OGH 2Ob2261/96f

OGH2Ob2261/96f5.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Philipp B*****, geboren am 18.April 1987, und Vincenth B*****, geboren am 7. August 1989, beide vertreten durch die Mutter Karin B*****, diese vertreten durch Dr.Susanne Schwarzenbacher, Rechtsanwältin in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der mj. Kinder gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8.Mai 1996, GZ 45 R 101/95z, 45 R 1012/95x, 45 R 1013/95v-69, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 2. November 1995, GZ 3 P 8/95-51, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß (hinsichtlich der mj. Kinder Philipp und Vincenth) die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Zur Vorgeschichte des vorliegenden Falles wird auf den im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluß 2 Ob 2029/96p verwiesen.

Im zweiten Rechtsgang wies das Rekursgericht - auf seiner Rechtsmeinung im wesentlichen beharrend - das Unterhaltsmehrbegehren der Kinder Philipp und Vincenth von monatlich je S 500 neuerlich ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG für nicht zulässig. Es stellte das durchschnittliche Monatsnettoeinkommen des Vaters mit rund S

39.350 fest und führte im übrigen folgendes aus:

Wie in der Rekursentscheidung im ersten Rechtsgang bereits dargelegt, stellten Prozentsätze und Durchschnittsbedarfswerte nur Orientierungshilfen dar. Diese würden allerdings, soweit überblickbar, grundsätzlich bei Entscheidungen herangezogen. Auch die Unterhaltsobergrenze in Höhe des 2 1/2-fachen Durchschnittsbedarfes sei nur eine solche Orientierungshilfe, die allerdings nicht mit der nämlichen Konsequenz herangezogen (und) von manchen Gerichten abgelehnt werde. Maßgeblich sei danach nur die Begrenzung des Unterhaltes nach oben im Einzelfall. Wollte man hier konsequent (im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Alimentationspflichtigen) den Unterhalt der Kinder immer in Höhe dieser Obergrenze bemessen, würde dies im Zuge zu erwartender weiterer Unterhaltserhöhungen dazu führen, daß den Kindern bei Eintritt in das Berufsleben Unterhaltsbeträge zur Verfügung stünden, die über ihren anfänglichen Einkommen lägen. Ab dem 15. Lebensjahr (Eintritt in ein Lehrverhältnis) würde der Unterhalt etwa S 11.000 (unter Bedacht auf die Erhöhung der Unterhaltsbedarfssätze) ausmachen. Eine solche Lehrlingsentschädigung könnte nicht erzielt werden. Das würde aber den Anreiz einer weiteren zielstrebigen Berufsausbildung verringern. Schon aus diesem Grund könnte ein solcher Unterhaltsbetrag pädagogisch bedenklich sein. Da die jetzt festzusetzenden Unterhaltsbeträge in logischer Konsequenz dazu führen würden, müsse darauf schon jetzt Rücksicht genommen werden. Für die Altersgruppe ab 19 Jahren stelle sich etwa das gleiche Problem. Anfangsgehälter von S 14.000 (etwa 2 1/2-facher Durchschnittsbedarf) netto dürften nicht leicht zu erzielen sein. Ausgehend von einem Einkommen des Vaters in Höhe von S 39.350 bei den gegebenen Sorgepflichten und dem Alter der Kinder erachte daher der Rekurssenat Unterhaltsbeträge von monatlich S 5.600 für Philipp und Vincenth als ausreichend, um sie an den Lebensverhältnissen des Vaters entsprechend teilhaben zu lassen. Diesem verbleibe nach Abzug der Unterhaltsbeträge ein Einkommensrest von rund S 23.000, mit dem er etwa in gleicher Relation wie die Kinder seine Bedürfnisse im leicht überdurchschnittlichen Ausmaß befriedigen könne. Diese Unterhaltsbeträge könnten daher beurteilt an den in § 140 ABGB normierten Kriterien als angemessen gewertet werden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der mj. Kinder wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestelltt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, er ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im wesentlichen geltend, sie hätten bei einer Bemessungsgrundlage von S 39.350 nach der Prozentkomponente einen Unterhaltsanspruch, der über dem von ihnen beantragten Unterhalt liege. Der vom Rekursgericht festgesetzte Unterhaltsbetrag liege deutlich unter dem Zweifachen des Regelbedarfes. Das Rekursgericht weiche sohin von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab, wonach zwar bei überdurchschnittlich hohem Einkommen des Unterhaltspflichtigen die Prozentkomponente nicht voll auszuschöpfen sei, die Angemessensheitsgrenze aber zwischen dem 2 1/2-fachen bis 2-fachen des Durchschnittsbedarfes zu ziehen sei. Eine auf die Umstände des Einzelfalles Bezug nehmende Begründung habe das Rekursgericht für diese Abweichung nicht gegeben. Es führe in seiner Begründung auch in keiner Weise an, weshalb zum nunmehrigen Zeitpunkt eine Überalimentierung der Antragsteller bei Ausschöpfung der Prozentkomponente gegeben sein solle und inwieweit dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt negative pädagogische Auswirkungen auf die Entwicklung der beiden mj. Kinder hätte. Vielmehr stelle das Rekursgericht unter der Hypothese, daß sowohl das Einkommen des Unterhaltspflichtigen kontinuierlich und erheblich steige und daß auch die Durchschnittsbedarfssätze weiter stiegen, lediglich darauf ab, daß dann bei Erreichen des 15. Lebensjahres der Unterhaltsberechtigten (also frühestens in sechs Jahren) der Unterhaltsanspruch eine Höhe erreicht haben werde, die dem Anfangsgehalt eines Lehrlings bzw Maturanten entspreche. Das Rekursgericht übersehe dabei allerdings, daß gegebenenfalls auch die Anfangsgehälter eine Steigerung erfahren würden, sodaß wiederum der vom Rekursgericht als notwendig erachtete Leistungsanreiz durch eine entsprechende Differenz zwischen Unterhaltsanspruch und Anfangsgehalt gegeben wäre. Die Rechtsmittelwerber hielten allerdings eine derartige hypothetische Betrachtungsweise als für die Beurteilung gegenwärtiger Rechtsverhältnisse ungeeignet, zumal die zukünftige Entwicklung völlig ungewiß sei und auch einen ganz anderen Verlauf nehmen könne. So könne beispielsweise der Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatz verlieren, womit sich die Frage einer Obergrenze für die Angemessenheit des Unterhaltes gar nicht mehr stellen würde.

Mit diesen Ausführungen sind die Rechtsmittelwerber grundsätzlich im Recht.

Zunächst ist festzuhalten, daß die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zur Alimentierung der Kinder in beantragter Höhe ausreicht. Die begehrten Beträge liegen unter den nach der Prozentsatzmethode bei einer Bemessungsgrundlage von nunmehr S 39.350 sich ergebenden Ansätzen.

Was den sogenannten "Unterhaltsstop" anlangt, so hat der erkennende Senat im ersten Rechtsgang ausgeführt, daß es, wenn die Grenze für die Ausschöpfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners - wie vom Rekursgericht - noch unter dem Zweifachen des Regelbedarfes gezogen wird, einer besonderen, alle Lebensumstände des Kindes und seiner Eltern berücksichtigenden Begründung der Unterhaltsbemessung bedürfte, um den vordergründigen Verdacht einer mit der Rechtssicherheit nicht mehr zu vereinbarenden Unausgewogenheit des Ergebnisses zu entkräften. Es wäre dann anzugeben, welche pädagogisch bedenkliche Entwicklung die Kinder nehmen könnten, wenn sie von ihrem Vater unter (verstärkter) Ausschöpfung der Prozentsatzkomponente alimentiert würden.

Die im zweiten Rechtsgang gegebene Begründung des Rekursgerichtes entspricht diesen Anforderungen in ungenügender Weise. Mit den spekulativen Ausführungen zu den möglichen Verhältnissen bei Erreichen des 15. und des 19. Lebensjahres der Kinder wird nicht aufgezeigt, daß derzeit die Gefahr einer Überalimentierung bestünde, wenn dem Begehren der Kinder entsprochen würde. Hinweise auf ungewisse künftige Entwicklungen stellen keine taugliche Begründung für eine deutliche Unterschreitung des doppelten Regelbedarfes (im Rahmen des gestellten Erhöhungsantrages) bei gegebener Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners dar.

Da auch nach der Aktenlage keine Bedenken gegen die Unterhaltsbemessung des Erstgerichtes bestehen, war dessen Entscheidung (hinsichtlich der mj. Kinder Philipp und Vincenth) wiederherzustellen.

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