OGH 8ObA2063/96g

OGH8ObA2063/96g23.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Reg.Rat Theodor Kubak und Norbert Kunc als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der I***** AG, ***** vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden Peter M*****, dieser vertreten durch Dr.Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei I***** AG, ***** vertreten durch Direktor Dr.Michael A*****, dieser vertreten durch Dr.Arnold, Rechtsanwalts - Kommandit - Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert S 51.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Jänner 1996, GZ 8 Ra 136/95-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Juni 1995, GZ 18 Cga 245/93t-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung wird zurückgewiesen.

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten (darin S 811,84 USt) des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Angestelltenbetriebsrat der beklagten Partei begehrt die Feststellung, daß die Arbeitszeitverkürzung gemäß § 6 des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie (im folgenden: KVABB) ab 1.5.1993 auf die Dienstverhältnisse der Angestellten, die bis zum 20.7.1993 eingetreten sind, Anwendung zu finden habe und brachte vor, daß mit den etwa 90 als Angestellten bei der beklagten Partei Beschäftigten jeweils bei Beginn des Dienstverhältnisses die Anwendung des KVABB in der jeweils geltenden Fassung vereinbart worden sei. Dieser Kollektivvertrag habe bis zum 30.4.1993 eine Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden vorgesehen. Ab 1.5.1993 sei die wöchentliche Normalarbeitszeit im KVABB auf 39 Stunden bei vollem Gehaltsausgleich gekürzt worden. Im Betrieb der beklagten Partei gebe es seit September 1989 eine Arbeitszeitbetriebsvereinbarung, welche jedoch lediglich die Ein- und Durchführung der Gleitarbeitszeit und nicht die Arbeitszeit an sich regle. Es komme daher jeweils aufgrund von Einzelvereinbarungen die in KVABB festgelegte wöchentliche Normalarbeitszeit von 39 Stunden zur Anwendung.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und brachte vor, daß ein Teil der Arbeitnehmer über Dienstzettel verfüge, die folgenden Passus enthielten:

"Abgesehen von den in Punkt 4) und 5) angeführten Sonderregelungen und den in der jeweils gültigen Betriebsvereinbarung festgelegten Bestimmungen gilt das Angestelltengesetz BGBl Nr 292/1921 oder die allfällig für den Angestellten günstigere Regelung des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe ("Kollektivvertrag"), beides in der jeweils geltenden Fassung."

Aufgrund dieser einzelvertraglichen Verein- barung komme der KVABB nur beschränkt zur Anwendung und zwar nur in den Bereichen, welche weder durch

In der Betriebsvereinbarung-Arbeitszeitregelung seien jedoch die monatliche Arbeitszeit, Normalarbeitszeit eindeutig geregelt und die 40-Stunden-Woche ausdrücklich vereinbart. Dadurch seien auch diesbezüglich die Einzelarbeitsverträge geändert worden. Es bestehe daher kein einzelvertraglicher Anspruch auf Verkürzung der Arbeitszeit. Ein anderer Teil der Angestellten verfüge über einen älteren Dienstzettel, in dem der entsprechende Passus laute:

"Abgesehen von den in Punkt 4) angeführten Sonderregelungen gilt das Angestelltengesetz, BGBl Nr 292/1921 oder die allfällig für den Angestellten günstigere Regelung des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe ("Kollektivvertrag"), beides in der jeweils geltenden Fassung."

Auch für diese Fälle habe jedoch die Betriebsvereinbarung eine Festschreibung der Normalarbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich gebracht, da der Betriebsrat mit Vollmacht (auch) dieser Arbeitnehmer verhandelt habe.

Die klagende Partei replizierte darauf, daß dieser Punkt des jeweiligen Dienstzettels eine Vereinbarung nach dem Günstigkeitsprinzip enthalte, und der KVABB dann zu gelten habe, wenn darin eine für die Dienstnehmer günstigere Reglung als in den anderen angeführten Rechtsgrundlagen enthalten sei.

Unstrittig blieb, daß auf die Dienstverhältnisse der Angestellten der beklagten Partei grundsätzlich kein Kollektivvertrag Anwendung findet und, daß die wöchentliche Normalarbeitszeit in KVABB mit Wirkung ab 1.5.1993 von 40 auf 39 Stunden bei vollem Gehaltsausgleich verkürzt wurde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - in einer über dieses hinausgehenden Form (es fehlt die Einschränkung hinsichtlich der bis 20. Juli 1993 eingetretenen Angestellten) - Folge, indem es feststellte:

"Die mit 1.5.1993 wirksame Arbeitszeitver- kürzung gemäß § 6 des KVABB ist auf die Dienstverhältnisse derjenigen Angestellten der Beklagten anwendbar, mit denen folgender Vertragsinhalt vereinbart wurde: "Abgesehen von den Sonderregelungen gilt die allfällig für den Angestellten günstigere Regelung des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie in der jeweils geltenden Fassung.""

Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Bei der beklagten Partei sind jedenfalls mehr als drei Arbeitnehmer von der Arbeitszeitverkürzung laut KVABB betroffen. Zwischen dem Vorstand der Beklagten und dem Angestelltenbetriebsrat der Beklagten wurde am 31.10.1989 eine Betriebsvereinbarung, welche mit "Betriebsvereinbarung/Arbeitszeitregelung" übertitelt ist, abgeschlossen. Die Betriebsvereinbarung gliedert sich in folgende Punkte:

I) Geltungsbereich, Verfahrensbestimmungen

II) Arbeitszeit

III) Zeiterfassung-Zeitnachweis

IV) gleitende Arbeitszeit

V) Überstundenarbeit

VI) Diensteinteilung

In Punkt I.3. heißt es:

"Freistellungsansprüche:

Ansprüche auf Freistellung von der Arbeitsleistung bei Fortzahlung des Entgelts (bezahlte Absenzen) gemäß Gesetz und derzeit gültigem Kollektivvertrag für Angestellte im Baugewerbe werden durch die Betriebsvereinbarung nur gemäß Abschnitt II), Punkt 5), berührt."

Unter Punkt II.5) heißt es:

"Absenzen:

Detailfestlegungen erfolgen noch."

In der Anlage zur Betriebsvereinbarung, datiert mit 25.9.1990, wird für die Frage, ob eine Absenz vorliegt, für die eine Entlohnung zusteht, in erster Linie auf die Bestimmungen des KVABB verwiesen.

Punkt II.1) lautet:

"monatliche Arbeitszeit, Normalarbeitszeit.

Die monatliche Arbeitszeit beträgt 8 Stunden x Anzahl der Arbeitstage (d.h. Montag bis Freitag abzüglich Feiertage) im jeweiligen Kalendermonat.

Die Normalarbeitszeit der 40-Stunden-Woche ist einschließlich Pausen:

Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr.

...".

Der Punkt IV) regelt unter der Überschrift "Gleitende Arbeitszeit" Durchrechnungszeitraum, Kernzeit, Gleitzeitspannen/-rahmen, Gleitzeitguthaben, Gleitzeitschuld, individuellen Zeitausgleich, Zuordnung von Überstunden und Gleitzeitsaldo bei Beendigung des Dienstverhältnisses.

Unter Punkt VI.1) ("Diensteinteilung") heißt es wiederum:

"...

Bei Diensteinteilung gilt als Normalarbeitszeit die 40-Stunden-Woche einschließlich Pause

Montag bis Sonntag von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr an 5 von 7 Tagen der Kalenderwoche ...".

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß durch die Betriebsvereinbarung lediglich die Tagesarbeitszeit im Hinblick auf den nunmehr fast ausschließlich gegebenen Veranstaltungscharakter des Unternehmens flexibel gestaltet werden sollte. Keinesfalls habe jedoch damit die 40-Stunden-Woche festgeschrieben werden sollen, es sei lediglich die Gleitarbeitszeit eingeführt worden. Im Verhältnis zwischen Betriebsvereinbarung und Einzelarbeitsvertrag gelte das Günstigkeitsprinzip. Aufgrund und im Rahmen des Günstigkeitsprinzips könne auch die Anwendung eines "fremden" (d.h. nicht nach § 11 ArbVG normativ wirkenden) Kollektivvertrages einzelvertraglich vereinbart werden. In diesem Sinn könnten einzelvertraglich vereinbarte Kollektivvertragsbestimmungen nach Maßgabe der Günstigkeit Inhalt einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend sei bei der Auslegung der Betriebsvereinbarung, daß die Parteien den Fall, daß die Arbeitszeitregelung des rechtswirksam individualvertraglich vereinbarten Kollektivvertrages und die Arbeitszeitregelung nach Betriebsvereinbarung auseinanderlaufen könnten, nicht bedacht hätten. Die Betriebsvereinbarung/Arbeitszeitregelung könne nicht als gleich günstig wie die Einzelvereinbarung angesehen werden, da die Einzelvereinbarung den KVABB in der jeweils geltenden Fassung zu Grunde lege. Da zweifelsfrei aus dem Urteilsantrag und dem Vorbringen erkennbar sei, daß für die Anwendung der "unbestrittenen" Arbeitszeitverkürzung gemäß § 6 des KVABB auf jene Angestellten abgestellt werde, denen die Anwendung dieses Kollektivvertrages einzelvertraglich zugesichert wurde, jedoch mangels Außerstreitstellung ohne aufwendiges Beweisverfahren nicht geklärt werden könne, ob dies, wie im Urteilsantrag behauptet, für alle Angestellten zutreffe, die bis zum 20.7.1993 eingetreten seien, könne ohne Verletzung des Verbotes des Mehrzuspruches der Urteilsausspruch modifiziert werden.

Das Berufungsgericht ergänzte das Beweisverfahren durch die Feststellung des unterschiedlichen Wortlautes der bei der beklagten Partei verwendeten Dienstzettel:

Ein Teil der Angestellten der beklagten Partei verfügt über einen Dienstzettel folgenden Inhalts: "Abgesehen von den in Punkt 4) angeführten Sonderregelungen gilt das Angestelltengesetz, BGBl Nr 292/1921, oder die allfällig für den Angestellten günstigere Regelung des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe ("Kollektivvertrag") beides in der jeweils geltenden Fassung."

Ein anderer Teil der Angestellten verfügt über einen Dienstzettel folgenden Inhalts: "Abgesehen von den in Punkt 4) und 5) der angeführten Betriebsvereinbarung festgelegten Bestimmungen gilt das Angestelltengesetz BGBl Nr 292/1921 oder die allfällig für den Angestellten günstigere Regelung des Kollektivvertrages der Angestellten der Baugewerbe ("Kollektivvertrag"), beides in der jeweils geltenden Fassung."

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge, indem es das Urteil erster Instanz mit der Maßgabe bestätigte, daß es zu lauten habe:

"Zwischen den Streitteilen wird festgestellt, daß die Arbeitszeitverkürzung gemäß § 6 des Kollektivvertrages für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie in der Fassung am 1.5.1992 ab 1.5.1993 auf die Dienstverhältnisse der Angestellten, die bis zum 20.7.1993 eingetreten sind, Anwendung zu finden hat."

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, es sei vom Vorliegen einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung im Sinne des § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG auszugehen. Bei der Auslegung der Betriebsvereinbarung vom 31.10.1989 sei nur vom objektiven Sinn des Normtextes gemäß den § 6 ff ABGB auszugehen. Es sei dabei nicht auf den subjektiven Willen des Normgebers abzustellen. Die Normadressaten hätten an der Erzeugung der Norm zumindest nicht unmittelbar mitgewirkt. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß der Betriebsrat, der mit dem Betriebsinhaber die Vereinbarung abschließe, gesetzlicher Vertreter der Belegschaft des Betriebes sei. Maßgebend sei nur der für den Normadressaten aus dem Vertragstext objektiv erkennbare Wille des Normsetzers. Die Normadressaten, denen nur der Text der Betriebsvereinbarung zur Verfügung stehe, müßten sich darauf verlassen können, daß die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden habe. In erster Linie sei daher der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Absicht der Parteien zu berücksichtigen (Kuderna, Die Auslegung kollektivrechtlicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, DRdA 1975, 161, 167 und 169). Im vorliegenden Fall falle bei der Systematik der Betriebsvereinbarung und derer Inhaltsübersicht auf, daß sie sich in mehrere Kapitel gliedere. Wenn die Betriebsvereinbarung auch den Regelungsgegenstand mit "Regelung der Arbeitszeit bei Anwendung der Gleitarbeitszeit und eines Zeiterfassungssystems" bezeichne, sei doch nicht nur der Gleitzeit und der Zeiterfassung, sondern voran der Arbeitszeit ein eigenes, umfassendes Kapitel gewidmet. In diesem Kapitel sei klar und deutlich der 8-Stunden-Tag (Montag bis Freitag) und sich daraus errechnend die 40-Stunden-Woche festgelegt. Zur Einführung der Gleitarbeitszeit wie auch des Zeiterfassungssystems wären diese Ausführungen verzichtbar. Gemäß § 4 b Abs 3 Z 4 AZG habe eine Gleitzeitvereinbarung die Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit zu enthalten; diese Bestimmung sei jedoch erst 1994 eingeführt worden und könne daher für die Auslegung der vorliegenden Betriebsvereinbarung keine Aufschlüsse bringen. Die konkrete Anführung der Normalarbeitszeit könne also nicht mit einer schlichten Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung begründet werden. Mit dem Ergebnis, daß aufgrund der Betriebsvereinbarung die 40-Stunden-Woche festgeschrieben sei, sei jedoch noch nichts gewonnen. Es bleibe noch zu prüfen, ob nach dem Inhalt der Dienstzettel eine bedingte Anwendung der Kollektivvertragsregel auf Basis der Einzelarbeitsverträge, wie dies die beklagte Partei behaupte, oder das Günstigkeitsprinzip, wie dies die klagende Partei behaupte, zum Tragen komme. Dienstzettel seien schriftliche Aufzeichnungen des Dienstgebers über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Dienstvertrag. Aus der Formulierung der Dienstzettel sei jedoch nicht eindeutig erkennbar, ob die Regelung des KVABB bedingt nur für den Fall anzuwenden sei, daß nicht eine andere angeführte Norm Regelungen vorsehe, oder ob ein Günstigkeitsvergleich darüber entscheide, welche Regelung zur Anwendung komme. § 915 ABGB sehe für diesen Fall vor, daß eine undeutliche Äußerung zum Nachteil desjenigen wirke, der sich ihrer bedient habe, sodaß die Dienstzettel so auszulegen seien, daß das Günstigkeitsprinzip vereinbart sei. Damit ergebe sich eine Normalarbeitszeit von 39 Stunden je Woche hinsichtlich aller Angestellten, ungeachtet der unterschiedlichen Formulierungen der Dienstzettel.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, eine mündliche Revisionsverhandlung anzuberaumen und sodann das Urteil im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Mängelrüge wendet sich die beklagte Partei dagegen, daß Feststellungen über die dem Kollektivvertrag im Rang vorausgehenden Regelungen und ebenso darüber unterblieben seien, daß anläßlich der auf die 40-Stunden-Woche abstellenden Betriebsvereinbarung neue Dienstzettel verwendet worden seien. Aus diesen neuen Dienstzetteln ergebe sich der Vorrang der Betriebsvereinbarung hinsichtlich des Ausmaßes der wöchentlichen Arbeitszeit. In der Rechtsrüge führt die beklagte Partei aus, die Anwendung der "Unklarheitenregel" des § 915 zweiter Halbsatz ABGB zu Lasten der beklagten Partei sei verfehlt, vielmehr sollte die Regelung der Betriebsvereinbarung über die 40-Stunden-Woche den Regelungen des KVABB vorgehen. Dieser nur paktierte Kollektivvertrag werde durch die vorrangige Bestimmung in der Betriebsvereinbarung verdrängt. Vertrauenstheoretisch sei durch die vorrangige Anwendung der Betriebsvereinbarung die subsidiär vereinbarte Anwendung des Kollektivvertrages insoweit nicht anwendbar, zumal die Absicht des Vorstandes bei den Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung, "daß eine Arbeitszeitverkürzung nicht drinnen sei", deutlich erkennbar gewesen sei. Wegen der subsidiären Anwendung des paktierten Kollektivvertrages gegenüber der Betriebsvereinbarung wirke sich die kollektivvertragliche Arbeitszeitverkürzung für die Angestellten der beklagten Parteien nicht aus. Schließlich sei der Arbeitsvertrag maßgeblich und nicht der Inhalt des Dienstzettels.

Die gemäß § 46 Abs 3 Z 2 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Die Rechtsnatur der Betriebsvereinbarung vom 31.10.1989 ist in ihrem Verhältnis einerseits zum (teilweise) paktierten Kollektivvertrag, andererseits zu den Einzelarbeitsverträgen der Angestellten, zu untersuchen.

Das Ausmaß der Normalarbeitszeit wird vorrangig durch das Arbeitszeitgesetz (§ 3 AZG) und durch Kollektivverträge im Rahmen von Inhaltsnormen (§ 2 Abs 2 Z 2 ArbVG) bestimmt (Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht5, 379). Durch erzwingbare Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG kann eine Regelung über die "generelle Festsetzung des Beginnes und Endes der täglichen Arbeitszeit, der Dauer und Lage der Arbeitspausen und der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage erfolgen". Diese Bestimmung legitimiert die Partner einer Betriebsvereinbarung nicht zu einer allgemeinen Verkürzung (oder Verlängerung) der Normalarbeitszeit; die Regelungsbefugnis hinsichtlich der Dauer bezieht sich nur auf die Arbeitspausen, nicht auf das Gesamtausmaß der wöchentlichen Normalarbeitszeit. Das Zwischenergebnis, daß eine Betriebsvereinbarung kein geeignetes Instrument für die Regelung der Normalarbeitszeit ist, wird durch den Vergleich mit der Ermächtigung zur falkultativen Betriebsvereinbarung über die Anordnung der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit (§ 97 Abs 2 Z 13 ArbVG) bestätigt (vgl auch Schrammel, Betriebsvereinbarungen über die Arbeitszeit in Tomandl, Herausgeber, Probleme des Einsatzes von Betriebsvereinbarungen, 29, 31 ff; Grillberger AZG 35). Soferne also durch Betriebsvereinbarung eine Regelung über die wöchentliche Normalarbeitszeit erfolgt sein sollte, wäre sie insoweit als "freie Betriebsvereinbarung" anzusehen, weil sie sich für diesen Regelungsgegenstand nicht auf das Gesetz oder den Kollektivvertrag (§ 29 ArbVG) berufen könnte.

Der Betriebsvereinbarung vom 31.10.1989 kommt hinsichtlich des Abschnittes, der die 40-Stunden-Woche zum Gegenstand hat, keine normative Wirkung im Sinne des § 31 Abs 1 ArbVG zu. Eine normativ wirkende Betriebsvereinbarung könnte günstigere Einzelvereinbarungen gemäß § 31 Abs 3 ArbVG nicht ausschließen (das für Kollektivverträge zulässige Ordnungsprinzip gemäß § 3 Abs 1 ArbVG hat in § 31 ArbVG hinsichtlich der Betriebsvereinbarungen keine Entsprechung). Soferne also in der Betriebsvereinbarung vom 31.10.1989 die Erwähnung der 40-Stunden-Woche nicht nur als deklarative Wiederholung des durch andere Bestimmungsgründe geregelten Rechtszustandes - im Falle einer Einzelvereinbarung wäre dies nur als Wissenserklärung zu beurteilen - zu verstehen ist, sodaß ihr insoweit keine eigenständige normative Bedeutung zukommt (vgl zum "Hinweis auf eine bestehende Rechtslage" in Kollektivverträgen 9 Ob A 96/94 = ARD 4579/8/94), käme lediglich die Auslegung einer freien Betriebsvereinbarung in Betracht.

Unbestritten gilt der KVABB hinsichtlich seiner Regelung über die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht kraft der Normwirkung seines Geltungsbereiches, sondern durch die in den Einzelarbeitsverträgen enthaltene Verweisung (vgl Arb 9914). Einen Kollektivvertrag käme gegenüber einer Betriebsvereinbarung der Vorrang nur zufolge seiner Normwirkung (§ 11 Abs 1 ArbVG) zu; im Falle einer Verweisung in den Einzelvereinbarungen bedarf es zusätzlich einer Auslegung dieser Einzelvereinbarung. Die Verweisung auf die Wochenarbeitszeit im KVABB kann als statische oder dynamische Verweisung ausgelegt werden. Der erkennbaren Entwicklungstendenz des Arbeitsrechtes im allgemeinen (vgl dazu Arb 9520 = ZAS 1978/3, 22 = SozM I A b 105) und die des Arbeitszeitgesetzes im besonderen geht in die Richtung fortschreitender Verkürzung der Normalarbeitszeit (vgl dazu § 3 Abs 2 AZG zum kollektivvertragsdispositiven Lohnausgleich). Dem entspricht die gerichtsbekannte Entwicklung der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung durch Kollektivverträge in Österreich (insb Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden mit Wirkung vom 1.November 1986 in der eisen- und metallerzeugenden und verarbeitenden Industrie mit entsprechender "Leitfunktion" für die übrigen Branchen; vgl Sozialpolitik und Arbeitsrecht 1986 Folge 2, 1 ff; im Bereich des graphischen Gewerbes 38 Stundenwoche schon ab 1.April 1984). Dem wird nur eine Auslegung der Verweisung im Sinne einer dynamischen Verweisung auf das jeweilige Ausmaß der Normalarbeitszeit im verwiesenen Kollektivvertrag gerecht. Demgegenüber wäre es verfehlt, den als "freie Betriebsvereinbarung" zu deutenden Teil der Betriebsvereinbarung über das Ausmaß der wöchentlichen Normalarbeitszeit als statische Festschreibung einer 40-Stunden-Woche zu verstehen. Nicht nur, daß freie Betriebsvereinbarungen als Verträge zugunsten Dritter nur dann sinnvoll sind, wenn dadurch eine Verbesserung der Ansprüche der "begünstigten" Arbeitnehmer bewirkt werden soll, kehrte sich die Wirkung in einen Vertrag zu Lasten Dritter, würde durch die freie Betriebsvereinbarung im Falle einer Verkürzung der Normalarbeitszeit im verwiesenen Kollektivvertrag die Verweisung gerade für diese Fälle eingeschränkt werden. Dazu kommt noch, daß - unter der Annahme, der klagende Betriebsrat hätte bei Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 31.Oktober 1989 aufgrund von Einzelvollmachten der betroffenen Arbeitnehmer über seine betriebsverfassungsrechtliche Legitimation zum Abschluß von zulässigen Betriebsvereinbarungen hinaus auch rechtsgeschäftlich zum Nachteil der Vollmachtgeber handeln können - die Betriebsvereinbarung hätte anders formuliert werden müssen, etwa daß die 40-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit unabhängig vom verwiesenen Kollektivvertrag und auch für künftige Arbeits- zeitverkürzungen in diesem Kollektivvertrag jedenfalls gelten solle. Die Änderungen der Formulierungen der Betriebsvereinbarung gegenüber dem Entwurf vom August 1987 (Kündigungsmöglichkeit "soferne durch den Kollektivvertrag die Arbeitszeit betroffen ist" bzw die wöchentliche Arbeitszeit beträgt derzeit 40 Stunden", vgl AS 107 f = S 25 f des Urteils erster Instanz) sowie die Ablehnung einer Arbeitszeitverkürzung durch den Vorstand der beklagten Partei im Jahre 1989, steht dem Verständnis der Verweisung als dynamische Verweisung im Jahr 1993 nicht entgegen. Wenn auch der verwiesene Kollektivvertrag der allgemeinen Tendenz der Arbeitszeitverkürzung - ohnedies nur in geringerem Ausmaß um eine Stunde, statt der überwiegend erfolgten Verkürzung um 1 1/2 Stunden - folgt, läßt sich dies auch für die Leitung eines auf Bundeszuschüsse angewiesenen Betriebes (vgl AS 107), so das Motiv der Ablehnung des Vorstandes im Jahr 1989, verantworten.

Aus diesen Erwägungen ist daher, ungeachtet der unterschiedlichen Formulierungen in den bei der beklagten Partei verwendeten Dienstzetteln, von einem Vorrang der dynamischen Verweisung auf den KVABB in den Einzelarbeitsverträgen gegenüber der Betriebsvereinbarung vom 31.Oktober 1989 auszugehen.

Auf die in der Mängelrüge aufgezeigten unterschiedlichen Formulierungen der Dienstzettel kommt es wegen der vorrangigen Wirkung der Verweisung auf den KVABB nicht an. Es ist der beklagten Partei zuzugeben, daß die Wirkung der Verweisung sich auf die Einzelarbeitsverträge und nicht (nur) auf die Dienstzettel gründen kann. Der Dienstzettel ist lediglich eine einseitige Wissenerklärung (Beweisurkunde) des Arbeitgebers über den Inhalt des Arbeitsvertrages. Es wurde zwar von der beklagten Partei behauptet, daß der Inhalt der Arbeitsverträge dahin gehe, daß für alle Arbeitnehmer nach wie vor die 40-Stunden-Woche gelte, doch ist dabei anscheinend Tatsachenvorbringen und Rechtsfolgenbehauptung vermengt worden. Hingegen wurde nicht behauptet, daß der Inhalt der von der beklagten Partei ausgestellten Dienstzettel mit den Verträgen nicht übereinstimme. Ungeachtet der strukturellen Unterschiede zwischen Dienstzettel und Arbeitsvertrag ist daher von der unwidersprochen gebliebenen Indizwirkung auszugehen, daß beide übereinstimmen.

Aus dem Umstand, daß die Valorisierung der Entgelte der bei der beklagten Partei beschäftigten Arbeitnehmer durch eine Verweisung auf die Bezüge der Bundesbediensteten erfolgt, kann wegen der unterschiedlichen Entwicklung von Arbeitszeitverkürzung und Valorisierung im Bereiche des öffentlichen und privaten Rechtes nicht darauf geschlossen werden, daß eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit nicht erfolgen dürfe. Der regelmäßigen Wochendienstzeit gemäß § 48 Abs 2 Beamten- Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) steht nunmehr (Bundesgesetz über eine einmalige Zahlung für den öffentlichen Dienst in den Jahren 1996 und 1997, Art 17 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl Nr 201) eine sich einer "Null-Lohn-Runde" annähernde Einmalzahlung gegenüber, sodaß aus der unterschiedlichen Valorisierung und Arbeitszeitentwicklung im Verhältnis von KVABB und öffentlichem Dienst kein Schluß auf die Auslegung der Betriebsvereinbarung von 1989 gezogen werden kann.

Die von der beklagten Partei vertretene Ansicht, mit der Arbeitszeitverkürzung müsse, sofern sie überhaupt gelte, eine entsprechende Entgeltkürzung einhergehen, ist unzutreffend. Das gesetzliche Modell der Arbeitsverkürzung sieht den "Lohnausgleich" vor, d.h. aus Anlaß der Arbeitszeitverkürzung darf das Entgelt der betroffenen Arbeitnehmer nicht gekürzt werden (§ 3 Abs 2 erster Satz AZG). Lediglich durch Kollektivvertrag kann eine andere Regelung des Lohnausgleiches vereinbart werden (§ 3 Abs 2 Schlußsatz AZG). Diese kollektivvertragsdispositive Abweichung geht aber im Falle der beklagten Partei ins Leere, da für die Arbeitnehmer der beklagten Partei eine andere Valorisierungsvereinbarung getroffen wurde. Bei Verweisung auf disparate Branchen des Arbeitsrechtes ist mit unterschiedlichen Entwickung zu rechnen. Die Erwartung, die Bezüge im öffentlichen Dienst und die Arbeitszeit in der Baubranche würden sich im Gleichtakt entwickeln, ist so unrealistisch, daß diese Erwartung als Geschäftsgrundlage einer Betriebsvereinbarung nicht in Betracht kommt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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