben:

Der Kläger beziehe seit 1.1.1990 Sozialhilfe von 3.192 S monatlich. Er sei seit 1.3.1990 nicht regelmäßig beschäftigt gewesen. Die Gattin des Beklagten habe nach Aufgabe ihrer Berufstätigkeit im November 1992 Karenzgeld bezogen. Der 1975 geborene Sohn des Beklagten beziehe seit 1994 eine Lehrlingsentschädigung von 4.000 S monatlich.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Kläger nicht selbsterhaltungsfähig sei. Unter Berücksichtigung seines Alters sei von einem Unterhaltsanspruch von 22 % des Nettoeinkommens des Beklagten auszugehen. Im Hinblick auf die weiteren Sorgepflichten habe der Kläger vom 1.3.1990 bis 1.7.1990 (gemeint wohl: 30.6.1992) einen Unterhaltsanspruch von 18 % des Nettoeinkommens des Beklagten. Ab 1.7.1992 sei die weitere Sorgepflicht für den an einer schweren Geisteskrankheit leidenden mj.Florian zu berücksichtigen. Infolge eines erhöhten Bedarfes dieses Kindes sei ein Abzug von 4 % gerechtfertigt. Daraus resultiere ein Unterhaltsanspruch von 14 % der Bemessungsgrundlage ab 1.7.1992. Ab 1.1.1993 sei die Sorgepflicht für die Gattin des Beklagten zu berücksichtigen. Hiefür sei ein Abzug von 2 % gerechtfertigt. Ab 1994 sei die Lehrlingsentschädigung des mj.Hubert von 4.000 S zu berücksichtigen, weiters aber auch der Umstand, daß am 5.3.1994 ein weiteres Kind des Beklagten zur Welt gekommen sei, wofür ein Abzug von 1 % gerechtfertigt sei. Unter Berücksichtigung des Wegfalls der Sorgepflicht für den mj.Hubert und des Hinzukommens einer Sorgepflicht für die mj.Eva ergebe sich ein Unterhaltsanspruch des Klägers ab 1.1.1994 von 13 % der Bemessungsgrundlage. Die nach der Prozentmethode errechneten Unterhaltsbeträge seien nicht ohne Abzug zuzusprechen gewesen. Der Kläger beziehe eine Sozialunterstützung von 3.100 S monatlich, was als Eigeneinkunft zu berücksichtigen sei. Davon seien nur 1.000 S monatlich auf den Unterhaltsanspruch des Beklagten anzurechnen. Der Einwand des Beklagten hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung der Mutter des Klägers sei nicht zielführend. Der Beklagte könne aus der Nichtleistung des Unterhalts durch den anderen Elternteil keine Vorteile ziehen.

Beide Parteien bekämpften das erstgerichtliche Urteil insoweit, als ihren Urteilsanträgen nicht stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht, der des Klägers teilweise Folge. Es verurteilte den Beklagten zu Unterhaltsbeiträgen von 2.700 S monatlich vom 1.3.1990 bis 31.12.1991 und von 3.000 S monatlich vom 1.1.1992 bis 1.7.1992 (richtig 30.6.1992) und bestätigte die vom Erstgericht für die Zeit vom 1.7.1992 bis 31.12.1993 festgesetzte Unterhaltsverpflichtung des Beklagten sowie die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens. Hinsichtlich des Unterhaltsbemessungszeitraumes ab 1.1.1994 und im Kostenpunkt hob das Berufungsgericht (in Urteilsform) das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, erachtete die Feststellungen für die Beurteilung des Unterhaltsanspruchs bis zum 31.12.1993 für ausreichend und beurteilte den Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß die vom Erstgericht für die Zeit vom 1.7.1992 bis 31.12.1993 festgesetzten Unterhaltsbeiträge den festgestellten Einkommenshöhen und den weiteren Sorgepflichten des Beklagten entsprächen. Mangels einer Anzeige des Sozialhilfeträgers stehe dem Unterhaltspflichtigen (gemeint: dem Unterhaltsberechtigten) die Geltendmachung seines Anspruchs zu. Beim schwer behinderten, über 30 Jahre alten Kläger bestehe auch nicht die Gefahr einer Doppelversorgung. Alle Rechenmodelle (bei der Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruchs) hätten sich im Hinblick auf die zahlreichen weiteren Sorgepflichten des Beklagten als verfehlt erwiesen. Es sei keine höhere Belastung des Vaters vertretbar, als sie das Erstgericht vorgenommen habe. Lediglich hinsichtlich der ersten beiden Unterhaltsperioden seien die Unterhaltsbeträge an die Leistungsfähigkeit des Vaters anzupassen gewesen. In diesen Zeiträumen seien nur Sorgepflichten für zwei Kinder zu berücksichtigen. An der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestünde kein Zweifel. Im Hinblick auf den durch sein Alter und seine Krankheit deutlich gewordenen Unterhaltsbedarf des Klägers sei nicht entscheidend, ob er in den Jahren 1992 und 1993 3.200 S oder 4.000 S monatlich an Sozialhilfe erhalten habe. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei daher kein Anlaß gegeben, die Unterhaltsverpflichtung "auf Null zu kürzen". Für die Zeit ab 1.1.1994 sei das Verfahren noch nicht spruchreif. Die Feststellungen zum Einkommen des Beklagten seien zu ergänzen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision "im Bestätigungsbereich jeweils nicht zugelassen" werde.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, daß seinem Unterhaltsbegehren gänzlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist insoweit, als das erstgerichtliche Urteil für den Unterhaltsbemessungszeitraum ab 1.1.1994 und im Kostenpunkt aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, als Beschluß iS des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO aufzufassen. Deshalb stellt die Revision, soweit sie sich gegen diesen Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet, einen Rekurs dar. Dieser ist mangels eines Ausspruchs des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof unzulässig (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO).

Insoweit sich die Revision gegen die Unterhaltsfestsetzung für die Zeit bis 31.12.1993 wendet, ist das Rechtsmittel entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz zulässig; es ist auch teilweise berechtigt.

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden von der Judikatur vor allem für Durchschnittsfälle Berechnungsformeln entwickelt, die eine gleichmäßige Behandlung gleichgelagerter Durchschnittsfälle sicherstellen sollen. Die Unterhaltsbemessung nach Prozentsätzen sowie die Vornahme von Abzügen von diesen wegen konkurrierender Sorgepflichten kann aber immer nur eine Orientierungshilfe für die Unterhaltsbemessung im Einzelfall sein.

Der Revisionswerber stützt die Zulässigkeit seines Rechtsmittels auf das Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage, ob die zu Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder entwickelte Prozentsatzmethode auch auf einen 32 Jahre alten Unterhaltsberechtigten anwendbar sei. Er vermißt ferner eine vom Berufungsgericht angewandte, nachprüfbare Berechnungsmethode. Dazu ist folgendes auszuführen:

Der vorliegende Fall ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß den Beklagten eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Sorgepflichten treffen, dies vor allem ab der Geburt des vierten Kindes im Jahr 1992 und der damit verbundenen weiteren Sorgepflicht für die Gattin. Lediglich im Bereich der Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen ist von einem "Normalfall" auszugehen. Die Außergewöhnlichkeit des Falles liegt ferner in dem Umstand begründet, daß zwei unterhaltsberechtigte Kinder (der Kläger und das vierte Kind) behindert sind. Der sich von Durchschnittsfällen abhebende Sachverhalt führt dazu, daß die erwähnten Prozentsätze bei der Unterhaltsbemessung ihre Funktion als Orientierungshilfe weitgehend verlieren. Mit der Ausschöpfung der Prozentkomponente wird im allgemeinen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen Rechnung getragen. Weitere Sorgepflichten werden mit einem entsprechenden Abzug berücksichtigt. Bei einer großen Anzahl von Sorgepflichten versagt jedoch diese Berechnungsmethode, weil die absolute Belastbarkeitsgrenze des Unterhaltspflichtigen überschritten wird. Für die Zeit vom 1.3.1990 bis 30.6.1992 entsprechen die vom Berufungsgericht festgesetzten Unterhaltsbeiträge 18 % und 17,3 % Bemessungsgrundlage. Dabei waren Sorgepflichten für zwei weitere (1975 und 1976 geborene) Kinder zu berücksichtigen, was noch nicht als außergewöhnlich im Sinne der obigen Ausführungen zu werten ist. Für diesen Zeitraum ist die angefochtene Unterhaltsfestsetzung nicht zu beanstanden, hält sie sich doch im Rahmen der üblichen Prozentsatzkomponenten (vgl Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 14 und 15.P 10 und die dort zitierte Judikatur).

Der im Rahmen der Revisionsausführungen gerügte Feststellungsmangel zum Eigeneinkommen der beiden Kinder Hubert und Christine ist für die Zeit bis zum 30.6.1992 zur Gänze nicht berechtigt, danach nur teilweise hinsichtlich des mj.Hubert. Anders als im vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten außerstreitigen Verfahren (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) muß der unterhaltsberechtigte Kläger im Zivilprozeß alle anspruchsbegründenden Umstände behaupten und beweisen. Der Beklagte hat weitere Sorgepflichten, die seine Leistungsfähigkeit mindern, behauptet. Diese Sorgepflichten konnten aufgrund des Alters der Kinder auch festgestellt werden. Es oblag dem Kläger, den gänzlichen oder teilweisen Wegfall der Sorgepflichten wegen eines Eigeneinkommens der Kinder zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Der Kläger ist jedoch schon seiner Behauptungspflicht im Verfahren erster Instanz nicht nachgekommen. Er bestritt zunächst nicht einmal die Behauptung des Beklagten über die Sorgepflichten für die Gattin und zwei Kinder (S 1 zu ON 7), die weitere Behauptung des Beklagten über Sorgepflichten für drei Kinder und die Ehegattin bestritt der Kläger nur unsubstantiiert ohne jeden Hinweis auf ein Einkommen der Kinder (S 1 zu ON 67). Schließlich blieb die Behauptung des Beklagten, der mj.Hubert absolviere derzeit (gemeint: 1994) eine Lehre und erhalte eine Lehrlingsentschädigung von 4.000 S monatlich sowie die Behauptung, die mj.Christine besuche eine Handelsschule, unbestritten (S 1 f zu ON 83). Erstmalig und mit unzulässiger Neuerung relevierte der Kläger ein Eigeneinkommen der beiden Kinder in seiner Berufung (ON 101). Da schon nach den Parteibehauptungen nicht von einer vor dem 1.7.1992 beginnenden Lehrlingsausbildung des mj.Hubert auszugehen ist, hat es dabei zu bleiben, daß den Beklagten bis zu diesem Termin zwei weitere Sorgepflichten trafen. Bei diesen hält sich - wie schon ausgeführt - die vom Berufungsgericht verfügte Unterhaltsverpflichtung im Rahmen der zu billigenden Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzmethode. Daß der Kläger bereits erwachsen ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Eine höhere Unterhaltsfestsetzung scheitert an der Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen, selbst wenn ein höherer Bedarf des Klägers als der sogenannte Durchschnittsbedarf gegeben sein sollte.

Für die Zeit vom 1.7.1992 bis zum 31.12.1993 entsprechen die von beiden Vorinstanzen festgesetzten Unterhaltsbeiträge 8 % und 6,3 % der Bemessungsgrundlage. Damit wurde trotz der hinzugekommenen weiteren Sorgepflichten die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners noch nicht voll ausgeschöpft. Die vom Revisionswerber angestrebte Erhöhung könnte (teilweise) berechtigt sein, wenn die vom Kläger bezogene Sozialhilfe bei der Unterhaltsbemessung völlig außer Betracht zu bleiben hätte. Dies kann aber aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden.

Zur Frage der Anrechenbarkeit von Sozialhilfeleistungen liegt eine nicht ganz einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, zu welcher der erkennende Senat bereits mehrmals eingehend Stellung genommen hat, zuletzt in der Entscheidung vom 12.10.1995, 6 Ob 629/95. In dieser wurden die teilweise widersprüchliche Judikatur und die Spruchpraxis des erkennenden Senates wie folgt dargestellt:

"In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wurde der Grundsatz entwickelt, daß eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse aufgrund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, schon deswegen keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihr ein Anspruch auf Doppelversorgung nicht zusteht (SZ 55/129 mwN; EFSlg 55.955). An dieser Rechtsauffassung hat der Oberste Gerichtshof auch in den beiden Entscheidungen SZ 60/71 und 191 zwar grundsätzlich festgehalten, eine Einschränkung aber dort für nötig erachtet, wo der (Landes-)Gesetzgeber dem Sozialhilfeträger einen Ersatzanspruch gegen den Unterhaltsverpflichteten einräumt und eine (aufgeschobene) Legalzession anordnet, was das weitere Bestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten voraussetze. Die von der Judikatur befürchtete Doppelversorgung des Unterhaltsberechtigten trete auch bei aufgeschobener Legalzession regelmäßig nicht ein, weil es der den Lebensbedarf gewährende Rechtsträger jederzeit in der Hand habe, den Rechtsübergang zu bewirken. Könne er aber die entsprechenden Ersatzleistungen auch vom Unterhaltsberechtigten (Sozialhilfeempfänger) problemlos hereinbringen, dann werde er darauf verzichten. Der Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers sei daher nicht erloschen (SZ 60/191). Die Ansicht, daß Sozialhilfeleistungen mangels einer schriftlichen Anzeige des Rechtsübergangs gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten nicht auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen seien, der Unterhaltsberechtigte also noch sachlegitimiert sei, wurde mehrfach vertreten (ÖA 1988, 49; 8 Ob 550/89 = EFSlg XXVI/2; 8 Ob 621/90 unter ausdrücklicher Billigung der zitierten Entscheidung SZ 60/191).

Unstrittig ist, daß nach Wirksamwerden der Zession (also nach Verständigung des Unterhaltsschuldners gemäß § 1396 ABGB; eine solche Verständigung ordnen auch die entsprechenden Landesgesetze an) nur noch der Sozialhilfeträger als Zessionar zur Geltendmachung des zedierten Unterhaltsanspruchs berechtigt ist. Für die Zeit davor wurde der Ansicht, daß aus der Anordnung einer Legalzession zugunsten des Sozialhilfeträgers zu schließen sei, daß der Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers noch nicht erloschen sei, allerdings auch in manchen oberstgerichtlichen Entscheidungen entgegengetreten. Durch die Erbringung der Sozialhilfeleistung zur Befriedigung von Bedürfnissen, die sich aus § 672 ABGB ergeben, würden die Bedürfnisse tatsächlich befriedigt werden und es bestehe demnach ein Anspruch auf nochmalige Befriedigung nicht mehr. Nur der Sozialleistungsträger habe gegen den Unterhaltspflichtigen unter gewissen Umständen aufgrund einer Legalzession einen Ersatzanspruch (RZ 1990/24). Auch in der in EFSlg 55.955 teilweise veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wurde die Ansicht vertreten, daß dem Unterhaltsberechtigten ein Unterhaltsanspruch deshalb nicht zustehe, weil der Unterhaltsbedarf in der geltend gemachten Höhe vom Sozialversicherungsträger gedeckt worden sei.

In Kenntnis dieser nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (pars pro toto: SZ 60/191 gegenüber RZ 1990/24) hat der erkennende Senat sich grundsätzlich der vom Obersten Gerichtshof mehrheitlich vertretenen Auffassung angeschlossen, daß vor Wirksamwerden der Legalzession der Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers noch nicht erloschen sei. Das Gebot der Vermeidung zweckwidriger Doppelversorgung zwinge zur dogmatischen Konstruktion, daß die Unterhaltsforderungen des Sozialhilfeempfängers im Umfang der bescheidmäßig zuerkannten zeitlich und sachlich kongruenten Sozialhilfeleistungen vor dem Wirksamwerden des gesetzlich vorgesehenen Forderungsübergangs zwar in der Rechtszuständigkeit des Sozialhilfeempfängers entstünden und zunächst auch bei ihm verblieben, daß diese Forderungen aber inhaltlich in der Weise beschränkt seien, als sie nur noch im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs verwertbar seien. Dies bedeute, daß im Falle eines Unterhaltsbestimmungsantrages des Sozialhilfeempfängers gegen seinen Unterhaltsschuldner die Bemessung unter Außerachtlassung der - ihrem Zweck nach jedem Unterhaltsanspruch dem Subsidiaritätsgedanken gemäß nachgeordneten - Sozialhilfeleistungen zu erfolgen, ein Leistungsbefehl an den Unterhaltsgläubiger aber zu unterbleiben habe. Über den Unterhaltsantrag sei mit Feststellungsausspruch zu entscheiden (6 Ob 569/91).

Aus dem kursorisch wiedergegebenen Überblick über die oberstgerichtliche Judikatur geht zunächst hervor, daß Einhelligkeit darüber besteht, daß nach einem wirksamen Forderungsübergang nur noch der Sozialhilfeträger, nicht aber der Unterhaltsberechtigte gegen den Unterhaltsschuldner vorgehen kann. Einheitlichkeit der Meinungen besteht wohl auch darin, daß ein Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers zu verneinen ist, wenn dem Sozialhilfeträger vom Gesetzgeber kein Ersatzanspruch eingeräumt wurde, also insbesondere auch keine Legalzession normiert ist. Der Unterhaltsberechtigte soll nicht "doppelversorgt" werden (SZ 55/129; 8 Ob 591/91).

In der uneinheitlich gelösten Frage der Sachlegitimation des unterhaltsberechtigten Sozialhilfeempfängers bei einer im Gesetz angeordneten aufgeschobenen Legalzession sieht sich der erkennende Senat nicht veranlaßt, von seiner zitierten Spruchpraxis (6 Ob 569/91) wieder abzuweichen."

An der dargelegten Spruchpraxis hält der erkennende Senat auch hier fest. Es sind daher Feststellungen über die Art der vom Kläger bezogenen Sozialhilfe und eine allfällige Verständigung des Beklagten über die Leistung der Sozialhilfe nach dem Oberösterreichischen Sozialhilfegesetz erforderlich. Nach diesem Gesetz in der bis 1994 gültigen Fassung (LGBl 1984/2) ist ein Kostenersatz des Unterhaltspflichtigen im § 51 leg cit vorgesehen; § 52 leg cit ordnet eine Legalzession ab schriftlicher Anzeige des Sozialhilfeträgers an den Unterhaltspflichtigen an. Erst nach Ergänzung der Feststellungen werden die Aktivlegitimation und die Anrechenbarkeit des Sozialhilfebezuges des Klägers als Eigeneinkommen beurteilt werden können. Ergänzend wird auch die genaue Höhe der vom Kläger vom März 1990 bis 30.6.1992 bezogenen Sozialhilfe festzustellen sein, weil nicht anzunehmen ist, daß die Sozialhilfe über Jahre hinweg in gleicher Höhe ausgezahlt wurde (nach den Angaben der Sachwalterin lag die Sozialhilfe zwischen 3.700 S und 3.500 S monatlich: S 4 zu ON 59).

Sollte sich nach den ergänzenden Feststellungen und unter Anwendung der dargelegten Grundsätze eine Anrechenbarkeit der Sozialhilfe ergeben, wird der Beklagte nur den zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers fehlenden Unterhaltsbeitrag zu zahlen haben. Nach den getroffenen Feststellungen kann von einem erhöhten Unterhaltsbedarf des Klägers wegen der bestehenden Geistesschwäche nicht ausgegangen werden. Seine Unterhaltsbedürfnisse können einem knapp vor der Volljährigkeit stehenden Minderjährigen durchaus gleichgehalten werden. Der sogenannte Durchschnittsbedarf (Regelbedarf) ist nach der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 560/92 = SZ 65/114 bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit maßgeblich und kann auch hier als Orientierungshilfe dienen, weil im allgemeinen anzunehmen ist, daß ein fast 19jähriger nicht weniger Bedürfnisse hat als ein 32jähriger erwachsener Unterhaltsberechtigter. Eine Unterhaltspflicht des Beklagten könnte sich also nur hinsichtlich des Fehlbetrages auf den in den Jahren 1991 und 1992 maßgeblichen Durchschnittsbedarf ergeben. Der gegen diese Rechtsansicht möglicherweise erhobene Einwand, ein Lehrling erhalte neben dem Geldunterhalt bis zur Höhe des Regelbedarfs auch noch Naturalunterhalt durch die Betreuungsleistung des anderen Elternteils, kann nach Ansicht des erkennenden Senates hier deshalb nicht ins Treffen geführt werden, weil ein erwachsener Unterhaltsberechtigter auf die Betreuungsleistungen (Zubereitung der Nahrung; Wäsche uä) nicht angewiesen ist, diese selbst erbringen kann und keineswegs gezwungen ist, für diese Leistungen Kosten aufzuwenden.

Die vom Beklagten allenfalls geschuldete Unterhaltsleistung hängt schließlich noch davon ab, ob die Mutter des Klägers zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden kann. Auch in diesem Punkt fehlt es an ausreichenden Feststellungen, weil nur festgestellt wurde, daß die Mutter keinen Unterhalt leistet, nicht aber, ob sie zu einer solchen Unterhaltsleistung verpflichtet werden kann. Zutreffend verweist der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung darauf, daß beide Elternteile (gemäß § 140 Abs 1 ABGB) zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse anteilig (also nicht solidarisch) beizutragen haben. Wenn kein Elternteil - wie hier - den Haushalt führt, in dem sich das unterhaltsberechtigte Kind befindet, sind beide Elternteile zu Geldunterhalt zu verpflichten (EFSlg 73.913). Es werden daher auch Feststellungen über die Lebensumstände der Mutter, zu treffen sein.

Sollten sich im fortgesetzten Verfahren nach Ergänzung der Feststellungen und bei der nach den dargelegten Grundsätzen vorzunehmenden Unterhaltsbemessung Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Beklagten ergeben, werden die Feststellungen allenfalls auch dahin zu ergänzen sein, ob die für das Jahr 1994 festgestellten Eigeneinkünfte des mj.Hubert nicht schon (teilweise) auch 1992 und 1993 gegeben waren. Wenn es auch an konkretem Vorbringen des Klägers in diese Richtung mangelt, so ergab sich doch schon aus dem Vorbringen des Beklagten selbst insofern ein aufklärungsbedürftiger Sachverhalt, als nicht anzunehmen ist, daß sich der im Sommer 1994 19 Jahre alt und somit volljährig gewordene Hubert sich erst in diesem Jahr im ersten Lehrjahr befunden hat. Diesbezüglich werden die Parteien zu ergänzendem Vorbringen anzuleiten sein.

Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten beruht auf § 52 ZPO.

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