OGH 8ObA2019/96m

OGH8ObA2019/96m28.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter HR Mag.Resch und Dr.Schwarzinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hans L*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Günther A*****, Sanitäre Anlagen, Heizung, Gas, Lüftung, ***** vertreten durch Dr.Josef Klaunzer und Dr.Alfons Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 17.637,80 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.November 1995, GZ 15 Ra 23/95k-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.Juli 1995, GZ 43 Cga 144/95w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung unter Einbeziehung der in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung zu lauten hat: Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger S 17.637,80 brutto samt 6,5 % Zinsen seit 1.1.1995 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, nachstehende Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen:

1.) den pauschalen Aufwandersatz von S 5.100,-- für das Verfahren erster Instanz und von S 3.400,-- für das Berufungsverfahren an die Wirtschaftskammer für Tirol und

2.) die mit S 3.655,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 609,28 USt) dem Kläger zu Handen des Klagevertreters.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.Juli 1976 bis 31.März 1995 bei der beklagten Partei als Monteur beschäftigt. Mit 1.Februar 1987 wurde er ins Angestelltenverhältnis übernommen, auf sein Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für die Angestellten des Gewerbes anzuwenden. Der Kläger bezog im Jahr 1994 ein monatliches Bruttogehalt von S 25.237,40 und im Jahre 1995 ein solches von S 26.214,--. Im Jahr 1994 war der Kläger vom 10.Jänner bis 13. März infolge Krankheit arbeitsunfähig, weiters auch vom 20.Juni bis 4.Dezember 1994. Zwischen 10.Jänner und 4.März 1994 hat er Entgeltfortzahlung von der beklagten Partei bezogen, vom 5.März bis 13.März und vom 20.Juni bis 20. September hat er das halbe Entgelt im Rahmen der Entgeltfortzahlung von der beklagten Partei und 50 % Krankengeld von der Tiroler Gebietskrankenkasse bezogen. Vom 3.September bis 4. Dezember 1994 bestand kein Entgeltanspruch des Klägers gegenüber der beklagten Partei. Der Kläger bezog in dieser Zeit nur mehr Krankengeld von der Tiroler Gebietskrankenkasse. An Sonderzahlungen (Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration) für das Jahr 1994 bezahlte die beklagte Partei dem Kläger S 32.837,-- brutto.

Der Kläger begehrte den - später eingeschränkten - Klagsbetrag mit dem Vorbringen, ihm gebühre nach Abzug der erhaltenen Sonderteilzahlungen für das Jahr 1994 eine Differenz in der Höhe des Klagsbetrages.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, wegen der entgeltgekürzten und entgeltfreien Krankenstandszeiten seien die dem Kläger ausbezahlten Sonderzahlungen anteilig gekürzt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der Abweisung eines Zinsenteilbegehrens - statt; zwar habe nach der Rechtsprechung zu den entgeltfortzahlungsfreien Perioden eine anteilige Kürzung der Sonderzahlungen zu erfolgen, jedoch habe eine solche anteilige Kürzung der Sonderzahlungen nur bei Begründung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Kalenderjahres (WBl 1993, 403) zu erfolgen. Eine weitere Kürzung der Sonderzahlungen sehe der Kollektivvertrag auch nicht für Zeiten eines Krankenstandes vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Der Kollektivvertrag stelle nur auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses ab, nicht aber auf Zeiten (nur) der aktiven Dienstleistung. Die Revision sei zulässig, weil die Rechtsprechung zu den Sonderzahlungen und deren anteilige Kürzung infolge entgeltfreier Perioden (Krankenstand) in "Bewegung und Diskussion" geraten sei.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen.

Die Sonderzahlungen seien ein Entgeltteil und daher vom Entgeltanspruch abhängig, nicht aber vom bloßen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Aus dem Wortlaut des anzuwendenden Kollektivvertrages könne nicht abgeleitet werden, daß die Sonderzahlungen vom Entgeltanspruch losgelöst wurden und eine anteilige Kürzung nur dann erfolgen dürfe, wenn das Arbeitsverhältnis während des Jahres begründet oder beendet werde. Das Krankengeld umfasse auch anteilige Sonderzahlungen; dies hätte zur Folge, daß bei fortbestehendem Anspruch auf Zahlung der (anteiligen) Sonderzahlungen gegenüber dem Arbeitgeber dieser Entgeltteil doppelt bezahlt würde.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Zur Rechtsnatur von Sonderzahlungen und zum Anspruch von Sonderzahlungen während eines länger dauernden Krankenstandes hat der erkennende Senat ausgeführt:

Sonderzahlungen sind eine Form aperiodischen Entgelts, dh mit abweichenden Fälligkeitsterminen (vgl § 15 und § 16 AngG), das für Zeiten, in denen kein Entgeltanspruch - dem Arbeitgeber gegenüber (anders als gegenüber dem Träger der Krankenversicherung gemäß den §§ 138 ff ASGG) - besteht, etwa nach Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruches im Falle der Krankheit gemäß § 8 Abs 1 AngG (§ 2 Abs EFZG und der insoweit vergleichbaren Regelung des § 26 nöGVBG), regelmäßig nicht gebührt (9 Ob A 38/94 = DRdA 1995/31, 336), soferne nicht ein Kollektivvertrag (vgl WBl 1993, 403) oder eine andere, auf das jeweilige Arbeitsverhältnis einwirkende Norm, Gegenteiliges anordnet (8 Ob A 264 bis 266/94).

Der möglicherweise früher motivierende Zusammenhang von Urlaub und Weihnachten mit den Sonderzahlungen ist weitestgehend weggefallen, wie sich aus der Fälligkeit des Urlaubszuschusses auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer keinen Urlaub verbraucht bzw ihn erst nach Fälligkeit, etwa im Spätherbst, antritt, ergibt. Die ursprünglich zweckorientierten Sonderzahlungen sind nichts anderes als besonderer Teil des Entgelts als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (Trost, Anspruch auf Sonderzahlungen in entgeltfreine Zeiten, DRdA 1995, 116). Die Trennung von einem bestimmten Motiv oder Anlaß für die Gewährung von Sonderzahlungen wird insbesondere im öffentlichen Dienst deutlich, bei dem für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von 50 vH des Monatsbezuges (§ 3 Abs 3 GehaltsG; § 8a Abs 2 VBG; § 28 PensionsG) gebührt. Auch im Sozialversicherungsrecht ist die oben genannte Verknüpfung weitestgehend beseitigt (vgl § 105 ASVG). Damit wird der Sinn von Sonderzahlungen auf die Schaffung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Lohnsteuerbegünstigung gemäß § 67 Abs 1 EStG reduziert, sodaß für leitende Angestellte dementsprechend der Grundsatz der steueroptimalen Aufteilung des Jahresbezuges vertreten wird (Runggaldier-Schima, Die Rechtsstellung von Führungskräften, 133). Bei dieser Gleichartigkeit der Sonderzahlungen mit dem übrigen Entgelt des Arbeitnehmers, abgesehen von der Fälligkeit, gehören auch diese Sonderzahlungen zum "laufenden Entgelt" im Sinne des § 61 Abs 1 Z 1 und 2 ASGG (vgl Kuderna, ASGG 329) und sind auch ganz selbstverständlich in die Berechnungsgrundlage von Abfertigungen, Urlaubsentschädigungen ua einzubeziehen.

Es bedarf keiner weiteren Rechtfertigung dafür, daß bei Enden (oder auch langdauerndem Ruhen) des Entgeltanspruches auch der Anspruch auf Sonderzahlungen endet bzw in der Übergangsperiode aliquotiert wird (§ 16 AngG; § 3 Abs 3 GehaltsG; § 28 PensionsG; § 8a Abs 2 VBG), während umgekehrt es eines besonderen Rechtsgrundes bedürfte, daß ein (anteiliger) Sonderzahlungsanspruch bestehen sollte, wenn der sonstige Entgeltanspruch nicht mehr besteht (vgl WBl 1993, 403).

Der Zweck von Sonderzahlungen (Gaul, Betriebsberater 1994, 494 und 565) kann sowohl in arbeitsleistungsbezogenen Zuwendungen (497), als auch in der Vergütung der Betriebszugehörigkeit (498) bestehen, wobei von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen ist, daß die Bezeichnung einer Leistung nicht bereits ihre Rechtsnatur charakterisiert (494).

Dem entspricht die vom Obersten Gerichtshof ständig gebrauchte

Umschreibung des (weiten) Entgeltbegriffes (SZ 50/46 = JBl 1979, 215

= Arb 9573; vorher schon Arb 9430 = ZAS 1977/19, 140), wonach es

nicht auf die Bezeichnung, sondern nur auf die tatsächliche Funktion der Leistung ankomme.

Der Zweck eines 13. (und 14.) Monatseinkommens wird überwiegend darin gesehen, allein in der Vergangenheit erbrachte Leistungen des Arbeitnehmers zusätzlich zu vergüten (Gaul, aaO, 495; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch7, 490). Indizien für eine arbeitsleistungsbezogene Zuwendung sind unter anderem deren Aliquotierung nach Maßgabe des Entgeltanspruches sowie deren zeitanteilige Minderung bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses (Gaul aaO 497); demgegenüber sind die Vergütungen der Betriebszugehörigkeit, die nur an die Betriebszugehörigkeit während des in der Vergangenheit liegenden Bezugsraumes anknüpft, weniger häufig und kommen in Österreich in Form von Gewährungen von Zuwendungen aus besonderen betrieblichen Anlässen (§ 97 Abs 1 Z 15 ArbVB) oder Jubiläumsgeldern (vgl zB Jubiläumszuwendung gemäß § 20 c GehaltsG bzw § 22 VBG) vor. Es darf aber nicht von der Aliquotierungsmöglichkeit auf das Vorliegen einer arbeitsleistungsbezogenen Zuwendung geschlossen und solcherart die Aliquotierung gerechtfertigt werden. Arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen sind vielmehr in das synallagmatische Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingebaut (Gaul aaO 565), woraus sich die Kürzungsmöglichkeit zeitanteilig nach der Dauer des sonstigen Entgeltanspruches ergibt (574). In diesem Sinne wird ein "ungeschriebenes Kürzungsrecht" für Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter vertreten (Schiefer, Die schwierige Handhabung der Jahressonderzahlungen, NZA 1993, 1015, insb 1018).

Soferne nicht ein außerhalb des Austauschverhältnisses von Entgelt und Arbeitsbereitschaft stehender Rechtsgrund ("Stichtagsregelungen" oder "Betriebsbindungsklauseln" ua, vgl Runggaldier, Grenzen der Kollektivvertragsautonomie bei Regelung des Entgelts, 34 und 132), der etwa auch in dem besonderen arbeitsrechtlichen Schutzprinzip, in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und anderem bestehen kann, nachgewiesen wird, ist vom reinen Entgeltcharakter der nur oder auch überwiegend arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlungen auszugehen. Wenn sogar bei besonders schutzwürdigen Arbeitnehmergruppen eine anteilige Kürzung nach Maßgabe des gegenüber dem Arbeitgeber bestimmten Entgeltanspruches eintritt (vgl § 14 Abs 4 MSchG; § 10 APSG), so ist grundsätzlich von der Aliquotierung von Sonderzahlungen auch im Falle entgeltfreier Perioden auszugehen (aM Trost, Kürzung von Urlaub und Sonderzahlungen bei entgeltfreien Dienstzeiten, DRdA 1995, 336; 342). Dabei handelt es sich nicht nur um ein obiter dictum (Trost aaO, 342), sondern um eine sich aus dem grundsätzlichen Austauschverhältnis ergebende Rechtsfolge. Folgerichtig wird daher gemäß § 125 Abs 3 ASVG die Bemessungsgrundlage für die Barleistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen nach § 49 Abs 2 ASVG durch einen allgemein festzusetzenden Hundertsatz ua erhöht (gegenteilig RdW 1990, 55). Ein Grund für einen erhöhten Bezug von Sonderzahlungen im Falle der unterlassenen Aliquotierung nach Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruches gegenüber dem Arbeitgeber und des Bezuges von Barleistungen aus der Krankenversicherung (Krankengeld) ist nicht ersichtlich, womit es (teilweise, dh bis zum Betrag der Höchstbeitragsgrundlage) zu Doppelzahlungen käme (8 Ob A 289/95).

Dem anzuwendenden Kollektivvertrag kann "nur" eine Aliquotierungsregel hinsichtlich der Sonderzahlungen für den Fall des Beginns und des Endes des Arbeitsverhältnisses während des laufenden Kalenderjahres entnommen werden. Daraus kann aber nicht im Wege des Umkehrschlusses gefolgert werden, daß diese beiden Fälle die einzigen seien, die eine anteilige Kürzung von Sonderzahlungen gestatten (die gegenteilige Entscheidung WBl 1993, 403 vor der Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich der entgeltfortzahlungsfreien Perioden wird insoweit nicht mehr aufrechterhalten). Eine spezifische Besserstellung des Arbeitnehmers, losgelöst vom sonstigen Entgeltanspruch kann daraus nicht abgeleitet werden (vgl dazu Schrank, Sonderzahlungen bei entgeltfreien Krankenständen, ecolex 1995, 193, besonders 197). Zu Recht verweist der Revisionswerber darauf, daß im Zusammenhalt mit der Einbeziehung der anteiligen Sonderzahlungen in das Krankengeld es zu Wertungswidersprüchen führte, weil damit im Ergebnis die Sonderzahlungen durch Einbeziehung in das von der Sozialversicherung zu leistende Krankengeld doppelt liquidiert würden. Dies kann wegen der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes nicht Rechtens sein. Auch das grundsätzlich im Arbeitsverhältnis zu beachtende funktionelle Synallagma (Wilhelm, Zur jüngsten Urlaubsnovelle und deren Rückwirkung, ecolex 1996, 6) bestätigt diese Auffassung. Zum gleichen Ergebnis gelangte jüngst die E. vom 27.März 1996, 9 Ob A 19/96.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 a ASGG. Zusätzlich zum pauschalierten Aufwandersatz sind nicht auch noch "Porto, Telefongebühren, Kopien" (siehe Kostennote AS 23) zu ersetzen (vgl OLG Innsbruck zu Fahrtauslagen und Diäten: Arb 11.161), vergleichbare Auslagen wären bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt durch den Einheitssatz abgegolten (§ 23 RATG).

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