OGH 3Ob168/94

OGH3Ob168/9428.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Christina S*****, vertreten durch Dr.Johann Paul Cammerlander ua Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei N***** GmbH KG, *****, vertreten durch Dr.Siegfried Dillersberger ua, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 7.Juni 1994, GZ 1 R 137/94-39, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.April 1994, GZ 5 Cg 59/93f-34, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen über die Anträge der betreibenden Partei auf Klagsermächtigung und Auferlegung eines Kostenvorschusses an die verpflichtete Partei (Punkte 2. und 3. des Exekutionsantrages ON 34 S.4) als nichtig aufgehoben.

II. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Der zweitinstanzliche Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung über den Exekutionsantrag vom 14.4.1994 (ON 34) insgesamt lautet:

1. Aufgrund der einstweiligen Verfügung des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.3.1993, GZ 5 Cg 59/93f-3, in der Fassung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 23.11.1993, GZ 5 Ob 97/93 (5 Cg 59/93f)-28, wird der betreibenden Partei zur Durchsetzung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes hinsichtlich der auf eine 169,76 m2 große Geschäftsräumlichkeit im Erdgeschoß, auf eine 131,32 m2 große Geschäftsräumlichkeit im ersten Stock und auf sechs Kraftfahrzeugabstellplätze in der Tiefgarage des in Bau befindlichen Hauses entfallenden Anteile an der Liegenschaft EZ ***** KG K***** wider die verpflichtete Partei die Exekution bewilligt. Die Verhängung der Geldstrafe bleibt dem Bezirksgericht Kufstein als Exekutionsgericht vorbehalten.

2. Zur Hereinbringung der mit S 9.885,36 (darin S 1.447,56 USt und S 1.200,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Exekutionsantrages und des weiteren Verfahrens wird der betreibenden Partei gegen die verpflichtete Partei die Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf der im Gewahrsam der verpflichteten Partei oder sonstwo immer befindlichen beweglichen Sachen aller Art sowie der im § 296 EO angeführten Wertpapiere und Einlagebücher einschließlich Taschenpfändung bewilligt.

3. Die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei werden mit S 21.375,-- (darin S 3.562,50 USt) als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.

Text

Begründung

Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 11.3.1993, ON 3, wurde der verpflichteten Partei sofort mit Wirksamkeit bis zur grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechts der gefährdeten Partei verboten, über jene Liegenschaftsanteile an der Liegenschaft EZ ***** KG K*****, mit denen Wohnungseigentum an der Geschäftsräumlichkeit im Erdgeschoß im Ausmaß von 169,76 m2, an der Geschäftsräumlichkeit im ersten Obergeschoß im Ausmaß von 131,32 m2 und an den sechs Kfz-Abstellplätzen verbunden werden soll, zu verfügen, insbesondere sie zu veräußern, zu belasten oder zu verpfänden, und die Anmerkung dieses Belastungs- und Veräußerungsverbotes im Grundbuch bewilligt. Während das Rekursgericht mit Beschluß vom 3.5.1993 (ON 13) den Sicherungsantrag zur Gänze abwies, stellte der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 23.11.1993, 5 Ob 97/93 (ON 28), die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung im Ausspruch über das Belastungs- und Veräußerungsverbot wieder her, lediglich das Mehrbegehren der gefährdeten Partei, im Grundbuch K***** ob der EZ ***** hinsichtlich der näher umschriebenen Liegenschaftsanteile das richterliche Veräußerungs- und Belastungsverbot anzumerken, wies der Oberste Gerichtshof ab.

Mit Antrag vom 14.4.1993 begehrte die betreibende (gefährdete) Partei, ihr aufgrund der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes die Exekution zur Durchsetzung des Verstoßes gegen das Belastungs- und Veräußerungsverbot zu bewilligen, wobei sie im Antrag vorbrachte, die verpflichtete Partei habe der einstweiligen Verfügung zuwidergehandelt, indem sie die streitverfangenen Geschäftsräumlichkeiten einschließlich der Kfz-Abstellplätze am 3.6.1993 an die O***** GmbH & Co KG verkauft und diese ihrerseits wieder eine Geschäftsräumlichkeit an Leopold F***** mit Vertrag vom gleichen Tag veräußert habe. Die betreibende Partei habe von diesen Verträgen erst durch die am 31.3.1994 erfolgte Einverleibung des Eigentumsrechtes für Leopold F***** zufolge dieser Kauf- und Wohnungseigentumsverträge Kenntnis erlangt. Weiters beantragte sie, sie auf Kosten der verpflichteten Partei zu ermächtigen, den früheren Zustand wiederherzustellen, indem sie die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages vom 3.6.1993 und auf Einverleibung in die Löschung des Eigentumsrechtes des Leopold F***** beim zuständigen Gericht einbringe, diese Handlungen auf Kosten der verpflichteten Partei vorzunehmen und gemäß § 353 Abs.2 EO der verpflichteten Partei aufzutragen, einen Kostenvorschuß für diese Handlungen von S 200.000,-- an sie zu bezahlen; zusätzlich beantragte sie Fahrnispfändung zur Hereinbringung der Kosten dieses Antrages und dieses Verfahrens.

Das Erst- als Titelgericht bewilligte den Exekutionsantrag zur Gänze und behielt die Verhängung der Geldstrafe und die Bestimmung des Kostenvorschusses dem Exekutionsgericht (BG Kufstein) vor.

Das Gericht zweiter Instanz wies infolge Rekurses der verpflichteten Partei den Exekutionsantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Schon aus den Antragsbehauptungen ergebe sich, daß die verpflichtete Partei einen Zustand geschaffen habe, der durch vertretbare Handlungen nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, sodaß ein weiteres Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei gegen die einstweilige Verfügung unvorstellbar sei. Der Exekutionsbewilligung käme somit - abgesehen von einer allfälligen Kostenentscheidung - keine weitere praktische Bedeutung zu. Eine solche Exekution sei aber nach dem im § 39 Abs.1 Z 8 EO verankerten Grundsatz, der auch hier sinngemäß gelte, nicht zu bewilligen. Einer zu verhängenden Geldstrafe käme vorliegendenfalls ausschließlich der Charakter einer Vergeltungsstrafe zu. Rechtsschutzziel einer Exekutionsbewilligung nach § 355 EO könne aber nur die Durchsetzung des zu sichernden Anspruchs sein, daß also die verpflichtete Partei durch Geld- oder Haftstrafen in ihrer Willensbildung zu einer titelgemäßen konformen Handlung oder Unterlassung gebeugt werde. Bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16.6.1993, 3 Ob 12/93 (= ecolex 1993, 686 = ÖBl 1993, 116), sei in der Judikatur der Standpunkt vertreten worden, bei den nach § 355 EO zu verhängenden Geld- und Haftstrafen handle es sich um rein in die Zukunft wirkende Beugemittel ohne jeden repressiven Charakter. Erst mit dieser Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof, mehreren Stimmen aus der Literatur folgend, ausgesprochen, daß der Vollzug der Strafe zwar nicht der Vergeltung für rechtswidriges Verhalten, sondern - rückschauend betrachtet - dessen Verhinderung diene, dieses Ziel der gesetzlichen Strafdrohung, nämlich den Willen des Verpflichteten zu beugen, aber meist nicht erreicht werden könnte, wenn die Strafe nicht vollzogen werde. In dieser Entscheidung sei es allerdings um die Frage gegangen, ob im Fall der Einstellung der Exekution alle bisher verhängten Exekutionsakte aufzuheben seien, oder ob diese verhängte Strafen weiterhin zu vollziehen seien, auch wenn der Einstellungsgrund ex nunc wirke, weil das bisher rechtswidrige Handeln des Verpflichteten zufolge einer Gesetzesänderung erlaubt worden sei. Dabei sei ausgesprochen worden, daß trotz Einstellung der Exekution verhängte Strafen zu vollziehen seien, wenn die Einstellung nicht vom betreibenden Gläubiger beantragt worden sei und der Einstellungsgrund nicht auf den Zeitpunkt des Zuwiderhandelns zurückwirke. Auf die Frage, ob die Exekution auch dann zu bewilligen sei und die Strafe noch verhängt werden dürfe, wenn sich das Vorliegen eines Einstellungsgrundes noch vor der Entscheidung darüber erweisen sollte, sei in dieser Entscheidung vom Obersten Gerichtshof nicht eingegangen worden. Das Rekursgericht teile zwar die Auffassung, daß den bei der Unterlassungsexekution verhängten Strafen auch repressiver Charakter zukomme, halte jedoch eine Exekutionsbewilligung gemäß § 355 EO nicht mehr für statthaft, wenn die betreibende Partei schon nach dem ihr bekannten Sachverhalt und ihren Antragsbehauptungen davon ausgehen müsse, daß das Rechtsschutzziel des Exekutionstitels nicht mehr erreicht werden könne, weil die verpflichtete Partei schon mit einem einmaligen Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel eine Situation geschaffen habe, die durch vertretbare Handlungen nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Aus diesen Gründen sei der Exekutionsantrag zur Gänze abzuweisen, einschließlich des gemäß § 356 EO gestellten Antrags auf Klagsermächtigung, weil es sich hiebei um ein subsidiäres Exekutionsmittel handle, für welches allerdings das Exekutionsgericht zuständig sei.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des vorliegenden Revisionsrekurses ist von Amts wegen wahrzunehmen, daß im Sinne der zutreffenden Ausführung der Vorinstanz für die Entscheidung über die Anträge nach § 356 Abs.1 EO ausschließlich das Exekutionsgericht zuständig ist, sodaß die diesbezüglichen Sachentscheidungen der Vorinstanzen (Titelgericht und diesem übergeordnetes Rekursgericht) als nichtig iS des § 477 Abs.1 Z 3 ZPO aufzuheben sind (vgl. SZ 55/178; 55/6; 53/159).

Im übrigen ist der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Partei berechtigt.

Wie die betreibende Partei und im Grunde auch das Gericht zweiter Instanz zutreffend darlegten, wurde durch die Entscheidung des

erkennenden Senates vom 16.6.1993, 3 Ob 12/93 (ecolex 1993, 686 = ÖBl

1993, 116 = SZ 66/74) klargestellt, daß das Wesen und der Zweck einer

im Zuge einer Unterlassungsexekution nach § 355 Abs.1 EO verhängten (zu verhängenden) Strafe nicht allein darin besteht, den Willen des gegen das Unterlassungsgebot verstoßenden Verpflichteten für die Zeit nach der Verhängung der Strafe zu beugen, sondern auch - und gerade im Fall einer nur einmaligen Möglichkeit eines Verstoßes - darin, der gesetzlichen Strafdrohung in rückschauender Betrachtung Gewicht zu verschaffen und damit für den vor der Verhängung der Strafe(n) liegenden Zeitraum das Zuwiderhandeln gegen das Unterlassungsgebot zu verhindern; insofern kommt einer solchen Strafe auch ein repressiver, abschreckender, hindernder Charakter zu. Daran hielt der erkennende Senat in den Entscheidungen 3 Ob 8/94 und 3 Ob 13/95 fest. Liegt nämlich etwa nach einem einmaligen Verstoß gegen ein Unterlassungsgebot nach der Natur desselben ein verpönter Zustand vor, der durch vertretbare Handlungen nicht mehr rückführbar ist, käme bei einer Beurteilung als bloße Vorbeugungsmaßnahme für die Zukunft in einem solchen Fall tatsächlich nie eine Exekutionsführung nach § 355 (Abs.1) EO durch Strafenverhängung in Betracht. Diese, im vorliegenden Fall von der Vorinstanz vertretene Auffassung ist jedoch nicht zu teilen. Die verpflichtete Partei war aufgrund der einstweiligen Verfügung verpflichtet, die Veräußerung und Belastung verschiedener näher umschriebener räumlicher Anteile des auf der Liegenschaft EZ ***** KG K***** zu errichtenden Hauses zu unterlassen. Dieses Verbot (Unterlassungsgebot) war für sie durch die Exekutionsdrohung nach § 355 EO und die nach dessen Abs.1 bei der Exekutionsbewilligung vom Exekutionsgericht zu verhängende Strafe (bis S 80.000,--) sanktioniert. Diese Rechtsfolgendrohung sollte den Willen der verpflichteten Partei ab der Rechtswirksamkeit der einstweiligen Verfügung beugen. Der von der betreibenden Partei behauptete rechtswidrige und schuldhafte Verstoß der verpflichteten Partei gegen dieses Unterlassungsgebot zieht somit die angedrohte Rechtsfolge der Exekutionsbewilligung und der Strafenverhängung durch das Exekutionsgericht nach sich, weil der Wille der verbotswidrig handelnden verpflichteten Partei auch in der Vergangenheit zu beugen war und durch die Strafe etwa auch die Rückführung des verbotswidrig Veranlaßten - auch wenn solches durch vertretbare Handlungen wie im vorliegenden Fall nicht mehr möglich sein sollte - bewirkt werden könnte. Diese - im Grunde auch vom Gericht zweiter Instanz angestellten - Erwägungen führen jedoch zur Bewilligung der beantragten Unterlassungsexekution und zu der dem Exekutionsgericht vorbehaltenen Verhängung einer nach Art und Schwere des Zuwiderhandelns angemessenen Geldstrafe. Für die Kosten dieser Exekutionsmaßnahmen ist auch die beantragte Fahrnisexekution und der Kostenzuspruch gemäß § 74 EO (mit einer 20 %igen Verbindungsgebühr) zu bewilligen.

Die Entscheidung über die Revisionsrekurskosten beruht auf den §§ 74, 78 EO, §§ 50, 41 ZPO.

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