OGH 10ObS2068/96g

OGH10ObS2068/96g7.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Richard Warnung (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schleifer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert H*****, vertreten durch Dr.Christa-Maria Scheimpflug, Rechtsanwältin in Wien, als Verfahrenshelferin, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.November 1995, GZ 10 Rs 98/95-73, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Mai 1995, GZ 20 Cgs 199/93p-67, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 20.Februar 1990 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 20.Juli 1989 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension mangels Vorliegens von Invalidität abgelehnt. Mit der hiegegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Gewährung der Invaliditätspension ab dem durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag 1.August 1989.

Das Erstgericht gab er Klage - im dritten Rechtsgang, nachdem es in den beiden vorangegangenen das Klagebegehren jeweils abgewiesen hatte - statt und verpflichtete die beklagte Partei weiters zur Zahlung einer vorläufigen Leistung von S 5.000,-- monatlich. Es ging dabei - zusammengefaßt - von folgenden Feststellungen aus:

Der am 19.September 1936 geborene Kläger hat in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag, d.i. der Zeitraum 1.August 1974 bis 30.Juli 1989, unter Berücksichtigung in Deutschland erworbener Versicherungszeiten insgesamt 73 Beitragsmonate erworben, davon 37 in seinem erlernten Beruf als Metallschleifer und Galvaniseur. Ab dem Stichtag 1.August 1989 gilt folgendes Kalkül:

Alle leichten halbzeitig auch mittelschweren Arbeiten jeder Lage unter Einhaltung der üblichen Arbeitszeit und Pausen (zu ergänzen: sind möglich). Auszuschließen sind Arbeiten an exponierten Stellen sowie Tätigkeiten, die mit gehäuftem Bücken (mehr als 5 x pro Stunde) verbunden sind und Arbeiten in Zwangshaltung. Der Kläger muß die Möglichkeit haben, einen Lagewechsel vorzunehmen, er ist unterweisbar und kann eingeordnet werden; die Fingerfertigkeit für Feinarbeiten an der linken Hand ist auszuschließen. Eine Einschränkung der Anmarschwege besteht nicht.

Ab 1.April 1994 ist der Kläger imstande, leichte, halbzeitig auch mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne langes Gehen und Stehen, sowie ohne häufiges Bücken unter Ausschluß von exponierten Stellen und Arbeiten unter Nässe und Kälte und Vermeidung der Durchnässung und/oder Unterkühlung des Stammes und der Beine zu verrichten. Er muß die Möglichkeit haben, die Harnblase innerhalb eines Zeitraumes von 2 Stunden einmal zu entleeren. Auszuschließen ist weiters besonderer Zeitdruck.

Ab dem Stichtag ist er nicht mehr imstande, den von ihm erlernten Beruf auszuüben (Heben schwerer Werkstücke). Ab 1.Jänner 1994 ist er auch nicht mehr imstande, die von ihm durchgeführte Tätigkeit eines Bewachungsorgans bzw eines Industrieportiers durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, daß beim Kläger aufgrund der festgestellten 37 Beitragsmonate in seinem erlernten Beruf Galvaniseur und Metallschneider ein Überwiegen derselben (bezogen auf die festgestellten 73 Gesamtbeitragsmonate) im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG gegeben und damit Invalidität im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG zu bejahen sei. Ab 1.Jänner 1994 liege auch Invalidität im Sinne des § 255 Abs 4 ASVG vor.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der beklagten Partei, welche es bloß im Umfang der Invaliditätspensionsgewährung vom 1.August 1989 bis 31.Dezember 1993 anfocht, im Sinne einer Abweisung des auf diese Zeitspanne entfallenden Klagebegehrens ab. Nach Verlesung des Anstaltsaktes in der mündlichen Berufungsverhandlung stellte es ergänzend fest, daß - abweichend noch von seiner Rechtsmeinung im zweiten Rechtsgang - zufolge des Bezuges von Arbeitslosengeld vom 1. bis 19.Februar und vom 1. bis 17.August 1975 diese beiden Monate bereits gemäß § 231 Abs 1 lit a iVm § 227 Abs 1 Z 5 ASVG als Versicherungs(ersatz)monate zu werten seien, eine Zuzählung derselben als Resttage nach § 231 Z 1 lit b ASVG nicht in Frage komme und sich die Gesamtzahl der Beitragsmonate ausgehend vom Stichtag 1.August 1989 im Beobachtungszeitraum der letzten 15 Jahre somit auf 72 Monate reduziere, wovon der Kläger durch 36 Beitragsmonate den Beruf eines Metallschneiders und Galvaniseurs ausgeübt habe. Damit habe er diesen Beruf aber nicht überwiegend im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG ausgeübt, sodaß die Frage der Invalidität nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle zu beurteilen sei. Mit dem bis zum 30.März 1994 geltenden medizinischen Leistungskalkül habe der Kläger aber auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden können. Zum durch die Vollendung des 55. Lebensjahres am 19.September 1991 ausgelösten neuen Stichtag 1. Oktober 1991 habe noch die Bestimmung des § 255 Abs 4 ASVG idF der 39. Novelle gegolten.

Im Beobachtungszeitraum der letzten 15 Jahre vor diesem Stichtag (1.Oktober 1976 bis 30.September 1991) habe der Kläger nur 33 Beitragsmonate als Bewachungsmann und 25 Beitragsmonate als Metallschneider und Galvaniseur erworben, also die Tätigkeit als Bewachungsmann im Beobachtungszeitraum überwiegend ausgeübt. Diese Tätigkeit habe er aber jedenfalls bis zum 30.März 1994 noch ausüben können, weil die Einschränkung des Leistungskalküls, wonach er nur für Tätigkeiten überwiegend im Sitzen geeignet sei, erst ab dem 1. April 1994 gelte.

Ob die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab dem 1.1.1994 gerechtfertigt wäre, sei nicht zu prüfen, weil das Ersturteil für diesen Zeitraum unbekämpft geblieben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die hiegegen erhobene und von der beklagten Partei auch beantwortete Revision des Klägers ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionswerber macht zunächst (und schwerpunktmäßig) als Revisionsgrund unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung geltend. Dieser Rechtsmittelgrund ist im Revisionsverfahren an sich nicht vorgesehen (§ 503 ZPO); dem Obersten Gerichtshof ist damit die Überprüfung der Beweiswürdigung - auch in Sozialrechtssachen - entzogen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 503; MGA ZPO14 E 34 zu § 503; 10 Ob S 216/95). Allerdings ist - worauf der Revisionswerber grundsätzlich zutreffend hinweist - die (wie hier) in erster Instanz obsiegende Partei nicht genötigt, die ihr ungünstigen Feststellungen in der Berufungsbeantwortung oder in der Berufungsverhandlung zu bekämpfen, um diese Feststellungen sodann im Revisionsverfahren aufgreifen zu können (MGA ZPO14 E 6 zu § 468); die Bekämpfung im Revisionsverfahren setzt aber voraus, daß die Feststellung für die rechtliche Beurteilung relevant ist und das Berufungsgericht nicht ausgesprochen hat, daß es der Beweiswürdigung des Erstgerichtes jedenfalls beitrete (SSV-NF 5/112; E 7 aaO). Einen solchen Ausspruch hat das Berufungsgericht in seinem Berufungsurteil nicht vorgenommen. Eine derartige Beweisrüge erst in dritter Instanz könnte daher grundsätzlich zur Aufhebung des Berufungsurteiles wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens führen (Fasching IV 71 Anm 7; SZ 51/137; SSV-NF 5/112, 7/31, 10 Ob S 251/94).

Eine (zulässige und ordnungsgemäß ausgeführte) Beweisrüge muß jedoch nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung nicht nur erkennen lassen, welche konkreten Feststellungen des Erstgerichtes angefochten werden, sondern auch, welche Tatsachenfeststellungen aufgrund welcher Beweismittel bei richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären und aus welchen Erwägungen sich diese ergeben (EFSlg 46.676, MR 1988, 162, 3 Ob 561/94). Bestehende Unklarheiten gehen hiebei zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (vgl Rsp 1931/330). Zur Anfechtung der erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen genügt es also nicht, nur ganz allgemein und unsubstantiiert zu bemängeln, daß bestimmte Tatsachenfeststellungen unrichtig seien (Fasching, aaO 60 Anm 6). Genau dies trifft jedoch hier auf die in der Revision vom Kläger nachgeholte Beweisrüge zu. Im Revisionsschriftsatz werden nämlich bloß - chronologisch aneinandergereiht - Arbeitszeiten und Beitragsmonate aufgelistet, deren Daten und Zahlen von den Feststellungen der Vorinstanzen abweichen und so letztlich zu einer abweichenden Gesamtsumme führen. Woraus (nämlich aus welchen im Einzelnen vom Erstgericht in immerhin drei Rechtsgängen aufgenommenen Beweismitteln) sich diese gegenteiligen bzw abweichenden Feststellungen ergeben sollen, wird mit keinem Wort ausgeführt, sodaß die hier zwar zulässigerweise erst in der Revision erhobene Beweisrüge mangels gesetzmäßiger Ausführung unbeachtlich bleiben muß und daher auch nicht zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur inhaltlichen Behandlung derselben (einschließlich der in der Revisionsbeantwortung hiegegen ausführlich zur Darstellung gebrachten Gegenargumente) führen kann, weil nach dem Vorgesagten nur eine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge vom Berufungsgericht erledigt werden kann (3 Ob 561/94).

Soweit der Revisionswerber somit nicht nur für einzelne Zeiträume (Firma H***** 1.August 1974 bis 24.Jänner 1975: 6 statt 5; Firma A***** 21.Oktober 1985 bis 5.Jänner 1986: 3 statt 2; Firma S***** 11. August bis 7.September 1986: 2 statt 1; Firma F***** 21.August 1988 bis 8.Jänner 1989: 5 statt 4), sondern damit auch insgesamt von 77 (statt im Sinne der Korrektur des Berufungsgerichtes 72) Beitragsmonaten, hievon 44 (statt 36) als Metallschneider und Galvaniseur, ausgeht, weicht er - zusammenfassend - in unzulässiger Weise von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ab. Auch die Feststellung zur Beschäftigung als Bewachungsorgan bei der Firma Wach- und Schließgesellschaft muß demnach richtig vom 6.Februar 1979 bis 4.Mai 1980 (und nicht, wie in der Revision ausgeführt, bloß bis zum 24.April 1980) lauten. Der erkennende Senat hat daher - ausgehend von diesen Erwägungen - als Rechts- und nicht Tatsacheninstanz von diesen für ihn bindend feststehenden Feststellungen der Vorinstanzen auszugehen und allein diese seiner rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen. Abschließend soll allerdings in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, daß der Kläger selbst noch in seiner Berufungsbeantwortung ausdrücklich alle vom Erstgericht wie vor festgestellten Beitragszeiten von 37 bzw 73 Beitragsmonaten als richtig bezeichnet und zugestanden hatte (Punkt 1. in ON 70), und daher seine nunmehrigen Revisionsausführungen insoweit mit seinem eigenen noch in zweiter Instanz zum Ausdruck gebrachten Standpunkt in einem offensichtlichen Widerspruch stehen.

Damit ist aber auch die Rechtsrüge des Revisionswerbers nicht gesetzmäßig ausgeführt, weicht er doch in unzulässiger Weise von den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ab und unterstellt für seine (abweichende) rechtliche Beurteilung einen nicht festgestellten Wunschsachverhalt, nämlich 44 (statt bloß 36) Beitragsmonate im angelernten Beruf als Galvaniseur und Metallschleifer, bezogen auf die Gesamtbetragsmonate von 77 (richtig bloß 72). Die Rechtsrüge muß damit aber vom Obersten Gerichtshof ebenfalls unbeachtet bleiben (SZ 41/68). Dem Rechtsmittelgericht ist es in einem solchen Fall verwehrt, die Rechtsfrage(n) zu erörtern, eine andere Rechtsansicht zu äußern und/oder deshalb die Sache etwa an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen (JBl 1958, 182). Inwieweit die vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht insoweit unbeanstandet übernommenen Feststellungen zum (medizinischen) Leistungskalkül ab 1.1.1994 einerseits (AS 319) bzw 1.4.1994 anderersetis (AS 315) miteinander in Widerspruch stehen bzw sich unter Umständen sogar überhaupt ausschließen, kann vom Obersten Gerichtshof in diesem Zusamenhang ebenfalls nur aufgezeigt, aber nicht inhaltlich einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden.

Aus all diesen Erwägungen konnte der Revision sohin keine Folge gegeben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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