OGH 7Ob2059/96m

OGH7Ob2059/96m17.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth W*****, vertreten durch Dr.Egon Jaufer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr.Walter Poschinger und Mag.Anita Taucher, Rechtsanwälte in Graz, wegen Ungültigkeit eines Testaments (Streitwert S 500.000,-- sA), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25.Oktober 1995, GZ 2 R 189, 190/95-17, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 23.Juni 1995, GZ 8 Cg 205/94x-11, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Das Bezirksgericht Leoben hat als Verlassenschaftsgericht nach der am 29.11.1993 verstorbenen Frau Dkfm. Erika S*****, die unbedingte Erbserklärung der Klägerin aufgrund eines mündlichen Testaments vom August 1990 und die bedingte Erbserklärung der beklagten Partei aufgrund eines schriftlichen Testaments vom 21.2.1991 zum gesamten Nachlaß angenommen und der Klägerin die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zugewiesen. Unbestritten ist, daß die Klägerin keine gesetzliche Erbin nach der Verstorbenen ist.

In ihrer Erbrechtsklage vom 19.10.1994 begehrt die Klägerin 1. die Feststellung der Ungültigkeit und Unwirksamkeit des zugunsten der Beklagten am 21.2.1991 errichteten (jüngeren) schriftlichen Testamentes und 2. die Feststellung, daß ihr aufgrund des (älteren) mündlichen Testamentes vom August 1990 das alleinige Erbrecht zum gesamten Nachlaß der Dkfm. Erika S***** zustehe. Die Klägerin behauptet, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Errichtung des schriftlichen Testamentes vom 21.2.1991 aufgrund einer psychischen Störung testierunfähig gewesen. Sie habe bereits im August 1990 zugunsten der Klägerin wirksam vor drei Zeugen mündlich testiert und die Klägerin zur Alleinerbin ihres gesamten Nachlasses eingesetzt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie behauptet, daß die Erblasserin am 21.2.1991 handlungs- und testierfähig gewesen sei. Im August 1990 habe sie lediglich die Absicht erklärt, daß die Klägerin seinerzeit Erbin werden solle; ihr habe jedoch der Testierwille gefehlt. Die Erblaserin habe die Klägerin nicht wirksam als Erbin eingesetzt, weshalb ihr das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung fehle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs erwähnten unbestrittenen Sachverhalt hinaus noch fest, daß die Erblasserin im August 1990 in der Wohnung der Klägerin vor drei Zeugen, nämlich Oberst Peter L*****, Erika L***** und Walter H***** wiederholt erklärt habe, die Klägerin werde alles bekommen, was sie habe, die Klägerin solle ihr Vermögen bekommen, weil sie Familiensinn habe und sich um sie (die Erblasserin) sehr kümmere. Sie habe gegenüber Walter H***** nicht erklärt, damit ein mündliches Testament zu machen und habe ihn daher auch nicht ersucht, als Testamentszeuge zu fungieren. Ihm sei daher nicht bewußt gewesen, Zeuge einer mündlichen Testamentserrichtung zu sein. Circa zwei Monate nach dem im August 1990 geführten Gespräch habe Walter H***** ein Gedächtnisprotokoll verfaßt und festgehalten, Zeuge eines mündlichen Testamentes zugunsten der Klägerin gewesen zu sein.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, ein mündliches Testament liege nicht vor, weil der Erblasserin der Testierwille und Walter H***** das Bewußtsein und die Ernsthaftigkeit, Testamentszeuge zu sein, gefehlt hätten. Die Klägerin verfüge selbst über keinen wirksamen Erbrechtstitel, und es fehle ihr daher auch am rechtlichen Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit des zugunsten der Beklagten errichteten schriftlichen Testamentes.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des zweiterhobenen Begehrens auf Feststellung des alleinigen Erbrechts der Klägerin als Teilurteil - dieser Entscheidungsteil erwuchs unbekämpft in Rechtskraft - und hob mit dem angefochtenen Beschluß das Ersturteil hinsichtlich des ersterhobenen Feststellungsbegehrens auf Unwirksamkeit des zugunsten der Beklagten am 21.2.1991 errichteten jüngeren Testaments zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf. Es erklärte hinsichtlich dieses Beschlusses den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den §§ 125 ff AußStrG und § 799 ABGB sei im Erbrechtsstreit, mit Wirkung nur zwischen den Streitteilen, festzustellen, ob der Erbrechtstitel, auf den die Beklagte ihre Erbserklärung gestützt hat, schwächer sei als der in der Erbserklärung der Klägerin genannte Titel, nicht aber, ob die Klägerin erbberechtigt sei oder nicht. Die Erbrechtsklage diene nur der Bestreitung des Erbrechtes der Beklagten, nicht aber der Feststellung des Erbrechtes der Klägerin. Es sei dann Sache des Verlassenschaftsgerichtes, die sich aus der Feststellung einer allfälligen Ungültigkeit des von der Beklagten in Anspruch genommenen Erbrechtstitels ergebenden Schlußfolgerungen zu ziehen. Die Klägerin habe (unter Punkt 1 ihres Urteilsbegehrens) in ihrer Erbrechtsklage eindeutig die negative Feststellung begehrt, das Erbrecht der Beklagten bestehe aufgrund des - als unwirksam angefochtenen - schriftlichen Testamentes vom 21.2.1991 nicht. Dagegen beschränke sich das erstinstanzliche Verfahren nur auf die Prüfung der Frage, ob der Erbrechtstitel, auf den sich die Klägerin berufe, gültig sei oder nicht. Das Verfahren zur Prüfung der Wirksamkeit des Erbrechtstitels der Klägerin sei mangelhaft geblieben, weil dazu die Einvernahme der Klägerin und die notwendige Klärung der Frage, wie es zur Unterfertigung der Bestätigung durch Walter H***** als Testamentszeugen gekommen sei, unterblieben sei. Das Verlassenschaftsgericht sei zu dem Ergebnis gelangt, daß der von der Klägerin in Anspruch genommene Erbrechtstitel den inneren und äußeren Formvorschriften entspreche. Durch die Annahme der Erbserklärungen beider Parteien sei das Vorliegen formgültiger Testamente - auch für das Prozeßgericht bindend - bejaht worden. Ob der Gültigkeit der Anordnungen Mängel entgegenstehen, wäre zwar in einem Erbrechtsstreit durch den Prozeßrichter im Rahmen der erhobenen negativen Feststellungsklage zu prüfen, das rechtliche Interesse der Klägerin an der von ihr selbst begehrten negativen Feststellung bestehe aber darin, mit Wirkung zwischen ihr und der Beklagten festzustellen, daß der Erbrechtstitel, auf den sich die Beklagte stütze, Mängel aufweise, die die Ungültigkeit der darin enthaltenen Erbeinsetzung nach sich ziehe. Das Rechtsschutzinteresse der erbserklärten Klägerin an der Klärung dieser strittigen Rechtslage könne bis zur Einantwortung des Nachlasses nicht verneint werden. Die mangelnde Prüfung des den Kern der Erbrechtsklage bildenden negativen Feststellungsbegehrens durch das Erstgericht sei ein von der Klägerin gerügter Verfahrensmangel, der in diesem Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müsse. Das Erstgericht werde im fortzusetzenden Verfahren die zur behaupteten Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt des zugunsten der Beklagten schriftlich errichteten Testamentes geführten Beweise aufnehmen müssen. Anders verhalte es sich mit der von der Klägerin begehrten positiven Feststellung, daß ihr das alleinige Erbrecht zustehe. Auch im Falle ihres Prozeßerfolges zu Punkt 1. des Klagebegehrens erfolge nämlich keine positive Entscheidung über ihre Erbberechtigung; es werde vielmehr nur über den im Verhältnis zum Berufungsgrund des Prozeßgegners wirksameren Erbrechtstitel abgesprochen. Im Falle der Ungültigkeit des Erbrechtstitels der Beklagten käme nur der Klägerin ein Erbrechtstitel zustatten. Dessen Wirksamkeit wäre im Prozeß nur dann zu prüfen, wenn der Beklagten ein unbestrittener Berufungsgrund (gesetzliches Erbrecht) zustatten käme. Dies sei aber nicht der Fall. Da im vorliegenden Erbrechtsstreit nicht zu entscheiden sei, ob die Klägerin erbberechtigt ist oder nicht, sondern nur darüber, ob ihr gegenüber der Beklagten der stärkere oder schwächere Erbrechtstitel zukommt, bestehe kein Anlaß, von der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsansicht, daß die Erbrechtsklage nur der Bestreitung des Erbrechts des Beklagten, nicht aber der Feststellung des Erbrechts der Klägerin diene, abzugehen. Das Erstgericht habe daher im Ergebnis zu Recht den positiv formulierten, auf die Feststellung des alleinigen Erbrechts der Klägerin gerichteten Teil der Erbrechtsklage abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Soweit sich der Rekurs gegen die Teilabweisung des zweiten Feststellungsbegehrens der Klägerin wendet, fehlt es in diesem Punkt der Beklagten am Rechtsschutzinteresse. Richtig ist aber, daß die Frage der (fehlenden) Aktivlegitimation bei Berufung auf einen ungültigen Erbrechtstitel auch für das von ihr erhobene erste Feststellungsbegehren von rechtlicher Bedeutung ist.

Die Klage des auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprechers ist nach herrschender Auffassung eine negative Feststellungsklage, ihr Begehren ist auf die Feststellung der Unwirksamkeit des vom Beklagten in Anspruch genommenen Erbrechtstitels zu richten. Eine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers hat nicht zu

ergehen (JBl 1992, 587; SZ 62/131 = JBl 1990, 51; JBl 1987, 655; SZ

58/187; SZ 56/180 = JBl 1984, 36 = NZ 1984, 104 ua, zuletzt 1 Ob 540,

541/94; Welser in Rummel2, Rz 24 zu §§ 799 f ABGB; Eccher in Schwimann, Rz 54 zu § 799 ABGB; Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht3 331; Koziol-Welser, Grundriß10 II 398; Fasching III 31).

Fasching (Lehrbuch2 Rz 1104) rechnet die Erbrechtsklage zu jenen Feststellungsklagen, bei denen bereits der materiellrechtliche Tatbestand alle Voraussetzungen des § 228 ZPO erfülle, weshalb bei solchen Klagen das Feststellungsinteresse fast nie fehlen könne und daher auch vom Kläger noch nicht gesondert behauptet werden müsse. Wenn auch prima facie für die Aktivlegitimation der Klägerin im Erbrechtsstreit zunächst die Tatsache spricht, daß (auch) ihre Erbserklärung zu Gericht angenommen wurde, also jedenfalls der äußeren Form nach eine letztwillige Verfügung zu ihren Gunsten vorliegt (4 Ob 509/87), muß die Aktivlegitimation der Erbrechtsklägerin verneint werden, wenn im Verfahren feststeht, daß der Erbrechtstitel, auf den sie sich stützt, unwirksam ist (NZ 1986, 203; SZ 55/143 = JBl 1983, 647 = NZ 1984, 11; 4 Ob 509/87). Dem Erbrechtskläger ist bei Hinfälligkeit seiner eigenen Berufung zum Erben die Anfechtungsbefugnis (SZ 55/143), die Aktivlegitimation (NZ 1986/203) bzw das Feststellungsinteresse (SZ 62/131) abzusprechen. Auch wenn im Erbrechtsstreit keine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers zu ergehen hat, ist doch ein gültiger Erbrechtstitel des Klägers Voraussetzung für eine Stattgebung des Klagebegehrens. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, der nicht die Qualifikation einer gesetzlichen Erbin zusteht, eine Erbserklärung aufgrund eines mündlichen Testamentes vom August 1990 abgegeben, dessen Rechtsgültigkeit noch zu untersuchen ist. Es sind daher, wie das Berufungsgericht, allerdings ohne die entsprechenden Konsequenzen im Aufhebungsbeschluß vorzusehen, vom Erstgericht sehr wohl die näheren Umstände, wie es zum Gespräch zwischen dem Ehepaar L***** und Walter H***** einerseits und der Erblasserin andererseits im August 1990 gekommen ist, durch die Einvernahme der Klägerin als Partei und durch die ergänzende Einvernahme des Walter H***** zu untersuchen, wobei Walter H***** aufzuklären haben wird, wie es zu der im Gegensatz zu seiner Aussage stehenden Bestätigung vom 4.9.1990 gekommen ist. Im Falle der Bejahung der Aktivlegitimation der Klägerin wird das Erstgericht die weiteren ihm vom Berufungsgericht aufgetragenen Beweise über die Rechtswirksamkeit des schriftlichen Testaments der Erblasserin, auf das die Beklagte ihren Anspruch gründet, aufzunehmen und daraus die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Da sich sohin der Aufhebungsauftrag des Berufungsgerichtes als gerechtfertigt erweist, war dem Rekurs der beklagten Partei ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 50 ZPO.

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