Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Das gemäß § 40 Abs 1 MRG angerufene Erstgericht stellte antragsgemäß fest, daß die Antragstellerin Hauptmieterin der Wohnung top Nr 14 im Haus ***** ist. Es ging hiebei von folgendem Sachverhalt aus:
Der Zweitantragsgegner (Hauptmieter) bewohnte die gegenständliche Wohnung von Mai 1984 bis Oktober 1985. Vorerst bestand ein mündlicher Hauptmietvertrag, der dann im März 1985 schriftlich festgehalten wurde. Das Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und ein Hauptmietzins von S 180,-- vereinbart. Im Juli 1985 lernte der Zweitantragsgegner seine jetzige Frau kennen. Aus diesem Grund zog er aus der gegenständlichen Wohnung aus und wohnte dann in ihrer Genossenschaftswohnung in 1210 Wien. Im Jahr 1986 heirateten sie. Anfang 1988 kauften der Zweitantragsgegner und seine Frau ein Haus in Niederösterreich, daß ihnen je zur Hälfte gehört. Am 27.9.1985 erteilte der Erstantragsgegner (Vermieter) dem Zweitantragsgegner die Zustimmung, daß er seine Wohnung ab 1.10.1985 untervermieten darf. Die Erlaubnis wurde auf 2 Jahre befristet, wobei vereinbart wurde, daß sich diese Frist um weitere 2 Jahre verlängert, wenn nicht mindestens 3 Monate vor Ablauf der Zweijahresfrist seitens der Hausinhabung die Beendigung der Untervermietungsbewilligung bekanntgegeben wird. Weiters wurde vereinbart, daß das Inkasso der Untermietzinse vom Sohn des Erstantragsgegners im Namen und auf Rechnung des Zweitantragsgegners vorgenommen wird. Nach dieser Vereinbarung sollte die Abrechnung der Hausinhabung mit dem Hauptmieter einmal jährlich, tunlichst bis zum März des Folgejahres erfolgen. Nach dem Auszug des Zweitantragsgegners aus der gegenständlichen Wohnung wurde diese untervermietet. Zum damaligen Zeitpunkt wußte der Zweitantragsgegner noch nicht, ob er weiterhin in der gegenständlichen Wohnung wohnen wird und ob er seine damalige Lebensgefährtin auch heiraten wird. Im Jahr 1989 schloß die Antragstellerin mit dem Zweitantragsgegner, welcher durch den Sohn des Erstantragsgegners vertreten war, einen auf drei Jahre befristeten Untermietvertrag beginnend mit 1.10.1989. Vereinbart wurde ein monatlicher Untermietzins von S 1.680,--. In diesem Untermietvertrag wurde auch festgelegt, daß eine Mitgliedschaft beim kommunistischen "Mieterschutzverband Österreich", beim sozialistischen Pendant "Mietervereinigung Österreichs" oder ähnlichen Organisationen ebenfalls die sofortige Auflösung des Untermietverhältnisses bedeuten würde. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrages mit der Antragstellerin stand für den Zweitantragsgegner fest, daß er nicht mehr in die gegenständliche Wohnung ziehen wird. Es konnte nicht festgestellt werden, daß der Zweitantragsgegner diese Wohnung für seine beiden Töchter im Alter von 7 und 4 Jahren behalten wollte. Der Untermietzins wurde der Antragstellerin vom Erstantragsgegner vorgeschrieben.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, § 2 Abs 3 MRG stelle grundsätzlich darauf ab, daß der Abschluß des Hauptmietvertrages nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen worden sei. Diese Voraussetzungen für die Anerkennung als Hauptmieter würden im konkreten Fall nicht vorliegen, weil der Zweitantragsgegner die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken angemietet und auch tatsächlich bewohnt habe. Bei einem Dauerschuldverhältnis seien aber nicht nur die Umstände bei Vertragsabschluß, sondern auch nachfolgende Entwicklungen zu beachten. Die rechtliche Relevanz geänderter Verhältnisse gehöre zum Wesen jeder auf Dauer angelegten Rechtsbeziehung. § 2 Abs 3 MRG komme daher auch dann zur Anwendung, wenn die Absicht der Partei eines Hauptmietvertrages, das Bestandverhältnis nur zum Zwecke der Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte einzugehen, nicht schon bei Vertragsabschluß, sondern erst später gefaßt worden sei, der Mietvertrag daher nur in Umgehungsabsicht aufrecht erhalten werde. Da der Zweitantragsgegner nicht mehr die Absicht habe, die Wohnung selbst zu bewohnen, sondern diese untervermieten habe wollen und darüber hinaus im Untermietvertrag mit dem Antragsteller eine nach dem MRG für Hauptmietverträge unzulässige Befristung vereinbart worden sei und der Untermietzins im Vergleich zur Mietzinsobergrenze bei Hauptmietverträgen nach dem MRG weit überhöht sei, lägen die Voraussetzungen vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner Folge und änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluß dahin ab, daß der Antrag gemäß § 2 Abs 3 MRG mit Teilsachbeschluß abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Das Rekursgericht führte im wesentlichen folgendes aus:
Mit der Beweisrüge bekämpfe der Rekurs einerseits die Feststellung des Erstgerichtes, wonach für den Zweitantragsgegner zum Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrages mit der Antragstellerin festgestanden sei, daß er die aufgekündigte Wohnung nicht mehr beziehen werde, andererseits die Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, daß der Zweitantragsgegner diese Wohnung für seine beiden Töchter behalten wolle. Da jedoch selbst auf Basis des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes der Antrag der Antragstellerin auf Anerkennung als Hauptmieterin gemäß § 2 Abs 3 MRG verfehlt sei, bedürfe es eines Eingehens auf die Beweisrüge der Antragsgegner nicht. Da der Zweitantragsgegner zum Zeitpunkt des Hauptmietvertragsabschlusses 1984 beabsichtigt habe, die Wohnung selbst zu benützen und sie tatsächlich bis 1985 auch bewohnt habe, seien zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 2 Abs 3 MRG nicht vorgelegen. Richtig sei, daß die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (WoBl 1992/161 = RdW 1993, 107; WoBl 1994/41) davon ausgehe, daß auch eine erst nach Hauptmietvertragsabschluß gefaßte Umgehungsabsicht beider Parteien des Hauptmietvertrages die im Sinne des § 2 Abs 3 MRG verpönte Umgehungsabsicht darstelle, wobei die genannte Entscheidung ausdrücklich auf ein notwendiges Zusammenwirken zwischen Hauptvermieter und Hauptmieter abstelle. Im vorliegenden Fall könne aber bereits ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen eine nachträgliche verpönte Umgehungsabsicht nicht angenommen werden: Das Erstgericht habe ausdrücklich festgestellt, daß zum Zeitpunkt der vom Hauseigentümer erteilten Untervermieterlaubnis bzw zum Zeitpunkt der erstmaligen Untervermietung für den Zweitantragsgegner noch nicht festgestanden habe, ob er selbst die Wohnung in Zukunft noch bewohnen werde. Daß daher der Hauseigentümer seine Zustimmung zur Untervermietung in Umgehungsabsicht im Sinne des § 2 Abs 3 MRG erteilt habe, könne dem festgestellten Sachverhalt nicht entnommen werden. Ebensowenig könne dem Zweitantragsgegner unterstellt werden, er habe zum Zeitpunkt der Zustimmung zur Untervermietung durch den Erstantragsgegner in Umgehungsabsicht gehandelt, habe er doch zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewußt, ob er in Zukunft die verfahrensgegenständliche Wohnung selbst bewohnen werde - was Umgehungsabsicht im Sinne des § 2 Abs 3 MRG ausschlösse. Ob und welche Absicht der Zweitantragsgegner anläßlich des Untermietvertragsabschlusses mit der Antragstellerin 1989 im Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Wohnung gehabt habe, sei nicht von rechtlicher Relevanz, weil der Gesetzgeber ausdrücklich nicht auf eine Umgehungsabsicht beim Untermietsvertragsabschluß, sondern beim Hauptmietvertragsabschluß (bzw dessen Aufrechterhaltung) abstelle. Aus diesem Grund könne von einer im Sinne des § 2 Abs 3 MRG nachträglichen schädlichen Umgehungsabsicht keine Rede sein, weshalb der Antrag der Antragstellerin auf Anerkennung als Hauptmieterin abzuweisen sei. Das Erstgericht werde allerdings in der Folge zu beachten haben, daß die Antragstellerin für den Fall der Abweisung des Antrages gemäß § 2 Abs 3 MRG den Eventualantrag auf Überprüfung des vorgeschriebenen Untermietzinses auf dessen Angemessenheit gestellt habe, der ab dem Zugang an den Zweitantragsgegner als Herabsetzungsantrag im Sinne des § 26 MRG zu verstehen sei.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, zumal bereits aufgrund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes eine nachträgliche Umgehungsabsicht nicht anzunehmen sei, weshalb sich eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht gestellt habe.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsstellerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsgegner beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben; hilfsweise stellen sie ebenfalls einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur nachträglichen Umgehungsabsicht zwar zutreffend wiedergegeben hat, dann aber nicht entsprechend dieser Judikatur vorgegangen ist; der Revisionsrekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Antragstellerin macht geltend, die Untervermietung sei durch den Sohn und Vertreter des Erstantragsgegners erfolgt, wobei zunächst eine Aufrechterhaltung des Hauptmietverhältnisses habe erfolgen müssen, um eine Untervermietung durchführen zu können. Im Jahr 1989 sei somit die Entscheidung der Aufrechterhaltung des Hauptmietverhältnisses erfolgt; dies in der vom Gesetz verpönten Umgehungsabsicht.
Hiezu wurde erwogen:
§ 2 Abs 3 MRG setzt zwar (auch in der maßgeblichen Fassung vor dem 3. WÄG) eine besondere Absicht der Parteien des formellen Hauptmietvertrages voraus; dieses subjektive Tatbestandselement wird aber schon dann als erfüllt angesehen, wenn "bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund besteht, daran zu zweifeln". Der Umgehungstatbestand des § 2 Abs 3 MRG kann daher auch dann vorliegen, wenn die letzte Gewißheit über die vom Gesetzgeber verpönte Absicht der Parteien eines formellen Hauptmietvertrages fehlt. Es reicht aus, wenn genügend Anhaltspunkte für eine derartige Absicht vorhanden sind. Ob ein Hauptmietvertrag unter den festgestellten konkreten äußeren Umständen nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen wurde, ist dann im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu entscheiden. Die Umgehungsabsicht muß bei beiden Parteien des formellen Hauptmietvertrages gegeben sein; allerdings genügt es, wenn beide Teile die Umgehung wenigstens im Kauf nahmen (WoBl 1994, 181/40 mwN, zust Dirnbacher).
Die Umgehungsabsicht im Sinne des § 2 Abs 3 MRG muß nicht schon bei Abschluß des Hauptmietvertrages vorliegen, sie kann auch erst später gefaßt werden (WoBl 1992, 241/161; zuletzt 5 Ob 1023/95). Den Antragsgegnern wäre es anzulasten, wenn sie den - 1984 ohne Umgehungsabsicht abgeschlossenen - Hauptmietvertrag schließlich (1989) doch nur zur Untervermietung aufrechterhalten hätten. Maßgeblich ist hiebei der Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrages; spätestens zu diesem Zeitpunkt muß die (nachträgliche) Umgehungsabsicht vorliegen (mißverständlich WoBl 1994, 183/41 [Dirnbacher]). Daß eine erste Untervermietung (hier 1985) ohne Umgehungsabsicht erfolgte, schließt nicht aus, daß eine folgende (hier 1989) nach § 2 Abs 3 MRG zu beurteilen ist. Entsteht die Umgehungsabsicht nachträglich, so ist sie bei allen danach erfolgten Untervermietungen zu berücksichtigen.
Es war daher unzutreffend, wenn das Rekursgericht die im Jahr 1989 gegebenen Absichten für irrelevant gehalten hat. Die diesbezügliche Beweisrüge der Antragsgegner wäre vom Rekursgericht zu erledigen gewesen, weshalb die Rekursentscheidung aufzuheben ist.
Was die Frage anlangt, ob der Zweitantragsgegner die Wohnung 1989 für seine beiden Töchter (bei seiner Vernehmung am 18.4.1994 4 und 7 Jahre alt) behalten wollte, kann die Beweisrüge allerdings unerledigt bleiben, weil keine Rede davon sein könnte, daß diese Kinder in überschaubarer Zeit die Wohnung selbst bewohnen und dort einen eigenen Haushalt führen werden (WoBl 1994, 181/40, zust Dirnbacher).
Sollte das Rekursgericht im übrigen die Feststellungen des Erstgerichtes übernehmen, so bestünden genügend Anhaltspunkte dafür, daß 1989 auf Seiten beider Antragsgegner zumindest dolus eventualis vorlag: Der Zweitantragsgegner wurde bei Abschluß des Untermietvertrages mit der Antragstellerin vom Sohn und Vertreter des Erstantragsgegners vertreten; der Untermietvertrag wurde vom Erstantragsgegner zum Zeichen des Einverständnisses mitgefertigt; der (in seinem eigenen Haus in Niederöstereich wohnende) Zweitantragsgegner war damals bereits seit ca 4 Jahren aus der Wohnung ausgezogen; das Inkasso des Untermietzinses erfolgte durch den Sohn und Vertreter des Erstantragsgegners.
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