OGH 1Ob2046/96f

OGH1Ob2046/96f22.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagten Parteien 1.) A*****, und 2.) Baumeister A***** Gesellschaft mbH, beide ***** vertreten durch Dr.Otto Pichler und Dr.Max Pichler, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 3,251.951,81 s.A. und Feststellung (Feststellungsinteresse S 100.000,- -) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25.Jänner 1996, GZ 15 R 144/95-33, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Begriff der Geschäftsbesorgung gemäß § 362 Abs 1 HGB ist zwar im weitesten Sinn zu verstehen, sodaß unter ihn nicht nur Rechtsgeschäfte sondern auch tatsächliche Handlungen fallen (RdW 1987, 373; WBl 1992, 23), doch ist in jedem Falle Voraussetzung für die Annahme der Zustimmungsfiktion, daß einerseits außerhalb eines dauernden Dienstverhältnisses eine an sich dem anderen zukommende Tätigkeit diesem abgenommen wird (Schuhmacher in Straube HGB2, § 362 Rz 7 mwH), und andererseits das Vorliegen einer dauernden Geschäftsverbindung (RdW 1987, 373; WBl 1992, 23; 10 Ob 511/95). Letztere ist nur dann gegeben, wenn die Beziehung auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Es genügt nicht, daß früher einmal gelegentlich einzelne Geschäfte zwischen den Parteien abgeschlossen wurden, vielmehr muß der Wille vorliegen, fortgesetzt miteinander Geschäfte zu machen (RdW 1987, 373). Beide Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall nicht zu, sodaß es ausreicht, auf die Ausführungen Ostheims (mwH) in seiner Glosse zur Entscheidung WBl 1992, 23, 25 zu verweisen, wonach die Tätigkeit von Bauunternehmern - ausgenommen hier nicht bedeutsame Baubetreuungs- und Bauträgerverträge - keine Geschäftsbesorgung ist.

Unabdingbares Erfordernis für das Zustandekommen eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts ist, daß Anbot und Annahmeerklärung vollkommen deckungsgleich sind (SZ 42/103; JBl 1982, 652). Eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst dann anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht; solange noch Fragen offen sind, ist der Vertrag nicht zustande gekommen (SZ 49/142; JBl 1981, 645: zur Verzinsung des gestundeten Kaufpreises). Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß das Anbot der Beklagten in einem seiner Hauptpunkte, nämlich der Preisgestaltung, es würden auf 12 Monate ab Angebotstermin Festpreise und für Leistungen, die nach Angabe des Auftraggebers im 13. Monat oder später begonnen werden, veränderliche Preise berechnet, durch die „Auftragserteilung“ vom 13.3.1987 nicht angenommen wurde: Der dort enthaltene Punkt 3, die Auftragssumme gelte als unüberschreitbare Höchstgrenze, die Weiterführung von Arbeiten über diese Auftragssumme hinaus sei vor Erteilung eines schriftlichen Zusatzauftrags unzulässig, deckt sich mit dem Anbot nicht und steht zu diesem geradezu im Gegensatz.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte und was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (JBl 1974, 146; JBl 1975, 602; SZ 49/49; SZ 55/62; JBl 1989, 724; 7 Ob 6/95; 3 Ob 543/95 u.v.a.). Es ist daher unerheblich, welche Absichten die Klägerin tatsächlich verfolgte oder wie sie üblicherweise in vergleichbaren Fällen vorging, weil die objektive Auslegung der Vereinbarung durch derartige ausschließlich im Bereich der Klägerin liegende Überlegungen nicht beeinflußt werden kann.

Entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Ansicht liegt auch kein Fall des § 864 a ABGB vor, da diese Bestimmung nur jene Fälle erfaßt, in welchen nach Vertragsabschluß nachteilige Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern hervorkommen, mit denen nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde nicht zu rechnen war (SZ 56/62; JBl 1986, 508).

Auf Grund des Anbots der Beklagten ist daher zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen. Vielmehr ist die „Auftragserteilung“ der Klägerin als neuerliches Anbot zum Vertragsabschluß zu sehen. Dieses Anbot unverzüglich abzulehnen um einen (stillschweigenden) Vertragsabschluß zu vermeiden waren die Beklagten nicht verhalten. Weder für den Bereich des bürgerlichen Rechts noch in jenem des Handelsrechts besteht eine Verkehrssitte, die dem Schweigen allgemein die Bedeutung eines Einverständnisses beilegte. Das Schweigen auf ein Vertragsanbot ist grundsätzlich weder Annahme noch Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung. Nur unter besonderen Umständen, insbesondere dann, wenn nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte hätte geredet werden müssen, wird das Stillschweigen als Einverständnis gewertet (1 Ob 679/87; WBl 1992, 23; JBl 1993, 782; 10 Ob 511/95 u.v.a.). In Anbetracht der gravierenden Abweichung des Inhalts der „Auftragserteilung“ vom Anbot der Beklagten kann eine derartige letztere treffende Erklärungspflicht hier nicht angenommen werden, weil die Klägerin nicht damit rechnen konnte, die Beklagten würden zu diesen für sie grob nachteiligen Bedingungen mit ihr kontrahieren. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von jenem der Entscheidung 10 Ob 511/95, in der lediglich die Möglichkeit offen gelassen wurde, die Nichtbeantwortung eines Anbots könnte als Annahmeerklärung gesehen werden, wenn beide Parteien mit dem Vertragsabschluß rechnen durften.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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