OGH 10Ob510/95

OGH10Ob510/9525.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Gerald Kopp, Dr.Michael Wittek-Jochums und Dr.Andreas Braunbruck, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Manfred D*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 697.706,85 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15.Dezember 1994, GZ 6 R 175/94-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29.April 1994, GZ 2 Cg 334/93d-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die "Serie 14" ist eine der zahlreichen Seriengesellschaften im Zusammenhang mit der in Salzburg ansässigen Unternehmensgruppe Wohnungseigentum-Bautreuhand und begann ihre Tätigkeit am 1.8.1977. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb von geldlastenfreien Immobilienobjekten, Liegenschaften und Grundstücken, die Bebauung und Bestandgabe und sonstige Verwertung der Liegenschaften und die Veranlagung der Gesellschaftsmittel in sonstigen hypothekarisch sichergestellten oder durch Banken und Sparkassen veranlagten Vermögenswerten sowie die Beteiligung an Gesellschaften mit gleichem oder ähnlichem Unternehmensgegenstand. In den Jahren 1983/84 wurde das Konzept der Immobilienbeteiligungen, die bis dahin von der Bautreuhandgruppe vertrieben wurden, völlig geändet und dafür ein neues Unternehmen, die IMMAG Immolbilien-Beteiligungs-AG sowie eine eigene Vertriebsfirma mit dem nunmehrigen Firmenwortlaut IVAG Immobilien- und Versicherungsberatungs AG gegründet. Die IVAG AG war die Dachorganisation, der Vertrieb der Immobilienbeteiligungen erfolgte durch ihre drei Tochtergesellschaften, darunter die IVAG West Immobilien- und VersicherungsberatungsgesmbH. In ihren Werbe- und Informationsunterlagen zur Serie 14 weist die IMMAG AG darauf hin, daß alle Immobilien ausschließlich mit Eigenmitteln, also ohne Bankkredite angekauft würden, so daß keine Zinsen und keine Tilgungen für Fremdkapital anfielen. Dies bedeute für den Anleger den großen Vorteil, daß ihm die Erträge der Gesellschaft voll erhalten blieben und er kein wirtschaftliches Risiko trage. Unter der Überschrift "Ihre rechtliche Stellung" ist festgehalten: "Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft. Durch die Tatsache der Beteiligung an einem geldlastenfreien Immobilienvermögen (Konkurs unmöglich), ergibt sich für den Anleger daraus kein Risiko."

Die klagende Partei stand mit der Unternehmensgruppe und einigen Tochtergesellschaften, insgesamt etwa 15 Unternehmen des Konzerns, in Geschäftsbeziehung und räumte diesen Darlehen in Millionenhöhe ein. Im Jänner 1986 traten die Unternehmensgruppen sowie Vertreter der IVAG GesmbH (im folgenden kurz "IVAG") an die klagende Partei mit dem Ersuchen heran, Interessenten Kredite zum Erwerb von Hausanteilscheinen einzuräumen. Diesem Ersuchen stimmte die klagende Partei zu, wobei sie die Kreditgewährung ausschließlich von der Bonität des Kunden abhängig machte. Die Kreditformulare für diese Anlagenfinanzierung wurden in der Kreditabteilung der klagenden Partei unter Mithilfe von Vertretern der IVAG formuliert. Nach dem Inhalt der Formblätter wird der Kredit zum Zweck des Ankaufes von Immobilienzertifikaten der Serie 14 oder IMMAG V InvestitionsgesmbH & Co KG, Serie 20 oder einer erst einzusetzenden Serie gewährt. Vorstand und Aufsichtsrat der klagenden Partei genehmigten die bezüglich der Anlagenfinanzierung getroffenen Vereinbarungen. Dabei war klar, daß die aus den Hausanteilscheinverkäufen erzielten Erlöse unter anderem den Gesellschaften der Unternehmensgruppe Wohnungseigentum-Bautreuhand eine Rückstandsabwicklung ermöglichen sollten. Der Zusammenhang zwischen den Hausanteilscheinverkäufen und der Unternehmensgruppe Wohnungseigentum-Bautreuhand war dadurch hergestellt, daß der Treuhänder das vereinnahmte Geld an die Käufergesellschaft weiterleitete, welche ihrerseits damit ihre Verpflichtungen gegenüber dem Verkäufer erfüllen konnte. Wenn der Liegenschaftsverkäufer die Wohnungseigentum-Bautreuhand war, floß dieser Geld zu, mit dem sie wiederum ihre Verpflichtungen bei den Banken erfüllen konnte. Die klagende Partei hatte aber keinen Einfluß darauf, wohin der Treuhänder die bei ihm aus den Hausanteilscheinverkäufen eingehenden Gelder weiterleitete. Es war ihr aber bekannt, daß die IMMAG-Gruppe Grundstücke von der Wohnungseigentum-Bautreuhand kaufte. Den für die IVAG tätigen Vermögensberatern standen Kreditformulare der klagenden Partei zur Verfügung. Die klagende Partei selbst beteiligte sich am Vertrieb der Hausanteilscheine nicht und machte die Kreditgewährungen für die Anlagefinanzierung in jedem Fall ausschließlich von der Bonität des einzelnenn Kreditwerbers abhängig.

Im Frühjahr 1986 wurden dem Beklagten von Hans Peter W***** der Vertragspartner der IVAG war und den er persönlich kannte, verschiedene Beteiligungsmodelle angeboten. Über W***** lernte er auch Leute der IMMAG kennen und gewann dabei den Eindruck, daß es sich um ein florierendes, finanziell gut abgesichertes Unternehmen handle, das Gelder gut in Immobilien veranlage. Er erhielt von W***** verschiedene Prospekte über Immobilienbeteiligungen, dieser erstellte die konkreten Berechnungen für den Beklagten und präsentierte ihm die klagende Partei als finanzierendes Bankinstitut. Der Beklagte hatte zur klagenden Partei bis dahin keine Bankbeziehung. Mit Anträgen vom 16.12.1985 (angenommen am 3.10.1986 bzw 30.12.1985) erwarb der Beklagte einen Hausanteilschein der Serie 14 von der S***** OHG Serie 14, der eine Kommanditbeteiligung an der OHG verbriefte, die von der S***** Treuhand Gesellschaft mbH treuhändig gehalten wurde, sowie einen Hausanteilschein von der Wohnungseigentum-Bautreuhand Hausanteilscheingesellschaft mbH & Co KG, Serie X, der eine Kommanditbeteiligung an dieser Gesellschaft verbriefte, die von der C***** Treuhand- und Verwaltungs AG treuhändig gehalten wurde. Bei dem Hausanteilschein der Serie 14 betrugen der Ausgabepreis und die Vertragssumme 400.000 S, Vertragsbeginn war der 22.9.1986, die Barauszahlungen sollten in vierteljährlichen Raten in der Höhe von 6.000 S beginnend ab 31.12.1986 erfolgen. Für diesen Hausanteilschein nahm der Beklagte bei der klagenden Partei einen Kredit über 450.000 S auf, mit einer Laufzeit von 10 Jahren und monatlichen Rückzahlungen von monatlich 3.430 S, inklusive Kontoführungsgebühr 3.500 S, beginnend ab 1.7.1986. Im Text des Kreditformulares war bereits vorgedruckt, daß der Beklagte mit Zustimmung der S***** Treuhandgesellschaft mbH/C***** Treuhand- und Verwaltungs-AG gemäß gesondertem Pfandbestellungsvertrag seine Beteiligung zur Besicherung des gegenständlichen Kredites einschließlich aller Nebengebühren zum Pfand bestellt und diese Beteiligung an die Bank abtritt. Weiters schloß der Beklagte eine Er- und Ablebensversicherung über 450.000 S bei der G***** Versicherung ab und verpfändete diese an die klagende Partei. Der Kreditantrag wurde vom Beklagten am 22.5.1986 unterfertigt, von der IVAG am 9.6.1986 firmenmäßig gezeichnet, der klagenden Partei vorgelegt und von dieser am 23.6.1986 angenommen. Nach dem Berechnungsblatt, das Hans Peter W***** für den Beklagten erstellte, hatte er monatlich nur 1.000 S aus eigenem zu zahlen. Der Rest wie auch die Versicherungsprämien sollten durch die vierteljährlichen Barauszahlungen von 6.000 S und die Steuerrückvergütung gedeckt werden. Damit wäre der Saldo auf dem Konto immer annähernd gleich geblieben; dieses hätte nur eine Art Pufferfunktion zu erfüllen gehabt. Nach der vorgelegten Ergebnisübersicht hätte der Beklagte nach 10 Jahren über ein frei verfügbares Kapital von 366.120,06 S verfügen sollen, was einer Effektivverzinsung von 19,6 % entsprochen hätte. Beim Hausanteilschein der Serie X betrug die Vertragssumme 150.000 S, der Ausgabepreis 165.000 S; Vertragsbeginn war der 30.12.1985, die monatlichen Rückzahlungen wurden mit 1.430 S ausgewiesen. Die Barauszahlungen sollten in vierteljährlichen Raten von 1.215 S beginnend mit 31.3.1987 erfolgen. Die monatliche Einzahlung des Beklagten wurde mit 963 S errechnet, die monatliche Lebensversicherung betrug 875 S. Damit wäre der Saldo auf dem Girokonto immer im Plus geblieben. Nach den Berechnungen hätte der Beklagte nach 10 Jahren über ein frei verfügbares Kapital von 191.123 S verfügen sollen, was einer Effektivverzinsung von 16,4 % entsprochen hätte. Zur Finanzierung dieses Erwerbes nahm der Beklagte einen Kredit von 180.000 S bei der klagenden Partei in Anspruch. Beide vom Beklagten unterfertigten Kreditantragsformulare enthalten den Hinweis darauf, daß die Bank keinerlei Haftung für die Gestion des Beteiligungsunternehmens übernehme und auch keinerlei Überprüfungen von Zahlungen und Zusagen der Beteiligungsfirma vornehme. In der Folge wurden zunächst die Kreditkonten pünktlich bedient. Bei dem Kreditkonto über 450.000 S wurden die Überweisungen im Jahr 1990 spärlicher und der Negativsaldo stieg bis 14.5.1991 auf einen Betrag von 493.098,53 S. Bei dem Kreditkonto über 180.000 S wurden ebenfalls zunächst die monatlichen Rückzahlungen entsprechend dem Kreditvertrag (1.430 S) geleistet, wurden jedoch dann spärlicher. Der Negativsaldo betrug am 14.5.1991 204.608,32 S. Bei beiden Krediten war die Kreditbedienung so vorgesehen, daß die monatlichen Zahlungen im wesentlichen nur die Zinsen abdecken sollten und die Abdeckung des Kapitals am Ende der Laufzeit durch die Lebensversicherung hätte erfolgen sollen. In den folgenden Jahren wurde von den Finanzbehörden die steuerliche Absetzbarkeit der Hausanteilscheinbeteiligungen aberkannt. Aufgrund dessen ergab sich gegen den Beklagten eine Steuernachforderung von 91.000 S. Der Beklagte hätte die Hausanteilscheine damals auch mit Bargeld erworben, wenn er über das erforderliche Bargeld verfügt hätte. Er vertraute so auf das Anlagemodell, daß er im Jahr 1987 mit zwei Freunden weitere Verträge abschloß, wobei er als Vermittler auftrat.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Rückzahlung der aushaftenden Kreditvaluta aus beiden Verträgen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Kredite seien ausdrücklich zum Erwerb von Hausanteilscheinen des Bautreuhand/IMMAG Konzernes gewährt worden. W***** habe ihm dabei ausdrücklich erklärt, daß die Finanzierung günstig sei. Die Darlehen seien direkt an die betreffenden Treuhandgesellschaften überwiesn worden. Es sei ausdrücklich zugesagt worden, daß mit den zu leistenden Zahlungen nur die Zinsen zu decken seien, wobei hiefür auch die Gewinnausschüttungen dienen sollten. Die Form der Beteiligung sei als absolut risikolos bezeichnet worden. Am 28.4.1989 sei über die den Ertrag der Beteiligung garantierende Wohnungseigentum-Bautreuhand GesmbH das Konkursverfahren eröffnet worden; die Hausanteilgesellschaften hätten ihre Zahlungen eingestellt. Damit seien aber alle Rahmenbedingungen, die der Kreditvereinbarung zugrunde gelegen seien, weggefallen. Der Beklagte habe aus diesem Grund die Zahlungen eingestellt, zumal auch die Gesellschaften, an denen er sich beteiligt habe, insolvent seien. Die Geschäftsgrundlage sei weggefallen und das Geschäft rückabzuwickeln. Analog § 18 KSchG sei der Beklagte berechtigt, der klagenden Partei sämtliche Einwendungen entgegenzuhalten, die ihm gegen die Hausanteilscheingesellschaft bzw den Treuhänder zustünden. Der die Anlage vermittelnde Hans Peter W***** sei als Geschäftsgehilfe der klagenden Partei anzusehen, weil er ihm den Kreditantrag ausgefolgt habe. Der Beklagte sei auch bei Vertragsabschluß arglistig getäuscht worden. Die Werbung mit dem unwiderruflichen Kaufanbot der Unternehmensgruppe Wohnungseigentum-Bautreuhand sei auch insofern eine listige Täuschung, als die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Kaufanbotes bereits konkursreif gewesen sei, wovon die klagende Partei gewußt habe, da sie selbst größere Außenstände bei diesen Gesellschaften gehabt habe. Es sei ganz konkret die Sanierung dieser Außenstände durch Aufnahme neuer Gelder bei privaten Anlegern ausgehandelt und damit das Insolvenzrisiko auf die privaten Anleger überwälzt worden. Es lägen auch die Voraussetzungen für eine sofortige Auflösung des gesamten Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund vor. Im Hinblick auf die schlechte wirtschaftliche Situation der beteiligten Gesellschaften sei es jedenfalls fahrlässig gewesen, wenn die klagende Partei privaten Anlegern Kredite gewährt habe, um in die Unternehmensgruppe Wohnungseigentum-Bautreuhand zu investieren. Der zuständige Entscheidungsträgerin bei der klagenden Partei sei die Art der Werbung für die Beteiligungen, nämlich, daß es sich um eine absolut sichere Vorsorge handle, bekannt gewesen. Trotzdem sei keine Aufklärung übre das mit der Beteiligung verbundene Risiko erfolgt. Die klagende Partei müsse sich auch das Verhalten des Vermögensberaters und der IVAG zurechnen lassen, da diese bei Abschluß als Erfüllungsgehilfin der klagenden Partei agiert hätten. Dem Beklagten stehe das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 ABGB zu, solange die vierteljährlichen Auszahlungen der Hausanteilgesellschaften gestoppt seien. Der Vertrag werde auch wegen Irrtums angefochten, da der Vermögensberater unrichtige Erklärungen über die Beteiligungen abgegeben habe; auch dies sei der klagenden Partei zuzurechnen. Darüberhinaus sei gar kein Kreditvertrag zustande gekommen, weil Dissens vorliege. Vereinbart seien nur monatlich vom Beklagten zu leistende Rückzahlungen von 963 S bzw 1.000 S worden. Es sei keine Willenseinigung über die Rückzahlungsmodalitäten zustande gekommen. Einredeweise wende der Beklagte eine Gegenforderung von S 775.000,- ein. Ein Schade von S 190.000,- sei ihm durch Nachversteuerungen erwachsen, ein solcher von 405.000 S aus dem 90 %igen Ausfall bei der Serie 14 und ein solcher von 180.000 S durch den gänzlichen Ausfall bei der Serie X.

Die klagende Partei hielt dem entgegen, daß sie in keiner Weise am Abschluß der Beteiligung des Beklagten an den Hausanteilscheinserien mitgewirkt habe. Sie habe auch keinerlei Einfluß auf die Hausanteilscheinserien gehabt und es habe diesbezüglich keine geschäftliche Verbindung bestanden. Was Hans Peter W***** im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß erklärt habe, sei ihr weder bekannt, noch habe sie das zu verantworten. Es liege auch kein einheitliches Geschäft zwischen Kreditgewährung und Hausanteilscheinverträgen vor. Der Beklagte sei selbst am Vertrieb von solchen Scheinen beteiligt gewesen und hätte das Geschäft auch abgeschlossen, wenn die klagende Partei nicht als Finanzier aufgetreten wäre. Die klagende Partei habe auch keinerlei Kenntnis von der wirtschaftlichen Situation der Serien 14 und X gehabt, die sie hätten veranlassen müssen, vor solchen Beteiligungen zu warnen. Auch mit dem IMMAG Bereich, dem diese Beteiligungen zuzuordnen seien, habe keine Geschäftsverbindung bestanden. Eine solche sei lediglich mit der "WEB-Gruppe" aufrecht gewesen, wobei sich deren wirtschaftliche Situation in den Jahren vor Abschluß des prozeßgegenständlichen Geschäftes laufend gebessert habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach der Judikatur (zitiert wurde ua die Entscheidung des OGH 7 Ob 546/93) sei das Zustandekommen des Kreditvertrages wegen Dissenses zu verneinen. Hans Peter W***** sei aus Sicht des Beklagten Empfangsbote der klagenden Partei gewesen, weil er ermächtigt gewesen sei, den Kreditvertrag entgegenzunehmen. Darüberhinaus habe insofern ein gewisses Naheverhältnis zwischen der klagenden Partei und den Hausanteilscheingesellschaften bestanden, als die Kreditformulare sowohl hinsichtlich des Textes als auch hinsichtlich der Rückführung (10 Jahre ohne Kapitaltilgung) direkt auf die Hausanteilscheingeschäfte zugeschnitten waren. W***** sei zumindest als Bote anzusehen. Sei aber eine Erklärung gegenüber einem Boten abgegeben worden, so sei sie damit schon dem Empfänger zugegangen. W***** habe dem Beklagten sogar schriftlich bekanntgegeben, daß es sich bei den in den Kreditverträgen genannten Rückzahlungsraten nur um jene Beträge handle, die aus dem Girokonto überwiesen werden, daß der Beklagte aber selbst nur wesentlich geringere Beträge zu zahlen habe. Der Erklärungswille des Beklagten habe daher nur 1.000 S und 963 S umfaßt. Durch die Annahme der schriftlichen Kreditverträge habe es zu keiner Abänderung der über die schriftlichen Anträge hinausgehenden Zusagen des Boten kommen können. Im Hinblick darauf, daß der Beklagte selbst in der Folge nur geringere Zahlungen auf das Konto geleistet habe und dies bei allen Hausanteilscheinkrediten gleich gewesen sei, könne auch davon ausgegangen werden, daß der klagenden Partei diese Form der Abwicklung bekannt gewesen sei. Im Wegfall der Ausschüttung der Hausanteilgesellschaften und der Steuerbegünstigung liege daher ein Wegfall der gemeinsamen Gsechäftsgrundlage, so daß der Beklagte an den Vertrag nicht mehr gebunden sei. Jedenfalls sei aber bereits wegen des vorliegenden Dissenses kein Kreditvertrag zustandegekommen, so daß das auf Kreditverträge gestützte Begehren nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. In seiner rechtlichen Beureilung stützte es sich ebenfalls vor allem auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 7 Ob 546/93 und gelangte unter Übernahme der Argumente dieser Entscheidung zum Ergebnis, daß wegen Bestehens eines Dissenses kein Vertrag zustandegekommen sei. Der Dissens bestehe hier darin, daß die klagende Partei die Rückzahlungsverpflichtungen des Beklagten unabhängig von den Gewinnausschüttungen der Anlagegesellschaften gestalten wollte, wogegen der Beklagte aus eigenem monatlich nur 1963 S zahlen habe wollen. Dabei handle es sich keineswegs um einen unbeachtlichen Motivirrtum des Beklagten, weil der Rückzahlungsmodus für einen Kredit ein essentieller Bestandteil des Vertrages sei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtsansicht der Judikatur des Obersten Gerichtshofes entspreche.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes außer Acht gelassen hat:

Die vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung 7 Ob 546/93 mit der Schlußfolgerung, die nur den schriftlichen Teil des Anbotes des Kreditnehmers umfassende Annahmeerklärung der Bank sei mit dem Angebot des Kreditnehmers nicht deckungsgleich und führe jedenfalls zum Dissens, hat nicht ungeteilt Zustimmung gefunden. Wilhelm (ecolex 1993,665) scheint zwar das Ergebnis dieser Entscheidung zu begrüßen, hält sie aber für "vielleicht ein wenig zu großzügig gedacht", meint, nicht jeder Richter werde die Methode der Anbotanreicherung akzeptieren, zumindest wenn die Beschränkung auf Schriftliches klar zum Ausdruck komme. Er glaubt, im Wege der Anfechtung wegen Erklärungsirrtumes der vom Verhandlungsgehilfen der Bank veranlaßt worden sei oder der schadenersatzrechtlichen Haftung wegen schuldhaft unterbliebener Aufklärung - wobei die Bank nicht nur im Falle der Nichtaufklärung eines erkannten, sondern auch eines erkennbaren Risikos haften solle (ders, ecolex 1994,449; in diesem Sinn auch Apathy, ÖBA 1991, 921 und ÖBA 1994, 563) - eher zum angestrebten Ziel zu kommen.

P.Bydlinski (ÖBA 1993,911) lehnt die genannte Entscheidung hingegen im Ergebnis und in der Begründung ab: Es liege weder ein Dissens noch ein Geschäftsirrtum, sondern höchstens ein Motivirrtum vor; auch die Geschäftsgrundlage sei nicht weggefallen (näheres dort). Auch habe diese Entscheidung "überformalistisch" die Bereicherungsfrage vorläufig beiseite geschoben. Sei - wie der Oberste Gerichtshof meine - der Vertrag nicht zustande gekommen, bestehe ein Rückforderungsanspruch der Bank, der sich nach dem zunächst verschafften Nutzen richte. Entscheidend sei hiefür der Wert der Vermögensanlage im Zuge des Erwerbes durch den Anleger, spätere negative Entwicklungen der Beteiligung gingen auf das Risiko des Anlegers.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich im weiteren in seiner Entscheidung vom 29.3.1994, 1 Ob 599/93, ÖBA 1994,558 (m Anm v Apathy) nochmals mit einem ähnlichen Sachverhalt zu befassen. Er führte aus, der in der Entscheidung 7 Ob 546/93 vertretenen Auffassung, daß die mündlichen Erklärungen des Verhandlungsgehilfen der Bank über den Rückzahlungsmodus Inhalt des vom Erwerber des Hausanteilscheines an den Finanzierer gerichteten Anbotes zum Abschluß des Kreditvertrages werden und durch (schlüssige) Erklärungen über den Empfangsboten als der Bank zugegangen gelten, "könne im konkreten Fall nicht beigetreten werden". Sodann wird zunächst ebenfalls ausgeführt, daß - wie bereits in der Entscheidung SZ 59/36 dargelegt - die einem Boten des Anerklärten (Empfangsboten) gegenüber abgegebene Erklärung dessen Auftraggeber gegenüber so gelte, wie sie dem Boten gegenüber abgegeben wurde. Der Empfangsbote sei das "Ohr des Herren", eine unrichtige Übermittlung gehe zu Lasten des Erklärungsempfängers (SZ 55/75). Stets sei aber zu prüfen, was Inhalt dieser Erklärung geworden sei.

Im Falle der vorgenannten Entscheidung wurde den Kreditnehmern ein Kredit mit einer Laufzeit von 10 Jahren eingeräumt und diese verpflichteten sich nach dem Inhalt des schriftlichen Kreditvertrages zur Deckung der aufgelaufenen Zinsen monatliche Zahlungen von S 2.172 zu leisten. Ein Teil der Zinsen sollte nach dem Finanzierungskonzept durch Gewinnausschüttungen aus den verpfändeten "Hausanteilscheinen" abgedeckt werden, die Rückzahlung des Kredites nach 10 Jahren konnte nur unter Heranziehung der Rückkaufssumme erfolgen. Die Rückzahlung des Kapitalbetrages hätte freilich auch auf andere Weise erfolgen können. Aus diesen Umständen folgerte die Entscheidung, die Erklärungen des Anlageberaters "können dann auch nur dahin verstanden werden, die besondere Vorteilhaftigkeit der Anlage zu unterstreichen." Dazu komme, daß nach den getroffenen Feststellungen der Erstbeklagte ausdrücklich erklärt habe, den Punkt der Kreditbedingungen, wonach keine über den Inhalt des schriftlichen Antrages hinausgehende Zusagen gemacht wurden, zur Kenntnis genommen zu haben. Dem sei jedenfalls die Bedeutung beizumessen, daß eine "Anreicherung" des Anbots auf dem Wege der Einbeziehung von Erklärungen des mit der Entgegennahme des Anbotes betrauten Gehilfen nicht in Betracht komme. Unter diesen Umständen seien alle Erklärungen über den Rückzahlungsmodus nicht Inhalt des Anbotes auf Abschluß des Kreditvertrages geworden, sodaß der Kreditvertrag rechtswirksam mit dem Inhalt, wie er sich aus dem Kreditantragsformular, das der Kläger unterschrieben habe, ergebe, zustande gekommen sei.

Im weiteren folgt die vorgenannte Entscheidung den in der Entscheidung SZ 61/148 und Folgeentscheidungen aufgestellten Grundsätzen - die von der Lehre überwiegend zustimmend begrüßt worden sind (Nachweise in der genannten Entscheidung) - zur Frage einer allfälligen wirtschaftlichen Einheit des Finanzierungs- und des finanzierten Geschäftes und eines daraus resultierenden Einwendungsdurchgriffes, sei es zufolge analoger Anwendung der Bestimmungen des § 18 KSchG oder unter Heranziehung von Grundsätzen der Lehre von der Geschäftsgrundlage. Zusammengefaßt kommt auch sie zum Ergebnis, daß bei Finanzierung risikoträchtiger Beteiligungen ungeachtet wirtschaftlicher Einheit zwischen finanziertem Geschäft und Kreditgeschäft ein Einwendungsdurchgriff abzulehnen sei, weil es bei solchen Geschäften nicht gerechtfertigt sei, das Risiko der Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäftes den Kreditgeber tragen zu lassen. Das könne aber nur solange gelten, als sich das Kreditinstitut auf seine Rolle als Finanzierer beschränke und sich nicht in einer darüber hinausgehenden Weise am finanzierten Geschäft beteilige. Wenn sich das Kreditinstitut in den Vertrieb der Beteiligung einschalte, an der Konzeption des Projektes beteiligt gewesen sei oder einen besonderen Vertrauenssachverhalt geschaffen habe, könne freilich eine Risikotragung durch den Finanzierer in Betracht kommen (SZ 61/148; WBl 1994, 26 = ÖBA 1994,325; JBl 1994,260). Dies müsse beim gegebenen Sachverhalt bejaht werden, weshalb der Oberste Gerichtshof zur Klageabweisung komme.

Auch diese vorgenannte Entscheidung hat bereits literarische Stellungnahmen ausgelöst. Apathy (ÖBA 1994, 563) bespricht diese Entscheidung abwägend, kommt aber zu im wesentlichen zustimmenden Ergebnissen. Insbesondere verdiene die Ansicht des Obersten Gerichtshofes Zustimmung, daß der Erwerber einer risikoträchtigen Beteiligung nicht erwarten könne, daß der Nichteintritt seiner geschäftlichen Erwartungen auf den (bloßen) Finanzierer überwälzt werden könne, dieser also gleichsam eine Garantie für die Beteiligung abgebe und dem Erwerber das Insolvenzrisiko abnehme. Auch in der Frage des behaupteten Dissenses teilt Apathy die in der Entscheidung 1 Ob 599/93 vertretene Ansicht. Man dürfe, wenn man sich als Gesellschafter beteiligen wolle, nicht glauben, daß dies ohne jedes Risiko geschehe, daß man also den Kapitalbetrag unter keinen Umständen aus eigenen Mitteln zurückzuzahlen habe. Gebe es eine solche völlig risikolose Kapitalanlage, so bräuchte von vorneherein keine persönliche Haftung des Kreditnehmers für die Rückzahlung vereinbart zu werden. Lediglich hinsichtlich der Verpflichtung zur Aufklärung über das Risiko des finanzierten Geschäftes hält Apathy die Ansicht des Obersten Gerichtshofes - die dort aber im Ergebnis keine Rolle spielte - für zu eng. Die Bank solle nicht nur bei positiver Kenntnis, sondern bei erkennbarem Risiko, das sie sorgfaltswidrig nicht zur Kenntnis genommen habe, aus schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten dem Erwerber haften.

Auch in der Entscheidung 8 Ob 649/93 = BankArch 1995/473 = ecolex 1994,749, die eine völlig gleiche Anlage bzw deren Finanzierung zum Gegenstand hatte, lehnte der Oberste Gerichtshof die in der Entscheidung 7 Ob 546/93 vertretene Ansicht, die nur den schriftlichen Teil des Anbots des Kreditnehmers umfassende Annahmeerklärung der Bank sei mit dem Angebot des Kreditnehmers nicht deckungsgleich und führe jedenfalls zum Dissens, ab und folgte in diesem Punkt im Ergebnis der in der Entscheidung 1 Ob 599/93 vertretenen Ansicht. Mit P.Bydlinski (aaO) sei zunächst festzuhalten, daß einem verständigen Anlageinteressenten bekannt sein müsse, daß Vermögensberater die von ihnen empfohlene Anlage typischerweise in rosigem Licht darstellten. Auch wenn bei Zeichnung der Beteiligung das Vermögen der Gesellschaft ganz unbelastet gewesen sei, folge daraus noch nicht, dies werde zwingend auf Dauer so bleiben; ebensowenig garantiere das zunächst unbelastete Vermögen einen Geschäftserfolg auf Dauer. Schließlich sei keine Anlageform völlig risikolos; ansonsten wäre etwa das Sparbuch kaum mehr gefragt. Jeder Anleger müsse wissen: Je höher die Gewinnchancen, desto höher auch das Risiko. Der Anleger hätte auch in diesem Fall keinen Grund anzunehmen, daß die Bank das Risiko des finanzierten Geschäftes freiwillig auf sich nehmen wollte. Die Bank habe vielmehr ein solches Risiko in ihren Bedingungen ausdrücklich abgelehnt. Sie habe in ihren auf dem Kreditantrag abgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen erklärt: "Die Bank übernimmt keine wie immer geartete Haftung für die Gestion des Beteiligungsunternehmens, an dem sich der Kreditnehmer mit Hilfe des Kredites nunmehr beteiligt. Die Bank nimmt auch keine wie immer gearteten Überprüfungen der Zahlungen und Zusagen vor, die von der Beteiligungsfirma genannt werden. Der Kreditnehmer erklärt daher, seine Entscheidung zur Beteiligung ohne jegliche Einflußnahme der Bank aus freien Stücken getroffen zu haben, und nimmt zur Kenntnis, daß aus der Kreditgewährung keine rechtliche Beziehung zwischen Beteiligung und Kreditverhältnis entsteht". Daß bei einem Kredit von S 450.000 vom Kreditnehmer monatlich bloß S 1.200 an Zinsen geschuldet sein sollten, darüber hinausgehende Risken ("bei Mängeln" der Anlage), also allein der Finanzierer übernehmen würde, dürfe ein verständiger Anleger nicht ohne weiteres annehmen. Ansonsten hätte die Bank wohl auch die Gewinnchancen voll übernommen und sich nicht bloß mit den Kreditzinsen zufrieden gegeben. Die persönliche Belastung des Klägers mit monatlich nur S 1.200, die sich aus dem Abbuchungsauftrag an die Hausbank ergebe, müsse von einem verständigen Anleger unter der erkennbaren Voraussetzung einer reibungslosen Abwicklung der Beteiligung (pünktliche Gewinnausschüttungen in versprochener Höhe aus den verpfändeten Hausanteilscheinen und Steuerrückvergütungen) gesehen werden. Der Anleger dürfe nicht annehmen, die finanzierende Bank wolle diese zukünftige - und damit immer ungewisse - Entwicklung garantieren. Die Äußerungen des Vermittlers dürften redlicherweise nicht so verstanden werden, die erläuterten günstigen Rückzahlungsbedingungen würden unabhängig von der Entwicklung des Anlageprojektes gelten: Dem Hinweis des Vermittlers, die Seriengesellschaft könne nicht insolvent werden, lasse sich keine reduzierte Rückzahlungspflicht des Anlegers entnehmen. Erklärungsinhalt aus der Sicht eines redlichen Empfängers habe insoweit nur eine Vermutung über die zukünftige Entwicklung sein können. Dieses Ergebnis hat in der Lehre grundsätzlich Zustimmung gefunden (Koziol, BankArch 1995, 152 ff).

In dem der vorzitierten Entscheidung zugrundeliegenden Fall war im Kreditformular die Höhe der Rückzahlungsrate von ursprünglich 1.200 S auf 3.500 S ausgebessert worden; zur Klärung der Frage, wann diese Ausbesserung erfolgte, wurden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Habe der Kläger das Kreditantragsformular bereits mit dem erhöhten Rückzahlungsbetrag von S 3.500 unterschrieben, seien die mündlichen Erklärungen des Vermittlers über den Rückzahlungsmodus nicht auch Inhalt des Anbots auf Abschluß des Kreditvertrages geworden; vielmehr sei der Kreditvertrag rechtswirksam mit dem Inhalt, wie er sich aus dem Kreditantragsformular ergebe, zustandegekommen.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Kreditverträge unstrittig zu einem Zeitpunkt unterfertigt, als die Rückzahlungsraten bereits in der festgestellten Höhe im Formblatt eingetragen waren. Es ist daher zunächst von einem gültigen Kreditvertrag auszugehen. Damit kommt der Frage entscheidende Bedeutung zu, ob der Anleger den Kreditvertrag durch Anfechtung wegen Irreführung beseitigen kann. Das wäre nur zu bejahen, wenn man einen von der finanzierenden Bank (über den Vermögensberater) veranlaßten wesentlichen Geschäftsirrtum gemäß § 871 ABGB bejahte: Der Irrtum wäre nicht bloß im Inhalt des Beteiligungsgeschäftes gelegen. Die Meinung, ohne ein weitergehendes Risiko persönlicher Inanspruchnahme monatlich nur S 1.963 zahlen zu müssen, betreffe vielmehr den Inhalt des Kreditvertrages (so Wilhelm ecolex 1993, 665). Dies ist jedoch mit P.Bydlinski (aaO) zu verneinen.

Der Irrtum über die gewählte Anlage ist - sofern es nicht gar um bloß Zukünftiges geht - in bezug auf den Kreditvertrag nur ein Motivirrtum. Der Beklagte hat nur im Beweggrund geirrt. Der Erfolg der finanzierten Vermögensanlage ist erkennbar nicht Inhalt des Kreditgeschäftes geworden. Deutlich wird dies durch die oben wiedergegebene "Trennungsklausel". Der Irrtum des Anlegers, er schulde persönlich nur S 1.963 pro Monat, obwohl in den Kreditanboten von S 4.860 die Rede ist, war dann bloß Folge dieesr Fehleinschätzung seines Anlagerisikos. Diese Fehlvorstellung ist daher nicht mehr als ein schlichter Motivirrtum.

Eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage scheidet ebenfalls aus: Die positive Entwicklung der Beteiligung ist weder typische Voraussetzung des Kreditvertrages noch durfte mit ihr ohne weiters gerechnet werden.

Es ist ganz überwiegend anerkannt, daß bei drittfinanzierten Vermögensanlagen kein Einwendungsdurchgriff analog § 18 KSchG in Betracht kommt, so daß für den Beklagten auch aus der Berufung auf diese Bestimmung nichts gewonnen ist. Bei Finanzierung risikoträchtiger Beteiligungen ist - ungeachtet wirtschaftlicher Einheit zwischen finanziertem Geschäft und Kreditgeschäft - ein Einwendungsdurchgriff abzulehnen, weil es bei solchen Geschäften nicht gerechtfertigt ist, das Risiko der Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäftes den Kreditgeber tragen zu lassen. Das Risiko der Beteiligung hat grundsätzlich derjenige zu tragen, der Kapital investieren will; er kann nicht erwarten, daß der Nichteintritt seiner geschäftlichen Erwartungen auf den Finanzierer überwälzt werden kann. Dies kann aber nur so lange gelten, als sich das Kreditinstitut auf seine Rolle als Finanzierer beschränkt (SZ 61/148; WBl 1994,26 = ÖBA 1994,325; JBl 1994, 260; ÖBA 1994, 558; 8 Ob 649/93). Im Gegensatz zu dem der Entscheidung 1 Ob 599/93 zugrundeliegenden Sachverhalt hat sich die klagende Partei im vorliegenden typischen Risikogeschäft auf ihre Finanzierungsfunktion beschränkt und ist nicht als Anlageberater tätig geworden.

Der Beklagte hat aber im Prozeß die Behauptung aufgestellt, daß die Gsellschaften, die das Kaufanbot stellten, in dem Zeitpunkt, in dem er das Geschäft abschloß, bereits konkursreif gewesen seien und die klagende Partei davon gewußt habe.

Aus Anlaß der Auseinandersetzung mit der Begründung der Entscheidung 8 Ob 649/93 wurde von der Literatur (Wilhelm, ecolex 1994, 746 ff; Koziol, BankArch 1995, 152 ff) der Frage der Aufklärungspflichten der Bank breiter Raum eingeräumt. Wilhelm tritt dazu unter Berufung auf Graf (ecolex 1994, 744) der Begründung der Entscheidung, daß die Bank in contrahendo verpflichtet gewesen wäre, den Kreditnehmer über ein schon bei der Veranlagung bestehendes Veranlagungsrisiko aufzuklären, wenn ihr dieses Risiko bekannt gewesen sei, bei. Er vertritt jedoch im weiteren den Standpunkt, daß sich im Gegensatz zur Ansicht des Obersten Gerichtshofes aus den Urteilsfeststellungen ergebe, daß ein solches Risiko, das eine Aufklärung erfordert hätte, vorgelegen sei; seien die Gesellschaften zahlungsunfähig gewesen, so hätte auch die (dort festgestellte) vorsichtig optimistische Einschätzung der künftigen Entwicklung die Bank nicht von der Aufklärungspflicht entbunden. Die Unterlassung der Aufklärungspflicht durch die Bank berechtige den Kreditnehmer sowohl zur Forderung nach Schadenersatz wie auch zur Anfechtung des Kreditvertrages. Koziol (aaO), hält dem entgegen, daß die Ansicht Wilhelms das Bankgeheimnis nicht beachte:

Sei auch die Anlagegesellschaft Kunde der Bank, so hätte diese ohne Verstoß gegen das sie bindende Bankgeheimnis die wirtschaftliche Situation der Anlagegesellschaften nicht offenlegen dürfen. Dies bedeute allerdings nicht, daß die Bank, wenn keine Ausnahmen von der Geheimhaltungspflicht vorlägen, den Anleger bewußt irreführen dürfe. Sie habe jedenfalls - soweit zulässig - allgemein gehaltene Auskünfte zu erteilen. Erfordere die Aufklärungspflicht weitergehendere Informationen des Anlegers, so bleibe der Bank, sofern sie die Zustimmung der Anlagegesellschaft zu weiteren Informationen nicht erhalte, nur der Weg offen, das Geschäft mit dem Anleger zu unterlassen. Schließe die Bank aber das Geschäft dennoch, so bestehe ein Schadenersatzanspruch des Anlegers nur dann, wenn der Bank der Beweis nicht gelinge, daß im Fall der Unterlassung der Kreditgewährung durch sie diese durch andere Banken, denen die schlechte Finanzlage der Gesellschaft nicht bekannt war, erfolgt wäre.

Der Ansicht Koziols ist beizutreten, weil die Annahme einer unbeschränkten Verpflichtung der Bank gegenüber dem potentiellen Anleger, die wirtschaftliche Situation der Anlagegesellschaft offenzulegen, dann, wenn auch die Anlagegesellschaft Kunde dieser Bank ist und die Bank ihr Wissen aus dieser Geschäftsverbindung bezieht mit der der Aktiengesellschaft gegenüber bestehenden Geheimhaltungspflicht in unlöslichem Widerspruch stünde. Wilhelm hat bei seinen Ausführungen offenbar nur den Fall vor Augen, in dem das Wissen der Bank von der schlechten Vermögenslage der Gesellschaft nicht aus der Geschäftsverbindung mit dieser resultiert.

Wie weit allerdings die von den zitierten Entscheidungen und Autoren behandelten Fragen hier überhaupt relevant sind, kann im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht beurteilt werden, weil zu dem diesbezüglichen Vorbringen des Beklagten keinerlei Feststellungen getroffen wurden. Insoweit erweist sich das Verfahren ergänzungsbedürftig. Es steht bisher nicht fest, ob die Anlagegesellschaften im Zeitpunkt des Abschlusses der Kreditverträge in einer finanziellen Situation waren, die eine Aufklärung des Beklagten erfordert hätte, sowie, ob der klagenden Partei die wirtschaftliche Situation der Gesellschaften überhaupt bekannt war. Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen nur zugrunde, daß die klagende Partei zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften Darlehen in Millionenhöhe gewährt hatte. Unklar ist, ob es sich dabei um die Finanzierung der hier in Frage stehenden Gesellschaften handelte bzw ob auch andere Darlehensgeber beteiligt waren, was allerdings dazu hätte führen können, daß die klagende Partei als nur teilweiser Finanzier die wirtschaftliche Lage der Gesellschaften nicht voll überblicken konnte. Sollten die Anlagegesellschaften tatsächlich in einer Situation gewesen sein, die ihre Insolvenz befürchten lassen mußte, und sollte dies der klagenden Partei bekannt gewesen sein, so wäre zu klären, ob sie dieses Wissen aus ihrer Geschäftsverbindung mit den Gesellschaften bezog (die sie möglicherweise nicht oder nur teilweise finanzierte), oder ob sie davon auf andere Weise Kenntnis hatte; in letzterem Fall wäre das Bankgeheimnis (siehe dazu die oben wiedergegebenen Ausführungen Koziols) einer eingehenden Aufklärung des Beklagten nicht entgegengestanden. Andernfalls hätte für die Bank nur die Möglichkeit bestanden, die Kreditgewährung überhaupt abzulehnen.

Sollten sich die Behauptungen des Beklagten als richtig erweisen, könnten sie jedenfalls sowohl die Grundlage für eine Anfechtung der Kreditverträge wie auch für die einredeweise erhobene Gegenforderung bilden. Dabei ist aber zu beachten, daß die klagende Partei (wenn auch nicht genauer konkretisiert und/ohne Beweisanbot) ein Vorbringen erstattete, das in die Richtung weist, daß der Beklagte das Geschäft in jedem Fall abschließen wollte (siehe dazu die oben wiedergegebenen Ausführungen Koziols aaO), daß also die Vorgangsweise der klagenden Partei für den Abschluß des Geschäftes durch den Beklagten und den Schaden, den er daraus letztlich erlitt, nicht kausal gewesen sei. Diese Frage wird im weiteren Verfahren ebenfalls noch mit den Parteien zu erörtern sein.

Woraus der Beklagte allerdings seine compensando eingewendete Gegenforderung auf Ersatz der Nachzahlungen wegen Verlustes der Steuerbegünstigung gründet, ist nicht erkennbar.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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