OGH 6Ob1540/95

OGH6Ob1540/9523.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten Dr.Franz Kriftner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Willibald K*****, vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Herausgabe (Streitwert 500.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 16.Jänner 1995, AZ 6 R 259/94 (ON 24), womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 16. November 1994, GZ 7 Cg 173/92m-21, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

In dem zwischen dem Beklagten und seiner Gattin, der Geschäftsführerin der klagenden Gesellschaft mbH, vor dem zuständigen Bezirksgericht anhängigen Scheidungsverfahren trafen die Eheleute in der Tagsatzung vom 6.Mai 1993 eine - in der in einem weiteren Verfahren ergangenen, nicht veröffentlichten Entscheidung vom 6.Mai 1994, AZ 8 Ob 521/94, als verbindlich beurteilten - Vereinbarung, deren Punkt 4.) lautet:

"In sämtlichen anhängigen Verfahren tritt Ruhen in der Folge ein, die vertragliche Durchführung hat binnen 4 Wochen ab heute zu erfolgen, die Parteien werden das Gericht über den Vertragsabschluß informieren, sodaß dann die einvernehmliche Scheidung durchgeführt werden kann."

Die Parteien zeigten ihre Ruhensvereinbarung dem Erstgericht nicht an. Dieses stellte fest, das Verfahrens ruhe seit 6.Mai 1993, eine anberaumte Tagsatzung finde nicht statt. Das Rekursgericht hob diesen Beschluß ersatzlos auf, trug dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung auf, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach Zustellung dieser Entscheidung legte der Beklagte mit seinem, von der klagenden Partei nicht gefertigten, Schriftsatz vom 16.Februar 1995 ON 26 den "Scheidungsvergleich" vor und "zeigte an", daß zwischenzeitig Ruhen des Verfahrens eingetreten sei.

Der erkennbar über Anregung des Erstrichters (ON 25) erstattete, außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Die Parteien bewirken den Verfahrensstillstand durch Ruhen des Verfahrens entweder durch - hier nicht erfolgtes - Fernbleiben von einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung (sogenanntes Saumsalruhen) als faktische Untätigkeit oder durch einen Prozeßvertrag, worin sie auf mindestens drei Monate auf Rechtsschutz verzichten, somit durch vereinbarte prozessuale Untätigkeit. Die Vorschriften über das Ruhen des Verfahrens sind zwingendes Recht und abgesehen von der Vereinbarung über die Mindestdauer hinausreichenden Dauer des Ruhens der Parteiendisposition entzogen (RZ 1985/38; Fasching II 803). Gemäß § 168 ZPO ist die Vereinbarung, daß das Verfahren ruhen solle, erst von dem Zeitpunkte an wirksam, in welchem sie dem Gerichte von beiden Parteien angezeigt wurde. Vereinbartes Ruhen des Verfahrens tritt somit ex lege (Fasching II 802 und Lehrbuch2 Rz 610)^ein, aber nur bei Einlangen der "außergerichtlichen" - iS jeder nicht vor dem Prozeßgericht abgeschlossenen - Vereinbarung in einem gemeinsamen Schriftsatz der Parteien beim Prozeßgericht (SZ 36/96; JBl 1959, 135; SZ 8/39;

Gitschthaler in Rechberger, Rz 6 zu § 168 ZPO;

Buchegger-Deixler-Holzhammer, Praktisches Zivilprozeßrecht [1992],

202) oder durch Fertigung eines Gerichtsprotokolls, im Anwaltsprozeß mit Unterschrift der Rechtsanwälte beider Parteien (Fasching II 802 und Lehrbuch2 Rz 610), beim Prozeßgericht selbst.

Das Gesetz knüpft den Eintritt des Ruhens des Verfahrens nicht schon an die Vereinbarung der Parteien, sondern an eine prozessuale Willenserklärung (JBl 1959, 153). Daß das Prozeßgericht, dem im vorliegenden Fall keine beiderseitige Ruhensanzeige erstattet wurde, Kenntnis von der Ruhensvereinbarung durch die amtswegige Beischaffung des Scheidungsaktes erlangt, kann eine prozessuale Willenserklärung der Prozeßparteien nicht ersetzen; dies im anhängigen Rechtsstreit umso weniger, als nach Zustellung des Urteils, das die im Scheidungsverfahren getroffene (materiellrechtliche) Vereinbarung zitierte, beide Parteien Rechtsmittelschriften einbrachten, in denen sie sich nicht auf eine Ruhensvereinbarung bezogen. An der genannten gesetzlichen Voraussetzung ist umso strenger festzuhalten, als jede gegenteilige Auslegung nur einen vom Gesetz gewiß nicht beabsichtigten Anlaß zu verfahrensverzögernden Zwischenstreiten, etwa über die Wirksamkeit der Ruhensvereinbarung, geben kann. Vor Anzeige an das Gericht hat die Ruhensvereinbarung nur materiellrechtliche Wirkung (JBl 1959, 135; Buchegger-Deixler-Holzhammer aaO), erst mit der Anzeige durch beide Parteien tritt die unmittelbare prozessuale Wirkung ein.

Die Frage nach der von Amts wegen wahrzunehmenden Prozeßvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses, worauf der Beklagte hinweist, stellt sich damit ebensowenig wie nach einer allfälligen, aus analoger Anwendung des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO sich ergebenden Zweiseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens (vgl SZ 61/197 = EvBl 1989/60).

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