OGH 6Ob651/94

OGH6Ob651/949.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Speditions-GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Leo Häusler, Dr.Johann Grasch, Rechtsanwälte in Leibnitz, wider die beklagte Partei S***** & Co Gesellschaft mbH, ***** Spedition, ***** vertreten durch Dr.Walter Strigl, Dr.Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 301.119,-- samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14.Juli 1994, AZ 1 R 153/94 (ON 11), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28.Februar 1994, GZ 35 Cg 551/93-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.490,-- (darin S 2.415,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende und die beklagte Partei sind internationale Speditionen. Die beklagte Partei wurde Anfang Oktober 1992 von der niederländischen Spedition D***** mit der Besorgung und Beförderung eines Palletisators von Großbritannien nach Oberösterreich-Leonding beauftragt. Am 9.10.1992 beauftragte die beklagte Partei mit der Durchführung die klagende Partei. In diesem Auftrag wies die beklagte Partei darauf hin, daß die Ausfuhrzollabfertigung durch sie oder durch den Absender erfolgen werde, bezüglich der Einfuhrzollabfertigung sollte die klagende Partei mit Zollbegleitschein oder Kolli-Siegelung anliefern. Als Entladestelle wurde die Firma B***** in L***** genannt. Der Frachtpreis wurde mit S 12.000,-- inklusive vereinbart.

Die klagende Partei beauftragte ihrerseits mit der Durchführung des Transportes die H***** GesmbH & Co KG, welche wiederum die U*****-GesmbH aus Schärding mit der Durchführung des Transportes beauftragte. Diese führte den Transport dann auch tatsächlich durch. Die Ausfuhrverzollung wurde vom Absender vorgenommen.

Die Ware wurde mit einem Zollbegleitschein am 15.10.1992 auftragsgemäß von der Firma U***** an die Firma B***** ausgeliefert. Gemäß § 119 ZollG ist in diesem Fall innerhalb der Stellungsfrist durch Vorlage des Begleitscheines das Begleitscheingut der Bestimmungszollstelle vollständig, unverändert und unbenützt sowie mit unverletzten Verschlüssen und Nämlichkeitszeichen zu stellen (vorzuführen). Die Frist für diese Stellung beim Zollamt Linz endete am 22.10.1992.

Da die bei der Firma B***** angelieferte Ware von dieser nicht innerhalb der Stellungsfrist dem Zollamt Linz gestellt wurde, konnte sie in Österreich nicht eingangsabgabenabgefertigt werden. In diesem Fall ist gemäß § 119 Abs.3 ZollG für den entgangenen Zoll Ersatz zu leisten. Unter Zoll im Sinne des Zollgesetzes sind sämtliche Eingangs- oder Ausgangsabgaben, unter anderem auch die Einfuhrumsatzsteuer und der Ausfuhrförderungsbeitrag zu verstehen.

Mit Haftungsbescheid vom 14.7.1993 verpflichtete das Hauptzollamt Linz gemäß § 119 Abs.3 ZollG die Firma U***** als Antragsteller des Begleitscheinverfahrens ("Hauptverpflichtete") zur Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer von S 291.974,--, des Ausfuhrförderungsbeitrages von S 4.380,-- sowie eines Säumniszuschlages von S 5.927,--.

Die Firma B*****, welche als Warenempfänger für die Zahlung des Zolles verantwortlich gewesen wäre, verfiel am 28.10.1992 in Konkurs. Die ihr gelieferte Maschine war von der Bank für O***** fremdfinanziert worden und stand unter Eigentumsvorbehalt, sodaß sie nicht in die Konkursmasse fiel. Die Bank veräußerte dementsprechend die Maschine in der Folge an die Firma H*****-GesmbH. Dabei wurde diese allerdings nicht mit den noch offenen Abgaben belastet. Die Bank für O***** zahlte zwar den Außenhandelsförderungsbeitrag sowie den Säumniszuschlag, die Einfuhrumsatzsteuer blieb aber unberichtigt.

Die Firma U***** nahm hinsichtlich der ihr vorgeschriebenen Zahlungen bei ihrem Auftraggeber, der Transportagentur H***** GesmbH & Co KG Regreß, welche ihrerseits am 30.7.1993 an die klagende Partei als ihre Auftraggeberin eine Zollrechnung legte. Darin verrechnete sie neben der Einfuhrumsatzsteuer den Außenhandelsförderungsbeitrag, den Säumniszuschlag, die Kosten der Importverzollung und die eigenen Interventionsspesen sowie eine Barvorlage von S 9.145,-- (3 % der vom Zollamt vorgeschriebenen Positionen). Insgesamt lautete die Rechnung daher auf S 313.966,--. Da der Außenhandelsförderungsbeitrag und der Säumniszuschlag von der Bank für O***** bezahlt wurden, legte die klagende Partei am 31.7.1993 der beklagten Partei eine Rechnung über S 291.974,-- (Einfuhrumsatzsteuer) und die der Firma H***** ersetzte Barauslage von S 9.145,--, insgesamt daher S 301.119,--.

Bereits vor Ausstellung des Haftungsbescheides vom 14.7.1993 war den Firmen U***** und H***** die Versäumung der Stellungsfrist durch ein Ausforschungsverfahren der Zollbehörde zu Ohren gekommen. Mit Fax vom 11.3.1993 verständigte die Auftragnehmerin der klagenden Partei, die Firma H*****, diese von der unterlassenen Stellung des Zollgutes. Sie machte die Klägerin darauf aufmerksam, daß sie, weil mit Kolli-Siegelung zugestellt worden war, die klagende Partei für ihr allenfalls vorgeschriebene Eingangsabgaben voll haftbar machen werde. Von dieser Mitteilung verständigte die klagende Partei ihrerseits unverzüglich mit Fax vom 11.3.1993 die beklagte Partei. Sie forderte diese darin auf, sich unverzüglich mit dem Kunden in Verbindung zu setzen und die Verzollungsunterlagen beizubringen und wies auf die allenfalls drohende Haftung hin.

Nach einem in Österreich geltenden Handelsbrauch sind die AÖSp, zumindest unter Kaufleuten, als Geschäftsgrundlage für alle österreichischen Spediteure als stillschweigend vereinbart anzusehen. Darüber hinaus besteht ein Handelsbrauch (HBÖ Folge 5 Nr.53), wonach der Spediteur sich ohne ausdrückliche Vereinbarung zumindest zu jenen seiner Rechnungsbeträge, welche vorgeschossene Barauslagen enthalten (Zölle, Einfuhrumsatzsteuer), 3 % Vorlageprovision hinzurechnen darf, die der Kunde dann in Abzug bringen kann, wenn er die hiemit belasteten Rechnungsbeträge in einer durchschnittlich 14 Tage betragenden Frist begleicht.

Mit der am 4.10.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von S 301.119,-- samt Anhang. Auf das Vertragsverhältnis seien die CMR-Bestimmungen, nicht aber die AÖSp, anzuwenden. Die klagende Partei habe den Frachtauftrag ordnungsgemäß erfüllt. Für die Nichtstellung der Ware vor der Zollbehörde durch den Empfänger hafte die klagende Partei nicht. Die beklagte Partei sei gemäß § 30 lit.a AÖSp verpflichtet, die klagende Partei hinsichtlich Einfuhrumsatzsteuer und Barvorlage schadlos zu halten. Es seien weder die Verjährungsbestimmungen nach § 64 AÖSp noch die Haftungsbeschränkungen nach § 54 AÖSp anwendbar. Eine Verjährungsbestimmung, welche den Beginn der Verjährungsfrist vor dem Zeitpunkt ansetze, zu welchem ein Anspruch noch gar nicht habe bekannt sein können, sei sittenwidrig.

Die beklagte Partei wandte ein, die CMR-Bestimmungen seien nur bis zur Ablieferung der Ware maßgeblich. Sie arbeite als österreichisches Speditionsunternehmen ausschließlich auf der Basis der AÖSp. Nach deren § 64 in der geltenden Fassung unterlägen alle Ansprüche gegen den Spediteur einer 6monatigen Verjährungsfrist. Der Klagsanspruch sei daher verjährt. Die beklagte Partei hafte nach § 51 AÖSp nur bei Verschulden. Ein solches treffe sie an der Unterlassung der Verzollung nicht. Überdies bestehe nach § 54 lit.a AÖSp eine Haftungsbeschränkung mit S 15.000,--.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Rechtlich führte es aus, daß im Verhältnis zwischen zwei Spediteuren sich nur der auftragnehmende, nicht aber auch der auftraggebende Spediteur auf die AÖSp berufen könne. Die kurze Verjährungsfrist des § 64 AÖSp komme daher nur dem beauftragten Spediteur zugute. Der Klagsanspruch sei kein Schadenersatzanspruch, auf ein allfälliges Verschulden der beklagten Partei nach § 51 AÖSp komme es daher nicht an. Der klagenden Partei stehe vielmehr ein Aufwandersatzanspruch nach §§ 407 Abs.2, 396 Abs.2 HGB zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es sei davon auszugehen, daß die klagende Partei in einer Kette mehrerer mit dem Transport befaßten Zwischenspediteuren von der beklagten Partei als Hauptspediteur beauftragt worden sei. Diese sei daher Versender der Ware. Zwischen dem Haupt- und dem Zwischenspediteur gelte Speditionsrecht. Die klagende Partei mache einen Aufwandersatzanspruch geltend, der nicht in den Vorschriften des HGB über das Speditionsgeschäft, sondern nach der Verweisungsnorm des § 407 Abs.2 HGB in § 396 Abs.2 HGB geregelt sei. Danach sei der Versender verpflichtet, dem Spediteur die Aufwendungen zu ersetzen. Der Klagsanspruch sei kein Schadenersatzanspruch, sondern ein gesetzlich geregelter verschuldensunabhängiger Anspruch auf Aufwandersatz. Die Ausführungen des Erstgerichtes, daß die AÖSp nur Geschäftsbedingungen des beauftragten Spediteurs seien, auf die sich der auftraggebende Spediteur nicht berufen könne, seien zutreffend. Aus den einzelnen, den Spediteur begünstigenden Bestimmungen der AÖSp sei zweifelsfrei ableitbar, daß diese immer nur den das Transportgeschäft ausführenden Spediteur im Auge hätten. Die beklagte Partei könne sich daher nicht auf die kurze Verjährungsfrist des § 64 AÖSp berufen, für den Anspruch auf Aufwandersatz gelte vielmehr die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der AÖSp auf Fälle, in welchen Auftraggeber und Auftragnehmer des Transportgeschäftes Spediteure seien, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 2a der AÖSp hatte bis zum 31.12.1988 folgenden Wortlaut: "Die AÖSp gelten für alle Verrichtungen des Spediteurs im Verkehr mit Kaufleuten und Nichtkaufleuten, gleichgültig, ob es sich um Speditions-, Fracht-, Lager-, Kommissions- oder sonstige mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängende Geschäfte handelt." Diese Bestimmung war im wesentlichen inhaltsgleich mit § 2 ADSp aF. Schon unter deren Geltungsbereich war es in Deutschland nicht bestritten, daß die ADSp allgemeine Geschäftsbedingungen des beauftragten Spediteurs, nicht aber des Auftraggebers, auch wenn dieser Spediteur ist, sind (Krien-Hay ADSp Anm.6 und 8) und daß mit der Neufassung der ADSp 1978 durch die Einfügung im § 2d "Im Verhältnis zwischen Haupt- und Zwischenspediteur gelten die ADSp als allgemeine Geschäftsbedingungen des Zwischenspediteurs" nur eine Klarstellung dessen erfolgte, was ohnehin bis dahin schon galt und praktiziert wurde (Peter H.Wolf ADSp SVS-RVS Anm.29 zu § 2).

In Österreich wurden die AÖSp mit Wirkung ab 1.Jänner 1989 einer Revision unterzogen. Nach dem neu gefaßten § 2 sind die AÖSp nur mehr auf Geschäfte mit Kaufleuten und Unternehmern, nicht mehr auf Geschäfte mit Verbrauchern im Sinne des § 1 KSchG anwendbar. Diese Einschränkung auf Kaufleute und Unternehmer erfolgte in Angleichung an die ADSp, eine entsprechende Klarstellung über die Geltung der AÖSp bei Verträgen zwischen Haupt- und Zwischenspediteur sowie Frachtführern ist aber unterblieben. Während die Lehre (Schütz in Straube S.415 Anhang I AÖSp I Vorbem. Rz 17 und Csoklich, Einführung in das Transportrecht, 47 und derselbe in RdW 1989, 54) die Ansicht vertreten, daß nach der unmißverständlichen Gesamtkonstruktion der AÖSp diese nur als die allgemeinen Geschäftsbedingungen des beauftragten Spediteurs gelten, sodaß sich der auftragnehmende Spediteur (Hauptspediteur) nicht auf sie berufen kann, hat die Rechtsprechung hiezu bisher noch nicht ausdrücklich Stellung genommen.

Der Lehre ist zuzustimmen, daß aus der Gesamtkonstruktion der AÖSp abgeleitet werden müsse, diese haben nur für den Spediteur als Auftragnehmer, nicht aber auch für den beauftragenden Spediteur Gültigkeit. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß mit den AÖSp eine ganze Reihe von Bestimmungen zugunsten des Spediteurs gegenüber seinem Auftraggeber zum Vertragsinhalt gemacht werden, um den besonders hohen Risken des ausführenden Spediteurs entgegenzuwirken. Nach § 2 gelten die AÖSp für alle Verrichtungen des Spediteurs im Verkehr mit Kaufleuten und Unternehmen - es wird also die Tätigkeit des ausführenden Spediteurs gegenüber seinem Auftraggeber geregelt. Die Rechte und Pflichten des Spediteurs gegenüber seinem Auftraggeber werden in der Folge detailliert geregelt und gegen jene des Auftraggebers abgegrenzt. Im Interesse des beauftragten Spediteurs wird seine Haftung in einer ganzen Reihe von Bestimmungen beschränkt, seine Rechte gegenüber dem Auftraggeber werden - ihn gegenüber diesem bevorzugend - im einzelnen definiert und die Pflichten des Auftraggebers gegenüber den Bestimmungen des positiven Rechtes ausgeweitet. Ein Pfandrecht wegen Verrichtungen im Sinne des § 2a (§ 50), die Haftungsvorschriften der §§ 49 bis 42, 52 ff, der Gerichtsstand nach § 65 kommen nur für den beauftragten Spediteur, nicht aber für den Auftraggeber in Betracht. § 64 bestimmt, daß alle Ansprüche gegen den Spediteur, gleichviel aus welchem Rechtsgrund und unabhängig vom Grad des Verschuldens in sechs Monaten verjähren. Damit ist aber eindeutig (Argument: gegen) klargelegt, daß sich der Auftraggeber, mag er den Auftrag auch als (Haupt-)Spediteur erteilt haben, gegenüber Forderungen des beauftragten Spediteurs nicht auf die kurze Verjährungsfrist berufen kann, für diesen vielmehr die allgemeinen Verjährungsbestimmungen zur Anwendung kommen (vgl. Csoklich aaO, 47; vgl. Koller, Transportrecht, 207).

Auch die Ansicht der Revisionswerberin, die Klagsforderung sei, weil keine "ordentliche" Zollschuld vorliege, kein Aufwandersatz, ist nicht zutreffend: Nach § 30a AÖSp, auf welche sich die klagende Partei als auftragnehmender Spediteur berufen kann, hat der Auftraggeber den Spediteur von Forderungen oder Nachforderungen für Zölle, Steuern und sonstige Abgaben, die an den Spediteur gestellt werden, sofort zu befreien. Daß Einfuhrumsatzsteuer und Ausfuhrförderungsbeitrag Zölle und Abgaben im Sinne des § 119 ZollG sind, ergibt sich, ebenso wie die Haftung des Hauptverpflichteten aus dem Gesetz. § 30 AÖSp stellt einen Aufwandersatzanspruch des Spediteurs dar (vgl Koller aaO 135). Der Auftraggeber hat dem beauftragten Spediteur den (hier im Regreßwege weiterer Zwischenspediteure) getätigten Aufwand gemäß §§ 407 Abs.2, 396 Abs.2 HGB, 1014 ABGB unabhängig von einem etwaigen eigenen Verschulden zu ersetzen.

Da die Klagsforderung somit nicht verjährt ist und verschuldensunabhängig geltend gemacht werden kann, war der Revision insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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