Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei zu Handen der Handelskammer NÖ, Bezirksstelle Mödling, Elisabethstraße 1, 2340 Mödling, den mit S 3.200 bestimmten Aufwandersatz im Berufungsverfahren und zu Handen des Beklagtenvertreters die mit S
8.370 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.395 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt mit der Behauptung zu Unrecht als Arbeiter eingestuft gewesen zu sein, obwohl er Angestelltentätigkeiten verrichtet habe, aus der daher fristwidrigen Beendigung des Dienstverhältnisses an Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung einen Betrag von S 158.982,56 brutto sA.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger nur Tätigkeiten eines Oberkellners verrichtet habe.
Der Kläger war vom 26.2.1990 bis 23.2.1993 bei der Beklagten beschäftigt. Er war als Oberkellner eingestuft und hatte den Titel "Chef de service". Er war für die Leitung der ihm unterstellten Service-Crew verantwortlich, hatte die Arbeitseinteilung vorzunehmen, die Arbeitsweise und die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu überwachen. Damit war auch Einschulung und die Koordinierung der Urlaube der Mitarbeiter verbunden. Er führte seine Mitarbeiter in die Bedienung der Computerkassen ein, wofür ein Zeitraum zwischen zwei und drei Stunden erforderlich war. Die Kontrolle der Tagesabrechnung wurde entweder von ihm oder einem seiner Mitarbeiter gemacht. Hauptverantwortlich für die Gastronomiebetriebe der Beklagten war der sogenannte FB-Manager. Beim Einkauf und der Verantwortlichkeit für den Küchenbereich war der Kläger nicht eingebunden. Er übte bei der Erstellung der Weinkarte eine beratende Funktion aus und erstellte auch handschriftliche Weinkarten. Im letzten Jahr war der Kläger auch im Room-Service eingesetzt und erstellte ein Konzept für die Mini-Bar-Kontrolle. Daß er darüber hinaus Konzepte im Gastronomiebereich erarbeitet hätte, konnte nicht festgestellt werden. Die Feststellung von Personalbedarf im allgemeinen gehörte nicht zu den Aufgaben des Klägers. Für seinen Bereich oblag ihm allerdings die Mitteilung, ob er mit dem vorhandenen Personal das Auslangen findet oder nicht. Bei Personalaufnahmen fanden die Gespräche zunächst mit dem zuständigen Personalchef, dann mit dem jeweiligen Chef der Abteilung, zB dem FB-Manager statt. Erst danach waren Gespräche mit dem jeweiligen unmittelbaren Vorgesetzten zu führen, mit dem letztlich die Zusammenarbeit erfolgen sollte. Wenn der Kläger betroffen war, so hatte er einen Beurteilungsbogen vor Ende der Probezeit auszufüllen. Bei wöchentlichen Meetings, in denen die Veranstaltungen der kommenden Woche besprochen wurden, hatte der Kläger für seinen Bereich an der Personaleinteilung mitzuwirken. Die Entscheidungen traf jedoch der FB-Manager. Der Kläger hatte für seine Mitarbeiter die Urlaubswünsche zu koordinieren. Die Genehmigung des Urlaubes erfolgte durch die Personalabteilung, die nie einen beantragten Urlaub nicht genehmigt hat. Der Kläger verrichtete auch selbst Kellnertätigkeiten, dies insbesondere zum Wochenende und auch bei größeren Veranstaltungen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß die vom Kläger übernommenen Aufgaben denjenigen des Berufsbildes des Oberkellners entsprachen, der aber als Arbeiter zu qualifizieren wäre. Die Verrichtung kaufmännischer Dienste in Randbereichen begründe keinesfalls eine vorwiegende Leistung kaufmännischer oder höherer nicht kaufmännischer Dienste.
Das Gericht zweiter Instanz änderte in Stattgebung der Berufung der klagenden Partei das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung ab. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß die Dienstleistungen des Klägers vorwiegend als höhere nicht kaufmännische Dienste zu qualifizieren seien. Die Kellnertätigkeit habe er nur mehr an Wochenenden oder bei größeren Veranstaltungen verrichtet. Die Verantwortlichkeit für die ihm unterstellte Service-Crew mit Vornahme der Arbeitseinteilung, der Überwachung der Arbeitsweise und der Arbeitszeiten, der Kontrolle der Tagesabrechnung, der Urlaube, der Einschulung und der Erstellung der Weinkarte überschritten in nicht unerheblichem Maß die mit dem Berufsbild Kellner verbundenen Tätigkeiten. Er sei nicht unter ständiger fachlicher Kontrolle gestanden, sondern habe die wesentlichen Agenden selbst organisiert und koordiniert. Ausschlaggebend sei neben seiner besonderen Qualifikation, daß die Position des Klägers eine besonders Durchdringung der Arbeitsaufgaben voraussetze, also nicht rein mechanisch ausgeübt und nicht ohne weiteres von jedem anderen Kellner geleistet werden könne. Seine Tätigkeiten hätten auch für den Dienstgeber ausschlaggebende Bedeutung gehabt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt allerdings nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO), weil das Berufungsgericht die vom Revisionswerber nicht als aktenwidrig angesehenen Feststellungen zur Gänze übernommen hat. Die unvollständige Wiedergabe von Feststellungen in der rechtlichen Beurteilung begründet diesen Revisionsgrund hier nicht, weil eine Auswirkung auf die rechtliche Beurteilung nicht vorliegt.
Als höhere Dienstleistung kommt eine Arbeit in Betracht, die doch in der Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, Vertrautsein mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung derselben verlangt, also nicht rein mechanisch ausgeübt wird und nicht von einer zufälligen Ersatzkraft geleistet werden kann (Floretta/Spielbüchler/Strasser ArbR I3, 62; Martinek/M. und/W.Schwarz AngG7, 74 mwN; Arb 10.932; SSV-NF 6/20).
Die Arbeiten müssen aber wesentlich über den Durchschnitt einer Arbeiter- oder gar Hilfsarbeitertätigkeit hinausgehen. Das bedeutet für den gelernten Kellner, daß es grundsätzlich nicht ausreicht, die in den Berufsausbildungsvorschriften erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse aufzuweisen und anzuwenden. Die nach der Gesamtheit der Tätigkeiten des Arbeitnehmers zu beurteilende Angestellteneigenschaft (Arb 9.749) wird nur durch Hinzutreteten weiterer Kriterien als Indizien einer Angestelltentätigkeit begründet, die auf eine über das durchschnittliche Ausmaß wesentlich hinausgehende größere Selbständigkeit, umfassendere Fachkenntnisse, Genauigkeit, Verläßlichkeit, Fähigkeit der Beurteilung der Arbeiten anderer, der Aufsichts- und Leitungsbefugnis und der Einsicht in den Produktionsprozeß hinweisen (Martinek/M.und/W.Schwarz aaO 74; SSV-NF 6/20). Manuelle Arbeiten hingegen sind keine höheren nicht kaufmännischen Arbeiten (Arb 10.932). Auch aus einem Titel oder der Bezeichnung des Dienstnehmers im Betrieb kann kein Hinweis für Angestelltentätigkeiten abgeleitet werden. Werden Mischtätigkeiten verrichtet (höhere nicht kaufmännische und nicht in dieser Richtung qualifizierte Arbeiten), dann entscheidet im allgemeinen das zeitliche Überwiegen. Hat jedoch die höher qualifizierte Tätigkeit für den Arbeitgeber die ausschlaggebende Bedeutung, dann kommt es nicht auf das zeitliche Überwiegen an (Martinek/M.und/W.Schwarz aaO 74; Arb 10.045; SSV-NF 6/20; 9 ObA 98/93 = Infas 1994 A 147; 9 ObA 242/93; 9 ObA 165/94 ua).
Von keiner entscheidenden Bedeutung ist, ob manuelle Serviertätigkeiten des Klägers nur an Wochenenden und bei größeren Veranstaltungen oder auch sonst vom Kläger verrichtet wurden, weil jedenfalls den Feststellungen zu entnehmen ist, daß diesen Tätigkeiten neben den anderen nur untergeordnete Bedeutung zukam.
Entscheidend ist, ob die Tätigkeiten des Klägers über die mit der Berufsausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten wesentlich hinausgingen und in diesem Umfang durch Vorliegen von besonderen Indizien von maßgebender Bedeutung für den Arbeitgeber waren, zumal ein zeitliches Überwiegen bestimmter Tätigkeiten nicht festgestellt worden ist.
Das einmalige Erstellen eines Konzeptes für die Mini-Bar-Kontrolle muß vernachlässigt werden, weil es auf keinen ständigen Tätigkeitsbereich hinweist. Der Kläger hat insbesondere bei Personalaufnahmen, bei der Personalbereitstellung und Einteilung in untergeordneter Weise mitgewirkt. Nur wenn er selbst betroffen war, hatte er Personalbeurteilungsbogen vor Ende der Probezeit zu erstellen. Er überwachte die ihm unterstellte Service-Crew, schulte ein, hatte die Arbeitseinteilung vorzunehmen und die Arbeitsweise und Arbeitszeiten zu überwachen und nahm die Koordinierung der Urlaube der Mitarbeiter vor. Teilweise hatte er neben anderen Mitarbeitern die Tagesabrechnung zu kontrollieren.
Diese Tätigkeiten erfordern zwar eine gewisse Qualifikation, die aber im Grunde genommen die beim Lehrberuf Kellner erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht wesentlich überschreitet. Die Erstellung von Weinkarten oder die Bedienung von Kassen und die Unterweisung wie auch die Kontrolle der Tagesabrechnung, die mit der in der Berufsausbildungsvorschrift enthaltenen Erstellung einer Abrechnung verknüpft ist, gehört zu den Facharbeiterkenntnissen, die lediglich durch eine größere Berufserfahrung gesteigert wurden.
Im gesamten betrachtet überschreitet die Aufsichtsfunktion über die Service-Crew, die Überwachung deren Arbeitsweise und der Arbeitszeiten, der Einschulung und Koordinierung der Urlaube der Mitarbeiter sowie die Mitwirkung an der Vorbereitung von gewissen Personalentscheidungen, sowie die Personalbereitstellung für den jeweiligen Bedarf, ohne einer eigenen Erledigungskompetenz noch nicht wesentlich den Rahmen der mit der Berufsausbildung und der Berufserfahrung eines Facharbeiters erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, wo doch das Planen und Durchführen gastronomischer Veranstaltungen und die Erstellung von Dienstplänen laut § 1 Pos 24 und 30 der Ausbildungsvorschriften im Zusammenhang mit der Berufserfahrung die Grundlage für die vom Kläger angeführten Tätigkeiten sind.
Eine wesentlich über dem Durchschnitt einer Oberkellnertätigkeit in einem größeren Gastronomiebetrieb liegende Tätigkeit des Klägers lag im vorliegenden Fall vor allem deshalb nicht vor, weil er auch bei den eine gewisse Selbständigkeit aufweisenden Leitungstätigkeiten gegenüber der Service-Crew nur eine einem Partieführer oder Vorarbeiter ähnliche Stellung einnahm. Dieser Umstand und die bloße Mitwirkung bei Personalentscheidungen ohne gänzliche Ausschaltung der manuellen Serviertätigkeiten lassen die für einen Angestellten erforderliche Selbständigkeit der fachlichen Erledigung bestimmter Kompetenzbereiche vermissen, sodaß bei der anzustellenden Gesamtbeurteilung die Tätigkeiten des Klägers ihrer Bedeutung nach für den Betriebsinhaber nicht über die Tätigkeit eines durch Berufserfahrung besonders qualifizierten Facharbeiters hinausgingen.
Da auch der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe der Unterscheidung von Oberkellnern mit mehr oder weniger als fünf Servierkräften durch unterschiedliche Lohnansätze Rechnung trägt, läßt dies darauf schließen, daß die Leitungsfunktion in einer Gruppe auch unter nicht ständiger fachlicher Kontrolle und nur eingeschränkter Selbständigkeit nicht allein eine Angestelltentätigkeit begründet, sondern höchstens eine durch Berufserfahrung erzielte besondere Qualifikation unter Oberkellnern, deren Bedeutung für den Arbeitgeber aber schon durch die Einstufung als Oberkellner zum Ausdruck kommt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO, sowie § 58 a ASGG iVm § 1 Aufwandersatzgesetz und der Verordnung über den Aufwandersatz von gesetzlichen Interessenvertretungen (BGBl 1993/849).
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