OGH 7Ob562/95

OGH7Ob562/9512.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** reg.GenmbH, ***** 2. R***** GmbH, ***** beide vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster ua Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Erna K*****, vertreten durch Dr.Alois Bergbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 30.November 1994, GZ 3 R 211/94-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8.Juni 1994, GZ 8 C 130/94x-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.021,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 670,21 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin ist Eigentümerin der EZ ***** KG ***** bestehend aus vier Grundstücken, welche als sogenannte Heimgartenanlage (Kleingärten) genützt werden. Am 14.12.1982 brachte die Erstklägerin diese Liegenschaft mit Sacheinlagevertrag zum Zwecke der Kapitalerhöhung in das Unternehmen der Zweitklägerin ein und erteilte auch ihre Einwilligung, daß das Eigentumsrecht der Zweitklägerin an dieser Liegenschaft einverleibt werde, was bisher jedoch nicht durchgeführt wurde.

Am 16.8.1985 räumte die Erstklägerin der Beklagten das Nutzungsrecht an einer Gartenparzelle dieser Anlage im Ausmaß von 376 m2 ein. Vereinbart wurde dabei, daß die Nutzungsbewilligung jeweils immer nur für ein Jahr erteilt werde und aus jahrelanger Nutzung kein Dauerrecht abgeleitet werden könne. Diese Vereinbarung hat auch die Zweitklägerin unterfertigt.

Die Klägerinnen kündigten der Beklagten die Kleingartenparzelle zum 31.12.1994 auf und beantragten, der Beklagten die Übergabe des Bestandgegenstandes aufzutragen. Die Beklagte sei Mitglied der erstklagenden Genossenschaft. Die Überlassung der Nutzung des Heimgartens durch eine Genossenschaft an ihre Mitglieder unterliege der in § 1 Abs 3 KlGG genannten Ausnahme für "Kleingärten auf Eigengrund". Die Klägerinnen seien daher ohne Vorliegen von Kündigungsgründen zur Aufkündigung berechtigt. Es liege aber auch der auf Einzelpachtverträge sinngemäß anzuwendende Kündigungsgrund des § 6 Abs 2 lit f KlGG vor. Die Klägerinnen seien aus wirtschaftlichen Gründen genötigt, die gesamte Liegenschaft zu verkaufen. Bei aufrechten Nutzungsverträgen wäre die Liegenschaft aber unverkäuflich. Ohne diese Belastung könnten die Klägerinnen einen Verkaufserlös von rund S 82 Mio erzielen. Aus dem Fortbestand des Nutzungsverhältnisses würde den Klägerinnen daher ein unverhältnismäßig größerer Nachteil erwachsen als der Beklagten aus der Aufkündigung. Dieser Sachverhalt stelle zumindest einen Kündigungsgrund im Sinne der Generalklausel des § 12 Abs 2 KlGG her. Im übrigen habe der Nutzungsvertrag durch Zeitablauf geendet. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Aufwandsersatz.

Die Beklagte beantragt die Aufhebung der Aufkündigung. Der Bestandgegenstand sei in der Aufkündigung nicht ausreichend deutlich bezeichnet. Die Klägerinnen seien aktiv zur Aufkündigung nicht legitimiert. Die Ausnahme des § 1 Abs 3 KlGG liege nicht vor. Der von den Klägerinnen gewählte Kündigungstermin sei verfehlt. Die von den Klägerinnen angestrebte günstigere Verkaufsmöglichkeit bilde auch nicht die behaupteten Kündigungsgründe. Schließlich habe die Beklagte Anspruch auf Aufwandsersatz. Die zeitliche Beschränkung des Nutzungsverhältnisses habe nicht wirksam vereinbart werden können.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Als Vertragspartner der Beklagten seien beide Klägerinnen zur Aufkündigung legitimiert. Der vorliegende Einzelpachtvertrag unterliege dem KleingartenG; daß die Beklagte Mitglied der Erstklägerin sei, führe nicht zur Eigenschaft des Kleingartens "auf Eigengrund" (des Pächters). Die Ausnahme des § 1 Abs 3 KlGG sei aber jedenfalls im Verhältnis zur Zweitklägerin nicht gegeben. Der mit einem Jahr befristete Einzelpachtvertrag gelte gemäß § 2 KlGG als auf 10 Jahre abgeschlossen und habe am 31.12.1993 geendet. Danach sei er aber verlängert worden. Er habe gemäß § 12 Abs 1 KlGG nur zum 31.3. oder 30.11. aufgekündigt werden können. § 6 Abs 1 KlGG, wonach Generalpachtverträge nur zum Ende eines Kalenderjahres aufgekündigt werden können, sei auf Einzelpachtverträge nicht sinngemäß anzuwenden. Der Fehler im Kündigungstermin führe bereits zur Aufhebung der Aufkündigung. Aber auch die geltend gemachten Kündigungsgründe lägen nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der nicht näher definierte Begriff des "Kleingartens auf Eigengrund" in § 1 Abs 3 KlGG setze einen Kleingarten voraus, der vom Grundeigentümer nicht weitergegeben (verpachtet) werde. Der Umstand, daß die Beklagte Mitglied der erstklagenden Genossenschaft sei, mache den Kleingarten nicht auf ihrer Seite zu einem solchen auf "Eigengrund". Mitglieder von Genossenschaften seien nicht Eigentümer des Genossenschaftsvermögens. Diese Mitgliedschaft hindere auch nicht, daß ein Genossenschafter in ein besonderes Vertragsverhältnis zur Genossenschaft trete. Es liege vielmehr ein zwischen dem Grundeigentümer und dem Kleingärtner unmittelbar abgeschlossener Einzelpachtvertrag im Sinne des § 18 KlGG vor. Daher seien auf den Vertrag die Kündigungsbeschränkungen des § 6 Abs 2 lit a bis c und f und des § 12 KlGG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 12 Abs 1 KlGG könne die Kündigung nur zum 31.3. oder 30.11. eines jeden Jahres erfolgen. Der von den Klägerinnen gewählte Kündigungstermin 31.12. sei daher verfehlt. Eine Kündigung könne zwar mit einer längeren als der gesetzlichen Kündigungsfrist erfolgen, nicht aber für einen im Gesetz nicht vorgesehenen und nicht vereinbarten Termin, selbst wenn dieser für den aufgekündigten scheinbar günstiger sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Klägerinnen erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Revision wendet sich in erster Linie gegen die Anwendung des KleingartenG auf das gegenständliche Bestandverhältnis. Die Ausnahme des § 1 Abs 3 KlGG ist jedoch nicht gegeben. Nach dieser Gesetzesstelle gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, soweit darin nichts anderes bestimmt wird, nicht für Kleingärten auf Eigengrund. Diese Ausnahme ist darin begründet, daß für Kleingärten auf Eigengrund die für Pachtverhältnisse geltenden Schutzbestimmungen nicht in Frage kommen können, doch mußten im Gesetz mit Rücksicht auf die Wechselbeziehungen zwischen Eigengrund und gepachteten Kleingärten gewisse Bestimmungen auch für Kleingärten auf Eigengrund (§ 3 Abs 1 und § 15 Abs 3) getroffen werden (RV 472 BlgNR 8. GP 7 f). Daraus geht unmißverständlich hervor, daß "Kleingärten auf Eigengrund" nur solche sind, die nicht verpachtet, sondern vom Eigentümer genützt werden; auf solche Gärten sind allerdings die genannten, hier nicht maßgebenden Bestimmungen des KleingartenG anzuwenden.

Aber auch die Tatsache, daß die Beklagte Mitglied der erstklagenden Genossenschaft ist, macht den im Eigentum der Erstklägerin stehenden Kleingarten nicht zum "Eigengrund" der Beklagten. Genossenschaften werden allgemein als eigene Rechtspersönlichkeiten anerkannt (Kastner/Doralt/Novotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 454). Die Rechte der Genossenschafter gliedern sich in Herrschaftsrechte und Vermögensrechte; die Vermögensrechte sind das Recht auf Gewinnanteil, auf die Zahlung des am Stichtag des Ausscheidens bestehenden Geschäftsguthabens und auf den Liquidationsanteil (Kastner/Doralt/Novotny aaO 476). Die Genossenschaft und nicht ihre Mitglieder ist daher Eigentümerin des Genossenschaftsvermögens. Die gesetzliche Definition in § 1 GenG, wonach Genossenschaften Vereine von nicht geschlossener Mitgliederzahl sind, die im wesentlichen der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen, enthält nicht mehr die Worte "durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb". Das aus diesen Worten abgeleitete, von der Gen-Nov 1974 aufgegebene Identitätsprinzip hatte nur Bedeutung für die Frage, ob der Geschäftsbetrieb auf die Mitglieder beschränkt ist oder auch Geschäfte mit Nichtmitgliedern möglich waren (Kastner/Doralt/Novotny aaO 452). Die Eigentumsverhältnisse am Genossenschaftsvermögen beeinflußte diese Bestimmung jedoch nicht. Zu Recht sind daher die Vorinstanzen von der Anwendbarkeit des KleingartenG auf das vorliegende Bestandverhältnis ausgegangen.

Die am 16.8.1985 zwischen den Streitteilen abgeschlossene Benützungsvereinbarung ist demnach ein Einzelpachtvertrag im Sinne des KleingartenG. Ungeachtet der im Vertrag enthaltenen Bestimmung, wonach die Nutzungsbewilligung jeweils immer nur für ein Jahr erteilt wird und aus jahrelanger Nutzung keinesfalls ein Dauerrecht abgeleitet werden kann, gilt er gemäß § 2 KleingartenG als auf 10 Jahre abgeschlossen. Diese Bestanddauer hätte - zufolge der in diesem Vertrag genannten erstmaligen Übergabe des Bestandobjekts (1.1.1984) - am 31.12.1993 geendet; mangels rechtzeitiger Aufkündigung vor Ablauf der Bestandzeit ist der Vertrag aber verlängert worden (§ 1114 ABGB, § 12 Abs 2 KlGG), weil hier ein Vertrag mit bedingtem Endtermin vorliegt, der zur Auflösung zum vorgesehenen Zeitpunkt einer vorausgehenden Kündigung bedurft hätte (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 1114; SZ 35/101). Im Bereich des Kündigungsschutzes des MRG kann in einem solchen Fall die erforderliche gerichtliche Kündigung des Bestandgebers nur bei Vorliegen wichtiger Kündigungsgründe vorgenommen werden; Analoges gilt im Bereich des KleingartenG (Würth aaO Rz 3 zu § 1114 ABGB). Demnach haben die Kündigungsbeschränkungen dieses Gesetzes auch dann Anwendung zu finden, wenn der Vertrag zwar auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde, mangels rechtzeitiger Kündigung aber als stillschweigend erneuert zu gelten hat (SZ 35/101). § 12 Abs 2 KlGG, welcher gemäß § 18 KlGG sinngemäß auf Einzelpachtverträge anzuwenden ist, bestimmt demnach auch, daß Unterpachtverträge, gleichgültig, ob sie auf unbestimmte oder bestimmte Zeit abgeschlossen sind, vom Verpächter nur aus wichtigen Gründen gekündigt werden können, der Kündigungsschutz demnach auch auf befristete Bestandverträge anzuwenden ist.

Gemäß § 12 Abs 1 KlGG, welche Bestimmung ebenfalls gemäß § 18 KlGG sinngemäß auf Einzelpachtverträge anzuwenden ist, können Einzelpachtverträge nur zum 31.3. oder 30.11 eines jeden Jahres unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. Diese im Gesetz genannten, § 560 Abs 1 ZPO entsprechenden Kündigungstermine dienen dem Zweck, die Beendigung des Bestandverhältnisses nur zu den im Gesetz vorgesehenden Terminen zu ermöglichen, sodaß die Aufkündigung des Bestandverhältnissen zu anderen Terminen schlechthin ausgeschlossen ist (MietSlg 35.822, 41.616; EvBl 1989/160), selbst wenn für den Aufgekündigten ein günstigerer Kündigungstermin gewählt wird (NRsp 1988/209). Schon deshalb mußte die vorliegende Aufkündigung aufgehoben werden. Zu einem Abgehen von dieser gefestigten Rechtsprechung sieht sich der erkennende Senat nicht veranlaßt.

Ob die geltendgemachten Kündigungsgründe vorliegen, war nicht mehr zu prüfen. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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