OGH 2Ob2029/96p

OGH2Ob2029/96p28.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Philipp B*****, *****, Vincenth B*****, *****, und Lena B*****, *****, alle vertreten durch die Mutter Karin B*****, *****, diese vertreten durch Dr.Susanne Schwarzenbacher, Rechtsanwältin in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der mj. Kinder gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechts- sachen Wien als Rekursgericht vom 28.Dezember 1995, GZ 45 R 1011/95z, 45 R 1012/95x und 45 R 1013/95v-55, der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 2. November 1995, GZ 3 P 8/95-51, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird hinsichtlich der Minderjährigen Lena zurückgewiesen.

Im übrigen - dh hinsichtlich der Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens von monatlich je S 500 für die Minderjährigen Philipp und Vincenth - wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und wird die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Aufgrund eines Scheidungsvergleiches war der Vater bisher verpflichtet, die Minderjährigen mit monatlich je S 4.000 für Lena und Vincenth und S 4.600 für Philipp zu alimentieren. Vertreten durch ihre Mutter beantragten die Minderjährigen am 14.7.1995, diese Unterhaltsverpflichtung ab 1.8.1995 auf je S 6.100 für Philipp und Vincenth sowie S 5.300 für Lena zu erhöhen. Der Vater erklärte sich mit einer Erhöhung seiner Alimentationspflicht auf monatlich je S

5.600 für Philipp und Vincenth und S 4.900 für Lena einverstanden und beantragte die Abweisung des Mehrbegehrens der Kinder.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag zur Gänze statt. Es ging hiebei von folgendem Sachverhalt aus:

Die Minderjährigen befinden sich in Obsorge ihrer Mutter, welche derzeit Karenzgeld und die Familienbeihilfe für die Kinder bezieht. Der Vater hat ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 48.000. Es treffen ihn keine weiteren Sorgepflichten.

Rechtlich ging das Erstgericht von den durch die Rechtsprechung ausgebildeten Prozentsätzen aus und erachtete die zugesprochenen Unterhaltsbeträge, welche diesen Prozentwerten entsprechen, als angemessen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge, wies antragsgemäß das Unterhaltsmehrbegehren der Kinder von monatlich je S 500 für Philipp und Vincenth und von S 400 für Lena ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs - mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG - für nicht zulässig. Es führte folgendes aus:

Die vom Erstgericht angeführten Prozentsätze, wie auch der statistisch ermittelte Durchschnittsbedarf von Kindern in bestimmten Altersgruppen seien lediglich Orientierungshilfen, die bei vergleichbaren Durchschnittsfällen ein entsprechend übereinstimmendes und ausgewogenes Ergebnis bringen sollen. Die Bestimmung des Unterhalts sei jedoch eine Ermessensentscheidung, die auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen habe. Dem folgend könne die Unterhaltsbemessung auch nicht ausschließlich an das Ergebnis eines Rechenvorganges gebunden werden. Soferne die Umstände des Einzelfalles es erforderten, müsse von den ermittelten Prozentwerten abgegangen werden. Eine solche Notwendigkeit ergebe sich hier. Die Minderjährigen seien acht, sechs und vier Jahre alt. Die vom Vater zugestandenen Unterhaltsbeträge seien ausreichend, um sie an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angemessen teilhaben zu lassen, selbst wenn sein Einkommen tatsächlich S 48.000 monatlich betragen sollte. Da sich der Unterhaltsanspruch eines Kindes an den Verhältnissen beider Elternteile zu orientieren habe, könne auch der Umstand, daß die Mutter lediglich Karenzgeld beziehe, nicht außer acht gelassen werden. Mit den nunmehr festgesetzten Unterhaltsbeträgen werde allen in § 140 ABGB normierten Kriterien Rechnung getragen. Ein Eingehen auf die Rekursausführungen zur Höhe der Bemessungsgrundlage erübrige sich daher.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Rekurs der minderjährigen Kinder wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist hinsichtlich der mj. Lena unzulässig, hinsichtlich der mj. Philipp und Vincenth aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im wesentlichen geltend, bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen sei nach der Rechtsprechung die Prozentkomponente nicht voll auszuschöpfen, sondern sei als Obergrenze für die Unterhaltsfestsetzung etwa das Zweieinhalbfache, im Einzelfall das Zweifache, anzusetzen. Der für Philipp und Vincenth jeweils beantragte Betrag von S 6.100 mache nicht einmal das Zweifache des Durchschnittsbetrages von S 3.100 aus. Der vom Rekursgericht für angemessen erachtete Betrag von S 5.600 liege betraglich unter dem Zweifachen des Durchschnittsbedarfes und betrage lediglich etwa 11,6 % der vom Erstgericht angenommenen Bemessungsgrundlage von S 480.000. Der Durchschnittsbedarf für Lena liege bei S 2.430, der von ihr beantragte Betrag von S 5.300 jedenfalls weit unterhalb des Zweieinhalbfachen des Durchschnittsbedarfes. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes seien die Lebensverhältnisse des Elternteils, bei dem sich das Kind aufhalte, nicht mitzuberücksichtigen.

Hiezu wurde erwogen:

Ob im Einzelfall der Unterhaltsstop beim Zweieinhalbfachen des Regelbedarfes oder schon beim (rund) Zweifachen liegt, ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG (EFSlg 76.493 uva). Der vom Rekursgericht für die am 7.12.1991 geborene Lena als angemessen angenommene Betrag von S 4.900 liegt knapp oberhalb des Zweifachen des Regelbedarfes von S 2.430 (vgl RZ 1996, 66). Das Rekursgericht hat daher den ihm zustehenden Ermessensspielraum nicht verlassen, weshalb insoweit eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes unzulässig ist.

Der Revisionsrekurs war somit hinsichtlich der mj. Lena zurückzuweisen.

Hingegen hat das Rekursgericht die Grenze für die Ausschöpfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, dessen Nettoeinkommen nach den (von ihm bekämpften) erstgerichtlichen Feststellungen ca. S 48.000 beträgt, im Falle der mj. Philipp und Vincenth mit je S 5.600 noch unter dem Zweifachen des Regelbedarfes von S 3.100 (vgl RZ 1996, 66; beantragt wurden je S 6.100) gezogen. Hiefür bedürfte es einer besonderen, alle Lebensumstände des Kindes und seiner Eltern berücksichtigenden Begründung der Unterhaltsbemessung, um den vordergründigen Verdacht einer mit der Rechtssicherheit nicht mehr zu vereinbarenden Unausgewogenheit des Ergebnisses zu entkräften. Der Rekursentscheidung ist aber insbesondere nicht zu entnehmen, welche pädagogisch bedenkliche Entwicklung die Kinder nehmen könnten, wenn sie von ihrem Vater unter (verstärkter) Ausschöpfung der Prozentsatzkomponente alimentiert würden (5 Ob 526/94 = ÖA 1994, 186/U 103 mwN). Der Hinweis des Rekursgerichtes darauf, daß die Mutter lediglich Karenzgeld bezieht, ist jedenfalls für sich allein keine ausreichende Begründung für eine deutliche Unterschreitung des doppelten Regelbedarfes (im Rahmen des gestellten Erhöhungsantrages) bei gegebener Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners.

Die Pflegschaftssache war daher hinsichtlich der Minderjährigen Philipp und Vincenth unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen. Sollten sich im fortgesetzten Verfahren keine neuen Gründe für die vom Rekursgericht vorgenommene Unterhaltsbemessung ergeben, wäre die im Rekurs des Vaters enthaltene, die Höhe der Bemessungsgrundlage betreffende Beweisrüge zu erledigen.

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