Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 25.780,26 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 4.186,71 Umsatzsteuer und S 660,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger vermieteten der Beklagten am 22.5.1986 das je zur Hälfte in ihren Wohnungseigentum stehende Reihenhaus in Innsbruck, Höttingergasse 23e, auf unbestimmte Zeit zu einem wertgesicherten monatlichen Zins von S 13.000,- (derzeit S 16.000,-). Die Vermietung erfolgte zu Wohnzwecken (des Geschäftsführers der Beklagten) und zu Geschäftszwecken, wobei von den Parteien der Wohnzweck als überwiegend angesehen wurde. Die Kläger verpflichteten sich, auf die Aufkündigung des Mietverhältnisses, welche grundsätzlich unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zu jedem Monatsletzten zulässig sein sollte, bis 30.6.1991 zu verzichten.
Das Mietobjekt hat eine Gesamtwohnfläche von 150 m2. Die Kläger gestatteten der Beklagten in einer Nebenabrede zum Mietvertrag, diverse Ein- und Umbauten vorzunehmen. Das Mietobjekt dient seit Vertragsabschluß der Familie des Geschäftsführers der Beklagten als Wohnsitz. Nur in einem Dachraum wurde ein Büro eingerichtet, in welchem der Geschäftsführer der Beklagten deren Geschäfte (Vermögensverwaltung und -beratung) erledigt.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war der Erstkläger als Fußballtrainer in der Schweiz tätig. Nach Beendigung dieser Tätigkeit verließ er seine Dienstwohnung in der Schweiz am 30.6.1994 und kehrte - ohne aufrechten Trainervertrag - nach Tirol zurück. Seine Bemühungen, eine andere Wohnung in der Größe von ca. 120 bis 140 m2 in guter Wohnlage zu finden, hatten keinen Erfolg. Nach Zustellung der Aufkündigung fand der Erstkläger ein Engagement bei einem Fußballclub in Mödling, welches jedoch Anfang Dezember 1994 wieder endete. Während dieser Zeit wohnte die Zweitklägerin abwechselnd je eine Woche bei ihren Eltern in Matrei, wo ihr ein Zimmer zur Verfügung steht, oder in einem Hotel beim Erstkläger in Mödling. Von Dezember 1994 bis Juni 1995 wurde den Klägern die Wohnung eines Freundes für die Dauer dessen Auslandsaufenthaltes zur Verfügung gestellt. Nach dessen Rückkehr übernachteten die Kläger entweder in der Wohnung der Mutter des Erstklägers oder im Hotel. Außer dem gegenständlichen Bestandobjekt besitzen die Kläger keine anderen Liegenschaften oder Wohnungen in Österreich. Der Erstkläger hat seine wesentlichen Ersparnisse für die Anschaffung des Reihenhauses verwendet und einen Großteil seines Einkommens für seinen Lebensunterhalt ausgegeben. Die Kläger verfügen über Einrichtungsgegenstände, die ein Wohnungsausmaß von mindestens 120 bis 130 m2 erfordern. Ihre Einrichtungsgegenstände und ihren Hausrat haben sie bei den Eltern der Zweitklägerin und in einem bei einem Freund aufgestellten Container gelagert, wofür sie eine Miete von täglich S 200,- zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen haben.
Der Erstkläger verdiente als Fußballtrainer in der Schweiz sfr 13.000,- und eine Prämie von sfr 2.500,- im Monat brutto. Außerdem wurde ihm eine Wohnung zur Verfügung gestellt. In Mödling erhielt er monatlich S 70.000,- netto und als Spesen die Hotelkosten.
Die Kläger kündigten der Beklagten das Bestandverhältnis am 19.9.1994 zum 30.4.1995 wegen Eigenbedarfs auf. Nachdem der Vertrag des Erstklägers in der Schweiz ausgelaufen sei, benötigten sie das Reihenhaus wieder für eigene Wohnzwecke. Außer diesem Bestandgegenstand verfügten sie über keine angemessene Wohnmöglichkeit, weshalb sie darauf angewiesen seien. Die dem Erstkläger in der Schweiz zur Verfügung stehende Dienstwohnung habe geräumt werden müssen. Alle von Verwandten und Freunden zur Verfügung gestellten Wohnmöglichkeiten seien nur als Notlösungen zu verstehen. Eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu angemessenen Mieten hätten sie nicht gefunden. Auf dem Wohnungsmarkt würde dafür zwischen S 25.000,- und S 30.000,- gefordert, die sich der Erstkläger nicht leisten könne, weil er bereits längere Zeit beschäftigungslos sei.
Die Beklagte beantragt die Aufhebung der Aufkündigung. Der behauptete dringende Eigenbedarf sei nicht gegeben. Die Kläger seien in der Lage, aus der gezahlten Miete eine entsprechende Wohnung zu finanzieren und darin ihr Wohnbedürfnis zu befriedigen. Insbesondere der Erstkläger sei als vermögend anzusehen.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und erteilte der Beklagten den Räumungsauftrag. Der Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 8 MRG liege vor, weil die Kläger zum Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung nur notdürftig wohnversorgt gewesen seien und der Erstkläger keine Arbeitsstelle gehabt habe. Eine Interessenabwägung habe bei der Vermietung einer Eigentumswohnung nicht stattzufinden. Davon, daß das Einkommen und Vermögen der Kläger so hoch sei, daß der Gedanke des Notstandes geradezu ad absurdum geführt wäre, könne keine Rede sein. Die Kläger hätten den Eigenbedarf auch nicht selbst verschuldet, weil seit dem Abschluß des Mietvertrages bis zur Aufkündigung mehr als neun Jahre verstrichen seien und es für den Erstkläger bei Abschluß des Mietvertrages nicht absehbar gewesen sei, ob bzw wann er das Reihenhaus wieder benötige.
Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf, wies das Räumungsbegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Lediglich die Feststellungen über das Einkommen des Klägers in der Schweiz wurden durch Außerstreitstellungen ergänzt, was bei der Wiedergabe des Sachverhalt bereits berücksichtigt wurde. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht folgendes aus:
Unter dringendem Eigenbedarf sei nach der bisherigen, bereits zum Kündigungstatbestand des § 19 Abs 2 Z 5 MG ergangenen, aber weiterhin anzuwendenden Rechtsprechung eine zumindest notstandsähnliche Situation zu verstehen, die nur dann zu bejahen sei, wenn das Wohnbedürfnis des Vermieters oder seiner begünstigten Verwandten jedenfalls nur so unzulänglich gedeckt sei, daß eine unabweichliche Notwendigkeit vorliege, diesen Mangel sobald als möglich zu beseitigen. Die wörtliche Übernahme des Kündigungstatbestandes des § 19 Abs 2 Z 5 MG in § 30 Abs 2 Z 8 MRG spreche für die Annahme, daß der für das Erfordernis des dringenden Eigenbedarfs angelegte strenge Maßstab trotz leichter Entspannung auf dem Wohnungsmarkt nicht gelockert werden dürfe. Bei der Vermietung von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen sei nach der neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes davon auszugehen, daß sie der Eigentümer in erster Linie zur Befriedigung seines eigenen Wohnbedürfnisses angeschafft habe. Daß dabei die sonst vorzunehmende Interessenabwägung entfalle, zeige, daß der Gesetzgeber die Absicht einer Person, den Wohnbedarf in einer Eigentumswohnung zu befriedigen, privilegiere. Ein solcher Vermieter, der über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfüge, dürfe im allgemeinen mit seiner Eigenbedarfskündigung nicht schon deshalb auf die Möglichkeit der Beschaffung einer Wohnung in einem nicht ihm gehörenden Haus verwiesen werden, weil er finanziell in der Lage sei, sich eine andere Wohnung zu verschaffen. Eine Interessenabwägung habe nämlich auch in Ansehung der finanziellen Lage zu entfallen. Von diesem Grundsatz sei eine Ausnahme dann gerechtfertigt, wenn das Einkommen oder Vermögen des Vermieters so groß sei, daß der Gedanke des Notstandes durch die Rechtswirksamerklärung der Eigenbedarfskündigung ad absurdum geführt werden würde. Der Erstkläger habe im Jahr vor der Aufkündigung ein Nettoeinkommen von rund S 800.000,- bis S 1 Mio erzielt. Wenn er auch für die Zweitklägerin und den in St.Gallen studierenden Sohn unterhaltspflichtig sei, seien seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse dennoch derart hoch, daß der von der Rechtsprechung vorgesehene Ausnahmefall anzunehmen sei. Wenn der Erstkläger im Zeitpunkt der Aufkündigung zwar keinen Vertrag gehabt habe, habe er doch kurz darauf wieder eine gut bezahlte Stellung als Fußballtrainer erlangt, so daß davon ausgegangen werden könne, daß er auch in Zukunft gleichwertige Arbeit finden werde. Auf die nach der Zustellung der Aufkündigung eingetretenen Änderungen der Verhältnisse (Annahme eines Engagements in Griechenland) sei nicht einzugehen gewesen.
Die dagegen von den Klägern erhobene Revision ist - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - zulässig, weil zu der Frage, ob ein weit über dem Durchschnitt liegendes Einkommen des Vermieters einer Eigentumswohnung die Kündigung wegen Eigenbedarfs ausschließt, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht; sie ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Aus der wörtlichen Übernahme des Kündigungstatbestandes des § 19 Abs 2 Z 5 MG in § 30 Abs 2 Z 8 MRG hat der Oberste Gerichtshof gefolgert, daß die jahrzehntelange Auslegung der alten Bestimmung keine Bedenken des Gesetzgebers erweckt hat, der für das Erfordernis des dringenden Eigenbedarfs angelegte Maßstab daher trotz leichter Entspannung auf den Wohnungsmarkt nicht gelockert werden sollte (JBl 1985, 238; WoBl 1993/7 ua). Dagegen wurden in der Lehre erhebliche Bedenken erhoben (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 36 zu § 30 MRG; Call, In der Entscheidungsbesprechung zu WoBl 1993/7; Gimpel-Hinteregger, "Notstand" und Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfs nach § 30 Abs 2 Z 8 und Z 9 MRG in JBl 1988, 16 ff).
In den Entscheidungen MietSlg 41/19, WoBl 1993/7 und ecolex 1994, 160, welche ebenfalls Aufkündigungen von Eigentumswohnungen wegen Eigen- bedarfs des Vermieters betrafen, hat der Oberste Gerichtshof aus dem Grundsatz der freien Verfügbarkeit des Eigentums, der nur dort zum Tragen kommt, wo entgegenstehende Bestimmungen, wie etwa die Kündigungsbeschränkungen des MRG, eine Ausnahme verfügen, abgeleitet, daß aus der Einschränkung der Eigenbedarfskündigung auf den Fall der unbedingten Notwendigkeit noch nicht abgeleitet werden darf, daß der Vermieter (oder dessen Nachkommen) zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses grundsätzlich auf eine nicht in seinem Eigentum stehende Wohnmöglichkeit verwiesen werden muß. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Eigentümer einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses in erster Linie sein Eigentum zur Befriedigung seines eigenen Wohnbedürfnisses heranziehen will und darf, zumal gerade § 30 Abs 2 Z 8 lit a und b MRG erkennen lassen, daß auch der Gesetzgeber die Absicht eines derartigen Eigentümers, den Wohnbedarf in seinem Einfamilienhaus oder in seiner Eigentumswohnung zu befriedigen, durch das Absehen von einer Interessenabwägung privilegiert hat. Damit hat der Gesetzgeber den in der Regel anzunehmenden Willen solcher Vermieter, zur Befriedigung ihres Wohnbedarfs ihr Eigentum heranzuziehen, besonders berücksichtigt. Eine Einschränkung des Verfügungsrechts des Eigentümers wurde nur durch die Beschränkung des Kündigungsrechts auf den Fall des Vorliegens eines dringenden Eigenbedarfs normiert. Der Vermieter eines Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung, der über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfügt, darf daher im allgemeinen mit seiner Eigenbedarfskündigung nicht schon deshalb auf die Möglichkeit der Beschaffung einer Wohnung in einem nicht ihm gehörigen Haus verwiesen werden, weil er im Hinblick auf seine finanzielle Lage in der Lage wäre, sich eine solche Wohnung zu beschaffen. In WoBl 1993/7 und MietSlg 41/19 wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf verwiesen, daß auch in Ansehung der finanziellen Lage eine Interessenabwägung zu unterbleiben hat. Diese Grundsätze wurden zuletzt in 1 Ob 507/95 aufrechterhalten.
Nach der zitierten Rechtsprechung soll aber eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Vermögen oder Einkommen des Vermieters so groß ist, daß der Gedanke des Notstandes durch die Rechtswirksamerklärung der Eigenbedarfskündigung ad absurdum geführt werden würde.
Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dem die Vermietung von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen gewonnenen Ergebnis wieder abzugehen. Verfügt der Vermieter in solchen Fällen über keine ausreichende Wohnmöglichkeit, ist daher dringender Eigenbedarf anzunehmen, auch wenn der Vermieter finanziell in der Lage wäre, sich auf dem Wohnungsmarkt eine andere Wohnmöglichkeit zu beschaffen. Dabei ist kein Unterschied zu machen, ob ihm das im konkreten Einzelfall (nur) durch eine Anmietung oder aber auch durch einen Ankauf möglich wäre. Die für die Bejahung des Kündigungsgrundes noch zulässige Grenze des Einkommens oder Vermögens des Vermieters darf nicht zu eng gezogen werden. Auch können keine allgemeinen Regeln für die Größe des Einkommens oder Vermögens angegeben werden, die die Kündigung wegen Eigenbedarfs ausschließen könnte. In jedem Fall muß eine vernünftige Relation zwischen dem Wert des Bestandobjekts und dem Einkommen und Vermögen des Vermieters beachtet werden. Ist das Bestandobjekt - wie hier - als Luxuseigentum zu erkennen, dann kann dem wegen Eigenbedarf kündigenden Bestandgeber auch ein weit über dem Durchschnitt liegendes Einkommen nicht schaden.
Im vorliegenden Fall ist bei der gebotenen vorsichtigen Betrachtungsweise von einem monatlichen Durchschnittseinkommen des Erstklägers von rund S 70.000,- netto auszugehen. Außer dem aufgekündigten Bestandobjekt und dem dazu erforderlichen Mobiliar stehen den Klägern keine nennenswerten Vermögenswerte zur Verfügung. Unter diesen Voraussetzungen kann daher noch nicht gesagt werden, daß die Rechtswirksamerklärung der Eigenbedarfskündigung den Gedanken des (Wohnungs-)Notstandes ad absurdum führen würde.
Daß der Erstkläger mit der Trainerstelle in der Schweiz auch seine Dienstwohnung aufgegeben hat, kann ihm nicht zum Verschulden gerechnet werden. Im übrigen hat aber das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, daß die Beklagte Selbstverschulden am Eigenbedarf gar nicht eingewendet hat. Daß der Erstkläger an eine andere Wohnung Anforderungen stellt, die dem vermieteten Reihenhaus entsprechen, kann den dringenden Eigenbedarf ebenfalls nicht in Zweifel ziehen.
Daher war der Revision Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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