Spruch:
Das Gericht, an welches überwiesen wurde, ist selbst dann, wenn das überweisende Gericht entgegen der Vorschrift des § 261 Abs 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung über den Überweisungsantrag entschieden hat, an die Entscheidung des überweisenden Gerichtes gebunden
OGH 27. Jänner 1970, 8 Nd 5/70
Text
Die Klägerin brachte beim Landesgericht Feldkirch gegen den Beklagten, dessen Wohnort mit Klosterneuburg angegeben wurde, eine Klage auf Zahlung des Betrages von 196.252.40 S s A ein und stützte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes auf § 88 JN.
Bei der ersten Tagsatzung vom 21. August 1969 erhob die beklagte Partei nach dem Wortlaut des Protokolles "die Einrede der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit". Neben der Protokollierung dieser Einrede finden sich weiter die Worte: "Keine Gerichtsstandsvereinbarung". Der Beklagten wurde die Einbringung einer Klagebeantwortung bis 22. September 1969 aufgetragen.
In der Klagebeantwortung wurden die bei der ersten Tagsatzung erhobenen Einreden nicht ausgeführt. Dessen ungeachtet stellte die Klägerin mit Schriftsatz den Antrag, die Rechtssache an das offenbar nicht unzuständige Handelsgericht Wien zu überweisen.
Daraufhin faßte das Landesgericht Feldkirch außerhalb einer mündlichen Verhandlung den Beschluß, die Rechtssache werde, über Antrag der klagenden Partei wegen örtlicher Unzuständigkeit des Landesgerichtes Feldkirch an das offenbar nicht unzuständige Handelsgericht Wien überwiesen". Dieser Beschluß wurde beiden Parteienvertretern zugestellt und nicht angefochten. Der Akt wurde dem Handelsgericht Wien übermittelt.
Das Handelsgericht Wien lehnte mit Beschluß vom 23. Oktober 1969 die Übernahme der Rechtssache ab, da keine gesetzmäßige Überweisung vorliege. Auch dieser Beschluß wurde den Parteienvertretern zugestellt und wurde rechtskräftig.
Nachdem das Landesgericht Feldkirch mit Beschluß das Protokoll über die erste Tagsatzung vom 21. August 1969 dahin berichtigt hatte, daß von der beklagten Partei die Einrede der örtlichen und sachlichen "Unzuständigkeit" erhoben worden war, legte es nach nochmaligem Notenwechsel mit dem Handelsgericht Wien den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites vor.
Der Oberste Gerichtshof erklärte das Handelsgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache für zuständig.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die vom Handelsgericht Wien in seinem Beschluß vom 23. Oktober 1969 angeführten Gründe für die Ablehnung der Übernahme der Rechtssache treffen nicht zu. Daß die beklagte Partei die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben hat, steht nach dem Berichtigungsbeschluß des Landesgerichtes Feldkirch fest. Das Landesgericht Feldkirch hat zwar über diese Unzuständigkeitseinrede des Beklagten und den Überweisungsantrag der klagenden Partei entgegen der Vorschrift des § 261 Abs 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden, dieser Mangel ist aber sanktionslos (Fasching, Kommentar zu den ZPO-Gesetzen, III, bei § 261 ZPO, Anm 113, S 216). Das Landesgericht Feldkirch hat in seinem Überweisungsbeschluß ausgesprochen, daß die Überweisung "wegen örtlicher Unzuständigkeit" des Landesgerichtes Feldkirch erfolgt. Dies muß als für den Ausspruch der Unzuständigkeit hinreichend angesehen werden, da daraus der Grund für die Überweisung deutlich ersichtlich ist.
Das Handelsgericht Wien ist somit an die Entscheidung des Landesgerichtes Feldkirch gebunden (SZ 7/6) und für die Rechtssache zuständig.
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