OGH 3Ob60/95

OGH3Ob60/9510.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr.Jörg H*****, vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer und Mag.Martin Machold, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei N*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Widerrufs und Veröffentlichung des Widerrufs, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 31. März 1995, GZ 4 R 39/95-21, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5.Jänner 1995, GZ 38 Cg 25093p-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die nunmehrige verpflichtete Partei wurde auf Klage des nunmehrigen betreibenden Gläubigers mit Urteil des Erstgerichtes vom 24.3.1994, 38 Cg 250/93-12, bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19.9.1994, 4 R 131/94-17, schuldig erkannt, die Behauptungen des Inhaltes

-die klagende Partei befinde sich im Umfeld einer Kokain-Affäre, und

sowie gleichsinnige Äußerungen gegenüber den Lesern der Zeitschrift N***** als unwahr zu widerrufen, und zwar durch die Veröffentlichung des Widerrufes in einer Ausgabe der Zeitschrift N***** im redaktionellen Teil in derselben Schriftgröße wie die verfahrensgegenständliche Veröffentlichung "Ein Dossier rückt ihn ins Umfeld einer Kokainanffäre", die Überschrift "Widerruf" in derselben Schriftgröße wie der Aufmacher "Der Schnee von gestern" unter Bezugnahme darauf, daß in der Zeitschrift N***** Nr.31 vom 5.8.1993 in einem Artikel mit der Überschrift "Der Schnee von gestern" behauptet wurde, Jörg H***** habe mit grotesken Vorwürfen zu kämpfen, er rücke ihn ein "Dossier" ins Umfeld einer Kokainaffäre und es bestehe eine angebliche Kokainverstrickung H*****s.

Der betreibende Gläubiger brachte in dem am 21.12.1994 eingebrachten Exekutionsantrag vor, die verpflichtete Partei habe die ihr mit diesem Urteil auferlegte Verpflichtung bisher nicht erfüllt. Eine dem Beklagten urteilsmäßig auferlegte Verpflichtung zum Widerruf sei bei Nichtbeachtung gemäß "§ 53 EO" (offenbar richtig § 353 EO) durchzusetzen. Dem stehe im konkreten Fall nicht entgegen, daß die verpflichtet Partei selbst Medieninhaberin jenes Mediums sei, in dem die Widerrufserklärung zu veröffentlichen sei. Die Handlung, welche die verpflichtete Partei vorzunehmen habe, bleibe dennoch eine vertretbare. Die Insertionskosten beliefen sich mindestens auf S 50.000. Der betreibende Gläubiger beantragte die Exekutionsbewilligung:

"Die betreibende Partei wird ermächtigt, nachstehende Widerrufserklärung in der Zeitschrift N***** im redaktionellen Teil zu veröffentlichen, wobei die Überschrift in derselben Schriftgröße wie die Veröffentlichung "Ein Dossier rückt ihn ins Umfeld einer Kokain-Affäre" und die Überschrift "Widerruf" in derselben Schriftgröße wie der Aufmacher "Der Schnee von gestern" (jeweils in der Zeitschrift N***** Nr.31 vom 05.08.1993) vorzunehmen ist:

W I D E R R U F

In der Ausgabe der Zeitschrift N***** Nr.31 vom 05.08.1993 wurde in einem Artikel mit der Überschrift "Der Schnee von gestern" behauptet, Jörg H***** habe mit grotesken Vorwürfen zu kämpfen und rücke ihn ein "Dossier" ins Umfeld einer Kokain-Affäre und es bestehe eine angebliche Kokain-Verstrickung H*****s. Die N**********ges.m.b.H. & Co.KG. erklärt gegenüber den Lesern der Zeitschrift N*****

Behauptungen des Inhaltes,

-es bestehe eine Kokain-Verstrickung Dris.H*****

als unwahr zu widerrufen".

Der betreibende Gläubiger beantragte weiters, der Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten der Veröffentlichung von S 50.000 binnen 14 Tagen ab Zustellung der Exekutionsbewilligung aufzutragen. Weiters wurde zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsverfahrens die Bewilligung der Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf der in der Gewahrsame der verpflichteten Partei befindlichen beweglichen Sachen aller Art einschließlich der in § 296 EO genannten Wertpapiere beantragt.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wurde; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur erheblichen Rechtsfrage, ob die Exekution auf Veröffentlichung eines Widerrufs dann, wenn der Verpflichtete selbst der Medieninhaber ist, nach § 353 oder § 354 EO zu führen ist, bisher keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ergangen sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht zur strittigen Frage, ob die Handlung, welche die verpflichtete Partei aufgrund des Urteils vorzunehmen habe, eine vertretbare oder eine unvertretbare Handlung sei, ob sohin die Exekution nach § 353 EO oder nach § 354 EO zu führen sei, aus, die Veröffentlichung eines Widerrufs sei nach Lehre und Rechtsprechung eine vertretbare Handlung; demnach sei grundsätzlich ausgesprochen worden, daß die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufs nach § 353 EO zu vollstrecken sei. Dieser Rechtsprechung lägen aber jeweils Sachverhalt zugrunde, bei denen der Verpflichtete nicht gleichzeitig auch Inhaber des Mediums gewesen sei, in dem die Veröffentlichung zu erfolgen hatte. § 353 EO sei nur dort anwendbar, wo die vertretbare Handlung vom Verpflichteten vorzunehmen wäre, dieser also die Verbindlichkeit hatte, sie zu erbringen. Damit könne nur gemeint sein, daß der Verpflichtete für eine Veröffentlichung in dem entsprechenden Medium zu sorgen habe. Die Exekution werde aber dann unzulässig sein, wenn sich die Zeitung oder die sonstige Druckschrift, in der die Veröffentlichung stattfinden soll, weigert, das entsprechende Veröffentlichungsinserat aufzunehmen. In einem solchen Fall sei die Erfüllung unmöglich geworden und die Exekution von Amts wegen einzustellen.

Im vorliegenden Fall sei die verpflichtete Partei jedoch mit dem Medieninhaber identisch. Medieninhaber sei gemäß § 1 Abs 1 Z 8 MedienG derjenige, der ein Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibe oder sonst das Erscheinen von Medienwerken durch Inverkehrbringen der Medienstücke besorge. Medieninhaber sei also derjenige, der über den Inhalt des periodischen Druckwerkes entscheide, also darüber, ob ein bestimmter Beitrag aufgenommen wird oder nicht und wie er gestaltet wird, und der auch über die Herstellung, also die Produktion entscheide, indem er den Druck veranlasse. Im konkreten Fall sei die verpflichtete Partei als Medieninhaberin selbst zur Durchsetzung der Veröffentlichung des Widerrufs in der Lage und verpflichtet. Damit handle es sich aber keineswegs mehr um eine vertretbare, sondern vielmehr um eine unvertretbare Leistung; die Leistung könne nämlich nur vom Verpflichteten persönlich vorgenommen werden und sei folglich nur mehr vom Willen des Verpflichteten abhängig. Die Verpflichtung zum Widerruf einer Äußerung sei aber gemäß § 354 EO zu vollziehen, und sei es auch in der eigenen Druckschrift.

Da die Anordnungen der EO über die Exekutionsart nach §§ 353 und 354 zwingendes Recht seien, Verstöße dagegen von Amts wegen zu berücksichtigen seien und keinesfalls nach Wahl und Willen des betreibenden Gläubigers Exekution entweder nach § 353 oder nach § 354 EO geführt werden könne, sei der Exekutionsantrag verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des betreibenden Gläubigers ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, wurde die Veröffentlichung eines Widerrufs in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bisher nur in solchen Fällen, in denen die Veröffentlichung nicht in einem Medium vorzunehmen war, dessen Medieninhaber (§ 1 Abs 1 Z 8 MedienG) der Verpflichtete war, als vertretbare Handlung im Sinn des § 353 EO behandelt (ÖBl 1980, 164; ÖBl 1978, 37; SZ 50/111; SZ 25/201). Auch in der Lehre (Heller/Berger/Stix 2757; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 387) wird der Fall, daß der Verpflichtete selbst der Medieninhaber ist, nicht behandelt.

Zur Abgrenzung der Exekution zur Durchsetzung vertretbarer Handlungen im Sinn des § 353 EO und der Exekution zur Durchsetzung unvertretbarer Handlungen im Sinn des § 354 EO wurden in der Entscheidung JBl 1986, 257 (zust Pfersmann mwN) folgende Grundsätze dargelegt:

Die Exekution nach § 354 EO setzt voraus, daß der betriebene Anspruch in einer Handlung besteht, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und deren Vornahme zugleich ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt; denn nur ein solcher Anspruch wird gemäß § 354 Abs 1 EO dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete auf Antrag vom Exekutionsgericht durch Geldstrafe oder durch Haft zur Vornahme der Handlung angehalten wird. Sollte dagegen die vom Verpflichteten vorzunehmende Handlung derart sein, daß ihre Vornahme auch durch einen Dritten erfolgen kann, wäre die betreibende Partei gemäß § 353 Abs 1 EO auf Antrag von dem die Exekution bewilligenden Gericht zu ermächtigen, die Handlung auf Kosten des Verpflichteten vornehmen zu lassen. Eine Handlung ist vertretbar im Sinn des § 353 EO, wenn sie nicht nur der Verpflichtete, sondern auch ein Dritter vornehmen kann, ohne daß es für den betreibenden Gläubiger einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Unterschied macht, wer sie tatsächlich vornimmt; sie ist unvertretbar, wenn sie nur vom Verpflichteten persönlich vorgenommen werden kann und (zur Zeit des Exekutionsaktes) ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Im Zweifel, ob eine Handlung als vertretbar oder als unvertretbar anzusehen ist, wird die Handlung (zunächst) als vertretbar angesehen, weil die Exekution vertretbarer Handlungen den Verpflichteten weniger belastet und weil sie vor allem eher zur Durchsetzung des Exekutionstitels in der Richtung führt, daß der Inhalt des Titels wirklich durchgeführt werden kann. Die Anordnungen der EO über die Exekutionsarten nach den §§ 353 und 354 sind zwingendes Recht, Verstöße dagegen sind von Amts wegen zu berücksichtigen; keineswegs kann nach Wahl und Willkür des betreibenden Gläubigers Exekution entweder nach § 353 oder nach § 354 EO geführt werden.

Im vorliegenden Fall wurde der Verpflichtete im Exekutionstitel schuldig erkannt, bestimmte Behauptungen als unwahr zu widerrufen, wobei dieser Widerruf durch eine bestimmte Art der Veröffentlichung näher umschrieben wurde. Der Verpflichtete ist der ihm selbst obliegenden Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufs in einem Medium, dessen Medieninhaber er ist, nicht nachgekommen. Der Medieninhaber betreibt nicht nur das Unternehmen auf seine Rechnung, er hat auch die Verfügungsmacht, die für ein solches Unternehmen vorausgesetzt wird (Hartmann/Rieder, MedienG 33). Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich - so wie beim Widerruf an sich (OLG Wien ÖBl 1957, 91; Holzhammer4 389; vgl weiters ZBl 1932/244 zu der vom Schriftleiter in einem Vergleich vor dem Strafrichter übernommenen Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Erklärung) - somit um eine Handlung, die nur vom Verpflichteten persönlich vorgenommen werden kann und (zur Zeit des Exekutionsaktes) ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Diese ausschließliche Abhängigkeit vom Willen des Verpflichteten begründet auch eine andere Behandlung als in den Fällen, in denen der Verpflichtete zur Veröffentlichung in einem von einem Dritten herausgegebenen Medium verpflichtet ist; in einem solchen Fall kann nämlich sowohl der Verpflichtete als auch ein Dritter die Veröffentlichung in Auftrag geben, ohne daß dies für den betreibenden Gläubiger einen rechtlichen und wirtschaftlichen Unterschied macht.

Da der Verpflichtete die Veröffentlichung des Widerrufs innerhalb der Leistungsfrist nicht vorgenommen hat, besteht auch kein Zweifel in der Richtung, ob die Handlung als vertretbar oder unvertretbar anzusehen ist. Bereits das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß in einem solchen Fall kein Wahlrecht des betreibenden Gläubigers besteht, ob er eine Exekution nach § 353 oder nach § 354 EO beantragt; es hat somit den ausschließlich auf § 353 EO gestützten Exekutionsantrag ohne Rechtsirrtum abgewiesen, weil die Veröffentlichung eines Widerrufs in einem vom Verpflichteten als Medieninhaber herausgegebenen Medium eine unvertretbare Handlung ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.

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