OGH 9ObA2107/96k

OGH9ObA2107/96k26.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Hötzl und Dr.Klaus Hajek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der ***** Tageszeitung GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei ***** Tageszeitung GmbH, ***** vertreten durch Dr.Franz Müller-Strobl und Dr.Robert Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert S 7.500), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.Februar 1996, GZ 8 Ra 126/95-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 27.September 1995, GZ 31 Cga 140/95g-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.436,48 (darin S 406,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der vorliegenden Klage begehrt der klagende Betriebsrat die Feststellung, daß die von der beklagten Partei gegenüber zwei namentlich genannten Arbeitskollegen näher bezeichneten mündlichen und schriftlichen Verwarnungen, Rügen und Verweise bis zum Tag der Klageeinbringung unwirksam seien. Die Arbeitnehmer hätten von der Geschäftsführung immer wieder Schreiben erhalten, in denen Verwarnungsmitteilungen unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen enthalten gewesen seien. Diese Konsequenzen hätten in den konkreten Fällen nur die Auflösung des Dienstverhältnisses bedeuten können. Aufgrund dieser Vorgangsweise sei es zu einer Besprechung der klagenden Partei mit der Geschäftsführung der beklagten Partei gekommen, wobei sich diese am 29.3.1994 dahin festgelegt habe, daß die an die beiden Arbeitskollegen ergangenen Dienstanweisungen, welche die Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen beinhalten, mit Ende Mai 1994 aus dem Personalakt entfernt und für ungültig erklärt würden.

Die beklagte Partei habe sich jedoch nicht an diese Vereinbarung gehalten und den beiden Arbeitskollegen weiterhin schriftliche und mündliche Verwarnungen erteilt. Diese Verwarnungen seien Disziplinarmaßnahmen unter der Sanktion der Auflösung des Dienstverhältnisses. Da eine gemäß § 102 ArbVG vorgesehene Mitwirkung des Betriebsrats bei der Verhängung dieser Disziplinarmaßnahmen unterblieben sei, sei die Vorgangsweise der beklagten Partei rechtswidrig, so daß die Verwarnungen unwirksam seien.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Eine Vereinbarung, wonach die an die zwei betroffene Arbeitnehmer ergangenen Dienstanweisungen aus dem Personalakt entfernt und für ungültig erklärt werden sollten, sei nie getroffen worden. Dabei habe es sich auch nicht um Disziplinarmaßnahmen im Sinne des ArbVG gehandelt, sondern um reine Dienstanweisungen, für welche eine Mitwirkung des Betriebsrats nicht vorgesehen sei. Es sei allein Sache des Arbeitgebers, wenn darin allenfalls Konsequenzen vorgesehen worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Bei der beklagten Partei sind seit vielen Jahren zwei namentlich genannte Redakteure beschäftigt, denen mehrmals schriftliche und mündliche Verwarnungen, Rügen und Verweise wegen Nichteinhaltung von Dienstanweisungen bis zur Androhung von dienstrechtlichen Konsequenzen, letztlich der vorzeitigen Entlassung bei weiterem Zuwiderhandeln, zugegangen sind. Die beiden betroffenen Redakteure haben jeweils schriftliche Stellungnahmen erstattet, die zum Teil ebenfalls zum Personalakt genommen worden sind. Die beklagte Partei ist von diesen Verwarnungen erst im nachhinein verständigt worden.

Dem Wunsch des Betriebsrats, bei Disziplinarmaßnahmen entsprechend mitzuwirken oder eine Disziplinarordnung einzuführen, wurde von der beklagten Partei nicht entsprochen. Für den Betrieb der beklagten Partei ist weder durch Kollektivvertrag noch durch Betriebsvereinbarung die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen die Arbeitnehmer vorgesehen noch gibt es eine mit Zustimmung des Betriebsrats eingerichtete Stelle für die Erteilung der Zustimmung zur Verhängung von Disziplinarmaßnahmen. Auch besteht zwischen der beklagten Partei und den beiden Redakteuren keine Einzelvereinbarung über die Zulässigkeit der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen durch die beklagte Partei.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die in den Dienstanweisungen enthaltenen Verwarnungen Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 102 ArbVG seien, deren Wirksamkeit Gegenstand einer Feststellungsklage sein könne. Da die beklagte Partei keine Zustimmung des Betriebsrats eingeholt habe, seien diese Disziplinarmaßnahmen unwirksam.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Unabhängig davon, ob tatsächlich Disziplinarmaßnahmen vorliegen oder bloß schlichte Verwarnungen erfolgten, fehle es dem klagenden Betriebsrat schon an der Aktivlegitimation. Der Betriebsrat sei zwar generell parteifähig; er könne aber als Vertreter der Gesamtbelegschaft nur dort Ansprüche gerichtlich geltend machen, wo ihm dies durch Gesetz eingeräumt sei. Eine ohne Zustimmung des Betriebsrats verhängte Disziplinarmaßnahme greife nicht in Belegschaftsrechte, sondern in die einzelvertraglichen Rechtsbeziehungen ein und diese seien daher zwischen den betroffenen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber auszutragen.

Die von der beklagten Partei erteilten Verwarnungen seien aber gar keine Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 102 ArbVG, weil sie keinen in die Vergangenheit wirkenden, abschließend sanktionierenden Charakter gehabt hätten. Allen Erklärungen sei gemeinsam, daß sie die Androhung arbeitsvertraglicher Konsequenzen bis zur Entlassung bei neuerlicher Nichtbeachtung von Dienstanweisungen enthalten. Derartige Erklärungen seien aber Voraussetzung für den Entlassungsgrund der beharrlichen Dienstpflichtverletzung. Es könne nicht vom Willen des Betriebsrats abhängen, ob ein solcher Tatbestand verwirklicht werden könne oder nicht.

Der klagende Betriebsrat könne sich auch nicht auf eine mit der beklagten Partei abgeschlossene Vereinbarung berufen, da ihm außerhalb der durch das ArbVG erteilten Zuständigkeit die Rechtsfähigkeit zum Abschluß von Vereinbarungen fehle. Abgesehen davon hätte das Begehren auf Abgabe der Unwirksamkeitserklärung nicht mit Feststellungsklage, sondern mit Leistungsklage geltend gemacht werden müssen; die Erklärung wäre mit Rechtskraft eines stattgebenden Leistungsurteils als abgegeben anzusehen gewesen. Schließlich liege auch keine Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG vor, weil nicht mindestens drei Arbeitnehmer im Betrieb der beklagten Partei vom Bestehen oder Nichtbestehen des behaupteten Rechtsverhältnisses betroffen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Den Ausführungen des Revisionswerbers, die beklagte Partei habe den Mangel der Sachlegitimation gar nicht eingewendet, die Verwarnungen seien als unzulässige Disziplinarmaßnahmen anzusehen und das Klagebegehren sei zumindest in der mit der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung begründet, ist entgegenzuhalten, daß das Klagebegehren schon von vorneherein verfehlt ist.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, wollte die beklagte Partei mit den erteilten Ermahnungen keine abschließende Sanktion in einer Stufenleiter von möglichen Disziplinarmaßnahmen setzen, sondern die betroffenen Redakteure lediglich zur korrekten Erfüllung ihrer Dienstpflichten unter der zukunftsbezogenen Sanktion der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses anhalten. Derartige Verwarnungen sind Voraussetzung der Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 27 Z 4 AngG, zweiter Tatbestand und als schlichte Verwarnung keiner Zustimmung des Betriebsrats zugänglich (vgl Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser ArbR3 II 347 f; 9 ObA 51/95 = ZAS 1995/23 [Andexlinger] mwH ua). Selbst wenn die beiden betroffenen Arbeitnehmer richtigerweise (Strasser in Floretta/Strasser, Handkomm z ArbVG § 102 Erl 2.7) selbst die Feststellung der Unwirksamkeit der Verwarnungen begehrt hätten, wäre ihr Begehren, da die Frage der inhaltlichen Berechtigung der Maßnahme als Rechtstatsache nicht feststellungsfähig im Sinne des § 228 ZPO ist, abzuweisen gewesen (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 116; 9 ObA 359, 360/93 = ARD 4571/29/94 ua). Der Mangel des für Feststellungsklagen erforderlichen rechtlichen Interesses ist von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu beachten (Arb 9927 uva).

Diese Erwägungen treffen umso mehr auch für den klagenden Betriebsrat zu, der als Organ der Belegschaft überdies kein Vertreter der betroffenen Arbeitnehmer ist. Der Betriebsrat ist weder eine juristische Person noch ein sonstiges Personengebilde, dem eine eigene Rechtspersönlichkeit und damit Rechtsfähigkeit zukäme (vgl Eypeltauer, Das besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG, JBl 1987, 490 ff; Gamerith, Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG, DRdA 1988, 303 ff; 9 ObA 81/91 = infas 1992 A 113 ua). Mangels gesetzlich verliehener Regelungsbefugnis können von ihm abgeschlossene betriebliche Vereinbarungen weder eine normative noch eine schuldrechtliche Wirkung entfalten (jüngst 9 ObA 2023/96 mwH), so daß auch die Berufung auf eine Vereinbarung mit der Geschäftsführung über unzulässige Mitwirkungsrechte, die über das Gesetz hinausgehen, ins Leere geht.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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