OGH 1Ob507/95

OGH1Ob507/9525.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud R*****, ***** vertreten durch Dr.Michael Dick, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Ingrid L*****, ***** 2.) Waltraud L*****, ***** beide ***** beide vertreten durch Dr.Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgerichts vom 3.Oktober 1994, GZ 21 R 156/94-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 4.Jänner 1994, GZ 14 C 185/93-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 3.573,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 595,58 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin vermietete den beiden Beklagten ihre Vierzimmer-Eigentumswohnung samt Nebenräumen und Garagenabstellplatz in Salzburg ab 15.Juli 1985 unbefristet zu einem monatlichen Mietzins von 3.300 S. Die anläßlich des Vertragsabschlusses zwischen den Streitteilen bestehende Übereinstimmung darüber, daß die Klägerin die Wohnung bei Bedarf für ihre Kinder verfügbar bekommen sollte, wurde nicht schriftlich festgehalten (§ 30 Abs 2 Z 13 MRG).

Die Klägerin wohnt in Salzburg in einem Einfamilienhaus mit folgender Raumeinteilung: Im Untergeschoß (Keller) befindet sich ein Arbeitsraum (mit Waschmaschine und Trockner) und ein kleinerer Raum, worin nunmehr eine Schlafstelle für den 19jährigen, jüngeren Sohn der Klägerin eingerichtet ist, weil dieser verletzungsbedingt nicht Stiegensteigen kann. Tageslicht gelangt in diesen Raum nur durch den untersten Teil eines Fensters. Im Halbstock zwischen Untergeschoß und Erdgeschoß befindet sich ein Abstellraum. Das Erdgeschoß besteht aus einem Vorraum, aus dem etwa 25 m2 großen Wohnzimmer, einer Küche von etwa 9 m2, einer als Abstellraum verwendeten „Speis“ sowie einem kleinen Schuhraum mit Stellagen. Im Halbstock zwischen Erdgeschoß und 1.Obergeschoß besteht ein Badezimmer und ein WC. Das 1.Obergeschoß weist drei Räume auf: ein 16 m2 großer Raum dient der Klägerin und ihrem Lebensgefährten als Schlafzimmer, ein etwa 12 m2 großes Zimmer wird von der 13jährigen, an Epilepsie leidenden Tochter der Klägerin bewohnt, ein etwa 9 m2 großes Zimmer steht der zweiten, gleichfalls 13jährigen Tochter der Klägerin zur Verfügung. Im Halbstock zwischen 1. und 2.Obergeschoß gibt es wiederum ein Badezimmer und ein WC. Das 2.Obergeschoß besteht aus einem etwas größeren Zimmer, derzeit möbliert mit Schreibtisch und Bücherstellagen, und einem kleinen Mansardenzimmer mit abgeschrägten Wänden, möbliert mit Bett, Kasten und Schreibtisch. Letzteres Zimmer steht der Mutter der Klägerin zur Verfügung, die immer wieder tageweise aus Oberösterreich nach Salzburg kommt, um ihre an Epilepsie leidende Enkelin während der Berufstätigkeit der Klägerin zu betreuen. Die Häufigkeit und Dauer ihrer Aufenthalte im Hause der Klägerin richten sich nach dem Gesundheitszustand der Enkelin, betragen jedoch durchschnittlich je Monat etwa zehn Tage. Im Haus leben somit die Klägerin und ihr Lebensgefährte, ihre beiden 13jährigen Zwillingstöchter, ihr 19jähriger Sohn und rund zehn Tage im Monat ihre Mutter. Der ältere Sohn der Klägerin bewohnte zum Zeitpunkt der Kündigung gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und nunmehrigen Ehegattin das größere Zimmer im 2.Obergeschoß, mietete dann - während des Verfahrens - wegen der Beengtheit und der daraus resultierenden Probleme eine Wohnung, mußte jedoch dieses Mietverhältnis zum Ende Oktober 1993 auflösen, weil er mangels einer festen Anstellung zur Mietzinszahlung finanziell nicht in der Lage ist. Er wird daher mit seiner Gattin, die inzwischen ein Kind erwartet, wieder ins Haus der Klägerin einziehen und (wiederum) das größere Zimmer im 2.Obergeschoß bewohnen.

Nach einem erfolglosen Versuch der Klägerin im Jahr 1991, die Nettomiete zu erhöhen, teilte sie den Beklagten ihren Eigenbedarf an der Eigentumswohnung mit, worauf die Beklagten - jedenfalls die Zweitbeklagte - sich um eine andere Wohnung umsahen, jedoch auch beim Mieterschutzverband Informationen einholten. Daraufhin kündigte die Klägerin die Wohnung am 21.Jänner 1993 zum 31.Mai 1993 unter Geltendmachung des Kündigungsgrunds des § 30 Abs 2 Z 8 MRG mit der Begründung auf, sie benötige diese, gerade für eine solche Situation angekaufte Eigentumswohnung dringend für ihren älteren Sohn und dessen Lebensgefährtin bzw nunmehrige Ehegattin. Die Beklagten hätten diesen Kündigungsgrund mehrfach anerkannt.

Die Beklagten beantragten die Aufhebung der Kündigung als unwirksam, weil Unbequemlichkeit, beengte Verhältnisse oder finanzielle Engpässe keinen Eigenbedarf begründen könnten, die Deckung des behaupteten Eigenbedarfs auch durch Anmietung einer anderen Wohnung möglich sei und im übrigen der Bedarf durch eine andere Verteilung der vorhandenen Wohnfläche gedeckt werden müßte.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung vom 27.Jänner 1993 auf und wies das Räumungsbegehren ab, weil beim festgestellten Sachverhalt der von der Klägerin behauptete dringende Eigenbedarf iS des § 30 Abs 2 Z 8 MRG nicht nachgewiesen sei. Wenngleich die Wohnsituation der Klägerin und ihrer Familie zweifellos äußerst unbefriedigend und verbesserungsbedürftig sei und auch nach dem allgemeinen Verständnis wohl einen Eigenbedarf begründe, stelle sie doch nicht den an einem sehr strengen Maßstab zu messenden „Notstand“ dar, zumal eine Unbequemlichkeit und Beengtheit einen solchen nicht zu begründen vermöge. Die Rechtsprechung verlange von einem Vermieter, einen erhöhten Wohnbedarf - etwa infolge Familienzuwachses - durch eine andere Verteilung der vorhandenen Wohnflächen zu decken und damit, soweit möglich, einem allfälligen Notstand zu begegnen.

Das Berufungsgericht erklärte die Aufkündigung als wirksam und gab dem Räumungsbegehren statt; die ordentliche Revision ließ es zu. Der Sachverhalt sei in besonderer Weise dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagten bei Abschluß des Mietvertrags der Klägerin mündlich zugesagt hätten, die Wohnung bei Bedarf der Klägerin wiederum zu räumen, worauf sich diese - rechtlich sichtlich unerfahren - auch eingelassen habe. Daß eine Vierzimmer-Wohnung samt Nebenräumlichkeiten und Autoabstellplatz für eine Monatsmiete von 3.300 S für die bekanntermaßen angespannte Wohnungssituation in der Stadt Salzburg eine völlig unrealistisch günstige Gelegenheit für die Beklagten darstelle, bedürfe keiner weiteren Ausführungen. Es möge auch sein, daß für die nunmehr als Tagesmutter tätige Zweitbeklagte eine Vierzimmer-Wohnung einen durchaus bequemen Rahmen für die Abwicklung dieser Tätigkeit biete bzw daß dies in einer kleineren Wohnung mit mehr Schwierigkeiten verbunden wäre. Umsoweniger wäre es für das Berufungsgericht aber zu rechtfertigen, würde man auf unbestimmte Zeiten die Klägerin zu ihrer derzeitigen Wohnungssituation gleichsam „verdammen“. Daß das Bewohnen des beengten Einfamilienhauses der Klägerin durch (zeitweise) neun Personen bei den dort verfügbaren Räumlichkeiten in keiner Weise adäquat und zeitgemäß sei, bedürfe gleichfalls keiner detaillierteren Begründung. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin könne selbst eine Wohnung anmieten, um die Wohnsituation in ihrem Hause zu entspannen, ein Familienzuwachs sei mehr oder weniger ihre Angelegenheit, enthalte den Vorwurf eines selbst verschuldeten Eigenbedarfes. Ein solches Selbstverschulden sei aber nur dann anzunehmen, wenn der Vermieter schuldhaft eine Sachlage herbeiführe, die ihn zwinge, zur Deckung seines Eigenbedarfs zur Kündigung zu schreiten; sei es, daß er eine Gelegenheit, den eigenen Bedarf auf andere Weise als durch Kündigung zu befriedigen, versäumt (etwa durch Vergabe einer frei gewordenen Wohnung) oder in Kenntnis, daß ihm dann keine neue Unterkunft zur Verfügung stehe, eine Wohnung aufgegeben oder einem Dritten überlassen habe. Ein derartiges Verschulden sei aber jedenfalls dann zu verneinen, wenn, wie hier, der Bedarf erst nach der Vermietung einer Wohnung in einer derart krassen Form entstanden sei. Hier sei zum Zeitpunkt der Vermietung ein künftiger Eigenbedarf für Kinder- bzw Schwiegerkinder der Klägerin durch diese noch nicht absehbar gewesen, weil seit der Vermietung rund neun Jahre verflossen seien. Bei Einnahme des gegenteiligen Standpunkts würde man jeden Vermieter zwingen, eine auch in absehbarer Zeit nicht benötigte Wohnung vorsichtshalber jedenfalls freistehen zu lassen und damit dem Wohnungsmarkt zu entziehen, was keineswegs im Sinn des Gesetzes sein könne. Daß der ältere Sohn der Klägerin infolge Verlustes seines Arbeitsplatzes auch eine eigene Mietwohnung wiederum habe aufgeben müssen und gezwungen gewesen sei, trotz Streitigkeiten wegen der Beengtheit des Raumes wiederum im Haus der Klägerin einzuziehen, sei auch nicht dazu erfolgt, um den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs geltend machen zu können.

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 30 Abs 2 Z 8 MRG ist es als wichtiger Grund anzusehen, der den Vermieter zur Kündigung des Wohnungsmietvertrags berechtigt, wenn der Vermieter die gemieteten Wohnräume für sich selbst oder für Verwandte in absteigender Line - wie hier die Klägerin für ihren älteren Sohn - dringend benötigt, wobei zufolge lit. b leg.cit. bei einer vom Wohnungseigentümer nach Wohnungseigentumsbegründung vermieteten Eigentumswohnung - wie hier - die sonst vorzunehmende Interessenabwägung entfällt. Der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 8 MRG entspricht dem des § 19 Abs 2 Z 5 MG. Unterschiedlich ist nur der jeweils vorgesehene Entfall der Interessenabwägung. Unter dringendem Eigenbedarf ist nach bisheriger Rechtsprechung eine zumindest notstandsähnliche Situation zu verstehen, die nur dann zu bejahen sei, wenn das Wohnbedürfnis des Vermieters oder seiner begünstigten Verwandten jedenfalls nur so unzulänglich gedeckt ist, daß eine unabweisliche Notwendigkeit vorliege, diesen Mangel sobald als möglich zu beseitigen. Die wörtliche Übernahme des Kündigungstatbestands des § 19 Abs 2 Z 5 MG in die neue Regelung spricht nach der Judikatur für die Annahme, daß die jahrzehntelange Auslegung der alten Bestimmung - die sich an den tristen Verhältnissen der Kriegs-und Nachkriegszeit orientierte - weiter aufrechtzuerhalten sei, wäre es doch dem Gesetzgeber freigestanden, gegen diese Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffs etwas zu unternehmen, weshalb keine Anhaltspunkte für ein neues, den geänderten Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt entsprechendes Verständnis der Eigenbedarfsbestimmung vorliege. Der für das Erfordernis des dringenden Eigenbedarfs angelegte Maßstab dürfe daher trotz leichter Entspannung auf dem Wohnungsmarkt nicht gelockert werden (WoBl 1993/7 mit Anm von Call; MietSlg 31/19, 39.465; JBl 1985, 238 = MietSlg 36.435/23 ua), wenngleich recht unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden (vgl die bei Würth in Rummel 2, Rz 36 zu § 30 MRG angeführten Belegstellen). Gegen diese Rechtsauffassung bestehen erhebliche Bedenken der Lehre (Würth aaO Rz 36 zu § 30 MRG; Call in WoBl 1993, 17; Gimpel-Hinteregger, „Notstand“ und „Existenzgefährdung“ - Die Rechtsprechung des OGH zum Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfes nach § 30 Abs 2 Z 8 und Z 9 MRG in JBl 1988, 16 ff ua).

Hier wendeten die Beklagten ein, die Klägerin könne den behaupteten Eigenbedarf entweder a) durch Anmietung einer anderen Wohnung oder b) eine andere Verteilung der vorhandenen Wohnfläche in ihrem Enfamilienhaus decken. Beide Vorkehrungen können im vorliegenden Fall aber dem Eigenbedarf der Klägerin nicht genügen:

Zu a): Schon in den Entscheidungen 7 Ob 580/89 = MietSlg 41/19, 8 Ob 581/91 = WoBl 1993/7 mit Anm von Call und 6 Ob 637/93 = ecolex 1994, 160, die gleichfalls Aufkündigungen einer Eigentumswohnung wegen Eigenbedarfs des Vermieters zum Gegenstand hatten, hat der Oberste Gerichtshof eingehend dargelegt, daß nach wie vor im bürgerlichen Recht der im § 354 ABGB verankerte Grundsatz der freien Verfügbarkeit über das Eigentum gelte, der nur dort nicht zum Tragen komme, wo entgegenstehende Bestimmungen, wie etwa die Kündigungsbeschränkungen des MRG, eine Ausnahme verfügten. Wenn diese Bestimmungen die Eigenbedarfskündigung auf den Fall der unbedingten Notwendigkeit einschränkten, könne daraus noch nicht abgeleitet werden, daß der Vermieter (oder dessen Nachkommen) zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses grundsätzlich auf eine nicht in seinem Eigentum stehende Wohnmöglichkeit verwiesen werden müsse. Vielmehr sei davon auszugehen, daß der Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses mit Wohnung in erster Linie sein Eigentum zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses heranziehen wolle und dürfe. Gerade § 30 Abs 2 Z 8 lit b MRG lasse erkennen, daß auch der Gesetzgeber die Absicht einer Person, den Wohnbedarf in einer Eigentumswohnung zu befriedigen, dadurch privilegiere, daß er in solchen Fällen von einer Interessenabwägung absehe. Eigentumswohnungen würden regelmäßig zur Befriedigung des eigenen Wohnbedürfnisses gekauft; dies müsse bei Miethäusern nicht der Fall sein, weil die dort vorhandene Vielzahl von Wohnungen die Absicht einer Kapitalanlage ebenso nahelege wie die Absicht der Befriedigung des Wohnbedarfs. Der Gesetzgeber habe also den in der Regel anzunehmenden Willen des Vermieters, zur Befriedigung seines Wohnbedarfs sein Eigentum heranzuziehen, besonders berücksichtigt. Eine Einschränkung des Verfügungsrechts des Wohnungseigentümers habe er nur durch die Beschränkung des Kündigungsrechts auf den Fall des Vorliegens eines dringenden Eigenbedarfs normiert. Daraus folge, daß der Vermieter, der über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfüge, im allgemeinen mit seiner Eigenbedarfskündigung nicht schon deshalb auf die Möglichkeit der Beschaffung einer Wohnung in einem nicht ihm gehörigen Haus verwiesen werden dürfe, weil er finanziell in der Lage wäre, sich eine solche Wohnung zu beschaffen. Eine Interessenabwägung habe nämlich auch in Ansehung der finanziellen Lage zu entfallen (WoBl 1993/7; MietSlg 41/19). Auch der erkennende Senat teilt diese Grundsätze; davon mag eine Ausnahme gerechtfertigt sein, wenn das Einkommen oder Vermögen des Vermieters so groß ist, daß der Gedanke des Notstandes durch die Rechtswirksamerklärung der Eigenbedarfskündigung ad absurdum geführt werden würde (WoBl 1993/7; MietSlg 41/19). In dieser Richtung haben die Beklagten aber nichts vorgebracht, und es sind auch im Verfahren keine Anhaltspunkte hiefür hervorgekommen. Ist aber der Wohnungsnotstand insofern gegeben, als eine andere Möglichkeit nicht zur Verfügung steht, ist in der Regel das Tatbestandsmerkmal des „dringenden Eigenbedarfs“ erfüllt. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann nicht fraglich sein, daß der ältere Sohn der Klägerin einen dringenden Wohnbedarf iS des § 30 Abs 2 Z 8 MRG an der aufgekündigten Eigentumswohnung hat.

Zu b): Der dringende Eigenbedarf fehlt nach herrschender Rechtsprechung jedenfalls dann, wenn dem Bedarf des Vermieters durch eine entsprechende Neuverteilung der ihm zur Verfügung stehenden Räume abgeholfen werden kann (MietSlg 41/19, 36.436 uva). Auch der Bedarf wachsender Familien wurde in der Rechtsprechung schon mit der stereotypen Formel, er könne durch Neuverteilung vorhandener Räume behoben werden oder er sei nur auf Behebung von Unbequemlichkeiten gerichtet, abgetan. Nach Auffassung des erkennenden Senats reicht indes der bloße Hinweis auf die Möglichkeit einer Neuverteilung der vorhandenen Wohnräume allein nicht aus, um schon den Eigenbedarf des Vermieters verneinen zu können. Vielmehr muß nicht nur klar sein, wie diese neue Aufteilung konkret vorgenommen werden kann, sondern es muß überdies nach einer solchen Neuverteilung für den Vermieter und seine allfälligen Mitbewohner ein menschenwürdiges Wohnen möglich sein, mag auch im Einzelfall nicht immer ein durchschnittlicher neuzeitlicher Wohnungsstandard erreicht werden können. So gewiß es in Notzeiten notwendig sein kann, daß auch mehrköpfige Familien in einem relativ kleinen Raum zusammen wohnen, so wenig einsichtig ist es, warum 50 Jahre nach Kriegsende und ungeachtet des Wiederaufbaus Wertungen aus Notzeiten uneingeschränkt Anwendung finden sollten. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen (MietSlg 42.344 = WoBl 1991/12; MietSlg 41/19, 40.468) ausgesprochen, bei der Frage nach der Befriedigung des Eigenbedarfs durch Neuverteilung vorhandener Räume sei nicht in kleinlicher Weise der Nachkriegsstandard zugrundezulegen. Nach der Entscheidung MietSlg 42.344 könne mit zwei der Neuverteilung zuführbaren Zimmern (im Ausmaß von 20 m2 und 10 m2) der zusätzliche Wohnbedarf eines zukünftigen Ehepaars nicht gedeckt werden. Der Hinweis der Rechtsmittelwerber auf die Entscheidung 2 Ob 528/94 = WoBl 1994/24, 147 geht deshalb fehl, weil dort der Oberste Gerichtshof zur Frage des Eigenbedarfs nur in der Form Stellung nahm, die Rechtsauffassung der ersten Instanz sei richtig und von der Vermieterin in der Berufung nicht bekämpft worden. Ausgehend von den dargestellten Wertungen der jüngsten Rechtsprechung kann nicht gesagt werden, daß die Klägerin den Eigenbedarf für ihren älteren Sohn, dessen Frau und dessen - bezogen auf den Zeitpunkt der Aufkündigung mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit und somit nicht als bloß vage Zukunftsperspektive (MietSlg 42.346, 39.465; 6 Ob 562/94) zu erwartendes - Kind durch eine andere Verteilung der vorhandenen Wohnflächen decken könne, zumal doch der jüngere Sohn der Klägerin nur derzeit im Keller schläft („Schlafstätte eingerichtet“) und eine der beiden Zwillingsschwestern zumindest zeitweise einer Pflegeperson bedarf (vgl Würth-Zingher 19 Rz 47 zu § 30 MRG). Damit ist derzeit in Wahrheit kein einziges Zimmer frei; auch die Beklagten können nicht aufzeigen, durch welche Aufteilung der vorhandenen Räume im Einfamilienhaus der Klägerin - ohne kleinlicher Anwendung des Nachkriegsstandards - noch eine dreiköpfige junge Familie menschenwürdig untergebracht werden könnte.

Auch den Einwand der Beklagten, der Eigenbedarf sei selbstverschuldet, hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Selbstverschulden am Eigenbedarf, der einer erfolgreichen Kündigung entgegenstünde, ist dann anzunehmen, wenn der Vermieter schuldhaft eine Sachlage herbeiführt, die ihn zwingt, zur Deckung seines Eigenbedarfs zur Kündigung zu schreiten. Wird die wegen Eigenbedarfs aufgekündigte Wohnung für einen Dritten benötigt, richtet sich ein allfälliges Selbstverschulden nach den Verhältnissen des Deszendenten (WoBl 1993/7; SZ 31/34 = JBl 1958, 511 = MietSlg 6.557 = ImmZ 1958, 341). Die Behauptungs- und Beweislast für ein derartiges Verschulden trifft den Mieter (WoBl 1993/7; Miet-Slg 37.451 ua; Würth aaO Rz 37 zu § 30 MRG mwN). Die Beklagten ist der Beweis eines derartiges Verschulden des älteren Sohns der Klägerin nicht gelungen, zumal doch der Bedarf an der vermieteten Wohnung erst Jahre nach ihrer Vermietung entstanden ist (WoBl 1993/7; MietSlg 38.476; 6 Ob 637/93 = ecolex 1994, 160 ua; Würth aaO Rz 37 zu § 30 MRG; Würth-Zingher aaO Rz 48 zu § 30 MRG). Daß die Rückkehr des älteren Sohns in das Einfamilienhaus der Klägerin selbstverschuldet sei, stellt eine unzulässige Neuerung dar. Die zweite Instanz hat damit zutreffend das Vorliegen des Kündigungsgrunds des § 30 Abs 2 Z 8 MRG bejaht.

Auf die - entgegen § 30 Abs 2 Z 13 MRG - bloß mündliche Vereinbarung der Streitteile bei Abschluß des Mietvertrags, der Klägerin werde die vermietete Wohnung bei Bedarf für ihre Kinder verfügbar gehalten werden, muß damit nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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