Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das berufungsgerichtliche Urteil wird abgeändert und das Urteil erster Instanz mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß es zu lauten hat:
Das Begehren, es werde festgestellt, daß die Kürzung bzw Aliquotierung des Urlaubszuschusses wegen entgeltfreier Dienstzeiten, welche aufgrund von längeren Krankenständen während des aufrechten Beschäftigungsverhältnisses von Arbeitern bei der beklagten Partei entstehen, nicht zulässig sei, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig,
1. einen pauschalen Aufwandersatz für das Berufungsverfahren von 3.000 S der Wirtschaftskammer Kärnten, und
2. der beklagten Partei die mit 3.248,64 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 541.44 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der klagende Arbeiterbetriebsrat begehrt die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung mit dem Vorbringen, die beklagte Partei habe 25 Arbeitern den Urlaubszuschuß wegen über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus fortdauernder Krankenstände gekürzt, obschon nach dem anzuwendenden Rahmenkollektivvertrag für die Arbeiter der österreichischen Schuhindustrie (im folgenden nur KV) eine Aliquotierung des Urlaubszuschusses lediglich im Fall des Beginns bzw Endes des Beschäftigungsverhältnisses während des Kalenderjahres vorgesehen sei.
Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte aus, die Sonderzahlungen seien ein Teil des Arbeitsentgeltes.
Außer Streit steht, daß die beklagte Partei für 25 Arbeiter Urlaubszuschüsse derart gekürzt hat, daß diese für entgeltfreie Zeiträume - hervorgerufen durch längere Krankenstände - nur anteilig geleistet wurden.
§ 14 des Rahmenkollektivvertrages für die Arbeiter der österreichischen Schuhindustrie (in der Fassung vom 1.August 1994) lautet wie folgt:
(1) Alle Arbeitnehmer erhalten in jedem Kalenderjahr einen Urlaubszuschuß, dessen Höhe im jeweils geltenden Kollektivvertrag festgelegt ist.
(2) Ein höherer Urlaubszuschuß gebührt erstmals für jenes Kalenderjahr, in das der überwiegende Teil des Arbeitsjahres fällt, das für die Bemessung des Urlaubsanspruches maßgeblich ist.
(3) Unterbrochene Dienstzeiten sind für die Berechnung des Urlaubszuschusses in gleicher Weise zusammenzurechnen, wie dies für die Bemessung des Urlaubsanspruches (§ 13 Abs 2) bestimmt wird.
(4) Der Urlaubszuschuß wird in Wochen- bzw. Monatsdurchschnittsverdiensten gemäß § 6 Abs 5 berechnet. Überstunden bleiben dabei unberücksichtigt. Der Monatsverdienst wird aus 4 1/3 Wochenverdiensten errechnet. Für die gewerblichen Lehrlinge wird der Urlaubszuschuß entsprechend der Lehrlingsentschädigung errechnet.
(5) Der Urlaubszuschuß ist bei Urlaubsantritt auszuzahlen. Werden im Kalenderjahr mehrere Urlaubsteile konsumiert, so gebührt der Urlaubszuschuß bei Antritt des größten Urlaubsteiles. Bei gleichen Urlaubsteilen ist der Urlaubszuschuß mit Antritt des ersten Urlaubsteiles auszuzahlen.
Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat kann auch ein für alle Arbeitnehmer gemeinsamer Fälligkeitszeitpunkt des Urlaubszuschusses vereinbart werden, der jedoch spätestens jener Zeitpunkt sein muß, mit dem die Julilohnabrechnung zur Auszahlung gelangt.
(6) Den während des Kalenderjahres eintretenden Arbeitnehmern gebührt bei Urlaubsantritt der aliquote Teil entsprechend der in diesem Kalenderjahr erbrachten Dienstzeit.
Arbeitnehmern, die während des Kalenderjahres eintreten und bis zum Ende des Kalenderjahres noch nicht urlaubsberechtigt sind, ist der aliquote Teil des Urlaubszuschusses am Ende des Kalenderjahres auszuzahlen.
(7) Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahres ausscheiden, erhalten den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit.
Dieser Anspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer aus seinem Verschulden (§ 82 GewO) entlassen wird, oder ohne wichtigem Grund vorzeitig austritt.
(8) Arbeitnehmer, die den Urlaubszuschuß für das laufende Kalenderjahr erhalten haben, aber noch vor Ablauf dieses Kalenderjahres ausscheiden, haben den Urlaubszuschuß nur dann zurückzuzahlen, wenn sie aus ihrem Verschulden (§ 82 GewO) entlassen oder ohne wichtigen Grund vorzeitig austreten.
(9) Arbeitnehmer, die unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist (§ 19 Abs 4) selbst kündigen, haben den verhältnismäßig zu viel erhaltenen Anteil des Urlaubszuschusses, der auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfällt, zurückzuzahlen.
(10) Fallen in ein Kalenderjahr Zeiten des Präsenzdienstes, des Bezuges von Wochengeld gemäß § 162 ASVG oder eines Karenzurlaubes, so mindert sich der gebührende Urlaubszuschuß um den diesen Zeiten entsprechenden Anteil. Karenzierungen, deren Dauer zwei Wochen nicht überschreiten, wirken nicht anspruchsmindernd.
(11) Bisher auf den Urlaubszuschuß vorgenommene Anrechnungen von freiwilligen betrieblichen Sonderzahlungen bleiben aufrecht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Sonderzahlungen seien ein Teil des Arbeitsentgeltes und mangels abweichender Regelungen gebührten diese nicht für solche Zeiten, für die kein Entgeltanspruch bestehe. Der Kollektivvertrag sehe einen Anspruch auf Urlaubszuschuß grundsätzlich entsprechend der Beschäftigungszeit eines Kalenderjahres und somit abhängig vom Entgelt vor.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, aus dem Kollektivvertrag sei ein Anspruch auf Urlaubszuschuß losgelöst vom Entgeltanspruch abzuleiten. Gemäß § 14 Abs 7-9 KV gebühre ein Urlaubszuschuß in jenen Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis vor Ende des Kalenderjahres infolge einvernehmlicher Auflösung, unberechtigter Entlassung oder berechtigten vorzeitigen Austrittes ende, der zuviel erhaltene Anteil sei nicht zurückzuzahlen. Nach § 14 Abs 10 seien Karenzierungen bis zur Höchstdauer von zwei Wochen nicht anspruchsmindernd. Damit sei der Anspruch auf Urlaubszuschuß vom Entgeltanspruch losgelöst. Überdies sei das Sozialrechtsänderungsgesetz 1995 zu berücksichtigen, wodurch die Rechtsprechung zu den entgeltfortzahlungsfreien Perioden und ihre Auswirkungen auf Urlaubsentschädigung/Urlaubsanspruch berichtigt worden sei.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Urteil erster Instanz wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG zulässige Revision ist berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, daß die Sonderzahlungen im Zweifel als Teil des Arbeitsentgeltes anzusehen und daher nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruches (nach dem EFZG) und wegen anderer Ruhensgründe anteilig zu kürzen sind (DRdA 1986, 160; 8 ObA 2059/96v; 8 ObA 2047/96m; 8 ObA 212/96 ua). Soferne nicht aus dem Kollektivvertrag eine (deutliche) Regelung entnommen werden könne, die Sonderzahlungen gebührten unabhängig vom Entgeltanspruch etwa als Treueprämie für die Zeit des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses, habe eine anteilige Kürzung zu erfolgen (Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe und Mantelvertrag für Arbeiter: 8 ObA 2059/96v; Kollektivvertrag für Handelsangestellte: 9 ObA 2047/96m; Kollektivvertrag für gewerbliche Molkereien und Käsereien: 8 ObA 212/96). Die gegenteilige Entscheidung (WBl 1993,403), eine Aliquotierung habe nur für Rumpfjahre (im Falle der Eintritts- und Austrittsaliquotierung) zu erfolgen, wurde nicht mehr aufrecht erhalten (8 ObA 2019/96m; 9 ObA 19/96). Eine Bestimmung über die Ein- und Austrittsaliquotierung gestattet nicht den Schluß, daß nur in diesen Fällen eine Aliquotierung zu erfolgen habe und ein Anspruch auf Sonderzahlungen, insbesondere Urlaubszuschuß losgelöst vom Entgeltanspruch bestehe.
§ 14 Abs 7 des gegenständlichen Kollektivvertrages (der Anspruch auf anteiligen Urlaubszuschuß entfällt bei verschuldeter Entlassung bzw Austritt ohne wichtigen Grund) hat ein "pönales" Element und wiederholt insoweit die Regelung, wonach der Anspruch auf Urlaubszuschuß (ebenso nach § 15 Abs 5 für die Weihnachtsremuneration) vom Entgeltanspruch abhängig ist. Die Bestimmung des § 14 Abs 8 des Kollektivvertrages greift für den Fall der Bevorschussung des Urlaubszuschusses die Rechtsprechung im Anschluß an das Judikat 33 neu - geringfügig verändert - auf, den Arbeitnehmer treffe eine Rückzahlungspflicht hinsichtlich des ihm ausbezahlten (bevorschußten) Urlaubszuschusses, wenn ihn ein Verschulden an der Entlassung anzulasten sei oder wenn er unbegründet vorzeitig austrete. Für den Fall der unberechtigten Entlassung bzw des berechtigten Austrittes übernimmt die dem Arbeitnehmer gebührende Kündigungsentschädigung (Schadenersatzanspruch) eine entgeltähnliche Funktion (vgl nunmehr § 11 Abs 2 ASVG idF des Art 34 Z 8 des "Strukturanpassungsgesetzes", BGBl 201/1996), womit der Gleichklang von Entgeltanspruch und Anspruch auf Sonderzahlungen (weitgehend) verdeutlicht wird. Die Bestimmung des § 14 Abs 10 des Kollektivvertrages (Verminderung des Urlaubszuschusses für Zeiten des Präsenzdienstes, des Wochengeldbezuges, eines Karenzurlaubes und für Karenzierungen in der Dauer von mehr als zwei Wochen) bestätigt den engen Zusammenhang zwischen Entgeltanspruch und Anspruch auf Sonderzahlungen. Die Unschädlichkeit kurzer Karenzierungen dient einer gewissen Pauschalierung und der Vereinfachung der Lohnverrechnung und erlaubt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - nicht den Umkehrschluß, daß für über den 14 Tage-Zeitraum hinausreichende entgeltfreie Zeiträume ein Anspruch auf Urlaubszuschuß bestehe.
Der Zusammenhang zwischen Entgeltanspruch und Anspruch auf Sonderzahlungen wird überdies durch die abweichende Regelung zur Weihnachtsremuneration (§ 15 des Kollektivvertrages) nahegelegt; eine Rückzahlungsver- pflichtung (wie in § 14 Abs 8 und 9 für den Urlaubszuschuß) fehlt bei der Weihnachtsremuneration, weil sich die durch den Arbeitnehmer veranlaßte Beendigung (im weiteren Sinn) bei einer Fälligkeit der Weihnachtsremuneration nach dem 1.12. eines Kalenderjahres nicht mehr (praktisch) ins Gewicht fallend auswirken kann. Damit entfällt weitgehend der Charakter der Weihnachtsremuneration als Vorschuß für das laufende Kalenderjahr im Gegensatz zu dem spätestens mit dem Juni-Lohn auszuzahlenden Urlaubszuschuß, bei dem sich der Vorschußcharakter in der zweiten Jahreshälfte deutlich bemerkbar machen kann.
Gerade aus der im Kollektivvertrag vereinbarten Anrechnung von freiwilligen betrieblichen Sonderzahlungen (§ 14 Abs 11 KV) ist erkennbar, daß die Kollektivvertragspartner den Anspruch auf Urlaubszuschuß weitgehend dem sonstigen Entgeltanspruch annähern wollten. Wollte hingegen der Arbeitgeber durch "freiwillige Sonderzahlungen" (überkollektivvertragliche Leistungen, betriebliche Wohlfahrtseinrichtungen usw) die langjährige Betriebszugehörigkeit von Arbeitnehmern losgelöst vom Entgeltanspruch (im engeren Sinn) belohnen, könnte der Anspruch auf Sonderzahlungen abweichend vom Entgeltanspruch im engeren Sinn, der gemäß § 2 EFZG zeitlich beschränkt ist, beurteilt werden. Wenn aber im Kollektivvertrag eine Anrechnung solcher Leistungen "aufrecht bleiben" soll, dann soll durch diese Anrechnung (vgl etwa Art VII der Urlaubsgesetznovelle 1993; abgedruckt bei Kuderna, Urlaubsrecht2, 244) die zuvor dargelegte Annäherung des Anspruches auf Urlaubszuschuß und des Entgeltanspruches (im engeren Sinn) weitgehend bewirkt werden.
Nach dem Sozialrechtsänderungsgesetz 1995 gebührt unter bestimmten Voraussetzungen eine Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsabfindung bei Ende des Arbeitsverhältnisses auch in solchen Fällen, in denen dies von der Rechtsprechung bisher verneint wurde; für den Anspruch auf Sonderzahlungen bei aufrechtem Arbeitsverhältnis, wenn auch bei teilweise ruhendem Entgeltanspruch, kann daraus kein Schluß auf einen bestehenden Anspruch von Urlaubszuschüssen losgelöst vom sonstigen Entgeltanspruch gezogen werden. Dieser punktuelle Eingriff des Gesetzgebers ist nicht analogiefähig (vgl Wilhelm, Zur jüngsten Urlaubswelle und deren Rückwirkung, ecolex 1996, 6 und 19;
Andexlinger, Gegenreform im Urlaubsrecht, ecolex 1996, 39; Adamovic,
Die Novelle zum Urlaubsgesetz - eine Verwirrung?, RdW 1996, 118;
Müller, Zur Rückwirkung von Rechtsprechung und Urlaubsaliquotierung bei Krankheit, ecolex 1996, 190; Schrank, Zur Beseitigung der Aliquotierungsjudikatur durch die Urlaubsgesetznovelle - eine Replik, ecolex 1996, 290). Die Wiederherstellung des abweisenden Urteiles erster Instanz hat mit der Maßgabe zu erfolgen, daß die Abweisung des Kostenersatzbegehrens zu entfallen hat; über dieses ist nur im besonderen Kostenbestimmungsverfahren unter den weiteren Bedingungen des Prozeßerfolges und der (rechtzeitigen) Verzeichnung zu entscheiden (vgl zur Rechtswegunzulässigkeit von nicht akzessorischen Kosten: Fucik in Rechberger, ZPO Rz 4 vor § 40).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO und § 58a ASGG.
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