OGH 10Ob517/94

OGH10Ob517/946.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Speditionsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Ch. *****, vertreten durch Dr.Clement Achammer und Mag.Martin Mennel, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen DM 38924,31 (S 272.080,92) sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. April 1994, GZ 1 R 70/94-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10.Jänner 1994, GZ 4 Cg 361/93-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.960,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.160,-- USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei (eine Tuchfabrik) erteilte der klagenden Partei am 14.11., 28.11., 13.12.1990 und 24.1.1991 Speditionsaufträge zur Lieferung von Textilgewebe an die Firma D*****in Horhausen, Bundesrepublik Deutschland (im folgenden Empfängerin genannt). Für sämtliche Speditionsaufträge wurden die Konditionen "CIF Horhausen, duty unpaid" vereinbart. Die einzelnen Sendungen wurden durch die Klägerin nach Ravensburg verbracht, von wo der Weitertransport durch die Spedition N*****GmbH & Co KG, Niederlassung Ravensburg, erfolgte. In Erwartung des Inkassos dieser Beträge bei der Empfängerin der Ware wurde durch die Firma N*****die auf die Ware zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer von insgesamt DM 38.924,31 bezahlt. Ihr war es jedoch in der Folge nicht möglich, diesen Betrag bei der Empfängerin einbringlich zu machen, da über deren Vermögen am 2.4.1991 das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Daraufhin machte die Firma N*****die von ihr für die Empfängerin vorausbezahlte Einfuhrumsatzsteuer gegenüber der nunmehrigen Klägerin geltend. In dem darüber eingeleiteten Rechtsstreit beim Landgericht Ravensburg verkündete die dortige Beklagte und nunmehrige Klägerin der nunmehrigen Beklagten den Streit; diese trat jedoch nicht als Nebenintervenientin auf. Mit Urteil des Landgerichtes Ravensburg vom 11.11.1992 wurde die nunmehrige Klägerin zur Bezahlung von DM 38.924,31 samt 5 % Zinsen seit 19.6.1991 an die Firma N*****verurteilt. Die dagegen von der nunmehrigen Klägerin erhobene Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Stuttgart vom 30.6.1993 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen dieses Urteils heißt es unter anderem:

"Im übrigen war die Beklagte, da sie die Ware jeweils in das Erhebungsgebiet eingeführt hat, selbst Zollschuldner und selbst zur Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer verpflichtet.....Der seitens der Beklagten an die Klägerin erteilte Auftrag zur Grenzabfertigung und zur Besorgung der Weiterbeförderung an die Empfängerfirma beinhaltete deshalb die Verauslagung der Einfuhrumsatzsteuer. Diese Auslagen hat die Beklagte als Auftraggeber der Klägerin gemäß §§ 675, 670 BGB zu erstatten....Nachdem sich die Firma D*****im Konkurs befindet und nach der Auskunft des Konkursverwalters....auch in der Rangklasse 2, zu der die Klägerin ihre Erstattungsforderung angemeldet hat, eine Quote mit Sicherheit nicht zu erwarten ist, kann die Beklagte die Klägerin auch nicht auf die Verfolgung ihres Anspruchs gegen die Konkursmasse verweisen....Dem eingeklagten Anspruch steht nicht entgegen, daß sich die Klägerin beim Einzug der Einfuhrumsatzsteuer bei der Firma D*****vertragswidrig verhalten habe. Daß die Klägerin die verauslagte Einfuhrumsatzsteuer nicht jeweils bei Ablieferung der Ware bei der Empfängerin kassiert hat, kann ihr nicht als Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten aus dem Speditionsvertrag vorgeworfen werden, nachdem die Einziehung wie gehandhabt - auf Rechnungsstellung - über Jahre hinweg anstandslos funktioniert hat...."

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von DM 45.143,-- als Einfuhrumsatzsteuer, Zinsen und Prozeßkosten im wesentlichen mit der Begründung, sie sei gemäß den anzuwendenden AÖSp berechtigt, von ihrem Auftraggeber, der Beklagten, diese von ihr ausgelegten Beträge zu regressieren. Die Beklagte hafte überdies auch aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin stütze sich auch auf § 12 AÖSp, wonach die Mitteilung des Auftraggebers, der Auftrag sei auf Rechnung eines Dritten auszuführen, die Verpflichtung des Auftraggebers gegenüber den Spediteur nicht berühre. Eine Haftung der Klägerin bzw deren Subunternehmer für die Bonität eines Kunden bestehe nicht; es sei unzulässig, die Haftung für die Einfuhrumsatzsteuer auf die Klägerin umzuwälzen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Aus der Lieferkondition "CIF Horhausen - duty unpaid" ergäbe sich eindeutig, daß der Auftraggeber nicht gewillt sei, Zollabgaben zu bezahlen. Nach dem anzuwendenden § 25 lit d AÖSp wären Anweisungen des Auftraggebers an den Spediteur für die zollamtliche Abfertigung genau zu beachten. Falls die Abfertigung nach den erteilten Weisungen nicht möglich sei, hätte der Spediteur den Auftraggeber unverzüglich zu unterrichten gehabt. Die Klägerin hätte die Verzollung auf eigene Kosten gar nicht durchführen dürfen. Sie hätte auch ihrem Subunternehmer entsprechende Weisungen erteilen müssen, weil die Verzollung Aufgabe und Sache der Empfängerin gewesen sei. Die Firma N*****, für die die Klägerin einzustehen habe, hätte die Auslieferung der Waren von der Rückvergütung dieser Steuern abhängig machen müssen; dies wäre wegen des Zurückbehaltungsrechtes des Frachtführers ohne weiteres möglich gewesen. Auch hätte die Klägerin die Zustellung im Begleitscheinverfahren bzw im gebundenen Verkehr durchführen können, sodaß es Sache der Empfängerin gewesen wäre, die entsprechenden Einfuhrabgaben zu entrichten. Nur damit hätte die Klägerin der sie treffenden Verpflichtung gemäß § 408 HGB entsprochen, die Interessen des Auftraggebers wahrgenommen und seine Weisungen befolgt. Die Klägerin hätte auch bereits nach der ersten Sendung gewußt, daß die Einfuhrumsatzsteuer von der Empfängerin trotz einer Fälligkeit von fünf Tagen nicht sofort bezahlt worden sei; es hätten daher jedenfalls keine weiteren Einfuhrabgaben für die Empfängerin entrichtet werden dürfen. Wäre die Klägerin darüber informiert worden, daß die Einfuhrumsatzsteuer nicht von der Empfängerin eingehoben wird, hätte sie ihrerseits mit dem Auftraggeber Rücksprache gehalten und eine Abänderung der Lieferbedingungen von einer Sicherstellung abhängig gemacht sodaß für sie jedenfalls kein Risiko entstanden wäre.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin DM 38.924,31 in ÖS zum Warenkurs der österreichischen Devisenbörse am 11.10.1993 samt 5 % Zinsen seit 11.10.1993 zu zahlen. Das Mehrbegehren von weiteren DM 6.228,69 sA sowie ein Zinsenmehrbegehren wurden unangefochten abgewiesen. Das Erstgericht traf im wesentlichen folgende weitere Feststellungen:

Die Beklagte steht in Geschäftsverbindung zu einer Firma M*****in London, die jeweils einen entsprechenden Auftrag mit dem Hinweis erteilte, daß die Lieferadresse später bekanntgegeben werde. Nach Fertigstellung der Ware wird der Beklagten mitgeteilt, wohin diese zu liefern ist. Bei der Empfängerin hatte es sich um eine solche Lieferadresse gehandelt, an welche die Warenlieferungen durch die Klägerin bzw durch deren Erfüllungsgehilfen (Firma N*****) erfolgt sind. Zwischen den Streitteilen selbst besteht bereits eine langjährige Geschäftsbeziehung, im Rahmen derer die Beklagte zur Auftragserteilung jeweils ein ihr durch die Klägerin zur Verfügung gestelltes Auftragsformular verwendet. In diesem schriftlichen Auftrag wurde von der Beklagten jeweils der Absender (Beklagte), der Empfänger (Firma D*****), Ware samt Gewicht sowie die Klausel "CIF Horhausen - duty unpaid" aufgenommen. Die Beklagte legte diese Bedingungen ihren Lieferungen zu Grunde und ging dabei stets davon aus, daß sie selbst auf Grund dieser Klausel lediglich die Transportkosten zu übernehmen habe, andere Ausgaben wie auch die gegenständlichen jedoch vom Kunden zu bezahlen seien. Von einer solchen Bezahlung der Einfuhrumsatzsteuer durch die Empfängerin gingen auch die Klägerin und die Firma N*****aus, als sie mit der Zahlung dieser Beträge in Vorlage getreten ist. Besondere Vereinbarungen für den Fall der Zahlungsunfähigkeit der Empfängerin, wie er hier vorliegt, wurden zwischen den Streitteilen nicht getroffen, zumal es vorher nie zu derartigen Komplikationen gekommen war. Den Rechtsbeziehungen der Streitteile zueinander lagen die allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen zu Grunde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei zwischen den Streitteilen offensichtlich über mehrere Jahre die Praxis geübt worden und zur Abwicklung eines zügigen Warenverkehrs auch überwiegend im Interesse der Beklagten gelegen, daß die Klägerin bzw deren Erfüllungsgehilfe für die zu entrichtende Einfuhrumsatzsteuer in Vorlage trete. Diese Praxis habe bis zur Insolvenz der Empfängerin nie zu Problemen geführt, weshalb auch keine besondere Regelung für diesen Fall getroffen worden sei. Die Klausel "CIF Horhausen - duty unpaid" regle primär die Rechtsbeziehungen zwischen Absender und Empfänger. Die Klägerin bzw die Firma N*****hätten bei den Warenlieferungen durchaus davon ausgehen können, daß sie ihre Auslagen von der Empfängerin ersetzt erhalten. Wenn auch bei den ersten der vier Lieferungen ein derartiger Ersatz nicht sofort erfolgt sei, so habe deshalb nicht sofort von einer Zahlungsunfähigkeit der Empfängerin ausgegangen werden müssen. Es sei auch keine nebenvertragliche Schutzpflicht aus dem Speditionsvertrag, Erhebungen über die Bonität der Empfängerin durchzuführen. Wenn auch zwischen den Streitteilen Einigkeit bestanden habe, daß der Frachtführer für die anfallenden Zoll- oder Einfuhrumsatzsteuern nicht aufkommen sollte bzw diese vom Empfänger zu zahlen seien, so seien diese Auslagen mangels Einbringlichkeit bei der Empfängerin als Aufwendungen zu behandeln, die der Spediteur zum Zwecke der Ausführung des Auftrages gemacht habe und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte, weshalb die Beklagte als Auftraggeber diese Auslagen der Klägerin gemäß §§ 407 Abs 2, 396 Abs 2 HGB und den Bestimmungen der AÖSp zu ersetzen habe. Die bezahlten Zinsen und Prozeßkosten seien in diesem Sinne jedoch nicht erstattungsfähig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Unstrittig sei, daß die Klägerin von der Beklagten einen Speditionsauftrag erhalten habe und von ihrem Selbsteintrittsrecht für eine Teilstrecke (§ 412 HGB) Gebrauch gemacht habe. Bei der Klausel "CIF Horhausen - duty unpaid" handle es sich um eine im internationalen Handel besonders gebräuchliche Klausel, nämlich um eine Incoterms-Klausel, die vorwiegend den Überseehandel betreffe. Demnach sei der Verkäufer grundsätzlich verpflichtet, exportfreie Ware zu liefern, alle Abgaben, Steuern, Zölle und sonstige Gefälle, die anläßlich der Ausfuhr der Ware zu entrichten seien, einschließlich der Kosten aller Formalitäten zu tragen, die im Preis inbegriffen seien. Durchfuhrabgaben, Einfuhrzölle und dergleichen, die nach Erfüllung der Lieferverpflichtungen entstehen, würden hingegen ausschließlich den Käufer belasten. Da aber als Bestimmungsort Horhausen angeführt sei ergäbe sich, daß die Transportkosten bis zum Bestimmungsort vom Verkäufer zu tragen seien. Der weitere Hinweis "duty unpaid" besage, daß die Ware unverzollt geliefert werde. Dabei sei aber zu beachten, daß die Incoterms nur die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer regeln. Das im Beförderungsvertrag geregelte Verhältnis zwischen einem Auftraggeber (Versender) und dem Spediteur werde durch diese Bestimmung weder unmittelbar noch mittelbar betroffen. Daraus folge, daß aus dem Speditionsvertrag, wie er zwischen den Streitteilen abgeschlossen worden sei, keine gesonderte Weisung seitens der Beklagten vorgelegen sei, für die Besorgung des Transportes der Ware im gebundenen Verkehr oder nur per Nachnahme zu sorgen. Der Speditionsauftrag habe auch keine Sperrklausel enthalten. Die Beklagte habe gar nicht behauptet, daß sie der Klägerin eine bestimmte Weisung erteilt habe. Allerdings sei der Klägerin durch die im Speditionsauftrag enthaltene Klausel bekannt gewesen, daß nach den kaufrechtlichen Abmachungen zwischen Versender und Käufer der Empfänger diese Kosten zu tragen habe und daher der Spediteur die Kosten zunächst grundsätzlich nicht dem Versender in Rechnung stellen könnte, sondern diese beim Empfänger einfordern müßte. Durch die Aufnahme der Kaufvertragsklausel in den Speditionsauftragsschein sei aber das zwischen den Streitteilen zugrundeliegende Auftragsverhältnis (Speditionsauftrag) nicht abgeändert und insbesondere die Beklagte aus der eigenen vertraglichen Haftung aus diesem Speditionsauftrag nicht entlassen worden, auch wenn die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer gegen den Empfänger erhalten habe, weil sie die Ware und den Beleg über die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer entgegengenommen habe. Es dürfe nämlich nicht übersehen werden, daß zwischen der Firma N*****und der Klägerin ein gleichlautender Speditionsauftrag erteilt worden sei und die Klägerin aus diesem Vertrag wegen Zahlungsunfähigkeit des Empfängers zur Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer verurteilt worden sei. Ob die Firma N*****als Erfüllungsgehilfe der Klägerin oder als Zwischenspediteur tätig geworden sei, könne unerörtert bleiben. Sei sie als Zwischenspediteur tätig gewesen und habe sie in dieser Eigenschaft die Einfuhrumsatzsteuer verauslagt, dann könne sich der Rückerstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf § 30 AÖSp gründen, wonach der Auftraggeber den Spediteur wegen Inanspruchnahme von Forderungen oder Nachforderungen für Frachten, Zölle, Steuern und sonstige Abgaben, die an den Spediteur gestellt werden, sofort zu befreien habe, wenn sie der Spediteur nicht zu vertreten habe. In diesem Fall hafte die Klägerin auch nur bei Auswahlverschulden, welches nicht behauptet worden sei. Die Klägerin hätte eine Leistungspflicht der Beklagten übernommen, die sie daher nunmehr im Regreß geltend machen könne. Aber auch wenn die Firma N*****nur Erfüllungsgehilfe der Klägerin gewesen wäre, habe die Beklagte aus dem Speditionsauftrag heraus die Auslagen für die Einfuhrumsatzsteuer zu ersetzen. Gemäß § 25 lit a AÖSp schließe der Auftrag zur Versendung nach einem Bestimmungsort im Ausland den Auftrag zur Verzollung ein, wenn ohne sie die Beförderung bis zum Bestimmungsort nicht ausführbar sei. Eine Anweisung der Beklagten iS des § 25 lit d AÖSp sei nicht vorgelegen. Die im Speditionsauftrag enthaltene Kaufvertragsklausel könne nicht als eine derartige Anweisung angesehen werden und biete auch noch kein derartiges Indiz, daß der Auftraggeber an der Verzollung nicht interessiert sei, sodaß der Spediteur allenfalls Rückfrage bei der Beklagten halten hätte müssen, ob er die Waren im freien Verkehr unter Vornahme der Verzollung und der damit verbundenen Auslagen von Zollbeträgen und Einfuhrumsatzsteuer vornehmen dürfe. Im übrigen hätten sich für die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte in die Richtung ergeben, daß die Empfängerin zahlungsunfähig sei und deshalb die Ware nicht ausgeliefert werden hätte dürfen. Selbst wenn sich die Klägerin das Verhalten ihres Erfüllungsgehilfen wie ein eigenes anrechnen lassen müßte, fände die Vorgangweise ihres Erfüllungsgehilfen im allgemeinen Speditionsauftrag Deckung. Der Beklagten sei somit der Nachweis eines Verstoßes der Klägerin gegen § 408 Abs 1 HGB iVm § 25 lit d AÖSp nicht gelungen. Die Klägerin habe daher einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 407 Abs 2 und 396 Abs 2 HGB iVm § 12 AÖSp.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung des Urteils im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Anspruch des Spediteurs auf Aufwendungsersatz ergibt sich aus den §§ 407 Abs 2 und 396 Abs 2 HGB. Danach ist der Versender zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, die der Spediteur zum Zweck der Ausführung des Auftrages gemacht hat und den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Erstattungspflichtig ist also der Versender als Vertragspartner. Der Empfänger des Guts kann grundsätzlich nur aufgrund besonderer vertraglicher Vereinbarung oder unter den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag ersatzpflichtig werden. Dabei ist zu differenzieren, ob ein Fall der berechtigten oder unberechtigten Geschäftsführung vorliegt: dort, wo zB ein Grenzspediteur im Auftrag des Versenders oder Frachtführers Zölle und Einfuhrumsatzsteuern verauslagt, ist es denkbar, daß der Grenzspediteur subjektiv auch im Interesse des Empfängers tätig werden will (Koller, Transportrecht2 Rz 59 zu § 407 HGB unter Hinweis auf BGH VersR 1991, 1037, 1038). Der Empfänger, an den die Sendung adressiert ist, steht zum Versender, Spediteur und Frachtführer oder Zwischenspediteur in keinem fracht- oder speditionsrechtlichen Vertragsverhältnis. Er hat nur die Rechtsstellung eines begünstigten Dritten aus dem Frachtvertrag (Ausführungsgeschäft) zwischen Spediteur bzw Zwischenspediteur und Frachtführer. Vielfach wird er mit dem Versender durch besondere Rechtsbeziehungen verbunden sein, so zB als Käufer der vom Versender verkauften Waren. Ansprüche gegen den Spediteur stehen dem Empfänger aus eigenem Recht im allgemeinen nicht zu (Helm in HGB Großkomm4 Rz 46 zu §§ 407 bis 409; 7 Ob 544/81, 7 Ob 817/81, 2 Ob 515/84).

Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Frage, in welchen Fällen verauslagte Einfuhrumsatzsteuer von wem zu erstatten ist. Zumeist werden diese Beträge vom Grenzspediteur oder vom Frachtführer an die Behörde bezahlt. Da er mit der zoll- und verwaltungsmäßigen Behandlung der Güter an der Grenze eine Geschäftsbesorgungstätigkeit ausführt, entspricht die Rechtslage weitgehend der speditionsrechtlichen. Ein Anspruch auf Erstattung der vorgelegten Beträge steht dem Grenzspediteur jedenfalls gegen seinen Auftraggeber zu; dies ist in der Regel der das Gut befördernde Frachtführer. Hingegen bestehen vertragliche Ansprüche gegen den Empfänger im Normalfall nicht, da zwischen ihm und dem Grenzsprediteur kein Vertrag abgeschlossen wird (Helm aaO Rz 226). In diesem Sinne bestimmt auch § 30 AÖSp, daß der Auftraggeber den Spediteur von Forderungen oder Nachforderungen für Frachten, Havarieeinschüsse oder -beiträge, Zölle, Steuern und sonstige Abgaben, die an den Spediteuer, insbesondere als Verfügungsberechtigten oder als Besitzer fremden Gutes gestellt werden, über Aufforderung sofort zu befreien hat. Daß Einfuhrumsatzsteuer und Ausfuhrförderungsbeitrag Zölle und Abgaben iS des § 119 ZollG sind, ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Der Auftraggeber hat dem beauftragten Spediteur einen auch im Regreßwege weiterer Zwischenspediteure getätigten Aufwand gemäß §§ 407 Abs 2, 396 Abs 2 HGB, 1014 ABGB unabhängig von einem etwaigen eigenen Verschulden zu ersetzen (6 Ob 651/94 = WBl 1995, 379).

Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsmeinung, daß die im vorliegenden Fall verwendete Klausel "CIF Horhausen - duty unpaid" grundsätzlich nur die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer regelt, ist zutreffend und entspricht auch der Textfassung der Klausel, die lediglich zwischen Verkäufer- (A) und Käuferpflichten (B) unterscheidet; "geliefert unverzollt" bedeutet dabei, daß der Verkäufer seine Lieferverpflichtung erfüllt, wenn die Ware am benannten Ort im Einfuhrland zur Verfügung gestellt wird. Der Verkäufer hat alle Kosten und Gefahren der Beförderung bis zu diesem Ort (außer den bei der Einfuhr anfallenden Zöllen, Steuern und anderen öffentlichen Abgaben, sowie die Kosten und Gefahren der Erledigung der Ausfuhrzollformalitäten) zu tragen. Der Käufer hat alle zusätzlichen Kosten und Gefahren zu tragen, die durch sein Versäumnis, die Ware rechtzeitig zur Einfuhr frei zu machen, entstehen. Es ist zu beachten, daß sich die Incoterms ausschließlich auf im Kaufvertrag benutzte Handelsklauseln beziehen und sich nicht mit Klauseln befassen, die auch in Beförderungsverträgen - insbesondere in Charterverträgen - vorkommen, selbst wenn sie denselben oder einen ähnlichen Wortlaut haben sollten. In diesem Sinn ist der Ansicht der Klägerin beizupflichten, daß die Incoterms nicht geeignet sind, für die Auslegung des Beförderungsvertrages zwischen dem Auftraggeber (Versender) und dem Spediteur bzw dessen Erfüllungsgehilfen oder Zwischenspediteuren, Frachtführern oder Subspediteuren zu dienen. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, sind zwar alle Beteiligten ursprünglich davon ausgegangen, daß die Einfuhrumsatzsteuer von der Empfängerin bezahlt wird. Nicht gedacht wurde dabei freilich an den Fall der Zahlungsunfähigkeit der Empfängerin, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, in welchem Zusammenhang eine auch nur teilweise Befriedigung der Klägerin nicht zu erwarten ist. Eine ergänzende Vertragsauslegung ergäbe in einem solchen Fall allerdings, daß der vom Spediteur getätigte Aufwand auch in diesem Fall jedenfalls vom Auftraggeber zu ersetzen ist und nicht der Spediteur selbst den Zahlungsausfall zu tragen hat. Eine zu Schadenersatzansprüchen führende Verletzung der vertraglichen Pflichten durch die Klägerin ist nämlich nicht anzunehmen. Wie bereits das Berufungsgericht ausführte, bestand keine Anweisung der Beklagten iS des § 25 d AÖSp, insbesondere keine Anweisungen für die zollamtliche Abfertigung. Die im Speditionsauftrag enthaltene Kaufvertragsklausel kann nicht als eine derartige besondere Anweisung angesehen werden. Nach § 25 lit a AÖSp schloß der Auftrag zur Versendung nach einem Bestimmungsort im Ausland zunächst auch den Auftrag zur Verzollung ein, wenn ohne sie die Beförderung bis zum Bestimmungsort nicht ausführbar war. Daß auch die Einfuhrumsatzsteuer zu den Zöllen gehört, wurde bereits oben dargelegt. Die Revisionswerberin behauptet zwar nunmehr, die Beförderung zum Bestimmungsort wäre ohne Entrichtung der Einfuhrabgaben möglich gewesen, ohne jedoch dafür irgendeine Begründung anzubieten, weshalb auf dieses Argument nicht näher eingegangen werden kann. Was letztlich den Einwand betrifft, die Klägerin bzw die Firma N*****hätten die Waren der Empfängerin erst nach Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer aushändigen dürfen, so ist dem entgegenzuhalten, daß für die Klägerin kein Anlaß bestand, an der Zahlungsfähigkeit der Empfängerin zu zweifeln bzw diesbezüglich Rückfragen zu halten. Die von der Klägerin geübte Vorgangsweise war im Interesse der flüssigen Abwicklung des Auftrages dienlich. Gemäß § 408 Abs 1 HGB hat der Spediteur die Versendung, insbesondere die Wahl der Frachtführer, Verfrachter und Zwischenspediteure, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuführen; er hat hiebei das Interesse des Versenders wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen. Nach den Feststellungen ist nicht davon auszugehen, daß die Klägerin gegen diese Pflichten aus dem Speditionsvertrag verstoßen hätte. Daraus folgt, daß die Beklagte als Auftraggeberin der Klägerin den Aufwand zu ersetzen hat, wozu auch die ausgelegte Einfuhrumsatzsteuer gehört. Ebensowenig wie in der Berufung wird in der Revision gegen die Höhe der Klagsforderung ein Einwand erhoben, sodaß sich weitere Ausführungen hiezu erübrigen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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