OGH 8Ob548/82

OGH8Ob548/8216.9.1982

SZ 55/129

Normen

ABGB §140
NÖ SHG (SozialhilfeG) §42
NÖ SHG (SozialhilfeG) §43
ABGB §140
NÖ SHG (SozialhilfeG) §42
NÖ SHG (SozialhilfeG) §43

 

Spruch:

Dem aus Mitteln der Sozialhilfe nach dem niederösterreichischen Sozialhilfegesetz zur Gänze erhaltenen Kind steht gegen eine unterhaltspflichtige Person jedenfalls dann kein Unterhaltsanspruch zu, wenn gegen diese Person ein Regreßanspruch des Sozialhilfeträgers ausgeschlossen ist.

OGH 16. September 1982, 8 Ob 548/82 (LGZ Wien 44 R 3228/82; BG Mödling 2 P 2 15/81)

Text

Der am 24. 1. 1981 von Monika K unehelich geborene Paul K ist mehrfach behindert. Er befindet sich in Dauerpflege im nö Landessäuglingsheim S und wird dort aus Mitteln der Sozialhilfe auf Grund des nö Sozialhilfegesetzes (NÖSHG) erhalten.

Der Amtsvormund des Kindes stellte den Antrag, die Großmutter mütterlicherseits zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 550 S vom 15. 10. bis 30. 11. 1981 und von 1650 S ab 1. 12. 1981 zu verhalten, weil der Vater des Kindes nicht festgestellt, die Mutter vermögens- und einkommenslos und der Großvater mütterlicherseits bereits verstorben sei.

Die Großmutter mütterlicherseits beantragte die Abweisung des Unterhaltsfestsetzungsantrages des Amtsvormundes im wesentlichen mit der Begründung, daß sie nicht in der Lage sei, die geforderten Beträge zu bezahlen.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Amtsvormundes im wesentlichen mit der Begründung statt, daß gemäß § 141 ABGB die Großeltern den Unterhalt des Kindes zu leisten hätten, soweit die Eltern nach ihren Kräften dazu nicht imstande seien. Da die Mutter selbst noch minderjährig und vermögens- und einkommenslos sei, die Großmutter aber über ein ausreichendes Einkommen verfüge, sei ihr die Bezahlung der geforderten Unterhaltsbeträge für das Kind zuzumuten.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Großmutter Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes iS der Abweisung des Unterhaltsfestsetzungsantrages des Amtsvormundes ab. Es sei davon auszugehen, daß der Minderjährige im Säuglingspflegeheim untergebracht sei und zur Gänze aus Mitteln der Sozialhilfe erhalten werde. Bestehe eine ausreichende Verpflegung des Unterhaltsberechtigten durch einen Dritten, der keinen Anspruch auf Ersatz erhebe, so ruhe die Unterhaltspflicht der Personen, die sonst auf Grund des Gesetzes für den Unterhalt aufkommen müßten. Demnach könnte die Großmutter nur dann zur Unterhaltsleistung herangezogen werden, wenn der die Sozialhilfe Leistende, also das Land Niederösterreich, Ersatz verlangen würde. IS des § 42 NÖSHG bestehe kein Anspruch des Landes Niederösterreich auf Ersatz der Pflegekosten durch die Großmutter. Ihre Unterhaltspflicht ruhe aber wegen der Deckung der Bedürfnisse des Kindes von anderer Seite.

Der Oberste Gerichtshof erachtete den Revisionsrekurs des Amtsvormundes für zulässig. Die vom Rekursgericht verneinte Frage, ob ein aus Mitteln der Sozialhilfe in einem Landessäuglingsheim erhaltenes Kind Unterhaltsansprüche gegen eine zivilrechtlich unterhaltspflichtige Person stellen könne, sei keine Frage der Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche iS des § 14 Abs. 2 AußStrG, sondern betreffe das Bestehen des Unterhaltsanspruches dem Gründe nach (vgl. EFSlg. 32 941). Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 AußStrG stehe daher der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels nicht entgegen. Der OGH gab dem Revisionsrekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wurde der Grundsatz entwickelt, daß eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse auf Grund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, schon deswegen keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihr ein Anspruch auf Doppelversorgung nicht zusteht (SZ 22/118 und EFSlg. 32 941 für den Fall der Fürsorgeerziehung; 7 Ob 766/81 für den Fall von Leistungen des Sozialhilfeträgers nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz). Davon abzugehen besteht auch im vorliegenden Fall kein Anlaß.

Der Amtsvormund verweist in seinem Rechtsmittel zutreffend darauf, daß er im vorliegenden Fall nicht allfällige Ersatzansprüche des Landes Niederösterreich als Träger der Sozialhilfe geltend macht, sondern daß nur die Frage zu lösen ist, ob dem von ihm vertretenen Kind ein Unterhaltsanspruch gegen seine Großmutter zusteht. Daß die Unterhaltsbedürfnisse des Minderjährigen im Rahmen der an ihn erbrachten Sozialhilfeleistungen nicht vollständig befriedigt würden (vgl. EFSlg. 32 941), wird hingegen vom Amtsvormund nicht behauptet.

Das Land Niederösterreich als Träger der Sozialhilfe erbringt seine Leistungen an den Minderjährigen, mit denen es seine Unterhaltsbedürfnisse befriedigt, auf Grund gesetzlicher Verpflichtung, nämlich auf Grund der Bestimmungen des NÖSHG. Wie sich aus § 40 NÖSHG ergibt, hat es die dafür auflaufenden Kosten grundsätzlich selbst zu tragen; in welcher Weise es diese Kosten von anderen Personen refundiert verlangen kann, ist in den §§ 41 ff. NÖSHG geregelt. § 41 NÖSHG regelt den Ersatz durch den Hilfeempfänger, § 42 NÖSHG den Ersatz durch Dritte und § 43 NÖSHG den Übergang von Rechtsansprüchen. Aus § 42 Abs. 3 und § 43 Abs. 2 NÖSHG ergibt sich, daß Großeltern eines Sozialhilfe empfangenden Unterhaltsberechtigten nicht zur Ersatzleistung für die Kosten der Sozialhilfe herangezogen werden dürfen und daß gegen sie ein Übergang von Rechtsansprüchen eines Hilfeempfängers an den Sozialhilfeträger nicht bewirkt werden darf. Daraus ergibt sich eindeutig, daß das Land Niederösterreich auf den Ersatz von Kosten von Sozialhilfeleistungen gegen Großeltern des Empfängers von vornherein keinen Anspruch hat, die Kosten dieser Leistungen also auf Grund der Gesetzeslage dann endgültig aus eigenem zu tragen hat, wenn der Leistungsempfänger nur einen Unterhaltsanspruch gegen einen Großelternteil hätte. Dieser klar umrissene Gesetzesauftrag würde aber umgangen, wenn man trotz dieser Rechtslage auch insoweit, als die Unterhaltsbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten durch Sozialhilfeleistungen gedeckt werden, einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers gegen einen Großelternteil bejahen, diesen zu Unterhaltsleistungen an den Sozialhilfeempfängern verpflichtete und damit auf dem Umweg über § 41 NÖSHG doch dem Sozialhilfeträger die Möglichkeit eröffnete, zur Deckung seiner Kosten auf Leistungen der Großeltern zu greifen.

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