OGH 4Ob1007/96

OGH4Ob1007/9626.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Ehmayr und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Eugen Wiederkehr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F.M.Z***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 331.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7.November 1995, GZ 3 R 1013/95k-55, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Schon im ersten Rechtsgang führte das Erstgericht aus, es könne nicht festgestellt werden, ob die Ideen der Klägerin, die bei der Werbepräsentation vom 28.11.1991 vorgestellt wurden, von der Beklagten verwendet werden (S 85). Im Hinblick auf diese negative Feststellung verneinte das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung den geltend gemachten Verstoß der Beklagten gegen das Urheberrechtsgesetz (S 97 f).

Das Berufungsgericht befand die in der Berufung der Klägerin gerügte Negativfeststellung für unbedenklich (S 129 f). Soweit die Klägerin ihr Begehren auf die Behauptung gestützt habe, die Beklagte habe die ihr bei der Werbepräsentation vorgestellten Werbeideen der Klägerin bei ihrer späteren Werbung verwendet, könne die Sache abschließend beurteilt werden, weil der Klägerin der ihr obliegende Beweis einer derartigen Verwendung ihrer Werbeideen nicht gelungen sei (S 130 f). Da aber das Erstgericht zur Behauptung der Klägerin, daß die Rückstellung der Präsentationsunterlagen branchenüblich sei und insoweit ein Handelsbrauch bestehe, von Amts wegen kein Kammergutachten eingeholt habe, kam das Gericht zweiter Instanz zu einer Aufhebung des Ersturteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht nicht für zulässig (ON 17).

Im zweiten Rechtsgang betrachteten beide Vorinstanzen die Frage, ob die Beklagte die Werbeideen der Klägerin verwendet habe, als abschließend (negativ) beurteilt. Das Berufungsgericht verneinte daher den in der Berufung geltend gemachten Verfahrensmangel erster Instanz, daß nämlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesem Thema unterblieben sei.

Die Entscheidung über die gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Klägerin hängt nicht von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage ab:

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist es zwar den Parteien nicht verwehrt, in dem nach einem Aufhebungsbeschluß fortgesetzten Verfahren - das in der Regel in den Stand vor Schluß der Verhandlung erster Instanz zurücktritt - wieder grundsätzlich alle ihnen im erstinstanzlichen Verfahren bis dahin zustehenden Befugnisse wahrzunehmen, vor allem also neue Tatsachen vorzubringen und neue Beweismittel anzubieten, früher nicht beantwortete Behauptungen zu bestreiten oder das Klagebegehren zu ergänzen oder abzuändern. Eine Beschränkung besteht jedoch insoweit, als die aufhebende Instanz eine bestimmte Frage auf Grund des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden hat; dann darf die Beantwortung dieser Frage selbst auf Grund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden; abschließend erledigte Streitpunkte können nicht wieder aufgerollt werden (SZ 28/96; SZ 55/164; SZ 58/182; Arb 11.122; SSV-NF 8/34; Kodek in Rechberger, Rz 5 zu § 496). Wenn auch die Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO in § 496 Abs 2 ZPO nicht ausdrücklich erwähnt ist, so kann doch diese Bestimmung im Hinblick auf den Grundsatz der Prozeßökonomie und das Wesen des österreichischen Rechtsmittelverfahrens nur dahin verstanden werden, daß auch bei Aufhebung wegen des Vorliegens von Feststellungsmängeln nur zu einem ganz bestimmten, vom Feststellungsmangel betroffenen Teil des erstrichterlichen Verfahrens und Urteils (§ 496 Abs 2 zweiter Fall ZPO) das Verfahren im zweiten Rechtsgang auf diesen von der Aufhebung ausdrücklich betroffenen Teil zu beschränken ist (Arb 11.122 mwN). Eine Ausnahme wird nur für solche Tatsachen zugelassen, die nach Schluß der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang neu entstanden sind (Arb 11.122 ua).

Daraus, daß in älteren Entscheidungen (zB EvBl 1951/422) noch eine andere Auffassung vertreten wurde, folgt nicht, daß eine uneinheitliche Rechtsprechung vorläge, hat sich doch seit Jahrzehnten eine neue Rechtsprechung gefestigt (EvBl 1986/41 = MietSlg 37.769; Kodek aaO Rz 3 zu § 502).

Fasching führt zwar aus, daß § 496 Abs 2 ZPO auf Fälle der Aufhebung nach § 496 Abs 1 (Z 1 und) Z 2 ZPO beschränkt sei, nicht aber für die Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO gelte (IV 213 f und LB2 Rz 1820), erwähnt aber die dargestellte ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht und bringt daher auch keine Argumente gegen sie vor.

Wollte man im vorliegenden Fall der Rechtsauffassung der Klägerin folgen, würde das zu einem prozessual unbefriedigenden Ergebnis führen: Hätte sich nämlich die Klägerin (im ersten Rechtsgang) nur auf den Rechtsgrund der Urheberrechtsverletzung gestützt, dann wäre - bei sonst gleicher Sachlage - das abweisende Urteil des Erstgerichtes bestätigt worden; eine Revision wäre aussichtslos gewesen, weil die Beweiswürdigung der Vorinstanzen in dritter Instanz nicht überprüft werden kann. Daß allein deshalb, weil das Ersturteil wegen einer (sekundären) Mangelhaftigkeit im Bereich eines anderen Rechtsgrundes aufgehoben werden mußte, auch der schon erledigte Rechtsgrund noch einmal zu behandeln sein sollte, entbehrt jeder Rechtfertigung. Nur unter den Voraussetzungen des § 530 ZPO könnte diese Frage wieder aufgerollt werden. Folgerichtig hat daher der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß dann, wenn die zweite Instanz in einem Aufhebungsbeschluß eine bestimmte Frage auf Grund des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden hat, die Wiederaufnahmsklage gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig ist (SZ 58/182; Kodek aaO Rz 1 zu § 530).

Der erkennende Senat übersieht dabei nicht, daß es im vorliegenden Fall - anders als in den bisher entschiedenen Fällen - um die abschließende Erledigung einer Frage durch das Gericht zweiter Instanz ging. Dessen Aufhebungsbeschluß war mangels des Ausspruches, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, jedenfalls unanfechtbar. Selbst wenn aber ein für zulässig erklärter Rekurs nicht ergriffen wird, könnte dennoch im zweiten Rechtsgang die dem Aufhebungsbeschluß zugrundegelegte Rechtsansicht bekämpft werden (SpR 37 = SZ 2/312; Kodek aaO Rz 5 zu § 519). Daraus folgt, daß in einem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes eine Frage grundsätzlich nur für dieses Gericht (und das ihm unterstellte Erstgericht: § 499 Abs 2 ZPO) abschließend erledigt werden kann. Daraus ist aber im vorliegenden Fall für die Klägerin nichts zu gewinnen:

Das Berufungsgericht hat im ersten Rechtsgang, soweit es um den Rechtsgrund der Urheberrechtsverletzung ging, lediglich eine Beweisrüge erledigt. Dieser Teil der Entscheidung ist einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Die Frage kann daher auch im zweiten Rechtsgang nicht mit der Revision an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden.

Da somit das Berufungsgericht hier - im übrigen zutreffend - einen primären Mangel erster Instanz verneint hat, kann dieser Mangel in der Revision nicht mehr gerügt werden (SZ 62/157; EFSlg 64.136 uva). Nur dann, wenn ein Berufungsgericht auf Grund unrichtiger (materiell-)rechtlicher Beurteilung eine Sache für abschließend beurteilt hält und deshalb den Verfahrensmangel erster Instanz verneint, liegt ein Feststellungsmangel vor, der in der Revision (mittels Rechtsrüge) geltend zu machen ist (SZ 39/139 uva; Kodek aaO Rz 3 zu § 503).

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