OGH 6Ob518/96

OGH6Ob518/9622.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede T*****, vertreten durch Dr.Johannes Neumayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*****-Werke, ***** vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wegen Entfernung (Streitwert S 60.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16.Mai 1995, GZ 37 R 280/95-65, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 14.Dezember 1994, GZ 4 C 1340/90w-53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin brachte in ihrer am 27.9.1990 beim Erstgericht eingelangten Klage vor, sie sei Alleineigentümerin der EZ 1214 KG *****, bestehend aus dem Grundstück 290, das seit 1990 mit dem Nachbargrundstück 289 (EZ 658 KG *****) gemeinsam landwirtschaftlich genutzt werde. Mit Bescheid vom 4.6.1959 der NÖ Landesregierung sei der beklagten Partei die energierechtliche Genehmigung zur Errichtung einer Niederspannungsfreileitung auf Abspannmasten entlang der Grundstücksgrenzen der Parzellen 290 und 289 unter Verwendung von 10 m langen Holzmasten, einer Eingrabtiefe von 1/6, zumindestens jedoch 1,6 m unter Berücksichtigung der technischen Vorschriften und unter weiterer Erfüllung der Forderungen der beteiligten Grundeigentümer erteilt worden. Die damaligen Eigentümer hätten der Kabelführung unter der Bedingung der Leistung einer Entschädigung für die Leitungsstützpunkte und Überspannungen sowie der Durchführung einer einvernehmlich mit den Grundeigentümern durchzuführenden Vermessung und Trassenführung entlang dieser Grenze zugestimmt. Eine Grundvermessung und ein Konsens über die Trassenführung sei nach dem Wissen der Klägerin ebensowenig erfolgt wie die Leistung einer Entschädigung. Bereits die bis 1990 bestandene Trassenführung sei von den Grenzen laut Mappenplan erheblich abgewichen.

Im März 1990 habe die beklagte Partei ohne Rücksprache mit der Klägerin mit der Neuherstellung der Freileitung begonnen und gegen den Willen der Klägerin gravierende Änderungen vorgenommen: Die Abspannhöhe der Kabel sei von rund 6,5 m auf 6 m herabgesetzt worden, die Kabel hingen überdies noch durch, so daß die landwirtschaftliche Nutzung mit großen Maschinen unmöglich geworden sei. Die neuen Masten mit Betonfüßen seien neben den alten Masten, teilweise weiter in das Grundstück der Klägerin hineinversetzt worden, was die landwirtschaftliche Nutzung weiter einschränke. Die alten Holzstümpfe seien nicht entfernt und das Erdreich nicht ausreichend verfestigt worden. Durch den Einsatz schwerer Maschinen sei auch ein Flurschaden entstanden. Schon die alte Trassenführung sei erheblich vom Mappenplan abgewichen, vielmehr noch die neue, die zum Teil noch weiter in das Grundstück der Klägerin hereinreiche. Eine Ersitzung könne mangels guten Glaubens hinsichtlich der Erfüllung der Bescheidauflagen nicht vorliegen.

Die Klägerin stellte zunächst folgendes Begehren:

"a) Die beklagte Partei ist schuldig, sämtliche Masten und Stromkabel auf der Liegenschaft EZ 1214 KG ***** Grundstück 290 einschließlich der im Grundstück zurückgelassenen Maststümpfe und deren Querlager zu entfernen, soweit diese Masten nicht entlang der Grundgrenze des Grundstückes 290 zum Nachbargrundstück 289 gemäß beiliegendem Mappenplan verlaufen und entsprechend den technischen Begebenheiten ausreichend befestigt sind, insbesondere zumindest 10 m hoch sind und eine Eingrabtiefe von zumindest 1,60 m aufweisen und in verdichtetes Material eingebettet sind und eine Kabelführung entlang der Grundgrenze unter Mindestabspannhöhe von 6,5 m vom Bodenniveau gewährleisten und nicht mehr Grund in Anspruch nehmen als die früher aufgestellten Holzmasten von 15 bis 18 cm Zopfstärke;

in eventu:

Die beklagte Partei ist schuldig, auf der Liegenschaft EZ 1214 KG ***** Grundstück 290

1. die zurückgelassenen Maststümpfe samt Querlager und alten Erdungskabeln,

2. die weiter in das Grundstück als die bisherigen Masten hineinreichenden oder eine größere Grundfläche in Anspruch nehmenden Masten und Mastfüße,

3. die Masten, soweit diese weder im verdichteten Erdreich befestigt sind noch eine Eingrabtiefe von zumindest 1,60 m aufweisen,

4. jene Masten, die näher in das Grundstück als die Fluchtlinie des Scheitelpunktes des ersten nördlichen A-Mastes hineinragen,

5. das Stromkabel, soweit es nicht in einer Mindestabspannhöhe von 6,5 m ab dem Bodenniveau entlang der Grundgrenze über das Grundstück 290 verläuft,

zu entfernen oder den konsensgemäßen Zustand im Sinne der Einigung der Parteien, dokumentiert im Bescheid der niederösterreichischen Landesregierung vom 4.6.1959 wieder herzustellen.

b) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 3.000 (ausgedehnt auf S 6.000 AS 35) samt 4 % Zinsen seit dem Tage der Klagsbehändigung sowie die Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

c) Die beklagte Partei ist schuldig, die Nutzung des Grundstückes EZ 1240 KG ***** Grundstück 290, soweit diese nicht entsprechend den Bedingungen laut Parteieneinigung laut Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4.6.1959 erfolgt, insbesondere jede zusätzliche Inanspruchnahme des Grundes 290 und Aufstellung von Masten und Stromkabeln mit niedrigerer Abspannhöhe als 6,5 m, in eventu als jene bis März 1990 vorhandene Abspannhöhe, zu unterlassen.

d) Es wird festgestellt, daß die Verweisung der beklagten Partei auf die Kabelführung entlang der Grenze des Grundstückes 290 EZ 1214 der KG ***** zur Straße 1653/2 (Landeshauptstraße 154) in Abänderung der bisherigen Trassenführung zulässig ist."

Die Beklagte wandte ein, die im Bescheid vom 4.6.1959 vorgesehene Feststellung der Grundstücksgrenzen durch Neuvermessung sei am 25.10.1959 unter Beiziehung der Grundeigentümer erfolgt. Die beklagte Partei habe auch die Entschädigung geleistet, wegen der langen, verstrichenen Zeit aber keine Belege mehr. Die Entschädigung sei nur Gegenleistung für die tatsächlich eingeräumte Servitut, nicht aber Bedingung für den Abschluß des Vertrages gewesen. Im übrigen habe die beklagte Partei das Recht gutgläubig ersessen, die Herstellung der erneuerungsbedürftig gewordenen Leitung entspreche den derzeitigen technischen Bestimmungen.

Im Zuge des Verfahrens (ON 27) stellte die klagende Partei zu Punkt

a) des Urteilsbegehrens ein (weiteres?) Eventualbegehren:

"Die beklagte Partei ist schuldig, sämtliche Masten und das darauf befindliche Stromkabel auf der Liegenschaft EZ 1214 KG ***** Grundstück Nr 290 (Mastennummer 2 bis 12 laut Seite 6 des Gutachtens ON 16) sowie die sich im Umkreis von 2,5 m Radius bei diesen Masten zurückgelassenen Maststümpfe zu entfernen, soweit sie sich auf dem Grundstück Nr 290 befinden.

In eventu:

Die beklagte Partei ist schuldig, das auf der im obigen Eventualbegehren angeführten Liegenschaft geführte Stromkabel an jenen Stellen zu entfernen, an denen es nicht eine Mindestabspannhöhe von 6,5 m über Bodenniveau aufweist und jene auf dem Grundstück Nr 290 befindlichen Masten zu entfernen, die nicht mindestens 10 m hoch sind und eine Eingrabtiefe von zumindest 1,60 m aufweisen."

Nachdem ein als Teilurteil bezeichnetes Urteil des Erstgerichtes, in welchem dieses, ohne über das (die) Hauptbegehren zu entscheiden, dem zuletzt gestellten (ersten?) Eventualbegehren stattgegeben hatte, vom Berufungsgericht aufgehoben worden war, stellte die beklagte Partei den Antrag,

"das Klagebegehren insoweit in seiner Modifikation zuzulassen, daß das Eventualbegehren zu Punkt a) des Urteilsbegehrens, wie es am 27.5.1992 (ON 27) erhoben wurde, zum Hauptbegehren, das daran anschließende Eventualbegehren zum ersten Eventualbegehren und die bisherigen Hauptbegehren und in der Klage selbst geltend gemachten Eventualbegehren als Eventualbegehren nachrangig zu den in der Verhandlung vom 27.5.1992 erhobenen Begehren zugelassen werden".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, "die beklagte Partei ist schuldig, sämtliche Masten und das darauf befindliche Stromkabel auf der Liegenschaft EZ 1214 KG Vösendorf Grundstück Nr 290 sowie die im Umkreis von 2,5 m Radius bei diesen Masten zurückgelassenen Maststümpfe, soweit sie sich auf dem Grundstück Nr 290 befinden, binnen vier Wochen bei Exekution zu entfernen, unter Zugrundelegung folgender Feststellungen statt:

Die beklagte Partei beabsichtigte im Jahr 1959, unter anderem an der Grundgrenze zwischen den Parzellen 289 und 290 (EZ 658 und EZ 1214 je KG *****) eine Niederspannungsfreileitung zu errichten. Die damaligen Eigentümer der Liegenschaften, der Vater der Klägerin sowie dessen Grundnachbarn, erklärten sich damit einverstanden, daß entlang der Grenze der beiden Grundparzellen eine Leitung errichtet werde. Sie verlangten jedoch die Feststellung der Parzellengrenze durch Vermessung, die einvernehmlich mit ihnen stattzufinden habe, sowie eine Entschädigung für die Leitungsstützpunkte und Überspannungen entsprechend den Sätzen der Niederösterreichischen Landeslandwirtschaftskammer. Die beklagte Partei stimmte diesen Bedingungen zu.

Am 25.10.1959 erfolgte die Festlegung der Grenze in der Natur und eine vorläufige Vermarkung mit Pflöcken. Die damaligen Liegenschaftseigentümer bestätigen durch ihre Unterschriften, mit den in der Natur festgelegten Grenzen einverstanden zu sein.

Daß der vereinbarte Entschädigungsbetrag bezahlt wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Rechtlich sei davon auszugehen, daß die Liegenschaftseigentümer im Jahr 1959 der Errichtung der Niederspannungsleitung an der Grenze ihrer Grundstücke nicht nur unter der Voraussetzung einer einvernehmlichen Feststellung der Parzellengrenze durch Vermessung zugestimmt hätten, sondern auch, daß die Zahlung einer Entschädigung erfolgen werde. Die Beweislast hinsichtlich der Zahlung liege zweifellos bei der beklagten Partei. Daß sie keine Belege mehr vorlegen könne, falle ihr zur Last, weil jeder in seinen Angelegenheiten eine gewisse Sorgfalt walten lassen und Belege, die die Zustimmung des Liegenschaftseigentümers zu einer Servitut dokumentierten, solange aufbewahren müsse, als die Servitut in Anspruch genommen werde. Mangels Nachweises der Zahlung der Entschädigung, welche zwar nicht ziffernmäßig festgesetzt, aber unter Heranziehung der Sätze der Niederösterreichischen Landeslandwirtschaftskammer bestimmbar sei, könne nicht von einem Zustandekommen des Servitutsvertrages ausgegangen werden. Mangels Erfüllung dieser Voraussetzung könne sich die beklagte Partei auch nicht darauf berufen, bei Ausübung der vermeintlichen Dienstbarkeit in gutem Glauben gewesen zu sein. Eine Ersitzung sei daher ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Nach der Verhandlungsschrift vom 19.5.1959 im Akt des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung zur Erteilung der energierechtlichen Genehmigung der Niederspannungsfreileitung - unmittelbare Beweise über den Parteiwillen fehlen - haben der Rechtsvorgänger der Klägerin und der Grundnachbar "sich damit einverstanden erklärt, daß entlang der Parzellengrenze die geplante Leitung zur Aufstellung gelangt, sie verlangen jedoch die Feststellung der Parzellengrenze durch Vermessung, die einvernehmlich mit ihnen zu geschehen hat, sowie die Entschädigung für die Leitungsstützpunkte und Überspannungen entsprechend den Sätzen der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer. Die Vertreter der beklagten Partei, der Niogas und der (bauausführenden) Firma M***** nehmen das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis". Diese Verhandlungsschrift wecke Zweifel, ob überhaupt eine Vereinbarung zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und der beklagten Partei über die Begründung einer Servitut vorliege. Bei großzügiger Betrachtung gelange man zu dem Ergebnis, daß die Feststellung der Parzellengrenze durch Vermessung und Zahlung einer Entschädigung als Bedingung für den Abschluß des Servitutsvertrages zu gelten hätten. Folgerichtig sei im Bewilligungsbescheid vom 4.6.1959 auch festgehalten, daß die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der beantragten Anlage unter der Voraussetzung unter anderem der Erfüllung der von den Beteiligten gestellten Forderungen erteilt werde. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung sei daher von einer Bedingung ausgegangen.

Eine Servitut erfordere zu ihrer Begründung Titel und Modus. Eine Eintragung im Grundbuch sei unstrittig nicht erfolgt. Sei die Eintragung in das Grundbuch infolge Offenkundigkeit nicht erforderlich, müsse aber jedenfalls ein gültiger Titel als Voraussetzung zur Begründung der Dienstbarkeit gegeben sein. Da die Bedingung für die Einräumung die Zahlung einer Entschädigung gewesen und diese Bedingung mangels Zahlung der Entschädigung nicht eingetreten sei, fehle es der beklagten Partei an einem gültigen Titel für die Begründung einer Servitut.

Die beklagte Partei könne sich auch nicht auf eine uneigentliche Ersitzung berufen, die nur die Redlichkeit und Echtheit des Ersitzungsbesitzes während der gesetzlich erforderlichen Zeit voraussetze, denn redlicher Besitzer sei nach § 326 ABGB derjenige, der aus wahrscheinlichen Gründen die Sache für die seinige halte. Redlichkeit liege vor, wenn der Rechtsbesitzer glauben könne, daß ihm die Ausübung des Rechtes zustehe. Wenn sich die beklagte Partei auf die Vereinbarungen im Verfahren vor dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19.5.1959 berufe, habe ihr klar sein müssen, daß für die Begründung der Servitut eine Entschädigungszahlung Voraussetzung gewesen sei und sie eine solche Zahlung eben noch nicht geleistet habe. Der Hinweis auf § 328 ABGB, wonach im Zweifel Redlichkeit des Besitzes anzunehmen sei, gehe fehl, weil dieser gesetzlichen Vermutung die Feststellung des Erstgerichtes entgegenstehe, daß der Entschädigungsbetrag durch die beklagte Partei nicht gezahlt worden sei. Auch der Einwand der Berufung, der Urteilsspruch sei völlig unbestimmt, sei unzutreffend. Der Beklagten werde aufgetragen, alle zurückgelassenen Maststümpfe und alle neu errichteten Maste samt Stromkabel zu entfernen. Darauf, daß der Grenzverlauf nicht eindeutig sei, komme es nicht an. Sollten in einem Exekutionsverfahren Maste oder Maststümpfe entfernt werden, die sich nicht auf dem Grundstück der Klägerin befinden, werde sich die Beklagte dagegen entsprechend zu wehren haben.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Sinne einer Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen auch berechtigt.

Die von den Vorinstanzen ohne jede unmittelbare Beweisaufnahme nur aus der Niederschrift im Verwaltungsakt des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung gezogene Schlußfolgerung, die gemeinsame Festlegung der Parzellengrenze und damit auch der Trassenführung der Stromleitung sowie die Zahlung eines ziffernmäßig noch gar nicht bestimmten Entschädigungsbetrages sei (aufschiebende) Bedingung für das Zustandekommen eines Servitutsvertrages gewesen, ein solcher sei aber mangels Zahlung (festgestellt ist nur, daß die Zahlung nach der lange verstrichenen Zeit nicht mehr nachgewiesen werden kann) nicht zustandegekommen, widerspricht in jeder Weise den in § 863 ABGB verankerten Regeln des redlichen Verkehrs und dem Grundsatz von Treu und Glauben bei Beurteilung von Willenserklärungen. Die im Verwaltungsverfahren erklärte Zustimmung des Rechtsvorgängers der Klägerin und auch der Grundnachbarn, die nachfolgende, durch Unterschrift genehmigte gemeinsame Festlegung der Grenze, deren provisorische Vermarkung und die daran anschließende Errichtung der Niederspannungsfreileitung sowie der ungestörte Betrieb durch mehr als 30 Jahre ohne jeden Widerspruch der Grundeigentümer läßt nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund zu zweifeln übrig, daß hinsichtlich der Begründung und Ausübung der Servitut volle Willensübereinstimmung zwischen den Eigentümern der dienenden Grundstücke und der Beklagten als Servitutsausübungsberechtigter erzielt wurde. Das vereinbarte Entgelt, mag dieses nun tatsächlich gezahlt worden sein, was nicht mehr erweislich ist, oder wegen eingetretener Verjährung nur mehr als Naturalobligation noch geschuldet werden, stellt lediglich die Gegenleistung für die vereinbarte Dienstbarkeit, nicht aber eine Bedingung für das Zustandekommen des Vertrages dar.

Selbst wenn man der Ansicht der Vorinstanzen beipflichten wollte, hätte die beklagte Partei die Dienstbarkeit, wie sie durch mehr als 30 Jahre ausgeübt wurde, ersessen. Die Redlichkeit des Besitzes wird nach § 328 ABGB vermutet. Der Umstand, daß niemand die Benützung hindert und ein Entgelt verlangt, bildet nach dieser Gesetzesbestimmung einen wahrscheinlichen Grund für die Berechtigung zur Benützung. Die mangelnde Redlichkeit hat der Ersitzungsgegner zu beweisen (Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 1478 mwN). Diesen Beweis hat die Klägerin, weil von den Parteien die Zahlung oder Nichtzahlung nicht nachgewiesen werden konnte, durch die bloße Negativfeststellung, "es kann nicht festgestellt werden, daß der vereinbarte Entschädigungsbetrag gezahlt worden wäre", nicht erbracht.

Die beklagte Partei ist daher berechtigt, die Dienstbarkeit in jenem Umfang auszuüben, wie sie dies seit der Errichtung der Freileitung getan hat. Es ist daher unerheblich, ob die einvernehmlich in der Natur festgelegte und von den Grundeigentümern durch mehr als 30 Jahre geduldete Trassenführung dem tatsächlichen Grenzverlauf laut Mappenplan entsprochen hat. Auch eine den heutigen technischen Anforderungen entsprechende Reparatur oder Erneuerung der Anlage, muß der Eigentümer des dienenden Grundstückes dulden, soweit damit nicht eine für das dienende Grundstück unzumutbare Erschwernis oder Mehrbelastung verbunden ist, etwa weil die neuen Maste entgegen dem bisherigen Verlauf weiter in das Grundstück der Klägerin hineinragen oder eine bisher mögliche Bewirtschaftung nicht mehr oder in einem ins Gewicht fallenden geringeren Ausmaß möglich ist. Ob ein Anspruch auf generelle, gänzliche Entfernung der neu errichteten Maste in der derzeit vorliegenden Form sowie die Entfernung aller verbliebenen Maststümpfe gerechtfertigt ist, kann mangels jeglicher Feststellungen hiezu noch nicht beurteilt werden.

Die eingangs wiedergegebenen Klagebegehren sind widersprüchlich, überschneidend und zum Teil mangels Konkretisierung überhaupt unverständlich. Es kann nicht einmal mit Sicherheit beurteilt werden, ob nun die ursprünglich im Urteilsbegehren der Klage als (weitere) Hauptbegehren angeführten Punkte b (ausgedehnt AS 38), c und d (modifiziert AS 31) nach der Erklärung, eines der (vielen) Eventualbegehren zum Hauptbegehren zu erheben, nunmehr fallengelassen wurden oder weiter als Eventualbegehren aufrecht bleiben sollen, geschweige denn, in welcher Reihenfolge und Stellung innerhalb der übrigen Eventualbegehren sie nun stehen. Die klagende Partei wird daher anzuhalten sein, ihre Begehren in verständlicher und schlüssiger Form entsprechend neu zu formulieren, eine sukzessive Reihung vorzunehmen und die Begehren auch ausreichend zu konkretisieren. Dazu wird es auch erforderlich sein, jene neu errichteten Maste genau zu bezeichnen, welche weiter in das Grundstück der Klägerin hineinversetzt wurden als die ursprünglichen, und auch die Lage jener abgeschnittenen Holzmaste anzugeben, die wegen behaupteter Kontaminierung des Bodens zu beseitigen seien, ein Begehren, dem nur dann Berechtigung zukommen könnte, wenn gegenüber dem bisherigen Zustand eine Verschlechterung eingetreten ist.

Der Revision der beklagten Partei ist daher Folge zu geben; mangels Entscheidungsreife ist wie im Spruch zu entscheiden.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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